Johann Nepomuk Nestroy
Die beiden Nachtwandler
Johann Nepomuk Nestroy

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Verwandlung

Die Bühne stellt einen Teil des herrschaftlichen Parkes vor, rechts im Vordergrunde eine Rasenbank.

Zweiundzwanzigste Szene

Herr von Rauchengeld, Mathilde, Emilie, Theres (treten promenierend auf)

Herr von Rauchengeld Recht schön is es da. Hierher wird jetzt täglich viermal spazieren gegangen. Der Lord, der das Gut gekauft hat, kommt übermorgen an, es muß sich also bald ein Haushofmeister, ein Sekretär oder so was zeigen, der sich in euch verliebt. Ich hab' so ein gewisses Vorgefühl, daß ich euch auf meiner dasmaligen Spekulationsreis' ausheirat'.

Mathilde Und ich habe das Vorgefühl, daß wir wieder so ledig nach Haus kommen, als wir her'kommen sind.

Emilie Es is gar nicht möglich, daß sich ein Bräutigam find't, der so viel zahlt, als ihm der Papa aufbürden will.

Mathilde Ein Mädel muß heutzutag froh sein, wenn sie, ohne daß solche Lasten auf ihr haften, einen Mann kriegt, aber wir sind ja gar übel dran.

Herr von Rauchengeld Ob du still bist!

Emilie Nein, die Schwester hat recht.

Herr von Rauchengeld Was? Auch du red'st so? Du, der ich diese besonders schöne Gestalt verliehn? Is das mein Dank? Hast du denn gar keinen Sinn für das Edle, für das Erhabne? Du bist ausersehen, deinen Vater schuldenfrei zu machen! Is das nicht eine herrliche Bestimmung? Ich bin so viel als versetzt; wer mich mit zehntausend Gulden auslöst, der wird dein Gemahl.

Theres (zu Emilien) Das ist doch äußerst schmeichelhaft, daß der Papa einen so hohen Wert auf Ihnen setzt. (Zu Herrn von Brauchengeld.) Ich aber für mein' Teil bin doch froh, daß ich eine Realität bin, auf der nichts haftet, daß ich meinem Freier meine Hand aus freier Hand vergeben kann.

Herr von Rauchengeld Red't Sie auch schon wieder drein? Überhaupt, ich weiß nicht, was Sie alleweil mitzugehen hat mit meine Fräulein Töchter?

Emilie Wir hab'n s' aber gern, die Theres.

Mathilde Wir woll'n sie bei uns.

Herr von Rauchengeld Und ich geb' sie euch zum Trotz aus 'n Dienst.

Theres In diesem Fall müßt' ich das zarte Stillschweigen brechen, was ich bisher über den rückständigen Lohn beobachtet habe; Euer Gnaden werden nicht leicht ein zweites Stubenmädchen finden, die so wie ich über ein halbes Jahr bloß der Ehre wegen dient.

Herr von Rauchengeld Ich leid' halt einmal das beständige Mitgehen nicht. (Für sich.) Im Anzug ist ohnedem kein Unterschied zwischen einem Stubenmädl und einer Fräule, die Gusto sind verschieden, wie leicht is es geschehn, daß ein' so eine Person eine Tochter verdunkelt. Ich begreif' überhaupt nicht, warum man nicht schon lang Stubenmädllivreen erfunden hat; so ein Stubenmädl mit Borten und Achselschnür', rote Aufschläg' – müßt' gar nicht schlecht stehn.

Emilie (zu Herrn von Brauchengeld) Da kommt der reiche Amtmann, der seine Augen auf mich geworfen hat.

Herr von Rauchengeld Richtig, der Geizhals! Stell' dir vor, der will was herunterhandeln, ich lass' aber nix nach bei dir. Setzt euch dort auf die Bank und tut, als ob ihr ihn gar nicht bemerktet's. (Sie setzen sich.)

Dreiundzwanzigste Szene

Geyer; die Vorigen

Geyer Na, wie steht's, Schwiegerpapa?

Herr von Rauchengeld Oho! So weit sind wir noch nicht.

Geyer Wir werden, lassen Sie nur ein gescheites Wort reden mit sich!

Herr von Rauchengeld Ich weiß, was Sie wollen, aber –

Geyer Aber, lieber Mann, Sie verlangen ja gar zu viel.

Herr von Rauchengeld Zu viel? Ein Spottgeld für so a Mädl.

Geyer Verzeihen Sie, man muß die Saiten nicht zu hoch spannen, am allerwenigsten, wenn man, wie Sie, lieber Mann, drei Töchter anzubringen hat.

Herr von Rauchengeld Drei Töchter? Sie irren sich, die mit 'n Hut g'hört noch mein, das andere aber is keine Tochter, sondern nur eine weibliche Bedienung. (Zum Stubenmädl.) Theres, schickt sich denn das, daß man sich zu die Fräulen setzt?

Theres (aufstehend) Die Fräulen hab'n 's g'schafft.

Vierundzwanzigste Szene

Faden (erscheint äußerst fröhlich im Hintergrunde); Die Vorigen

Faden Jetzt hab' ich mein Häusel g'sehn, das is a Pracht, ich bin so glücklich, so glücklich –

Emilie (ohne Faden bemerkt zu haben) Ich weiß nicht, was der Papa mit der Theres immer zu kommandieren hat, wir hab'n s' einmal so gern, als ob sie unsere Schwester wär'

Herr von Rauchengeld Ich leid's aber nicht!

Faden (Emilien bemerkend, für sich) Ha, was ist das für ein Geschöpf! (Ist von Emiliens Anblick ganz betroffen, und man sieht es ihm während des Folgenden an, daß er von der Liebe ergriffen wird.)

Geyer (zu Herrn von Brauchengeld) Ereifern Sie sich nicht, lieber Mann –

Faden (immer unbemerkt im Hintergrunde) Das is eine Schönheit!

Geyer (zu Herrn von Brauchengeld) Und lassen Sie uns wieder auf unsere Angelegenheit kommen!

Faden (wie oben) Das is das höchste, was die Natur erzeugt hat.

Herr von Rauchengeld (zu Geyer) Ich hab' ausgeredet. Entschließen Sie sich, eh' ein anderer kommt.

Faden (wie früher) Es geht in das Unaussprechliche!

Geyer (ärgerlich zu Herrn von Brauchengeld) Nun, wenn Sie keinen billigen Vorschlag hören wollen – es muß ja nicht sein.

Faden (wie oben) Diese Schönheit is zu arg!

Herr von Rauchengeld (zu Geyer) Wie es gefällig is!

Geyer (höhnisch zu Herrn von Brauchengeld) Wenn Sie die Fräulein Tochter noch ein paar Jahre herumführen, werden schon die Aktien fallen. Adieu, lieber Mann! (Links ab.)

Faden (geht sinnend, die Hand vor die Stirne haltend, im Hintergrunde rasch auf und ab)

Fünfundzwanzigste Szene

Die Vorigen ohne Geyer

Emilie (aufstehend) Da haben wir's! Er geht! Jetzt hat mich der Papa wieder um eine reiche Partie gebracht.

Herr von Rauchengeld O, um dich is mir nicht bang, Töchterl!

Emilie Aber mir wird bang. Ich zähl' jetzt schon verschiedene Sommer, auf einmal wird ein Herbst kommen, mit welchem zugleich mein eigener Herbst beginnt.

Mathilde Wenn's der Vater so macht, müssen wir verblühn und wissen nicht, warum.

Theres (zu Herrn von Brauchengeld) Und ich wär' auch schon lieber bei einer Frau im Dienst als bei zwei Fräul'n. Das sollte doch auch berücksichtigt werden.

Faden Sie ist zu göttlich! Ich muß eine Annäherung riskieren. (Vortretend.) Gnädiges Fräulein, ich bitte –

Emilie Theres, hat Sie kein' Groschen für den Bettelmann?

Faden Bettelmann? – Doch ja, ich bin es, ich bettle um Ihre Gunst.

Emilie (erstaunt) Was?

Herr von Rauchengeld Was untersteht sich der Vagabund?

Faden Aus dieser Stichelei seh' ich, Sie stoßen sich an meinem Anzug, welcher freilich an einigen Stellen etwas a jour is. Allein, das Kleid macht nicht immer den Mann.

Herr von Rauchengeld Also wäre das etwan nur eine Verkleidung? (Sehr höflich.) Mit wem hab' ich die Ehre?

Faden Ich bin nicht so arm, als ich ausschau'.

Herr von Rauchengeld Wie hoch beläuft sich Dero Vermögen?

Faden Ich hab' halt grad das Notwendige.

Herr von Rauchengeld Und mit dem Notwendigen wagen Sie es, Ihre Augen zu meiner Tochter zu erheben?

Faden (mit Selbstgefühl) Ich habe des Tags zwei Zwanziger zu verzehren.

Herr von Rauchengeld Und da wollen Sie –? (Bricht in ein lautes Gelächter aus.) Hahahahaha! (Faden an der Hand fassend.) Wissen Sie, wie hoch dieses Mädl kommt? Die väterliche Einwilligung zur Heirat kostet zehntausend Gulden.

Faden (wie vom Donner gerührt) Zehntausend Gulden –!

Herr von Rauchengeld Jetzt lassen wir den Narren stehn und gehn ein wenig weiter.

Mathilde Zahl' uns der Papa ein Frühstück!

Herr von Rauchengeld Töchterln, recht gern, aber es is euch nicht gesund. Wann ich euch seit ein paar Jahren nicht so wenig z'essen gäbet, wo hätt's denn die schlanken Taillen her?

Faden (wie aus einer Betäubung erwachend, zu Herrn von Brauchengeld) Sagen Sie mir, wird denn nichts g'handelt?

Herr von Rauchengeld Kein Kreuzer!

Faden Schaun S', Sie haben mehr Töchter, eine in d' andre sollten s' doch billiger sein.

Herr von Rauchengeld (zu seinen Töchtern) Jetzt gehn wir, da scheint die Sonn' zu stark, setzen wir uns dort (rechts in die Szene deutend) in Schatten. Wenn sich so a Madl nur ein wenig abbrennt, 's könnt' mir gleich a Schaden von a paar tausend Gulden sein.

Faden (für sich) Zehntausend –! (Zu Herrn von Brauchengeld.) Schaun Sie, wenn Sie so a neuntausendachthundert und etliche siebzig nachlasseten –

Herr von Rauchengeld Er is ein Narr!

Faden Ich sparet mir s' von meine zwei Zwanziger ab.

Herr von Rauchengeld Such' Er sich eine Braut unter Mädeln bei 'n Stand, aber nicht unter Mädeln von Stand. Kommt's, Töchterln, kommt's! (Alle rechts durch den Vordergrund ab.)

Sechsundzwanzigste Szene

Faden

Faden Da geht sie hin – dieser Gang – dieser interessante Zug in der Fersen –! Nein, das is das Non-plus-ultra in der Mädlerie! Und ich kann sie nicht besitzen! Das is ein verzweifelter Zustand! Diese Quantität Lieb' und nicht um ein' Groschen a Hoffnung!

Siebenundzwanzigste Szene

Strick (von links); der Vorige

Strick Meister!

Faden O lieber Strick!

Strick Sie haben mein Lebensglück vernichtet, Sie haben mir den inneren Frieden ruiniert, Sie haben schmafumäßig an mir gehandelt, doch eine edle Seele nährt keinen Groll – (gerührt) hier ist die Hand zur Versöhnung.

Faden (seine Hand nehmend, ohne viel auf das zu hören, was Strick sagte) O, Fabian, ich bin unglücklich.

Strick Da geh' ich wieder. Ich bin bloß deswegen gekommen, weil ich g'hört hab', daß Sie glücklich sein.

Faden Was du Glück nennst, das hab' ich; ich hab' recht gut zu leben.

Strick Dann bleib' ich wieder da. Ich hab' die Not mit Ihnen geteilt, es ist jetzt meine heiligste Pflicht, auch in die guten Tag' Sie nicht zu verlassen.

Faden Ganz etwas anders quält mich jetzt. Du weißt, ich hab' die Wettel geliebt, so wie man die Tochter einer Kräutlerin lieben kann –

Strick Nichts von jener Zeit, Sie reißen in meinem Herzen halbvernarbte Wunden wieder auf.

Faden Aber was die wahre Liebe ist, die reine Inflammierung des Gemüts, die echte, unverfälschte, herzkonservierende Magie der Natur – ich find' gar keine Ausdrücke, die verrückt genug wären, das zu schildern, was ich empfinde.

Strick Wo wär' denn der Gegenstand?

Faden Für mich so viel als gar nicht in der Welt, denn der Vater verlangt zehntausend Gulden für die bloße Einwilligung.

Strick Das is ung'schauter zu teuer.

Faden Nein, sie ist Millionen wert, aber wo hernehmen? – Ich hab' wohl so eine Art Schutzgeist, der mir versprochen hat, mich glücklich zu machen –

Strick Im Ernst, sein Sie mit ein' Geist in Verbindung?

Faden Und das mit was für ein'!

Strick Na, da is ja g'holfen, so ein Geist muß Haar' lassen, wenn er sich mit ein' Sterblichen abgibt.

Faden Ja, ich darf aber nur das Notwendige von ihm verlangen.

Strick Na, das is ja genug, 's Madl is zu Ihrem Glück notwendig, 's Madl kost't zehntausend Gulden, also sind die zehntausend Gulden auch notwendig wie a Rub'n.

Faden Fabian, du bist a gescheiter Kerl! (Im Hintergrunde erscheinen Wathfield und Howart.) Laß dich umarmen, du hast mir ein Licht aufgesteckt.

Strick Wir wer'n denen Geistern schon zeigen, was all's notwendig is.

Faden (sie erblickend) Still, da sind s' schon!

Strick Das sein s'? Richtig, man merkt's, die ganze Luft hat auf einmal so einen überirdischen Regionduft.

Achtundzwanzigste Szene

Wathfield, Howart; die Vorigen

Wathfield (vortretend) Nun, wie steht's? Du scheinst einen Wunsch auf dem Herzen zu haben?

Faden O ja, einen unsinnigen! Ich brauch' notwendig zehntausend Gulden, weil ich nur um diesen Preis die Geliebte zur Frau krieg'. Ich sag' Ihnen, ohne ihr bin ich der unglücklichste Mensch auf der weiten Welt, ich müßt' mir was antun.

Wathfield Es ist viel, was du verlangst.

Faden Ich bitt' Sie, für ein' Geist ist das ja a Bagatell!

Wathfield Indessen, wenn diese Heirat zu deinem Glücke notwendig ist – (Geht zu Howart in den Hintergrund und spricht leise mit ihm.)

Faden Wie ein Bissen Brot.

Strick (im Vordergrund zu Faden) Warum red't er denn jetzt mit dem andern?

Faden Das ist der Hauptgeist.

Howart (schüttelt den Kopf und gibt Wathfield Geld)

Strick Er beutelt den Kopf.

Faden Aber ausrucken tut er doch!

Wathfield (gibt Faden das Geld) Hier hast du, was dir zum Glücke notwendig, doch hüte dich, das Überflüssige zu verlangen! (Geht mit Howart ab.)

Faden Ich küsse die Hand – ich bin außer mir – ich fall' in die Frais vor Freuden.

Strick Das sind ein paar Mordgeister!


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