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Nachwort zu dem ganzen Buche.


Die allverbreitete Gewohnheit, schlechte Vorreden zu schreiben, mag auch die schlechte Nachrede entschuldigen, die ich nun noch zuguterletzt diesem Buche, als einem Buche, zu halten habe. Indem ich die gute Nachrede billigerweise der Welt überlasse, behalte ich mir, als redlicher Herausgeber, bloß die schlechte vor, und hoffe, daß diese Bescheidenheit Jedermann rühren wird.

Das Schlechteste aber, was ich diesem Buche vor Allem nachreden kann, ist, daß es durchaus unvollendet erscheint, und daß Niemand daraus klug werden wird, der erst aus Büchern klug werden will. Wie kann es auch anders sein? Der Verfasser, ein vagabundirender deutscher Schriftsteller, (– und was soll die heimathlose deutsche Literatur Besseres thun, als vagabundiren? –) hat diese Skizzen, soweit sie von ihm herrühren, sammt und sonders in Wirthshäusern geschrieben, einige auf einem rippenbrechenden Postwagen sich ausgedacht, andere in Wind und Wetter auf der Landstraße geträumt. Sollte aus solchem von der Luft dieser Zeit selbst zusammengeblasenen Stoff Das, was man im gemeinen Leben ein Buch nennt, werden, so mochte es eines sein, das alle ästhetisch frommen Kunstrichter in Ansehung von Gattung, Form und Art, unter die sie es klassifiziren könnten, zum Teufel wünschen müssen. Und ich bete nur zu Gott – denn auch die armen Bücher dieser Welt haben ihren lieben Gott, der ihrer waltet – daß nicht noch andere fromme Richter, als bloß die ästhetisch frommen Kunstrichter, zu einer Ueberantwortung an den leidigen Teufel das von mir in bester Absicht Herausgegebene verurtheilen möchten. Der Teufel ist zwar heutzutage nicht mehr fürchterlich, nachdem ihm die moderne Gesellschaft (sonderbar, daß ich, aus bloßer Zerstreuung der Feder, statt moderne immer schreiben möchte modernde!) feine Sitten beigebracht, nachdem ihn die Justemilieu-Regierungen zu einem Staatskünstler ausgebildet, nachdem ihn die Philosophen in ein System gepackt, und die Poeten, seine Dutzbrüder, eine sogenannte neue Poesie aus ihm abgeleitet haben. Aber, aufrichtig gestanden, ich möchte doch lieber bloß gegen die militairfromm gerittene Aesthetik des literarisch deutschen ancien régime, an dem alle guten Köpfe dieser Zeit längst das Köpfen verdient hätten, angesündigt haben, als gegen den Frieden jener guten Seele, die bisher an dem Glück der Ueberlieferung traulich festgehalten und durch die hergebrachten Formen in Staat, Kirche, Leben und Gesellschaftsgesittung seelig geworden ist! Doch, du gute Seele, wenn du dem Teufel überantworten willst dies Buch, oder vielmehr die Luft dieser Zeit, aus der es den Verfasser in den Wirthshäusern und auf den Landstraßen angeflogen, du gute Seele, dann bedenke doch, daß, wie gesagt, auch ein Buch seinen Gott hat!

Und ihr Richter, wie wollt ihr dies Buch taufen, da es doch nun einmal ein christlich erzeugtes Buch ist, und als solches, wie jedes gute Kind, Namen und Taufe zu erhalten verdient? Wollt ihr ihm die Nothtaufe eines Romans geben, es mit dem Unschuldsnamen der Novelle benennen? Helft mir bei Zeiten aus dieser Verlegenheit, da der Setzer stündlich auf das Titelblatt wartet! Oder besser, wir zerbrechen uns lieber alle durchaus nicht den Kopf damit. Ich erkläre mit feierlicher Resignation, daß es eigentlich gar kein Buch ist, das ich herausgebe, sondern bloß ein Stück Leben, das sich, wie Schlangenhäutung, auf diesen zerstreuten Blättern abgelöst hat. Macht also nicht so viele Umstände mit einem Stück Leben! Seht zu, ob ihr es brauchen könnt, ob nicht, und taugt es euch zu keinem Dinge, so laßt es laufen, wie einen jungen Menschen, mit dem sich vor der Hand noch nichts Solides anfangen läßt. Laßt es laufen, laßt es laufen! Es läuft gern, denn es liebt die Bewegung!

Ja, wollt ihr ihm durchaus einen Büchernamen geben, so nennt es ein Buch der Bewegung! Nicht bloß, weil es der vagabundirende Verfasser auf Reisen geschrieben hat, sondern weil wirklich alle Schriften, die unter der Atmosphäre dieser Zeit geboren werden, wie Reisebücher, Wanderbücher, Bewegungsbücher aussehen. Die neueste Aesthetik wird sich daher gewöhnen müssen, diesen Terminus ordentlich in Form Rechtens in ihre Theorieen und Systeme aufzunehmen. Die Zeit befindet sich auf Reisen, sie hat große Wanderungen vor, und holt aus, als wollte sie noch unermeßliche Berge überschreiten, ehe sie wieder Hütten bauen wird in der Ruhe eines glücklichen Thals. Noch gar nicht absehen lassen sich die Schritte ihrer befriedigungslosen Bewegung, wohin sie dieselben endlich tragen wird, und wir Alle setzen unser Leben ein an ihre Bewegung, die von Zukunft trunken scheint. Und daher das Unvollendete dieser Bewegungsbücher, weil sie noch bloß von Zukunft trunken sind, und keiner Gegenwart voll!

Diese Skizzen werden hoffentlich noch fortgesetzt werden, da die darin unternommene Bewegung der Fortsetzung bedarf. Ich erstaunte, als sie mir der Verfasser, mit dem ich manches Glas Wein zusammen getrunken, übergab, einen solchen Zusammenhang bis in die anscheinendsten Zufälligkeiten hinein darin zu entdecken, nämlich den Zusammenhang jenes Umwälzungsprozesses, der sich heut vornehmlich in der ethischen Gesinnung der Zeit vorbereitet und durchführt. Ich bin und war immer der Meinung, daß die gestörte Bewegung der Politik in unsern Tagen in die rastlos durch die Gemüther fortgehende und nicht unterdrückbare Bewegung der Gesinnung mit allen ihren Hoffnungen und Wünschen einstweilen übertreten und auf diesem allgemeinen Grunde des Fortschritts doch endlich ihrer größten Erfolge gewiß werden kann. Denn wenn die Politik nothgedrungen in die Gesinnung zurücktritt, wird die Gesinnung, nachdem sie ihre innere Umgestaltung aus sich vollbracht hat, allmälig wieder in die äußere Politik, und dann unwiderstehlich, hinübertreten! Und wer empfindet nicht das Ziehen und Zucken einer ethischen und gesellschaftlichen Umgestaltung eben so scharf und eben so gewaltig in seinem einzelnen Menschenherzen, als es das ganze Weltherz jetzt durchbebt? Wer kann noch auf Wirkung hoffen, wenn er nicht auf die Gesinnung zu wirken unternimmt?

Mögen die Papiere des Reisenden, und die seiner Heiligen dazu, als Blätter und Bilder aus der ethischen Stimmung dieser Tage, so, wie sie nun sind, hingenommen werden! Gerade so, wie sie jetzt sind, habe ich sie herausgegeben. – – –

Th. Mundt.

 


 


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