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6. Bild.
Die Versuchung

Der Saal bleibt dunkel. Wach einer Weile hebt sich der Vorhang wieder. In der Stube sitzt die Franzenbäuerin auf der Ofenbank

Nachbarin kommt herein

Guten Abend, Franzenbäuerin. Sei so gut und wechsel mir den Hunderter. Ich soll die Krämerin zahlen und hab kein kleines Geld.

Bäuerin

O mein, wo soll ich so viel Geld hernehmen. Keinen Zehner könnt ich dir wechseln.

Nachbarin

Ist's wirklich schon so knapp bei euch?

Bäuerin

Was soll ich lügen? So gut wir einmal gewirtschaftet haben, mein Mann und ich – seit uns die drei Buben nicht zurückgekommen sind, tut er nichts mehr als im Wirtshaus sitzen.

Nachbarin

Hört er denn gar nimmer auf dich?

Bäuerin

Was hab ich schon geweint! Aber es freut ihn halt nichts mehr. Er weiß halt nimmer, wofür er arbeiten soll.

Nachbarin

Mein Gott – und so eine Freud hat er mit seinen Buben gehabt.

Bäuerin

Schau, ich weiß ja selber nit mehr, wofür ich auf der Welt bin. Immer muss ich dran denken – es wird halt nie mehr gut.

Nachbarin nach eitler verlegenen Weile

's ist schon hart. – Bhüt dich Gott! ( ab)

Bäuerin

Bhüt dich Gott! ( Sie brütet vor sich hin. – Es klopft. Erst beim zweiten Male hört die Bäuerin hin)

Bäuerin

Herein!

Der Gütermakler tritt ein

Bin ich recht beim Franzenbauern?

Bäuerin

Ja, da seids recht.

Gütermakler

Ist der Bauer daheim?

Bäuerin

Er ist grad nit da. Was wollts denn von ihm?

Gütermakler

Ja, ich hab gehört – er will verkaufen.

Bäuerin

Im Sinn hat er 's.

Gütermakler.

Wann kommt er denn heim?

Bäuerin

Im Wirtshaus drüben ist er. Ich lass ihn holen. ( geht hinaus)

Gütermakler schaut sich in der Stube um

Bäuerin kommt zurück

Er wird gleich da sein. Setzt Euch doch!

Gütermakler nimmt Platz

Ihnen sind gleich drei Söhne gefallen, hab ich gehört.

Bäuerin aufseufzend

Ja, alle drei sind nimmer kommen.

Gütermakler

Hm – hm. Bitter für eine Mutter.

Bäuerin

Hart ist's genug. Aber man muss tragen, wie's der Herrgott schickt. ?

Gütermakler

Ja ja! – Jetzt geht's halt schlecht weiter mit der Wirtschaft.

Bäuerin

Es ging immer noch. Aber seit die Buben fort sind, freut den Bauern nichts mehr.

Gütermakler

Ja, habt ihr's denn notwendig, euch auf eure alten Tag zu schinden und zu plagen? Verkauft halt den Hof und lebt vom Geld! – Wozu sich denn umsonst schinden?

Bäuerin

Käufer gäb's genug. Aber wenn's drauf und dran geht, überlegt sich's der Bauer doch allemal wieder. Man hängt halt doch am Hof.

Gütermakler

Nehmt euch hält ein Ausgeding!

Bäuerin

Ohne das verkaufen wir, so nit.

Bauer kommt mit einem kleinen Rausch. ( Dazu gehört ein zurückhaltendes, gutes Spiel. Es darf nie komisch wirken; es muss Bedauern auslösen. Lieber den Rauseh nicht spielen und die paar folgenden Sätze auslassen, als hier daneben spielen!)
Grüß Gott! ( Er gibt dem Fremden die Hand)

Nachbar Steffl, der miteingetreten ist, tut ebenso

Bäuerin für sich

Schon wieder einen Rausch!

Steffl zur Bäuerin

Darfst nicht zornig sein. Heut hat's ihn wieder ein bissel erwischt.

Bäuerin

Der Rausch geht jetzt nimmer aus bei ihm.

Bauer zeigt stumm mit den Fingern

Eins – zwei- drei! – – Meinst, ich kann meine drei Buben vergessen? –
( zum Fremden)
Also, Sie hätten was zu reden mit mir.

Gütermakler

Ich bin der Neumann von Hammerau.

Bauer

Ist schon recht. Und was wollen S'?

Gütermakler

Ich komm fragen, ob Sie nicht verkaufen wollen?

Bauer

So so, darum sind Sie da. – – Ja, freilich verkauf ich ( laut) Ich hab drei Buben gehabt – was, Steffl? Das sind Buben gewesen – Kerle wie die Eichen im Wald – verstehen S' – – ? Drei Buben – – ( entmutigt und resigniert lässt er die Hand sinken)

Gütermakler

Und alle drei sind gefallen – hm –

Bauer dumpf

Alle drei – und da komm ich nicht drüber weg – .

Gütermakler

Es ist ein Jammer mit dem Krieg.

Bauer

Das ist wohl ein Elend – der Krieg.

Steffl

Überhaupt, wenn's einen so trifft wie dich.

Bauer

Alsdann – Sie möchten das Sach kaufen – na, dann schaun Sie sich halt alles an!

Gütermakler

Brauch ich nicht. Ich weiß das Ausmaß vom Grund und weiß, was an Einrichtung da ist. – Sie brauchen nur den Preis zu sagen.

Bauer

Das versteh ich nit. Wenn ich was kaufen will, da schau ich mir's vorher an. Einen ganzen Hof kaufen ist doch nit so, wie wenn man ein Pfund Zucker kauft.

Gütermakler

Sagen S' den Preis und gut!

Bauer

Haltet Ihr mich für einen Narren?

Gütermakler

Ich sagte Ihnen doch schon, Sie sollten mir den Preis nennen.

Bauer

Den Preis sagen – Sie müssen sich doch erst alles mal anschauen!

Gütermakler

Aber warum denn? Die Wirtschaft selber interessiert mich doch nicht.

Bauer

Aber was denn sonst?

Gütermakler

Schaun 'S'! Wir brauchen einen geeigneten Platz für eine Fabrik. Uns ist es nur um die Wasserkraft zu tun, die wir ausbauen wollen.

Steffl

Eine Fabrik?

Bauer

Eine Fabrik! – – Also, was anderes möchten Sie herbauen.

Gütermakler

Ich sagte Ihnen schon – eine Fabrik.

Bauer

Und wer kauft? Sie selber?

Gütermakler

Ich bin im Auftrag einer Bank da.

Steffl leise zum Bauern

Da kannst einen hübschen Preis verlangen.

Gütermakler

Also, was kostet die Wirtschaft?

Bauer

Ja, was soll ich da sagen?

Gütermakler

Also – ich biete Ihnen 50 000 Mark.

Bauer verwundert

50 000?

Gütermakler

Nicht? Sagen wir 70 000. Schlagen Sie ein!

Bauer

70 000?!

Gütermakler

Und das Austraghaus bleibt Ihnen.

Bauer erfreut

's Austraghaus gehört uns?!

Steffl

Jetzt schlag aber ein!

Bauer

70 000 Mark! Das ist ja die Wirtschaft nit wert. Sind ja Hypotheken drauf, das müssen, S' auch rechnen. – – Ich hab schlecht gewirtschaftet in der letzten Zeit.

Gütermakler

Das weiß ich alles. Aber es macht nichts.

Bauer

Wie können Sie denn mehr zahlen, als es wert ist?

Gütermakler

Das lassen Sie unsere Sorge sein.

Bauer misstrauisch

Da steckt doch was dahinter.

Steffl

Was geht das dich an? Du kriegst dein Geld und hast keine Sorgen mehr.

Bauer wischt sich über die Stirn

Gütermakler

Also 70 000 und den Austrag.

Bauer zu seiner Frau

Resl, was sagst?

Bäuerin

Tu, was du willst! Ich red nichts drein. Aber, wenn's nach mir ging, ich fanget schon lieber selber wieder an, als dass fremde Fabriksleut herkommen.

Gütermakler

Hören Sie nicht auf Ihre Frau! Schlagen Sie ein! ( Draußen hört man Kinderlärm. Ein Ball fliegt durchs offene Fenster)

Bauer geht zum Fenster

Wird's bald a Ruh da drauß? Ihr Malefizbuben werfen einem noch die Fenster ein mit dem ewigen Ballspielen. (bebt den Ball auf)

Der Bub in der Tür

Wo ist mein Ball?

Bauer

Soll ich dich recht durchhauen?

Bub

Ich will ja nur meinen Ball.

Bauer

Wenn ich ihn dir aber nit geb?

Bub

Dann seids ein Dieb.

Bauer

So?

Bub

Und der Ball gehört mir, und ich will ihn.

Bauer

Geh? Und da muss ich ihn dir geben, wenn du ihn willst.

Bub

Schon! Weil er mir gehört! Und ich sag's meiner Mutter.

Bauer belustigt

So! Wem gehörst denn?

Bub

Halt meiner Mutter.

Bauer

Wer ist denn deine Mutter? Du bist doch fremd hier.

Bub

Wer soll's denn sein? Meine Mutter ist's halt.

Steffl

Ist schon besser, wenn du's nit weißt. Möchtest am End zornig werden, dass dir der Bub ins Haus kommt.

Bauer

Bub, lass dich ansehn! Wer sollst denn sein?

Steffl

Die Magerl ist da zu Besuch und hat den Buben mitgebracht.

Bauer zitternd

Der Bub da – – die Magerl – – ist etwa – hat der Sepp einen Buben? –

Bäuerin

Unser Sepp – – einen Buben?!

Steffl

Ist halt so. Es ist eurem Sepp sein Bub.

Bauer

Meinem Sepp seiner. Bübl, wie lang bist schon da?

Der Bub

Eine Woche halt. – Bei meiner Großmutter bin ich.

Bauer

Wie groß er schon ist!

Bäuerin, die kein Auge von dem Kind verwendet

Darf ich ihm was geben?

Bauer

Freilich, gib ihm was!

Bub

Meinen Ball will ich.

Bäuerin

Er gibt ihn dir schon. Willst einen Apfel?

Bub fest

Wenn er mir meinen Ball nit gibt, mag ich auch keinen Apfel.

Steffl

Recht hast, Bub. Zuerst soll er dir deinen Ball geben.

Bauer weich

Komm her, da hast deinen Ball.

Bub greift rasch zu

Bauer legt ihm die Hand auf den Kopf

Wie heißt denn?

Bub

Sepp heiß ich.

Bauer sinnend

Wie aus dem Gesicht geschnitten ist er ihm, meinem Sepp.

Bub geht langsam zur Bäuerin

Einen Apfel soll ich kriegen.

Bäuerin gibt den Apfel

Ja so – jetzt hätt ich bald darauf vergessen. ( streichelt den Buben)

Bub beißt ab

Vergelt's Gott. Jetzt muss ich wieder spielen gehen. (ab)

Steffl

Gelt, da schaust.

Gütermakler

Na also – wie ist's mit dem Kauf?

Bauer schaut lange dem Kind nach, fährt dann mit der Hand über die Stirn, als wolle er etwas wegwischen – dann beinahe fröhlich
Wisst's, was das war? – Das mit dem Verkaufen! – Eine Versuchung war's. Ob das alte Bauernblut noch nit tot ist in mir. – Habts den kleinen Schutzengel gesehen, den Gott mir geschickt hat? ( feierlich) Habts ihn gesehen?
(zum Gütermakler)
Wenn zu dir so einer käm, so ein Häuserhändler, und tät dir deine Heimat abhandeln, wie der Teufel dem armen Sünder die Seel, – könntst du dein Vaterhaus mir nichts, dir nichts, verkaufen? Gelt, du könntest es nicht. Und ich sollt's können?
Nein, Mann, behalt du dein Geld und geh! Zweihundert Jahre sitzen die Franzenbauern auf dem Hof – und jetzt sollt's anders werden? Und wenn ich mir die Nägel von den Fingern arbeiten muss, jetzt grad nicht. Jetzt schieb ich den Wagen noch einmal an. Kannst lesen? Draußen auf der Feuermauer steht ein Spruch:

Bauer in dem Haus,
wer eingeht und aus
wer ausgeht und ein –
's wird allweil so sein.

Und du möchtst jetzt so eine stinkende Fabrik hersetzen? Nein, Freunderl, geh! Du bist ja nur ein Bauernversucher. Geh, sag ich.

Gütermakler geht achselzuckend ab

Beleidigen lass ich mich nicht. Ich kann warten, bis Ihr mich selbst holt. 70 000 Mark ist kein Pappenstiel.

Steffl

Ja, Nachbar, was hast jetzt getan? So ein schönes Stück Geld für das Sach kriegst dein Lebtag nimmer.

Bauer

Geld! Geld! Ist das wirklich. alles? Brauch ich denn Geld? Jetzt bin ich wieder zu mir kommen. Ich bin wieder da!
( freudig) Nachbar, in mir hat sich's gewendet. Jetzt liegt der gute Will wieder obenauf.

Steffl

Ich versteh dich nimmer. –

Bauer

Das tut nichts, Nachbar, wenn ich mich nur selber wieder, versteh.
Wüst hüe! – Jetzt weiß 's Ross wieder, warum 's eingespannt ist – wüst hüe! (Er steht mit geballten Händen da)

Der Vorhang fällt


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