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3. Capriccioso.

Daß es Thiere giebt, die niemals dauernd zähmbar sind, ist bekannt, jedoch interessant zu erfahren, daß auch dem Menschen solche volle Unbezähmbarkeit der Natur innewohnen könne, daß es Wesen unserer Gattung unter uns giebt, die mit eherner Konsequenz alle Güter und Segnungen ständiger Existenz und Cultur abweisen, um einzig dem zu leben, was die allerdings unerschöpflich spendende Natur und das nächste einfache menschliche Dasein ihnen gewährt. Es ist dies eben jenes Volk, das »aus allen Strömen der Erde Wasser schöpft und Brot ißt von allen ihren Furchen.«

Liszt selbst, der durch seine traute Annäherung an dasselbe den Weg gefunden hatte, auch in ihr inneres Geheim eitlen Blick zu thun, hat uns von diesem Zuge seiner völligen Unbezähmbarkeit und Geringschätzung all unserer Kulturgüter ebenfalls ein Beispiel erzählt, das bei näherer Ueberlegung ebenso zum Nachdenken über den wahren Werth dieser unserer Kultur anregt, wie es in seiner äußeren Begebenheit höchlich erheiternd und wieder einen fast wehmuthvollen Humor erzeugend wirkt, der uns das ganze schillernde Wesen menschlicher Existenz empfinden läßt. Ihn selbst aber lernen wir dabei von einer psychologischen Seite kennen, die uns jeder Charakterschilderung überhebt.

Ob anhaltend liebevolle Beziehungen nicht endlich die der Zigeunerfreundschaft innewohnende Leichtfertigkeit zu besiegen im Stande wären, ja ob man nicht durch sorgliche Pflege eine jener exotischen Pflanzen ihrer, im ersten Aufstrahl so glänzenden speciellen Kunst, der Musik, in dem Klima der Civilisation zu vollerem Wachsthum entfalten und zur Veredlung des Geschmacks bringen könne? – dies waren die Fragen, die seit langem ebenso das rein menschliche Gefühl, das Gemüth dieses großen Künstlers wie der tiefe Sinn und sichere Spürgeist für alles Wahre und Echte, für das der unsterblichen Natur selbst Entsprossene seiner Kunst sich wiederholt vorlegten.

Es war in Paris zu Anfang der vierziger Jahre, in einer Zeit also, in der Liszts Gedanken nicht allzusehr mit jenen Zigeunern beschäftigt waren, als eines morgens sein lieber Freund Graf Sandor Teleky bei ihm eintrat in Begleitung eines etwa zwölfjährigen, in Husarenjacke und verbrämte weite Hosen gekleideten Knaben von schwarzbrauner Farbe, mit wildwachsenden Haaren, kühnem Blick, einer Haltung, als wolle er sämmtliche Könige der Welt herausfordern, und endlich einer Geige in der Hand. »Da sieh,« sagte der Graf, und stieß den Jungen an den Schultern zu ihm hin, »hier bringe ich dir ein Geschenk.« Groß war das Erstaunen aller, die dieser für französische Anschauungen äußerst befremdenden Scene beiwohnten. Unter andern war es jener Künstler, den man eben damals in Paris, trotz Liszt »den größten« nennen wollte, bis eine tiefe Kennerin der Sache den Streit einfach mit dem Wort abschloß: »Thalberg ist der Erste, aber Liszt ist der Einzige!« – Thalberg war es, der nicht aufhörte mit Fragen, was denn Liszt mit diesem Cadeau anfangen wolle.

Auch dieser selbst war überrascht. Denn er gedachte längst nicht mehr des zuvor einmal in Ungarn ausgesprochenen Wunsches, eines jungen Zigeuners habhaft zu werden, der mit Begabung für die Geige eine Fähigkeit zur weiteren Ausbildung in sich trage. Jedoch errieth er beim Anblick des schmächtigen nervösen, aber augenscheinlich schon recht bärbeißigen kleinen Wesens alsbald, daß hier seinem Verlangen nach einem jungen »Cygan« und Landsmann willfahrt worden sei. Der Graf hatte in der That, als er mit ihm zugleich Ungarn verlassen, die Aufmerksamkeit gehabt, auf seinen Gütern den Befehl zu hinterlassen, daß, wenn in der Folge ein junger Mann, wie sie ihn während ihres Aufenthalts dort vergeblich gesucht, sich finden sollte, man ihn direct nach Paris zu senden habe. Und das ungestüme kleine Geschöpf, welches er ihm da jetzt zuführte, war vor kurzem auf seinen Besitzungen entdeckt und ihm zugeschickt worden, nachdem man es vorher als Gegenstand einer liebenswürdigen Freundesgabe – angekauft hatte.

Liszt behielt nun den Knaben anfangs in seiner Nähe und fand natürlich ein höchst pikantes Vergnügen daran, die Entwicklung seiner Triebe und Launen in einer so neuen Umgebung zu beobachten. Sein ganzes Wesen war schon von Stolz beherrscht, der sich unter den verschiedensten Formen besonders durch tausenderlei naive und kindische Eitelkeiten kundgab; daß er aus Naschhaftigkeit stahl, alles Weibliche ewig umarmen wollte, alle Gegenstände, deren Mechanismus er nicht kannte, zerbrach, waren sehr unbequeme aber natürliche Fehler, die sich wohl von selbst abschleifen mochten. Es war indessen nicht leicht damit fertig zu werden, sie nahmen stets eine andere Richtung. »Józsy« wurde bald in diesen Kreisen, zu denen geistvolle psychologische Beobachter, wie Balzac und George Sand zählten, ein kleiner Löwe, und seine Privatconcerte erhielten seine Börse in gutem Stande. Das so reichlich fließende Geld wußte er denn auch bald mit der Gleichgiltigkeit und dem ungezwungenen Anstande eines Magnaten auszugeben. Der vornehmste Gegenstand seiner Aufmerksamkeit aber war die Eleganz seiner kleinen Person. Seine Koketterie war unglaublich und ging bis zur Ziererei. Schöne Stöckchen, Vorstecknadeln und Uhrketten mußten bei ihm immer im Ueberfluß und verschiedenster Auswahl vorhanden sein. Cravatten und Westen konnten ihm nie genug schreiende Farben haben und kein Friseur war ihm zum Lockenbrennen zu vornehm. Das »Adonisiren« war die große Aufgabe seiner Existenz. Aber in dieser Hinsicht nagte ihm ein Kummer am Herzen und vergiftete seine Freuden: seine Haut war im Vergleich zu seiner Umgebung so braun, so gelb! Er meinte durch häufigen Gebrauch von Seife und Oel, wie er sie von den beneidenswerthen Besitzern eines schönen Teints mit so viel Erfolg angewandt sah, diesem Uebel abzuhelfen und hörte mit Anschaffung solcher Dinge nicht auf. Er lief in die ersten Läden und kaufte alles, was ihm dienlich schien. Dabei warf er immer nur Fünffrankenstücke hin, denn er war ein viel zu vornehmer Herr, um sich herausgeben zu lassen.

Es war bald unmöglich, ihn auch nur irgend zu überwachen, denn er hatte sich in dem ganzen Freundeskreise seines Adoptivvaters zum vollen Dandy aufgeschwungen. Da nun Liszt damals seine Reise nach Spanien vorbereitete, so übergab er ihn einem Violinprofessor des Pariser Conservatoriums. Der versprach seiner erstaunlichen musikalischen Anlage die größte Sorgfalt zu widmen, während der Vorsteher einer Pension, in die der Knabe derweilen gethan ward, seinen Geist und sein Herz zu bilden übernahm. Allein schon bald bestätigten die Nachrichten über ihn mehr und mehr die Zweifel an dem Gelingen eines solchen Erziehungsplanes. Außer bei der Musik war es unmöglich ihn zu einer geregelten Thätigkeit zu bringen. Er hatte gegen alles, was er nicht wußte, die unüberwindlichste Geringschätzung und war, ohne es gerade einzugestehen, gründlich von seiner Ueberlegenheit über seine ganze Umgebung überzeugt. Er hatte an nichts Geschmack und interessirte sich als ein echter »Wilder« nur für seine Vergnügungen, seine Geige, seine Musik.

Als Graf Teleky ihn in dem ungarischen Zigeunercostüm gebracht, war er noch mit seiner angestammten Geige versehen. Aus dem nothdürftig zusammengeleimten Holzkästchen, das mit Saiten überzogen war, die eher zum Erhängen als zum Spielen tauglich schienen, spielte er schon damals mit merkwürdigem Aplomb und unvergleichlichem Feuer die klingendsten Tänze. Es fehlte ihm nicht an Auffassung und er spielte sehr gern. Er konnte Stunden verbringen, halb nach dem Gehör halb improvisirend sich vorzustreichen und mischte dabei nur sehr unwillig Melodien ein, wie er sie in seiner Umgebung hörte. Dieselben kamen ihm vielmehr meist fade und laff vor. Nur für eine Melodie, die er manchmal von Liszt selbst spielen gehört, war er sehr eingenommen und regalirte oft damit sein eigenes Publikum, wobei er sie aber in seiner Weise drollig aufputzte, so daß sie nie verfehlte die allgemeinste Heiterkeit zu erregen. Sobald er jedoch das wirkliche Studium anfangen sollte, bewies er eine Unfolgsamkeit, mit der nicht auszukommen war. Niemand konnte ihn überzeugen, daß nicht seine gewohnten Griffe unendlich viel schöner als alles seien, was man ihm beibringen könne, und er lebte der vollsten Gewißheit, daß er das Opfer barbarischen Zwanges sei, sobald sein Lehrer nur im mindesten Miene machte, sich nicht von ihm belehren zu lassen.

Es konnte nicht ausbleiben, daß Liszt bald hörte, Józsy werde größer, ändere sich aber nicht, er mache keine Fortschritte und man könne ganz und gar nichts mit ihm anfangen. Seine persönliche Schwäche für dieses sonderbare Zigeunervölkchen aber wollte ihn in den Zickzackbriefen des Knaben, die ganz den Typus orientalischer Emphase zeigten, den Beweis seines Fleißes sehen lassen. Um ihn eher wiederzusehen, ließ er ihn sich bis Straßburg entgegen bringen. Im Augenblicke seiner Ankunft dachte er gar nicht an den Knaben. Als er aber aus dem Wagen stieg, fühlte er plötzlich die gewaltsamsten Händedrücke und wurde durch die Umarmungen eines unbekannten jungen Mannes fast erstickt. Es kostete einige Augenblicke, um den kleinen Cygan der Steppe, den unzähmbaren Wildfang, in diesem nach Pariser Mode gekleideten eleganten jungen Gentleman wiederzuerkennen. Nur die gebogene Nase, die asiatischen Augen und der trotz aller Wohlgerüche und Seifen Frankreichs dunkel gebliebene Teint waren dieselben. Und sein Selbstbewußtsein auch! Denn als Liszt ihm überrascht zurief: »Ei Józsy, du siehst ja aus wie ein junger Herr!« antwortete er ganz unverdutzt und mit dem Ausdruck eines Hidalgo: »Ich bin ja auch einer!« Er behielt auch in dem neuen Costüm seinen hohen Stil und die Grandezza des Benehmens, und fortan ward es dem »Vater« schwer sich einzubilden, daß diese zähe Zigeunernatur in die Schranken des gesitteten Lebens zu bannen und auf dessen fest vorgezeichneter Bahn irgend zu erhalten sei.

Doch sein Wunsch stand nicht so bald von der Hoffnung ab. Er dachte, daß vielleicht Wald und Flur besseren Einfluß auf den Knaben üben würden als die bloße große Stadt und gab ihn nach Deutschland und zwar an den Fuß des Schwarzwaldes zu einem vortrefflichen Musiker. Dieser Aufenthalt, der ihn dem Dunstkreis der Großstadt, den Gefahren stets neuer Corruption als Zuwachs in seinen von Natur wenig tugendsamen Anlagen entzöge, so hoffte Liszt, könne vielleicht noch zu einem besseren Gedeihen des Wildfangs führen.

Nicht lange darauf war er in Wien und hörte von einer neuen Zigeunerbande. Er ging eines Abends in den »Zeiserl«, wo sie spielten, um zu hören, ob es sich lohne, mit ihnen näher sich zu befassen. Keiner seiner Gesellschaft dachte daran, in dieser Bande irgend ein bekanntes Gesicht zu finden, und jeder war deshalb über die sichtliche Bewegung erstaunt, die Liszts Eintritt in derselben hervorrief. Da stürzt ein schlanker junger Mann aus der Truppe auf ihn zu, fällt ihm zu Füßen und umfaßt seine Kniee mit den leidenschaftlichsten Ausbrüchen. In demselben Augenblicke war er von der ganzen Truppe umgeben und ohne weiteres mit Handküssen, Danksagungen und tausend Ausdrücken der Erkenntlichkeit überschüttet, von denen er keine Silbe verstand. Mit vieler Mühe erlangte er endlich Aufklärung, daß derjenige, der sich mit so enthusiastischen »Eljen Liszt!« vor ihm niedergeworfen, der – ältere Bruder Józsy's sei. Er hatte sich schon bei Liszts Freunden erkundigt und erzählte nun prahlend und schluchzend zugleich, was alles an Wohlthaten dieser dem armen verkauften Knaben erwiesen habe, was ihn übrigens nicht hinderte, wenn auch nur schüchtern darauf anzuspielen, daß sie ihn gern wiedersehen und wiederhaben möchten.

Da nun die Nachrichten seines neuen Lehrers durchaus nicht befriedigend waren und so jede Hoffnung aufgegeben werden mußte, aus diesem Zigeunermusiker einen »denkenden« Künstler zu machen, so mochte Liszt nicht länger einer Organisation Gewalt anthun, der nun einmal offenbar die Temperatur unserer Gesellschaft und Cultur völlig widerstrebte. Konnte man dafür einstehen, daß die europäische Welt einem solchen von seinem Stamm getrennten Zweige irgend etwas Besseres zu bieten habe als die Freuden der Natur, gegen die ihn unsere Cultur vielleicht allmählich ganz unempfindlich gemacht hätte? Er ließ also den »Sohn der Wildnis« nach Wien kommen, damit er, wenn er wolle, sich mit den Seinen wieder vereinen könne. Sein Entzücken beim Wiedersehen derselben war grenzenlos, man konnte fürchten, er werde närrisch. Allein die Elasticität solcher Nerven kennt eben keine Grenzen. Wenn er sich einst aus Eitelkeit eine andere Hautfarbe gewünscht, so bewies er jetzt, daß er seine Race selbst nicht entfernt verleugne.

Kaum aber hatten sie einander wiedergefunden, so verschwand die Bande aus der Stadt, um dem Vater des Stammes das verlorene Kind wieder zu zeigen. Józsy hatte sich schon im ersten Moment unerträglicher als je gezeigt und unter den leidenschaftlichsten Dankbezeugungen gebeten, sofort und für immer zu seiner Horde zurückkehren zu dürfen. So trennten sie sich denn für immer, nachdem seine Börse durch eine kleine Sammlung bei Freunden nochmals gefüllt worden, die aber ebenso rasch wieder leer geworden durch einen ungeheuerlichen Schmaus, den er selbst, der kleine Hochmuth, trotz des Abschiedsfestes, das wir veranstaltet hatten, seinen Brüdern zunächst noch zu geben sich nicht enthalten konnte.

Ob er ihn wiedergesehen, diesen gewiß widerhaarigsten seiner zahllosen Schüler, am Saume des Waldes, mit der Geige, rauchend, spielend oder auch nur träumend, wie Lenau an die »drei Zigeuner« geschildert?

Viele Jahre spärer, als dann im Jahre 1857 Liszts Schrift erschienen war – eine deutsche Uebersetzung von P. Cornelius erschien 1861 in Pest – erhielt er einen Brief aus Debrezin in Ungarn, unterschrieben: »Sarai Jósef oder der Zigeuner Józsy in der ersten Musikkapelle des Boka Károly.« Es war im Debreziner Sonntagsblatt von jener Schrift die Rede gewesen und so schreibt Józsy Folgendes, das ihn als wohl »von der Cultur beleckt« darstellt: »Indem ich jetzt, wo ich bereits Familienvater bin, im Besitz eines ruhigen Gemüths und reinen Menschenverstandes mit Wehmuth darauf denke, daß ich in meiner Jugend das Glück hatte, unter Euer Hochgeboren Schutze und Protection stehend, in die große Welt eingeführt und in der Kunst ausgebildet zu werden, allein dies durch meine damals unverbesserliche Verdorbenheit und Fremdheit zu Alles (!) was Edel, Erhaben und Kunst ist: Ihnen unmöglich geworden und Sie auf mein Eigenes und meines Bruders Ansuchen mich reichlich belohnt – als einen für die Kunst nicht mehr heranzubilden möglichen schlechten Zigeuner-Burschen wieder in meine Heimat entließen.

»Jetzt sehe ich ein, daß ich meine Zukunft – mit einem Worte – begraben habe. – Dies ist aber schon unabänderlich!!!

»Allein als Sie laut dem Schlusse Ihrer Verständigung in Ihrem Tagebuche von mir noch etwas zu hören wünschen: so ergreife ich diese Gelegenheit und bringe Ihnen unterthänigst zur Kenntnis, daß ich hier in Debrezin in meiner Heimat als ordinärer Zigeuner in der Kapelle diene, unter meinen Genossen zwar, und auch vom Publikum geachtet bin, weil ich meine Violine auch jetzt noch ziemlich spiele.«

Auch habe er eine »hiesige Zigeunerin« geheirathet und bereits einen Sohn im vorigen Jahre gewonnen, welchen er auf Liszts werthesten Namen Franz taufen gelassen: »und war so frei Euer Hochgeboren zum Gevatter zu wählen; und wir den Tauf mit einer lebhaften Unterhaltung den ferne im Auslande weilenden Gevatter mit hochgeschwungenen Bechern begrüßend abgehalten haben.« Seine wertheste Erinnerung sei in seinem Herzen eingeprägt und er bewahre, einst von Paris mitgenommen, »Hochdero Portrait« in seiner armen Behausung so lange er lebe und später auch noch seine Nachkommenschaft »als Heiligthum«.

»Die Armuth behängt oft auch die Seele mit Lumpen und macht sie nackt von allem, was ziert und wärmt,« sagt Goethe. Hier aber sehen wir, daß, wo die Natur keine anderen Bedürfnisse kennt, als welche sie selbst mühelos befriedigt, jener Spruch keine Wahrheit hat und das Gefühl für erwiesene Wohlthat so zu sagen schon selbst ein höherer moralischer Bestand, eine Cultur ist. Soll Mangel an Dankbarkeit das erste Zeichen der Freiheit und Selbständigkeit sein, so dürfte dieser »ordinäre Zigeuner«, Sárai Józsy, in diesem Punkte ruhig sagen: »Wir Wilde sind doch bessere Menschen.« Dankbarkeit war der Adel seiner Person, wie Stolz der Adel seines Stammes, der durch ihn allein in all dem Elend und der Enge seit Jahrhunderten in allen Gauen der Welt fortbesteht. Ob die »Cultur« ihm solchen Adel gegeben, diesem Józsy? Wir bezweifeln es, constatiren aber an diesem untäuschbaren Beispiele das schöne Wort unseres großen Fichte in den »Reden an die deutsche Nation«, daß Wohlgefallen am Guten in der Wurzel des Menschen sei. An diesem Józsy haben wir es in der That gesehen. Der Verlust all der schönen Güter der Cultur bereitet ihm keinen Augenblick Kummer, selbst daß er »seine Zukunft begraben« ist ihm nur »schon unabänderlich«. Aber der Geist der Güte und Liebe, der einzig das Glück und Heil des Andern will, ist ihm, einmal aufgegangen, auch unvergeßlich. So lange er lebt und gar noch weit darüber hinaus soll das Bild seines Wohlthäters »als Heiligthum« aufbewahrt werden. Dieser eine Zug enthüllt uns den ganzen Charakter unseres Meisters selbst, der auch hierin die volle Erbschaft Mozarts angetreten hat.


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