Johann Nepomuk Nestroy
Die beiden Nachtwandler
Johann Nepomuk Nestroy

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Dreizehnte Szene

Pumpf, Hannerl; die Vorigen

Pumpf Grüß' dich Gott, Bruder Faden. (Zu Hannerl.) Komm nur, komm nur und sei nit so scheuch! (Zu Faden.) Eine Pracht hat's bei dir, 's Madel ist orndlich geblendet.

Faden (zu Hannerl) Nicht wahr, es ist nicht übel, das Quartier?

Hannerl (verlegen) Außerordentlich nicht übel!

Pumpf Bruder, ich komm' in einer Angelegenheit –

Faden Na, sag' nur: wo fehlt's?

Pumpf Mir fehlt gar nichts, aber der Seilerer Radl –

Faden Der mich am Sonntag auf d' Nacht im Wirtshause so 'prügelt hat?

Pumpf Der nämliche.

Faden Dem kann nix fehlen, denn nach die Schläg' zu urteilen, ist der Mann in seiner besten Kraft.

Pumpf Ja, g'sund is er wohl, aber er is gut g'standen für sein' Schwagern mit fünfhundert Gulden. Jetzt muß er zahlen, hat nix und soll halt eing'sperrt werden.

Faden Ah, da werden wir gleich – (zu Wathfield und Howart), ich weiß nit, ob das in Ihrem Geisterland auch so is, aber ich bin ein geborner Wiener, uns ist das notwendig zum Glücke, daß wir einem armen Teufel was Guts tun. Nur g'schwind ausg'ruckt! (Howart nimmt das Geld aus der Brieftasche.) Jetzt muß ich wieder zu ihr; b'hüt' di Gott, Pumpf, such' mich bald wieder ham, und der Radl soll mir nur alleweil fleißig schreiben, wie der un'blachte Spagat im Preis is, das interessiert mich ungeheuer. (Zur Seite rechts ab.)

Howart (zu Wathfield) Sein gutes Herz söhnt mich wieder aus mit seiner Ungenügsamkeit. (Zu Pumpf.) Hier, mein Freund! (Gibt ihm das Geld und geht mit Wathfield im Hintergrunde ab.)

Vierzehnte Szene

Pumpf, Hannerl

Pumpf Das ist der Kassierer von ihm! Siehst du, das ist der Unterschied zwischen reiche und arme Leut', reiche Leut' haben einen schwarzen Kassier, arme Leut' haben eine schwarze Kasse; aber ein guter Kerl ist er, der Faden! Wenn er mir nur nicht eing'stiegen wär', das kann ich ihm noch nicht –

Hannerl O, ich bin so unglücklich durch den Zufall.

Pumpf Ach was, Zufall! jetzt werden wir halt schaun, daß wir den Strick finden und daß wir 'n wieder gut machen. Da kommt er! Wie schaut denn der aus?

Fünfzehnte Szene

Strick (von links, in einer Karikaturgalalivree mit gepudertem Haar); die Vorigen

Strick Man hat mir eine Besuchvisite gemeldet.

Pumpf Lieber Strick, wie geht's Ihm denn?

Strick Ah, sieh da, das ist ja, wenn ich nicht irre, der Bänderverkäufer Pumpf?

Pumpf Na, uns wird Er doch kennen!

Strick Ich erinnere mich im dunkeln.

Hannerl Fabian, willst mich denn nicht mehr kennen?

Strick (pikant) An Sie erinnere ich mich auch im dunkeln. Ist Sie nicht die, zu der einer einstieg, den man am Morgen fand, wie er im Lehnstuhl schlief, und ihn zur Türe hinauswarf?

Hannerl Fabian, ich leg' dir hundert Schwüre ab –

Strick Wozu diese Schwierigkeiten! Mit jedem Wort häufen sich deine Vergehungen.

Pumpf Sei der Mussi Strick nit so hartherzig! Ich werd' Ihm was sagen, dann wird Er nit so unversöhnlich sein. Wir haben von unserm Vettern in Oberöstreich a paar tausend Gulden geerbt, also g'scheit, heirat's euch und seid's glücklich!

Strick Man will mich durch ihren Mammon blenden, aber er blendet mich nicht, der Mammon! Ich kann den Flecken nicht dulden auf meiner Ehre, meine Kameraden würden nicht mehr dienen mit mir.

Pumpf Larifari! Ich war eigentlich der Dummkopf, daß ich einen solchen Lärm g'schlagen hab'. Ja, jetzt red't's euch aus miteinand', Liebesleut' muß man unter vier Augen lassen, wenn sie sich ausgleichen sollen. Ich geh'. (Im Abgehen.) Bandel Zwirn kauft's! (Faßt sich.) O, verdammt, ich mach' da ein G'schrei im Haus, ich bin halt in Gedanken alleweil bei mein' G'schäft. (Geht links ab.)

Sechzehnte Szene

Strick, Hannerl

Hannerl Fabian, bist du denn ganz taub für meine Worte?

Strick Versuch' es, mich zu erschüttern durch eitles Flehn! Du wirst aber sehen, ich steh' da wie der Fels im Meer.

Hannerl Solche Reden muß ich anhören!

Strick Das sind die Folgen einer einzigen Einsteigung!

Hannerl Du bist ein Barbar!

Strick Ich selbst stehe, mehreres abgerechnet, fleckenlos da, drum hab' ich auch keine Schonung für fremde Fehler.

Hannerl Schau', wir sind in einem Orte geboren, du bist im Hause meines Vetters erzogen –

Strick Was kümmert mich die Geburt? Und was die Erziehung anbelangt – es ist mir ein Leichtes, zu beweisen, daß ich keine genossen habe.

Hannerl Wir haben uns geliebt – und jetzt diese Abneigung!

Strick Abneigung nennst du es nur? Es ist mehr; was ich für dich fühle, das ist schon Nationalhaß.

Hannerl Fabian, du könntest unmöglich so sein, du hast mit einer andern eine Liebschaft ang'fangt!

Strick Was nicht is, kann noch wer'n!

Siebzehnte Szene

Theres (kommt aus der Seite rechts); die Vorigen

Theres Na, brav, Er unterhalt't sich ja da recht gut! Mir macht Er Liebesanträge und mit einer andern –

Strick Das ist keine Geliebte, es ist eine gekränkte Wäscherin – sonst nichts!

Theres Ja, wer's glaubt!

Strick (sie beiseite führend) Du zweifelst? Dann wird's es nicht tun mit uns; die mich liebt, die muß ein' starken Glauben haben.

Terzett

(Im grandiösen italienischen Stil gehalten, von Seite des Strick parodierend vorzutragen.)

(Maestoso)

Hannerl
Das ist also jene,
Nach der dein Herz begehrt?
Die wird deine Schöne?
Das ist der Mühe wert!
Die? Die? Das ist der Mühe wert!

Theres
Ich fange an zu munkeln,
's preßt mir ein Lachen aus,
D'Mamsell will mich verdunkeln,
Versteht sich, so schaun s' aus!

Strick
Mich fangt schon an zu schauern
Bei dieser G'schicht', 's is wahr,
's wird gar nicht mehr lang dauern,
So fahr'n sie sich in d' Haar'.

Hannerl, Theres
Die Falschheit bringt mich noch in Wut,
Der Kuckuck zähme da sein Blut!

Strick
Sie sind bedeutend in der Wut,
's ist jede eine schlimme Trud!

(Andante)

Alle drei
D' {Männer, Madeln} sind falsch, das ist bekannt,
Wie in der Stadt so auf 'n Land,
's kommt auf ein' Kuß
A Menge Verdruß,
D' Lieb' schafft nur Freud',
Ja, da hat's Zeit.

(Allegro stretto)

Strick
Die Kränkung der Liebe
Macht 's Leben uns trübe
Und füllet den Busen
Mit Wahnsinn und Schmerz.

(Unisono)

Hannerl, Theres
Vergebliche Klagen!
Man muß es ertragen,
Warum schlägt im Busen
Ein zärtliches Herz?

Alle drei
Zerstört ist die Zukunft im süßesten Keime,
Vernichtet auf ewig die wonnigen Träume,
's glauben viele, d' Lieb' zaubert in Himmel uns hin,
Ja, d' Hand von der Butten, 's sein Weinbeerln drin.

(Jodler a tre)

(Theres rechts, Hannerl links, Strick durch den Hintergrund ab.)

Achtzehnte Szene

Georg, Anton, Bediente, dann die Gäste

Georg Nur g'schwind die Tafel g'richt't, die Gäst' sind schon alle beisamm'.

Anton Ich werd's gleich melden. (Rechts ab, während dem Ritornell des folgenden Chores wird eine elegant gedeckte Tafel vorgetragen; wenn dies geschehen, kommen die Gäste aus dem Hintergrunde.)

Chor der Gäste
Geladen von dem Herrn vom Haus,
Erscheinen wir allhier,
Die Tafel winkt mit Saus und Braus,
Geschmückt in reicher Zier.
Es herrsche Frohsinn, Heiterkeit,
Der Jubel schalle weit und breit!

Neunzehnte Szene

Die Vorigen; Faden, Herr von Rauchengeld, Emilie, Mathilde, Wathfield (treten am Schluße des Chores ein; während dem Nachspiel des Chorstückes setzen sich alle Anwesenden zur Tafel, Wathfield am Ende links, die Bedienten servieren). Später kommt Strick.

Herr von Rauchengeld Das erste Glas auf das Wohlsein des Bräutigams!

Alle Er lebe hoch! (Tusch von innen.)

Strick (seitswärts vortretend) Kurios! Unsere Dienerschaft sind lauter dienstbare Geister, wenn man s' aber fressen sieht im Vorzimmer, man schwört, es sein Bediente von der irdischen Rasse. Mit genauer Not hab' ich ein paar Fasanbiegeln erwischt.

Faden (steht auf und tritt seitwärts ärgerlich gegen den Vordergrund) Es ist wirklich was Unerträgliches! (Hat immer die Blicke auf Wathfield geheftet.)

Strick Was denn?

Faden Ach, es gift't ein', so oft man hinschaut.

Strick ja, was denn?

Faden Das geht dich nix an!

Strick Ach, das is es? ja, das is aber auch was Ärgerliches!

Faden (setzt sich wieder an seinen Platz)

Herr von Rauchengeld Auf mein Töchterl aber dürfen wir nicht vergessen, die müssen wir auch leben lassen.

Alle Sie lebe hoch! (Leeren die Gläser, Tusch von innen.)

Herr von Rauchengeld (zu Georg) Bedienter! Gib Er mir noch a sechs Austern herüber, aber lauter Weibeln, die Mandeln sind bei weitem nicht so fett.

Mathilde Der Papa ist ein ungeheurer Austernesser.

Herr von Rauchengeld (beiseite, zu Mathilden) Brav, Thildi, nur aufschneiden! Ich hab' mir mein Lebtag können keine spendieren.

Wathfield (zu Herrn von Brauchengeld) Welche Gattung Austern ziehen Sie vor?

Herr von Rauchengeld Ja, die besten sind auf alle Fäll' die g'schoppten.

Faden (steht auf und geht wieder ärgerlich vor) Mir is 's ganze Essen ruiniert dadurch!

Strick Aber, Meister, was is's denn?

Faden Halt 's Maul!

Emilie (aufstehend und zu Faden gehend) Was fehlt Ihnen, lieber Sebastian?

Faden Es geniert mich etwas. Schaun S' da mein' schwarzen guten Freund an, in einer so noblen modernen Gesellschaft sitzt er mit einem altmodischen Haarzopfe da.

Strick Bis die Tafel aus is, werden alle Haarzöpf' haben.

Faden Sei Er still!

Emilie (zu Faden) Sie haben recht, das ist ein fataler Anblick!

Faden Ach, so was Widerliches, so was Ärgerliches, so was Unausstehliches!

Emilie Nun kommen Sie aber wieder zur Tafel, mir schmeckt nichts, wenn Sie nicht an meiner Seite sitzen. (Geht wieder zum Tisch)

Faden Sogleich, meine Holde! (Für sich.) 's ist schrecklich, was der Mensch auf dieser Welt für Unannehmlichkeiten ertragen muß! (Setzt sich wieder an seinen Platz.)

Herr von Rauchengeld jetzt bemerk' ich aber erst, daß, ich einen großmächtigen Bock geschossen hab'. In drei Tagen is schon die Hochzeit, folglich hätten die G'sundheiten nicht separiert getrunken werden sollen, den Fehler müssen wir verbessern. Es lebe das Brautpaar!

Alle Das Brautpaar! Vivat! (Leeren die Gläser.)

Faden (mißlaunig) Ich dank' – ich dank' –! (Springt unwillig auf.) Ich halt's nicht länger aus, es geniert mich zu stark!

Alle Was ist geschehn?

Faden Noch nichts, aber es muß etwas geschehn! (Auf Wathfield zeigend.) Der Haarzopfen muß herunter!

Wathfield Wie? Was?

Faden Er geniert mich – ich leid' ihn nicht, und wenn Sie nicht gutwillig ihn hergeben, so werden meine Bedienten mit Gewalt –

Strick Ich nehm's Transchiermesser –

Wathfield Was fällt Ihnen ein?

Faden Nichts, als was ich das Recht hab', zu verlangen: Herunter mit dem Haarzopfen, ich will's, es is notwendig!

Wathfield (mit starker Stimme) Nein, Freund, das ist überflüssig! (Er winkt, ein Blitzstrahl fährt durch den Saal, es donnert, im Hintergrunde verbreitet sich ein roter Schein, und Howart tritt vor. Die ganze Gesellschaft läuft, mit einem Schrei aufspringend, erschrocken zur Seite links davon, die Bedienten ziehen sich, wie der Blitzstrahl fährt, in die Kulissen rechts.)

Zwanzigste Szene

Howart, Wathfield, Faden, Strick

Howart (zu Faden) Übermütiger Tor, der auch den kleinsten Wunsch sich nicht versagen kann, gedenkst du meiner Worte noch? Sie sollen in Erfüllung gehen! Du hast das Überflüssige verlangt, verliere nun selbst das Notwendige und kehre zur vorigen Armut wieder! (Winkt und geht mit Wathfield durch den Hintergrund ab. Rauschende Musik fällt ein, Bediente, als Furien verkleidet, erscheinen von beiden Seiten, ziehen dem erschrockenen Faden und Strick schnell die eleganten Röcke aus, geben ihnen ihre ärmlichen Jacken wieder und treiben sie unter folgendem kurzen Chore, die Fackeln schwingend, zur linken Seite fort.)

Chor
Vernehmet ihr sein mächtig Wort?
Hinaus! Hinaus! Flieht diesen Ort!

(Wie Faden und Strick fort sind, kommen Bediente von rechts und räumen lachend während dem Nachspiel des Chores die Tafel schnell fort.)


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