Johann Nepomuk Nestroy
Die beiden Nachtwandler
Johann Nepomuk Nestroy

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Fünfzehnte Szene

Frau Schnittling, Babette; die Vorigen

Frau Schnittling Da, Töchterl, schau 'n an, dein' saubern Bräutigam!

Faden Wettl, ich kann nix davor.

Babette Geh mir aus den Augen, du falscher Ding! Es is unglaublich!

Faden Ich kann's selber nicht begreifen, aber ich kann nix davor.

Hannerl Ich muß durch einen unglücklichen Zufall 's Fenster offen 'lassen haben.

Frau Schnittling Und er ist durch einen unglücklichen Zufall hineing'stiegen, und meine Tochter kann unglücklicherweise diese Zufälle nicht ertragen. Mit einem Wort, die G'schicht' hat ein End', Sie sauberer Meister Faden.

Strick Ich kann wohl sagen: bei meiner Braut hat's ein' Faden gehabt. (Ab in den Hintergrund.)

Faden Ich steh' da wie a Damerl. Es ist schrecklich! Wenn ich nur was davor könnt', aber so kann ich nit einmal was davor.

Babette Jetzt war schon alles richtig, und der falsche Ding – ich muß weinen –

Frau Schnittling Komm an das Mutterherz! – Da, trag den Spenat, (gibt ihr einen Korb) setz' dich a paar Tag' mit mir zum Stand, die Zerstreuung der großen Welt wird wohltätig auf dich wirken, auf deine gekränkte Seele. Laß den Kren nit fallen in der Verzweiflung. A Madel, die einige echte Zwanziger hat, die kann leidet einen falschen Siebzehner verschmerzen. (Geht mit der weinenden Babette im Hintergrund ab; im Abgehen.) Das könnt' mich haben, weinen wegen ein Mannsbild, das wär' grad der Müh' wert. (Beide ab.)

Faden Mir steht der Verstand still, ich betracht' die G'schicht' von allen Seiten, und ich kann halt nix davor.

Pumpf (zu Faden) Unsere Freundschaft hat von nun an ein End', Meister Sebastian!

Faden Aber so laß dir nur sagen –

Pumpf (zu Hannerl) Und du marschierst ins Haus hinein (Hannerl weinend ab.) Ich hätt' gute Lust (greift nach der Elle) – aber meine Amtsstunden fangen an. (Schreit.) Bandel Zwirn kauft's! (Abgehend.) Bandel Zwirn kauft's! (Ab im Hintergrund.)

Faden (allein) Dahinter steckt eine klare Zauberei!

Sechzehnte Szene

Faden, Strick (kommt aus dem Hause im Hintergrunde mit dem Reisebündel auf dem Rücken)

Strick Meister, ich geh'!

Faden Fabian, willst mich also richtig verlassen?

Strick Einen Meister, der die Liebe der Gesellen nicht ungeschoren läßt, den kann ich nicht brauchen.

Faden Aber es is nicht dem so. Schau', Fabian, du hast Kummer und Not mit mir geteilt, ich sag' dir's offen, mir geht's schlecht. Wenn du mich verlaßt, ich weiß mir in dieser Hinsicht keinen so guten Esel mehr aufzutreiben als wie dich.

Strick Wenn Sie meinen Wert einsehen, warum haben Sie mich gekränkt?

Faden Aber sag' mir, glaubst du denn wirklich, daß ich –

Strick Ich glaube von jedem Menschen das Schlechteste, selbst von mir, und ich hab' mich noch selten getäuscht.

Faden Wo willst du denn hin?

Strick Ich such' mir einen Meister, der a Weib hat, um mich zu rächen für die Unbild, die ich hier erlitten habe. Ades, eing'steckt hab' ich nix.

Faden Wär' bei mir eine reine Unmöglichkeit.

Strick Also – der G'sell' geht, (spöttisch das Haus zeigend, wo Hannerl wohnt) der Meister genieße seinen Triumph! (Ab im Hintergrund.)

Siebzehnte Szene

Faden

Faden Jetzt steh' ich frisch. Ich hab' die Schnittlingische Wettl recht gern gehabt, ihr bissel Vermögen hätt' mich ein wenig herausgerissen aus mein' Elend, die Hochzeit war schon so viel als in der Ordnung, und jetzt auf einmal ist die Verbindung dieser beiden Häuser vernichtet. Die Geliebte verstoßt mich, der Freund verlaßt mich, 's Geld hat mich von jeher verlassen – ich steh' jetzt auf dem schönen Punkt, von dem schon viel' Leut' ins Wasser gesprungen sein.

Achtzehnte Szene

Wathfield, Howart (ersterer etwas altmodisch, letzterer modern, beide aber ganz schwarz gekleidet); der Vorige

Howart (noch im Hintergrunde) Hier steht das Haus, so wie mir der Wirt beschrieben. (Faden erblickend.) Seh' ich recht –? Ja, der ist's –!

Wathfield Nun gut, ich will ihn ansprechen.

Faden (beide bemerkend, für sich) Was sein denn das für zwei schwarze Herren?

Wathfield Meister Faden!

Faden Was?! Euer Gnaden wissen, wie ich heiße?

Wathfield Ich weiß alles.

Faden Was? Da wird Ihnen also auch mein Malheur bekannt sein.

Wathfield Mir ist nichts unbekannt.

Faden Nichts? Mir is wieder sehr viel unbekannt, und darunter gehören auch Euer Gnaden.

Wathfield Du verlangst zu wissen, wer ich bin? Wohlan, es sei! Ich bin ein mächtiges Wesen.

Faden (erstaunt) Ein Wesen sein Sie? – Jetzt ist der ein Wesen!

Wathfield Ein Geist –!

Faden Jetzt hören S' auf! Sie wären ein Geist?

Wathfield (mit starker Stimme) Ein Wink von mir, und es donnert über deinem Haupte.

Faden Na, na, ich bitt', sich nicht zu inkommodieren. (Beiseite.) Es könnt' halt doch wahr sein. (Laut.) Was steht Euer Gnaden zu Befehl?

Wathfield Das sollst du erfahren. Ich diene einem noch höheren Wesen –

Faden Also sein Sie halt doch nur ein Bedienter? Wie können Sie sich denn hernach »Euer Gnaden« titulieren lassen? Bei uns auf der Welt sagt man zu einem Bedienten nur schlechtweg »Herr von«.

Wathfield Schweig, Verwegener, und höre: jenes Wesen, mächtiger als ich, hat Wohlgefallen an dir gefunden und will sich deiner Dürftigkeit erbarmen.

Faden (freudig überrascht) Ist's möglich? Lieber Geist, reden Sie weiter!

Wathfield Du sollst selbst aussprechen, was du verlangst, um glücklich zu ein.

Faden Ach, das wär' ja prächtig! Wo ist denn das Wesen?

Wathfield Dort. (Zeigt auf Howart.) Nun sage –

Faden Erlauben Sie, ich muß erst die Hand küssen. (Naht sich Howart und küßt ihm die Hand.) Euer geistigen Gnaden, das is alles zu viel. (Indem er auf Howarts Wink wieder vorwärts geht.) Sieht mir halt auch keinem rechten Geist gleich.

Wathfield Nun sage ungescheut, was wünschest, was verlangst du, um glücklich zu sein?

Faden Mein lieber Vizegeist, ich bin ein äußerst genügsamer Kerl, ich hab', solang ich denk', all'weil am Notwendigsten Mangel gelitten, darum verlang' ich mir auch nur das Notwendige, und ich bin der glücklichste Mensch.

Wathfield Was begehrst du also zunächst?

Faden Na, – a bißl a menschlich's Quartier, denn bei mir regnet's an siebzehn Orten beim Dach hinein, und 's Tags a zwei Zwanziger zum Verzehren, sonst wüßt' ich wirklich für 'n Augenblick nix.

Wathfield Das sei dir gewährt. Auch deinen ferneren Wünschen sage ich Erfüllung zu; doch hüte dich, je das Überflüssige zu verlangen, denn du würdest dann auch das Notwendige verlieren und sänkest in deine vorige Armut zurück.

Faden Ach Gott, ich bin mit 'n Notwendigen so glücklich, ich denk' an gar nix Überflüssiges. – Aber halten S' mich nicht bloß für ein' Narren? Is es denn auch wirklich wahr?

Wathfield Du magst dich allsogleich überzeugen. Komm und fahre mit uns.

Faden Was fahren? Warum nit gar! Das wäre schon was Überflüssiges, ich geh' z' Fuß. Erlauben S' mir, daß ich mein' Rock anzieh', das is notwendig. (Im Abgehen.) 's Tags zwei Zwanziger zum Verzehren, ich bin der glücklichste Kerl auf der ganzen Welt. (Geht in das Haus im Hintergrunde ab.)

Neunzehnte Szene

Die Vorigen ohne Faden

Howart Nun, was sagen Sie, Mylord? Hab' ich recht oder Sie? Ist es nicht etwas Leichtes, so einen Menschen glücklich zu machen?

Wathfield Geduld! Geduld! Das wird sich erst zeigen.

Howart Das ist der genügsamste Mensch unter der Sonne. Nein, nein, Schwiegerpapa, gestehen Sie lieber gleich ein, daß Sie unrecht haben. (Lachend.) Sie haben Ihre Wette verloren.

Wathfield Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Wir führen ihn also jetzt, so wie wir verabredet, in das Haus, welches an den Park stößt, der zu Ihrem Schlosse gehört, der Inspektor ist ins Vertrauen gezogen, wir wollen sehen, wie sich die Sache gestaltet.

Zwanzigste Szene

Faden (in einem ärmlichen Kaput und mit einem schlechten Hut); die Vorigen

Faden So, da bin ich schon. Sie sind doch nicht bös, meine wertgeschätzten Geister, daß ich Ihnen so lang hab' warten lassen?

Wathfield Folge uns jetzt! Wir haben ein kleines nettes Häuschen dem Eigentümer abgekauft, um es dir zu schenken, es ist dein.

Faden (außer sich vor Freude) Das ist zu viel, das verdien' ich ja gar nicht! – Aber was hab ich denn sagen wollen – ja, eine Bitt' – eine Pris' Tabak hätt' ich gern, es ist notwendig, ich hab' so stark die Strauchen.

Wathfield Hier, mein Freund, hier! (Präsentiert ihm die Dose.)

Faden (nimmt Tabak) Untertänigen Dank – (will schnupfen) erlauben Sie, da hab' ich zu viel genommen auf eine Pris', da kann ich die Hälfte zurückgeben. (Gibt einen Teil des Tabaks in Wathfields Dose und schnupft den andern.) Das wär' schon überflüssig, und ich verlang' nur das Notwendige.

Howart (leise zu Wathfield) Was sagen Sie dazu?

Faden Und noch was, wenn ich bitten dürft', ich bin heut' noch mit 'm nüchternen Magen –

Wathfield Du sollst sogleich mit einer Bouteille guten Wein und einem Stück Braten –

Faden Warum nicht gar! Im Vorbeigehn wo ein Seidel Bairisch und um ein' Kreuzer a Glatte is genug für mich.

Wathfield So komm! (Im Abgehen.) Du bist ja gar ein genügsamer Mensch.

Faden Ja, ich sag' all'weil: nur das Notwendige, mehr verlang' ich mir nicht. (Ab mit Wathfield und Howart.)

Einundzwanzigste Szene

Hannerl (kommt aus dem Hause links)

Hannerl Er ist fort, der abscheuliche Fabian, ohne Abschied zu nehmen, gibt er mir den Abschied. Was fang' ich jetzt an? Ich ging' in die weite Welt, wenn ich ein Mannsbild wär'; ich ging' unters Militär, wenn ich kein Frauenzimmer wär'; ich ging' – was nutzt das alles, für ein plantiertes Mädel gibt es keine Ressource. Es ist wahr, es mag gehn, wie es will, ein weibliches Herz ist rein nur für den Schmerz geschaffen.

Lied

1.
        Kaum zieht man die Kinderschuh' aus,
Schleichen d'Liebhaber auch schon ums Haus,
Das schmeichelt, man blinzelt nach all'n,
Und mancher, der könnt' ein' recht g'fall'n,
Doch der, den am liebsten man möcht',
Der is g'wiß den Eltern nicht recht;
Das is weiter kein Schmerz
Für ein weibliches Herz.
2.
Man heirat't dann, weil's schon sein muß,
Das is erst der wahre Verdruß,
Der galantest verliebteste Cher
Wird als Eh'mann ein brummender Bär,
Dann muß man auch sehn, wie der Mann
Auf a andere schaut dann und wann;
Das is weiter kein Schmerz
Für ein weibliches Herz.
3.
Und wenn erst man ledig muß bleib'n,
Diese Kränkung is gar nicht zum B'schreib'n,
Wenn d' Freundinnen Frauen schon sein,
Und man steht all'weil noch ganz allein,
Man hört dann das z'widere Wort
»Alte Jungfer!« bald da und bald dort;
Das is der schrecklichste Schmerz
Für ein weibliches Herz. (Ab.)

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