Johann Nepomuk Nestroy
Die beiden Nachtwandler
Johann Nepomuk Nestroy

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Zweiter Akt

Die Bühne stellt ein einfaches, aber nettes Zimmer vor mit zwei Seitentüren, im Hintergrunde eine verborgene Tapetentür, seitwärts im Hintergrunde ein großes Fenster, durch welches man die Aussicht auf einen prächtigen Palast hat.

Erste Szene

Inspektor Rasch, mehrere Bediente, darunter Anton und Georg

Chor
Der gnäd'ge Herr kann sich verlassen
Auf unsre Pfiffigkeit,
Wir alle sind pflichtschuld'germaßen
Auf seinen Wink bereit,
Auch plaudert keiner etwas aus,
Man bringt aus uns kein Wort heraus.

(Nach der Musik.)

Rasch Ihr wißt also alles, was ihr zu tun habt?

Anton Akkurat, der Herr Inspektor können ohne Sorgen sein.

Rasch Die Hauptsache ist, daß ihr euch so betragt, daß er euch für keine menschlichen Bedienten, sondern für dienstbare Geister hält.

Georg Das treffen wir schon.

Rasch Und über die Ankunft des gnädigen Herrn –

Anton Strengste Verschwiegenheit.

(Die Tapetentür im Hintergrunde öffnete sich, Wathfield und Howart treten ein, man sieht durch die Tapetentür in ein kleines, rotbehangenes, abenteuerlich geschmücktes Kabinett, in welchem sich ein Tischchen und ein Stuhl befindet. Die Bedienten entfernen sich, als Wathfield und Howart eingetreten sind, durch die Tapetentür.)

Zweite Szene

Howart, Wathfield, Rasch

Howart (zu Rasch) Ich bin mit Ihren Anordnungen sehr wohl zufrieden, Inspektor. Die Verbindung dieses Hauses mit einem Gartenhaus meines Parkes macht es mir leicht, den närrischen Meister Faden bei dem Glauben an eine zauberhafte Erscheinung zu erhalten.

Wathfield Halten Sie nur immer viel Geld in Bereitschaft, es wird von Nöten sein.

Howart Ach, es wird nicht so arg werden, der Mensch ist genügsam, die Liebe hat ihn zu einer etwas großen Forderung getrieben, nun aber, hoffe ich, wird er zufrieden sein.

Wathfield Wir wollen sehen, ich nehme Sie fest beim Wort: was zu seinem Glücke notwendig ist, dürfen Sie ihm nicht verweigern.

Rasch (hat durchs Fenster gesehen) Da kommt er eben!

Howart Dann entfernen wir uns, Inspektor! (Howart und Rasch in die Tapetentür ab, welche sich wieder schließt.)

Dritte Szene

Wathfield; Faden (tritt mit Strick zur Türe links ein; man hört ihn früher aufsperren)

Faden Sie werden gleich da sein!

Strick Ich g'freu' mich schon aufs Stubenmädl.

Faden (Wathfield erblickend) Has, was is das? Wie is denn das möglich? Sie sein da herein und ich hab' zugesperrt, wie ich fort'gangen bin?

Wathfield Hast du vergessen, daß ich ein überirdisches Wesen bin? Versperrte Türen hindern mich nicht.

Strick So ein Geist hätt's kommod, wenn er ein Dieb wurd'.

Faden Is recht g'scheit, daß Sie da sein, ich hab' ein Anliegen. Sie werden einsehen, (auf seinen Anzug deutend) mit dem G'wand tut's es nicht als Bräutigam, ich brauchet halt –

Wathfield Ja, ja, das ist notwendig.

Strick (zu Faden) Sie, wegen mir sagen S' auch was, mein Rock ist das Muster der Schleußigkeit.

Faden (zu Wathfield) ja, der muß doch auch als was erscheinen.

Strick G'sell' kann ich nicht mehr sein, denn gearbeitet wird doch nix mehr werden unter solchen Verhältnissen.

Faden Nein, Arbeit verlang' ich keine mehr, denn das wär' überflüssig, und ich darf nur das Notwendige verlangen. (Zu Wathfield.) Den da lassen wir halt als einen honetten Bedienten erscheinen.

Wathfield Gut, gut, das geht in einem hin. (Schlägt an die Tapetentür, welche sich öffnet, man sieht darin Howart am Tisch sitzen.)

Faden (erstaunt zurückprallend, zu Strick) Du, da schau' her!

Strick Das ist dem Geist sein Kaminett.

Howart (überreicht Wathfield eine Börse, die Tapetentür schließt sich mit einem seltsamen Geräusch)

Wathfield (Faden die Börse gebend) Hier hast du, was du brauchst.

Faden Ja, aber etwas hab' ich noch vergessen! Es schaut so schofel aus, wenn der Mensch keine Uhr hat, das is doch notwendig.

Wathfield (klopft an die Tapetentür, welche sich wie früher mit Geräusch öffnet)

Strick (zu Faden) Sehen S', nur brav begehren, die Geister müssen schwitzen!

Howart (überreicht Wathfield seine Uhr)

Faden Da schau' her, die prächtige goldene Uhr!

Wathfield (überreicht Faden die Uhr) Hier hast du, was du verlangt.

Strick (zu Howart) Wenn S' einmal a silberne haben mit einer Arbesketten, lassen S' mich rekommandiert sein! (Die Tapetentür will sich wieder schließen.)

Faden Erlauben Sie, lassen S' die Tür noch ein wenig offen! (Die Tür bleibt geöffnet, zu Wathfield.) Sie werden mir da gewiß nicht unrecht geben, es muß doch in allem auf der Welt Harmonie sein, wenn der Mensch schon einmal so eine prachtvolle Uhr hat und hat kein' Ring, das steht so wild.

Strick So g'wiß geschleckt

Faden Um meiner Braut mit Anstand die Hand zu reichen, muß ich notwendig einen Ring am Finger haben, und wenn's auch nur ein brillantener wär', ich bin sonst in einer Verlegenheit, die mich völlig unglücklich macht.

Wathfield Wenn das ist, so will ich deinen Wunsch erfüllen. (Geht zu Howart, welcher ihm schweigend einen Brillantring überreicht.)

Strick Ich hätt' wieder eine Passion auf eine Busennadel, aber mir gibt er nix, der Geist!

Wathfield (Faden den Ring gebend) Bist du nun zufrieden?

Faden O, ungeheuer! (Die Tür schließt sich mit Geräusch.)

Strick (zum Fenster sehend) Die schwiegervaterische Familie kommt!

Faden Meine Braut! Das gift't mich, daß ich jetzt mein neues G'wand noch nicht hab'.

Vierte Szene

Herr von Rauchengeld, Mathilde, Emilie, Theres; Die Vorigen

Herr von Rauchengeld (mit einem sehr kleinen Bündel unterm Arm) Da sind wir alle miteinand'.

Faden G'freut mich unendlich! Mein Haus ist nicht groß, aber dafür is es klein und nett.

Mathilde (etwas spöttisch) Ein äußerst bescheidenes Quartier!

Emilie Beinah' zu bescheiden!

Herr von Rauchengeld Wir werden uns schon zusamm'separieren, daß wir Platz haben alle.

Theres (zu Emilien) Geben Sie acht, das Quartier is Verstellung so wie sein Anzug.

Faden (welcher Emilien zärtlich betrachtet) Ich kann's halt noch gar nicht fassen, Sie sind mir zu schön! Mir geht's wie einer Fledermaus, die in der Sonn' fliegt. Wann Sie nur ein Alzel wilder wären, daß ich's aushalten könnt'.

Emilie Schmeichler!

Strick Ich find', sie is nicht übel, die Emilie, aber von zehntausend Gulden is da keine Spur.

Herr von Rauchengeld Ich hab' unsere Wohnung im Wirtshaus aufgegeben, wir sind da und loschieren uns gleich ein bei Ihnen mit Sack und Pack.

Faden Wo haben Sie denn Ihre Bagage?

Herr von Rauchengeld Meine Kleider und meine Wäsch' hab' ich alles da in dem Binkel. (Zeigt das kleine Bündel vor, das er trägt.)

Faden Und die Garderob' von die Fräulein Töchter?

Herr von Rauchengeld Die kommt bei Gelegenheit einmal nach.

Strick Mir scheint, die Madeln haben nix, als wie s' gehn und stehn.

Faden (Wathfield beiseiteziehend) Sie, Geist, für die Familie werd' ich notwendig einiges brauchen.

Wathfield Ja, ja, das seh' ich.

Faden Mit a paar tausend Gulden sein s' ja alle gehörig herausstaffiert.

Herr von Rauchengeld (auf Wathfield zeigend) Wer ist denn dieser Herr, wenn ich fragen darf?

Faden Ein meiniger Spezi.

Herr von Rauchengeld Ah, freut mich!

Faden (heimlich zu Wathfield) Bestellen wir jetzt derweil das Notwendige, das Geld holen wir nachher aus 'n Zauberkabinett, wenn wir allein sein, denn ich möcht' nicht, daß der Schwiegervater sieht, daß ich einen Geist hab'.

Wathfield Gut, gehen wir!

Faden Ich bitt', sich indessen die Zeit nicht lang werden zu lassen, ich hab' einiges zu besorgen. (Emilien die Hand küssend.) Schöne Braut – adieu! (Geht mit zärtlich schmachtenden Blicken mit Wathfield ab.)

Fünfte Szene

Die Vorigen ohne Wathfield und Faden

Herr von Rauchengeld Ich weiß nicht, mir kommt das alles so rätselhaft vor, als wie d' letzten Blatteln im Krakauer Kalender.

Emilie Wenn aber nicht bald eine Auflösung erscheint, die sich hören läßt, so lös' ich die eingegangene Verbindung auf.

Herr von Rauchengeld Wär' mir nicht lieb, wenn ich 's Geld wieder hergeben müßt', übermorgen ist Hochzeit und bleibt Hochzeit, damit Punktum. (Zu Strick.) Aber Er, Freund, Er könnt' uns manche beruhigende Auskunft geben, wenn Er wollt'.

Strick Ja, freilich, ich bin aber Dienstbot' und folglich verschwiegen.

Emilie In dem Quartier bleib' ich auf kein' Fall. Ich hab' mir eingebild't, eine vornehme Frau zu werden, ich hab' mir Luftschlösser gebaut, so schön, als wie der Palast da drüben, und jetzt –

Mathilde Ja, das wäre freilich was anders g'wesen. Na, vielleicht bekomm' ich einen, der mir einige Millionen zu Füßen legt.

Herr von Rauchengeld Versteht sich, ich bin froh, wenn du einen kriegst, der mir die Kost gibt.

Emilie Theres, wenn meine Schwester ein größeres Glück macht als ich, das wär' mein Tod.

Theres Ruhig! Ruhig! (Zu Strick) Freund, ich seh' Ihm's in Gesicht an, Sein Herr hat heimliche Schätze.

Strick Ja, wenn Sie mir's in Gesicht ansieht, dann laßt sich nix mehr leugnen. Wir haben eine unversiegbare Goldquelle.

Emilie (freudig überrascht) Hör' ich recht? Ist's wirklich so?

Strick Bei uns darf man nur Haferl sagen.

Herr von Rauchengeld Für diese Nachricht schenk' ich Ihm – (Strick hält die Hand auf) meine Freundschaft.

Strick (sehr gleichgültig) Ich dank', es muß nicht gleich sein.

Emilie Hör' Er mich an! Wenn sich meine Wünsche bis zu diesem Palais versteigen, würde er –?

Strick Er liebt Sie inniglich, mit einer bedeutenden Glut.

Emilie Das ist wahr!

Strick Er halt't Ihnen für die erste Schönheit der Welt, also benutzen Sie diese Verblendung!

Emilie (ganz entzückt) Wie ich herumstolzieren werde in die Prunkgemächer, die orientalischen Teppiche – die damastnen Tapeten – haushohe Spiegel – Papa, das Palais muß ich haben! (Ihn zum Fenster führend.) Da sehen Sie das prachtvolle Gebäude!

Herr von Rauchengeld Von der awigen Seiten muß es sich noch schöner ausnehmen. Schauen wir's von dem Zimmer aus an, und wenn's uns g'fallt, 's kost't ja nur ein Wort. (Zeigt nach der Türe rechts.)

Emilie O kommen Sie, Papa!

Herr von Rauchengeld Siehst, Töchterl, wie ich für dein Glück besorgt war. (Mit Emilien und Mathilden in die Tür rechts ab.

Sechste Szene

Strick, Theres

Strick Man laßt uns allein!

Theres Und was folgt da draus?

Strick Daraus könnte sehr viel folgen. Dieser Moment könnte die Grundsteinlegung sein zu einem Liebestempel, welcher für die Ewigkeit gebaut wär'.

Theres Eh' man sich auf einen solchen Riesenbau einläßt, muß man ja doch vorher das Terrain rekognoszieren.

Strick So betrachte also vorläufig diese Umschlingung meiner liebenden Arme als die erste geometrische Ausmessung! (Will sie umarmen.)

Theres (zurückweichend) Oho, nicht so voreilig, ich werf' mich einem Mann nicht sogleich an den Hals, dazu schätz' ich mich zu hoch.

Strick Na, ja, das ist – hm, schätzen kann sich ein Frauenzimmer so hoch sie will, aber es soll ja keine vergessen, daß sie drei Termine hat, den Termin der Jugend, den Termin der Hübschigkeit, welcher sich noch etwas über die Jugend hinaus terminiert, und den Termin des Altwerdens; geht sie bei die ersten zwei Termine nicht ab, so wird sie beim dritten unter dem Schätzungswerte hintangegeben.

Theres (spöttisch) Er hätt' wirklich sollen ein Schätzmeister werden!

Strick Dieses können wir Männer alle, wir wissen eine jede zu schätzen, nur dann erst, wenn man s' hat, tritt der Fall ein, daß man s' nicht zu schätzen weiß.

Theres So weit wollen wir's also gar nicht kommen lassen.

Strick Ich red' ja nur von die andern Männer, ich – ich bin ja eine Ausnahme.


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