Friedrich Wilhelm Nietzsche
Fragmente 1875-1879, Band 2
Friedrich Wilhelm Nietzsche

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[Juli – August 1879]

[Dokument: Notizbücher]

42 [1]

Curiosa unserer modernen Schriftsteller, welche einem Kenner der alten Sprachen wie Schmutzflecken anmuthen.

Kringel (Ge-ringel)

Kraut (Ge-reutetes)? die Parado<xie>

Kleben (ge-leben)?

zu Laut- und Geschlechts-Curiosa.

42 [2]

Ein Stück Zucker in Thee aufgelöst und ein gleiches, im Mund gehalten, während man den Thee trinkt, geben ein verschiedenes Gefühl von Süße.

42 [3]

Die Willensfreien, eine wundervolle Illusion, wodurch der Mensch sich zu einem höheren Wesen gemacht hat; der höchste Adel, am Guten wie am Schlechten bemerkbar. Doch schon thierisch. Wer sich darüber erhebt, erhebt sich über das Thier und wird eine bewußte Pflanze.

Der willensfreie Akt wäre das Wunder, der Bruch der Natur-Kette. Die Menschen wären die Wunderthäter.

Das Bewußtsein um ein Motiv bringt die Täuschung mit sich – der Intellekt der uranfängliche und einzige Lügner.

42 [4]

Plato und Rousseau über Cultur in Einem Gegensatz: Plato meint, unter Naturmenschen (Wilden) würden wir auch noch den athenischen Verbrecher umarmen (als Culturwesen). Er hat Recht gegen Rousseau.

42 [5]

Die Größe oder Kleinheit der menschlichen Kraft entscheidend bei der Constitution seiner Empfindung. Er wird erst böse und wild, wenn Mächte, die der seinen ähnlich oder unter ihm sind, ihm gegenüber treten. Gegen Gewitter ist er ohne Vorwurf.

Das Unrecht der Fürsten erträgt man leichter. Am schlimmsten ist der Nachbar daran. Wo der Mensch sich nicht unterwirft, da wird er selber Tyrann.

42 [6]

Der Türkenfatalismus ist der, welcher die individuelle Unfreiheit des handelnden Menschen als gleich der intellektuellen setzt und letztere herab stimmt zur individuellen. (Denn Blinde, deren Triebe dem Befehle gehorchen, Ein Motiv nur sehen zu wollen –)

42 [7]

1) Rache des Mächtigen gegen den Mächtigen, womöglich Vernichtung. Schonung, um sich an der Qual zu weiden.

2) Gleiche Vergeltung (um die Folgen der Rache zu schwächen).

3) Der Mächtige gegen den Unterworfenen. Das Oberhaupt Strafen verhängend (ähnlicher Gesichtspunkt wie die Gemeinde, oft persönliches Rachegelüst über den Vortheil des Oberhaupts siegend). Je größer die Gefahr, um so mehr sieht er nach, um so strenger drakonischer straft er und jedenfalls launenhafter.

4) Abschreckung und zugleich Schonung des Individuums (vom Standpunkte der Gemeinde, die es nicht verlieren will).

Grade des Schmerzes als Aequivalent der Vergehungen. Je brauchbarer einer ist, um so milder wird er bestraft.

Wird an ein ewiges Leben geglaubt, und das irdische Leben niedrig geschätzt, so ist die Schonung nicht so nöthig, also die Grausamkeit größer.

Unschädlich machen, aber doch möglichst nützlich erhalten (deshalb auch den Leib schonen) – wird Vernichtung nöthig, dann eher zu grausam, weil damit die größte Abschreckung, also der größte Nutzen erreicht wird.

5) Göttliche Strafen, als äquivalent weltlicher Gerechtigkeit (also Schicksalsschläge). Dadurch große Milderung. Die Priester kündigen diese Strafen an; der Rachedürstige wartet – viel gewonnen!

6) Die Gewissenspein als Äquivalent. Gefahr ewiger Verdammniß. Christlicher Standpunkt.

42 [8]

Die Rache des Niederen am Höheren geht immer auf das Äußerste aus, Vernichtung: weil sie so allein den Rückschlag beseitigen kann.

42 [9]

Strafgelder, Schaden wieder gut machen – etwas Anderes. Möglichst viel Nutzen erweisen, nachdem man Schaden gethan hat. An dem Schmerz beim Bezahlen wird nicht gedacht. Gemeinde-Vortheil, Pfändung, Einziehung des Vermögens usw.

Daraus eine Abschätzung der Vergehen nach Geld. (Schaden ersatz, Ausgangspunkt.)

42 [10]

Der heilige Neid und der heilige Zorn.

42 [11]

(Jeder der immer zu geben hat hat was Schamloses)

42 [12]

Melodien, die nicht fröhlich zu Ende laufen, sondern wie wasserscheue Hunde mit eingeklemmten Schwänzen plötzlich stehen bleiben. –

42 [13]

Gemälde, wo der Färber sagen will, was der Zeichner nicht sagen kann.

42 [14]

Der Ansatz zum Menschen sehr oft vergeblich gemacht, bei der geringen Fruchtbarkeit Einmal ein ganz günstiges Zusammentreffen!

42 [15]

Wir bedürfen Nahrung: aber die Bedürfnisse unseres Geschmacks sind andre, erst Zwang, dann Gewöhnung, dann Lust, welche wiederholt zu werden wünscht (Bedürfniß). Ganz wie beim moralischen Sinn, der auch so verschieden ist wie der gustus, aber der Zweck, dem er dient, ist fast derselbe (Erhaltung des Menschen durch und gegen die Menschen).

Der moralische Sinn ist ein Geschmack, mit bestimmten Bedürfnissen und Abneigungen: die Gründe der Entstehung jedes einzelnen Bedürfnisses sind vergessen, er wirkt als Geschmack, nicht als Vernunft.

Der Geschmack ist ein angepaßter und auswählender Hunger. Ebenso die Moral. (Ein Hunger, der auf bestimmte Weise befriedigt werden will, nicht chemisch. –) So wollen wir, vermöge des moralischen Sinns, uns auch nicht auf jede Weise durch und gegen die Menschen erhalten.

42 [16]

Bei körperlicher oder geistiger Vollarbeit ist der Geschlechtstrieb gering. Eine mäßige Arbeitsamkeit in Einer Hinsicht förderlich.

42 [17]

Via Appia – endlich alles ruht – die Erde einst ein schwebender Grabhügel.

42 [18]

Man wandelt nicht ungestraft fortwährend unter Bildern.

42 [19]

Socialismus – das höchste Gebot: du sollst nicht besitzen.

42 [20]

So lange Nothwehr und Abschreckung (Mensch als Mittel) innerh<alb> der Gesellschaft, so lange werden die Kriege nicht aufhören. Man vergißt den verhärtenden Einfluß aller strafenden Justiz: die Verachtung der Haß auf die Verbrecher. Stehende Heere sind ein Abschreckungsmittel –

42 [21]

Rache

1) Verhinderung der Fortsetzung (Schutz –?)

2) der uns schädliche Mensch soll unschädlich gemacht werden (Versöhnung?),

3) Neid über den Sieg oder das Übergewicht des Gegners,

4) im Schwarzsehen nie übertreiben, in der Angst vor dem, was noch kommen kann ebenfalls – wir messen zu hoch.

5) Herstellung unseres Ansehens.

42 [22]

Die sittliche Belehrung welche am leichtesten vergessen wurde, müßte am schwersten gestraft werden, als Wink.

42 [23]

Es ist erbärmlich wenig, wenn eine Musik, Stimmung hat. Ein Instrument soll Stimmung haben: dann aber etwas Schönes verlauten lassen: ebenso ein Mensch und eine Schrift.

42 [24]

Wechsel und Kreislauf, darnach unterscheiden sich die Menschen (Milch täglich, dann schmeckt sie anders – man genießt aus einem Gegensatz).

42 [25]

Der Willensstarke 1) er sieht das Ziel deutlich. 2) Er traut sich die Kraft zu, zu den Mitteln mindestens. 3) Er hört auf sich mehr als auf andere. 4) Er ermüdet nicht leicht, und in der Ermüdung erblassen seine Ziele nicht. Er ist ein geübter Bergsteiger. 5) Er erschrickt nicht sehr und oft. Also: diese Art Freiheit des Willens, die man an ihm rühmt, ist Bestimmtheit und Stärke des Wollens, nebst Geübtheit und Schwäche der Phantasie, sowie Herrschaft oder Herrschsucht und Selbstgefühl. Man redet von Freiheit weil diese gewöhnlich mit Kraft und Herrschaft verbunden ist.

42 [26]

Rache sehr complicirt!

42 [27]

Gleichgewicht. Das Gefühl der Willens freiheit entsteht aus dem Schwanken und Stillestehen der Wage, bei Gleichgewicht der Motive.

42 [28]

Grade der Freiheit. Wenn er neue Motive den alten (Gewohn<heiten> oder vererbten Motiven) vorzieht, bewußte den triebähnl<ichen> Motiven – – –

42 [29]

Sie haben das Gebiet der pudenda so ausgedehnt, daß ein Gespräch über Verdauung, ja über Zahnbürsten schon für unzart gilt: und die Feineren denken folglich auch nicht über solche Dinge nach.

42 [30]

Hauptfrage bei jedem Menschen einzeln zu beantworten: sind deine Gefühle mehr werth oder deine Gründe (Vernunft)? Dies hängt von der Vererbung und Übung ab. (Gute Eltern aber dumm!)

42 [31]

Wir wollen uns so freuen, daß unsere Freude den Anderen nützlich ist.

42 [32]

Möglichst viel Freude an sich haben. Aber heißt das nicht die Selbstgefälligen ermuthigen? – Sind sie so schädlich? Und die Gefahr der Enttäuschung!! Heißt es die ermuthigen, welche nur eine eingebildete Gesundheit haben?

42 [33]

Selbst-Entdeckung

Selbst-Abschätzung

Selbst-Veränderung

42 [34]

Würde des Verbrechers. Wenn der König das Recht hat, Gnade zu üben, so hat der Verbrecher das Recht, sie zurückzuweisen.

42 [35]

Gegen das Sprechen bei Tisch.

42 [36]

An den sogenannten großen Mahlzeiten, zu denen sich auch noch in diesem Zeitalter die Menschen einladen, nimm nie Theil.

42 [37]

Minderungen der Heeresmacht – ein Unsinn! Aber das Schwert zerbrechen! Sowohl das Schwert der Gerechtigkeit als des Krieges! Die kostbarste, siegreichste Waffe!

42 [38]

Armeen der Nothwehr? – Aber Nothwehr der Selbsterhaltung wegen. Wie viele Angriffs- Kriege werden der Selbsterhaltung wegen geführt! (Um einem Angriff zuvorzukommen, um das Volk abzulenken usw.) Der Eroberer sucht zuletzt auch nur seine Selbsterhaltung, als das Wesen, welches er ist: er muß erobern: „Eure Nothwehr rechtfertigt jeden Krieg. Zerbrecht das Schwert und sagt: wir wollen lieber alles leiden, ja zu Grunde gehen als die Feindschaft in der Gesellschaft aufrecht zu erhalten."

Ebenso steht es mit der strafenden Gerechtigkeit.

Kein Staat giebt jetzt zu, das Heer aus Eroberungs-Absichten zu erhalten. So heißt dies: den Nachbar der Eroberungs-Gelüste und der Heuchelei zeihen. Dies ist eine feindselige Gesinnung.

42 [39]

Falsch gerichteter Ehrgeiz z. B. Trinken bei jungen Leuten, während Feinheit des Gehirns – – –

42 [40]

Control-Reise eines Bäckers über Stadtgebäck.

42 [41]

Die zarteren Naturen, welchen auch die härtesten Bissen des Lebens unwillkürlich in Milch eingebrockt werden, wären zu glücklich, wenn sie ihr Gutes einsähen: und so plagt sie ein geheimer Neid auf die Gewaltsameren Kräftigeren und gar zu gern heucheln sie deren Tugenden, d. h. deren zurückgebliebenes Menschenthum: was sich vor dem Unbefangenen so ausnimmt, als wenn das Lamm im Wolfskleide unter Lämmern Schrecken machen will.

Das ist nun freilich eine Nachahmung zum Lachen, denn ihre Vorbilder, die sie beneiden, verstehen es, unter Wölfen selber Schrecken zu machen: und dazu gehört sich freilich nicht nur ein Wolfsfell, sondern ein Wolfsgebiß und eine Wolfsseele – und noch mehr.

42 [42]

Daß das Heute nicht das Morgen um seine Pflicht bestehle!

42 [43]

An den Tagesstunden, wo der Geist seinen Fluthstand hat, wer wird da nach einem Buche greifen! Da wollen wir unsre eigenen Bootsmänner und Lootsen sein.

42 [44]

Selbst bei den Worten "Kirschen und Johannisbeeren" Rührung – Melodie.

42 [45]

Eckermann das beste Prosawerk unserer Litteratur, der höchste Punkt der deutschen Humanität erreicht.

42 [46]

Erdenrund, Erdenring – απειρεσιη.

42 [47]

Die Zunge stolperte, das Herz wußte nichts davon.

42 [48]

Socr<atis> Mem<orabilia> keine beglückenden curiosa, sondern einfältige Nachbarlichkeit.

42 [49]

Der See und das Hochgebirge. Ein Greis der einen Spiegel in der Hand hält (am Abend, wenn die Sonne zu tief steht, um in den See zu scheinen, scheint das Hochgebirge in ihn hinein: es ist als ob ein Greis – – –

42 [50]

Es kommt der Tag, wo das Volk der siegreichsten Heere die Abschaffung des Heers beschließt.

42 [51]

Man hält den Verbrecher so lange im Gefängniß bis – „seine Strafzeit abgelaufen". Absurd! Bis er der Gesellschaft nicht mehr feindlich gesinnt ist! Bis er auch für seine Strafe kein Rachegefühl mehr hat! Ihn dann noch länger zu halten wäre 1) Grausamkeit 2) Vergeudung von Kraft, die im Dienste der Gesellschaft wirken könnte 3) Gefahr, ihn rachedurstig zu machen, da er die überflüssige Härte empfindet, also moralische Verschlechterung.

42 [52]

In der Welt der Kunstwerke giebt es keinen Fortschritt, über die Jahrtausende weg. Aber in der Moral wohl: weil in der Erkenntniß und Wissenschaft.

42 [53]

Der Verbrecher beim Einfangen zart, wie ein Kranker zu behandeln. Die Polizei ganz andere Menschen!

42 [54]

Verantwortlich sein d.h. die Motive, aus denen man handelte, wissen und angeben können. Aber wissen wir von irgend einer Handlung alle Motive? Ihre verhältnißmäßige Stärke und Art?

42 [55]

Der schöne Ernst – schwarze Seide, mit rothen Fäden gleichmäßig durchsponnen, ein gedämpftes Leuchten.

42 [56]

Gegen die strafende Gerechtigkeit.

Ein Versuch zur Milderung der Sitten.

42 [57]

Paulus – welcher eine jener großen Immoralitäten ist, an denen die Bibel reicher ist als man denkt.

42 [58]

Voraussetzung, daß die Handlungen des Zwangs nicht gestraft werden. Nur die absichtlichen Handlungen – aber nicht alle absichtlichen Handlungen! Wo jemand absichtlich handelt: weil oder damit – da ist der Zwang der Motivation. Motive darf man nicht strafen. Aber da ist kein Zwang: es giebt andere Motive: warum folgt er diesen nicht?" Eben warum nicht?! Sie wiegen ihm nicht gleich jenen!" Warum nicht – Fehler des Urtheils? Des Charakters? Überall wäre da Zwang. – Also: sie wiegen ihm gleich jenen, die Wage ist im Gleichgewicht. „Jetzt springt der freie Wille hervor". Aber wenn es ganz gleich ist, so oder so zu handeln, so ist da (in dieser Vollendung des Urtheils) auch ein Zwang. Unstrafbar! Also: wie ihr euch dreht, ihr straft wider eure Voraussetzungen. Ihr straft den Gezwungenen.

42 [59]

„Aber die Gesellschaft geht da zu Grunde!" So gesteht, daß Strafe Nothwehr ist. Aber mißbraucht die Moral-Worte nicht, redet nicht von Gerechtigkeit. Da sind eben die kleinlichen Abstufungen der Strafen unsinnig, bei Nothwehr. Individuelle Zumessung nöthig! – Aber das giebt Willkür!

42 [60]

„Er hat die Wahl zwischen Gutem und Bösem! – "

42 [61]

Lehrer an Stelle der Richter. – Wider die strafende Gerechtigkeit. An deren Stelle kann nur die belehrende treten (welche die Vernunft verbessert und die Gewohnheiten eben dadurch – das Motiv-schaffende!). „Dem Kinde einen Schlag! es wird die Handlung nicht wieder thun". Hier ist also der Schlag eine Erinnerung an die Belehrung: der Schmerz als stärkster Erreger des Gedächtnisses. Daraus ergäbe sich die allergrößte Milderung aller Strafen: und möglichste Gleichsetzung derselben! Nur als mnemotechnische Mittel! Da genügt wenig!

(Das Lob beseitigt!)

42 [62]

Wird die Strafe darnach bemessen, ne iterum peccet, so ist das Maaß individuell verschieden. Die Absicht ist, das Motiv stark genug einzuprägen, einzuschneiden: und da kommt es auf den Stoff an, in welchem geschnitten wird. – Nun aber haben wir kein individuelles Strafmaaß. Also ist die individuelle Besserung nicht die Absicht. Sondern es ist die verdiente Strafe, nach der Theorie des freien Willens: nämlich in Bezug auf den freien Willen werden Alle als gleich angesetzt: weil es ein Wunderakt ist, ohne Vorgeschichte, gar nicht individuell. Wegen dieser Gleichheit kann auch die Strafe gleich für alle Menschen sein. – Die Differerz gegen andere Strafen bezieht sich auf den Inhalt der Schuld, nicht auf den Schuldigen? Aber dann sollte auch die Strafe eine sein für alle Verbrechen.

42 [63]

Die Gleichsetzung der Strafen setzt die Gleichsetzung der Verbrechen voraus. Aber es giebt in Bezug auf Motive keine Gleichheit – und geht man bis zur Freiheit des Willens zurück, so ist nicht abzusehen, warum es verschiedene Strafen geben sollten – es müßte nur Eine geben. Aber die Motive strafen wäre unmoralisch – weil man den Unfreien nicht strafen will. Also scheint man in Bezug auf jene Freiheit Unterschiede zu machen – eine größere oder kleinere Freiheit des Willens je nach dem größeren oder kleineren Vergehen. Etwas ganz Unsinniges Unlogisches! Da dann die Freiheit eben keine absolute wäre, d. h. Gewichte da wären, welche die Wagschale nach dieser oder jener Seite sinken machten. Die Gradation der Freiheiten wäre soviel als Unfreiheit annehmen.

42 [64]

δις ηβησας: Hesiod als Heros bekam die ηβη und lebte dann nicht im Hades, sondern mit den anderen Heroen. Es gab ein doppeltes Fortleben: 1) im Hades δις παιδες, eigentlich potenzirtes Greisenalter, 2) im Elysium δις ηβησας.

42 [65]

Wir machen nur verantwortlich, wenn jem<and> seine Vernunft anwenden konnte d. h. wenn er Gründe hatte und angeben kann. Strafen wir ihn, so strafen wir, daß er die schlechten Gründe den besseren vorzog: also die absichtliche Verleugnung seiner Vernunft. Wenn er die besseren Gründe nicht gesehen hätte (aus Dummheit), so dürfte man nicht strafen. Er hätte dann einem Zwange gefolgt, er hätte keine Wahl gehabt. Ebenso wenn man annimmt, daß er zwar das Bessere sielt, aber vermöge eines inneren Zwangs das Andere thut, so ist er nicht zu strafen: er ist unfrei (wie die Mutter die ihr Kind erdrückt). "Er folgt dem bösen Hang" – aber wenn er frei sein soll, dann aus absoluter Willkür. Wie kann einer absichtlich unvernünftiger sein als er sein muß! Dies nennt man „freien Willen": also das Belieben der schlechten Gründe als Motive – rein als unmotivirtes Sinken der Wage, als Wunder. (Oder es ist das „radikal Böse" usw.) In Wahrheit: er wählt das Schlechtere weil 1) sein Sinn für den Gemeinde-Vortheil zu schwach vererbt ist 2) weil seine Phantasie zu schwach ist, den zukünftigen Vortheil und das kommende Anpreisen sich so vorzustellen, daß es den Reiz des Gegenwärtigen überwindet. Er muß in beiden Fällen.

Also: das Wunder wird in beiden Fällen entweder gestraft oder gelobt. Das isolirte Faktum.

42 [66]

Man bestraft eigentlich die Freiheit des Willens – weil man Gebundenheit durch Gesetz und Moral verlangt? Aber da wäre nichts zu loben, nichts moralisches – auch diese Welt muß gänzlich willkürlich, grundlos sein.

42 [67]

Via Appia.

Gedanken über den Tod.

42 [68]

Als Atheist, habe ich nie das Tischgebet in Pf<orta> gesprochen und bin von den Lehrern nie zum Wochen-Inspektor gemacht worden. Takt!

42 [69]

„Das Libell der Mytus der Sophismus" – fehlerhafte Anwendung oder Schreibung fremdländischer Worte.

42 [70]

Geschichte der Criminalstrafen.


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