Adam Müller-Guttenbrunn
Der große Schwabenzug
Adam Müller-Guttenbrunn

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Der Gast aus dem Banat

Sehr pünktlich war der Hofkammerrat zu Tisch gekommen, und er erschien der Tante Mathild', die er schon im Vorhaus traf, recht aufgeräumt. Er merkte, daß sie in der Speisekammer zu tun hatte und sehr erhitzt war. Da neckte er sie, daß er doch einmal früher gekommen wäre, als ihr lieb sei. An dem glühenden Gesicht sähe er ihr an, daß sie noch gar nicht fertig wäre.

Und so war es. »Aber warum? Hm?« Ob er das wohl errate? fragte sie hinterhältig und beinahe lustig.

Nein, er erriet es nicht.

Weil Besuch da war und sie die Dame d'honneur zu spielen hatte. Den Zerberus mußte sie machen, anstatt zu kochen, brummte die Tante gutmütig.

»Ah! Also Herrenbesuch?«

»Jawohl! jawohl!« sagte sie und eilte in die Küche.

Die Lottel, die des Vaters Stimme gehört hatte, stürzte aus der Wohnung heraus. »Papa! Papa!« rief sie. »Raten Sie, wer hier war!« Und sie warf sich dem Vater an die Brust, griff nach seiner Hand und küßte sie.

»Wie soll ich das erraten? Was weiß ich, was du gestern im Ballhaus wieder für Eroberungen gemacht hast? Du hast übrigens ganz famös gespielt, ganz famös.«

»Denken Sie, lieber Papa, der Graf Mercy ist in Wien!« sagte sie mit strahlender Miene.

»Nicht möglich! Kind, das ist nicht möglich!« rief der Hofkammerrat.

Sie hing sich in des Vaters Arm und ging mit ihm in die Stube. »Warum soll denn das nicht möglich sein?« fragte sie heiter. »Aber Ihr meint vielleicht den Gouverneur?«

»Nun ja, wen sonst? Gibt es denn noch einen Grafen Mercy?«

»Ach so, Ihr wißt noch nicht? Oh, Papa, ich habe immer geglaubt, Ihr wißt alles!«

»Was weiß ich nicht?«

»Der Neffe ist adoptiert. Der Kaiser hat auch ihm den Grafentitel verliehen!« sprach sie mit heiterer Feierlichkeit.

»Dem Kapitän von Mercy?«

»Dem Major! dem Major!« lachte sie. »Ihr wißt doch gar nichts von der großen Welt, Papa!«

»Da magst du recht haben. Was außer meiner amtlichen Welt vorgeht, davon erfahre ich immer zuletzt ... Also ist der junge Herr wohl in Wien, um in Audienz zu erscheinen?«

»Jawohl«, sagte sie wichtig. »Seinen Dank will er dem Kaiser zu Füßen legen. Und beim Hofkriegsrät hat er eine Mission. Und jemanden – nun, jemanden wollte er wiedersehen in Wien.«

»Dich? Dich?« sprach der Hofkammerrat und sah ihr in die strahlenden Sonntagsaugen.

Sie schlug sie nicht nieder, sie sagte: »Ja, Papa!«

Der Hofkammerrat schüttelte den Kopf. »Und das sagte er dir ohne Umschweife? Da er dich zum zweitenmal im Leben gesehen hat, sagte er dir das?«

»Er ließ es mich wenigstens merken.«

»Merken! Ach so ... Gib acht, mein Kind, daß du die Flausen eines jungen Grafen nicht für bare Münze nimmst. Der Glückspilz kann höhere Ansprüche an Madame Fortuna stellen, als wir erfüllen können.«

»Ich weiß, was ich weiß, Papa«, sagte die Lottel schalkhaft.

»Ja, ja, ist schon gut«, brummte der Vater. »Die Tant' hat dir drei Jahre lang ihre Einbildungen vorgeleiert, bis du an sie geglaubt hast... Weißt, Lottel, ich hab' dich immer für gescheiter gehalten, als die alte Frau. Darum hab' ich auch nie was Ernstes dawider g'sagt. Aber ...«

Die Lottel deckte den Tisch, während der Hofkammerrat redete. Sobald er wienerisch sprach, das wußte sie, war er innerlich warm.

»Aber jetzt ist's zu spät, Papa, viel zu spät!« rief sie munter dazwischen.

»Es kann nicht zu spät sein, Lottel, dich daran zu erinnern, daß du ein bürgerliches Mädel bist.«

»Oho, Papa, oho! Ich bin seit zehn Jahren von Adel. Und er ist erst seit zwei Wochen Graf.«

»Närrisches Kind. Unser Beamtenadel! Was gilt der in diesen Kreisen? Papier!«

»Es scheint doch, daß er was gilt, Papa. Warum war denn sein erster Weg zu uns? Hin? Um neun Uhr kommt er in Wien an und um halber Zwölfe laßt er durch ein' französischen Schwihack fragen, ob das Fräulein Charlotte von Stephany zusprechen wär'. »Oui. oui!« hab' ich g'sagt.«

Der Hofkammerrat lachte.

Die Tante Mathild' trat jetzt ein, und hinter ihr erschien die Magd mit der Suppe. Die Tante war ganz Hausmutter. Sie machte das Zeichen des Kreuzes, setzte sich auf den Ehrenplatz und teilte aus. »Hast g'wiß schon alles aus'plaudert, was?« sprach sie und sah Lottel lächelnd an.

»Nit alles«, sagte die und löffelte eifrig an ihrer Suppe. »Hab' schon noch 'was übrig 'lassen für die Tant'.

»Doch?« erwiderte diese. »Am End' die schönen Empfehlungen an den Herrn Hofkammerrat? Oder die Grüße des Herrn Gouverneurs?«

Stephany war ärgerlich. »Nun ja, ein neuer Graf war hier. Was weiter?« sagte er. »Macht doch kein solches Wesen aus einem Höflichkeitsbesuch. Ich werd' schon sehen, wie das alles zusammenhängt. Die Herrschaften im Banat brauchen mich, und da schmeicheln sie sich bei euch ein bissel ein. Nehmt das nicht so ernst, rat' ich euch beiden.«

»Wie wär' das?« brauste die Tante auf. »Glaubt der Herr Hofkammerrat, mir hab'n keine Augen und keine Ohren? Der Herr Major macht keine Spassetteln mit uns. So wie ich's damals prophezeit hab', wie er die Lottel zum erstenmal g'sehen hat, so kommt's. . . Meine Karten täuschen mich nie. Seit drei Jahren sagen sie: es steht ein Glück ins Haus. Und jetzt trifft's ein.« Da Stephany laut auflachte, fuhr sie hitzig fort: »Ich hab' im Anfang nur g'glaubt, die Exzellenz wär' gemeint. Jetzt ist's aber der junge. Na ja, irren kann man sich.«

Lottel erhob sich auf einen Wink der Tante, ging zum Glockenzug, der nach der Küche führte, und schellte.

Die Magd brachte das Fleisch und das Gemüse, und die Tante legte wieder vor ... Ob alles in Ordnung sei heute mit dem Essen, das wisse sie nicht. Der Besuch habe sie zu lange aufgehalten. Wenn sich das jetzt öfter wiederholen sollte, müsse sie doch untertänigst um eine schwäbische Köchin ersuchen, scherzte sie.

Der Hofkammerrat seufzte auf. »Endlich!«

»Was, endlich? Ist das mein Dank?«

»Liebste Mathild', wie lange will ich Ihr denn die Köchin schon geben?« sprach der Rat. »Morgen soll sie ins Haus.«

»Warum nicht heute?« erwiderte diese spitzig.

»Ich hab' Sie gebeten, bei der Lottel die Mutter zu vertreten; daß Sie auch kochten, dafür müssen wir ja besonders danken.«

»Schon gut; schon gut«, sagte die gereizte Tante. »Das Mädel muß mehr in die Welt, es braucht jetzt eine Duenna, eine würdige Gesellschafterin, die die Augen aufmacht«, fuhr der Rat fort. »Nur weil sie gar nichts weiß von der Welt, hängt sie ihr Herz an den ersten Mann, der ihr begegnet. Von jetzt an soll das anders werden ... Wer aber soll sie manchmal in die Komödie begleiten? Wer ins Ballhaus? Ich? Das geht nicht. Aber kochen kann bald wer!«

»Bitte sehr, Kochen ist eine Kunst«, sagte die Tante.

»Und eine Tugend!« rief der Rat. »Ich weiß. Trotzdem ist es mir sehr lieb, wenn die Tant' sich künftig mehr um das Lottel kümmert, als um das Kotelettel, das wir abends essen werden.«

Die Tante lächelte. »Spotten S' mir wieder den seligen Pater Abraham aus?« sagte sie'. »Triff es ja doch keiner so wie er ... Aber was wird denn nachher mein Putz kosten, Lottel? Wer zahlt mir denn das«, fragte sie den Rat, »wenn ich jetzt die große Madame spielen soll?«

Stephany lachte wieder laut auf. »Das hab' ich gut gemacht! Jetzt kommt schon die erste Rechnung.«

Die beiden Damen lachten mit. Lottel ging zum Glockenzug und schellte wieder. »Liebster Papa«, sagte sie, »das hab' ich mir schon lange gedacht, daß wir zu kleinbürgerlich leben. Wenn ich sehe, was andere Ratsfamilien für Aufwand treiben!«

»Laß das, mein Kind«, sprach Stephany und winkte ab.

Als die Magd sich wieder entfernt hatte, fragte der Rat: »Und wie lange bleibt denn der Major in Wien?«

»Vier Wochen«, rief Lottel freudig.

Und die Tante Mathild' fügte hinzu: »Er wird sich morgen die Ehr' geben, in der Hofkanzlei vorzusprechen.«

»Na ja ... Sie brauchen mich halt wieder, die Herren. Ich will ihn mir bei dieser Gelegenheit aber genau anschauen, den Neveu. Sehr genau ... Gibt's einen Türkischen heute?« fragte Stephany plötzlich.

»Aber freilich!« sprach die Tante und eilte in die Küche hinaus, um selbst den Kaffee zu bereiten. Und als Vater und Tochter allein waren, fragte der Rat:

»Warst du bei Mutti drüben?«

Die Lottel schlug die Augen nieder. Als ob sie ein Schuldbekenntnis abzulegen hätte, flüsterte sie:

»Ich hab' ihr ein paar von seinen ersten Blumen gebracht.«

»Bist ein gutes Kind«, sagte der Rat.

*

Ein sonniger, warmer Junimorgen lag über Wien, als Anton von Mercy nach dem Belvedere hinausfuhr, um sich dem Generalissimus als Abgesandter seines Oheims zu präsentieren. Der Prinz war ein matinaler Herr, ein Frühaufsteher, und er erteilte seine Audienzen, während andere Leute noch ihren Morgenschlaf hielten. Auch der Major war für die siebente Stunde beschieden worden, und als er bei dem Palast des unteren Belvedere vorfuhr, spreizten sich da schon die Lakaien und Läufer von anderen herrschaftlichen Karossen; einzelne Standespersonen, die offenbar bereits in Audienz gewesen, fuhren gegen die Stadt zu.

Ein Obrist nahm als Adjutant des Generalissimus die dienstliche Meldung des Majors entgegen. Dann trat ein glatter französischer Kammerdiener vor und lud den Grafen ein, ihm zu folgen. Seine Durchlaucht lasse bitten. Er geleitete ihn durch eine Flucht von Wohnräumen, die ohne jede Prunkliebe, aber mit dem künstlerischen Geschmack eines Grandseigneurs ausgestattet waren, hinaus ins Freie, in den Park.

Überraschend war der plötzliche Wechsel des Bildes. Ganz eben trat man hinaus auf eine mit feinem Kiesel beschotterte schmale Fläche, und vor dem Beschauer baute sich eine kunstvolle Parkanlage im Stile des Le Nôtre, die über einen Hügelrücken emporstrebte, terrassenförmig auf. Und droben, auf der Höhe, stand der Feenpalast eines neuen Sommerschlosses.

Ein »Ah!« entfuhr dem Munde des jungen Grafen. Er hatte ja gehört, daß der Prinz seit zwanzig und mehr Jahren an diesem Werke arbeitete und alle seine Mittel an dasselbe wende, aber daß es nun fertig war, das wußte er nicht. Die glattgeschnittenen Bäume liefen gradaus eine Hügellehne empor und gliederten sich stufenweise zu einem natürlichen Rahmen für das obere Schloß. Aus allen diesen grünen Wänden lugten die hellen Statuen von Göttern, Halbgöttern und Heroen, auf jeder Terrasse lauerten zwei Sphinxe aus hellgrauem Sandstein auf den Wanderer, und in dem breiten, sonnigen Mittelstück des Parks, zwischen farbigen Blumenbeeten, bauten sich die kunstvollen Wasserwerke aus Teichen und Grotten und Brücken und Stauwerken auf, die mit allen erdenklichen bildnerischen Figuren von Meisterhand belebt waren. »Herrlich! Herrlich!« rief Anton von Mercy, der unwillkürlich stehen geblieben war, um diesen lebendig gewordenen Traum eines fürstlichen Geschmacks zu genießen.

Der Kammerdiener lächelte fein und wies mit der Hand nach rechts, wo eine Gruppe von Herren in der Morgensonne stand – in ihrer Mitte der Generalissimus Prinz Eugen. Er hatte seine Künstler um sich versammelt zu einer letzten Revue, und die Herren waren in eifrigster Debatte, als der Major plötzlich erschien. Sie unterbrachen ihr Gespräch und beobachteten voll Genugtuung den Eindruck, den ihr Gesamtkunstwerk auf diesen Fremden machte. Der Prinz ahnte sogleich, wer der Offizier war, denn er hatte Auftrag gegeben, den Grafen hierher zu weisen. Und dieser hätte sich nicht besser einführen können, als durch diese Entzückung über sein Werk. Er lächelte befriedigt.

Anton von Mercy war dem Prinzen noch nicht vorgestellt worden; er stand zum erstenmal vor ihm. Freundlich ging ihm der Generalissimus jetzt ein paar Schritte entgegen und erwiderte seinen militärischen Gruß. Mercy nannte seinen Namen. »Ich weiß, Conte, ich weiß. Ambassadore von meine liebe Mercy! Wie geht ihm? Was gibt Neues im Banat?«

Der kleine Mann mit dem lederbraunen Gesicht und der großen weißen Perücke machte auf den ersten Blick den Eindruck eines häßlichen Menschen. Seine Nase, war ein wenig aufgestülpt, die Oberlippe zu kurz, so daß der Mund stets offen stand und die Zähne sichtbar blieben. Nichts empfahl ihn als sein blitzendes, geistvolles Auge. Sonst war er das lebendige Spottgedicht auf einen Prinzen und Krieger. Anton von Mercy machte sich unwillkürlich kleiner, er knickte in sich zusammen, als empfinde er es peinlich, den großen Helden an sich emporblicken zu lassen.

»Der Herr Feldmarschallieutenant befindet sich wohl, Euer Durchlaucht, und sendet ehrfurchtsvolle Grüße«, antwortete er. »Neues gibt es viel zu melden, und dem Präsidenten des Hofkriegsrates hätte ich manche gehorsamste Bitte vorzutragen.«

»Kann ich mir denken! Müssen aber drei Tage Geduld 'aben, 'err Conte. Andere Geschäfte ... Wie lange Permission?«

»Einen Monat Urlaub, Euer Durchlaucht.«

»E vero? Das sein gut! Da 'aben wir viele Zeit. Wollen morgen auck sein meine Gast?« fragte er verbindlich. »Kommen viele 'errschaften, meine Belvedere zu besiktigen.«

Mercy dankte durch eine Verbeugung für diese Auszeichnung, und der Prinz stellte ihm seine Künstler vor; den ehrwürdigen Meister Lucas Hildebrandt, der ihm das Belvedere gebaut, die Bildhauer, Gartenkünstler und Ingenieure, die ihn umringten und mit denen er heute eine Generalprobe abhalten wollte. Lucas Hildebrandt kannte den Gouverneur Mercy, er hatte bei ihm die Pläne für sein Schloß in Högyéß bestellt, und er begrüßte den Sohn besonders freundlich. Der Prinz aber schaute fortgesetzt nach seiner Uhr; er schien noch jemanden zu erwarten. Endlich sagte er: »Avanti! Fangen wir an!«

Der Major durfte teilnehmen an der Probe der Wasserkünste, die jetzt in Gang gesetzt wurden, und die Augen des Prinzen leuchteten, als droben das Spiel begann und sich rauschend näherte und steigerte. Die Wassersäulen stiegen zum Himmel auf und die Sonne baute eine Regenbogenbrücke über den Park, die sich wie ein Glorienschein des oberen Schlosses ansah. In breitem Fluß stürzte der Wasserfall in sein Becken, schöne, marmorne Najaden ruderten in einem Muschelboot, und es war, als atmeten sie. Jetzt begannen, knapp vor den Zuschauern, die Künste in den kleinen Teichen zu spielen. Tränen liefen dem Prinzen über die braunen Wangen, so lachte er über die tollen Knaben, die da ein Seeungeheuer fingen und ihm auf den Magen drückten, damit es Wasser speie. Der Bildhauer war glücklich, den Generalissimus durch seinen Witz in solle Laune versetzt zu haben. »Maestro, Maestro – eccelentissimo! Che allegro!« rief er ' ein um das andere Mal. Er fand den Spaß überaus heiter.

Als alles in Bewegung war, luden die Ingenieure den Prinzen ein, ihnen zu folgen. Da verabschiedete er den Major mit großer Freundlichkeit. »A domani! A domani!« rief er ihm noch nach. »Morgen nakmittage!«

Darin stieg er mit den Künstlern langsam aufwärts, besichtigte einen Teil des großen Werkes nach dem anderen, prüfte, kritisierte im Vorübergehen jedes seltene Gesträuch, erquickte sich an jeder exotischen Blume, klopfte bald diesem, bald jenem seiner künstlerischen Mitarbeiter auf die Achsel, und war in der glücklichsten Stimmung. Endlich, endlich, nach so vielen Jahren der Sorge und der Arbeit war auch dieser Tag gekommen.

»Wie wird die Lory sich freuen!« war sein steter Gedanke. Wo sie nur bleibt? Sie hatte ihm doch versprochen, zur Probe zu erscheinen. Freilich, freilich, so früh ist die Frau Gräfin nie mobil, er hätte doch wohl warten sollen, sagte er sich.

Je höher man hinaufstieg, desto kunstvoller entfaltete sich die Anlage des Parks, und ein berückender Duft entströmte den Rosenbeeten, die vor dem oberen Schloß in voller Blüte standen. Der Prinz sog ihn in vollen Zügen ein und sonnte sich voll Behagen in dem Gefühl des vollendeten Werkes. So wohl war ihm schon lange nicht.

»La Contessa!« meldete ein Lakai, der seinem Herrn mit der Schnupftabakdose und einer Flasche Sauerwasser gefolgt war. Und er deutete mit einer Handbewegung nach der Tiefe des Parks.

Der Prinz hielt sich die Rechte schützend vor die Augen und spähte hinab. Dort schwankte eine goldig schimmernde Sänfte herauf, die von zwei rotlivrierten Lakalen getragen wurde.

»Scusati! Scusati!« sagte der Generalissimus entschuldigend zu seinen Begleitern und ließ sie stehen. Mit jugendlichem Ungestüm eilte der Prinz, den seine einundsechzig Jahre heute weniger als je bedrückten, der Sänfte entgegen, und als er sie erreicht hatte, entstieg ihr eine zierliche, lebhafte Dame, der er voll Ritterlichkeit die Hand küßte. Es war Gräfin Lory, die Witwe des Grafen Batthyanyi, seine Freundin, sein Kamerad. Schon als Komtesse Strattmann hatte er sie gekannt, als die vielumworbene schöne Tochter des hungarischen Hofkanzlers. Aber sie hatten sich erst jetzt gefunden, in älteren Tagen. Und sie trotzten der Welt und dem Gerede der Leute und sahen sich jeden Tag. Ihre Mädchenschwärmerei für den Sieger von Zenta hatte sie sich hinübergerettet in ihre Witwenschaft, und der Hagestolz Eugen verehrte nie ein anderes weibliches Wesen so wie sie.

Die Künstler kannten die Gräfin, sie hatte sich oft mehr, als ihnen lieb gewesen, um alles gekümmert, wenn der Feldherr von Wien abwesend war. Sie war stets die Überbringerin seiner Wünsche und Befehle, sie kritisierte, aber sie wies auch Honorare an. Und sie machten derselben dankbar jetzt ihre Reverenz, als wäre sie des Bauherrn Gemahlin.

Die kostbar geschminkte und gepuderte Gräfin war bildhaft hübsch und ganz unbestimmbaren Alters. Ein klein wenig größer als der Prinz, aber ebenso zierlich wie er, machte sie neben ihm die beste Figur.

»Bon jour, bon jour, meine Herren!« rief sie den Künstlern zu. »Ich bin leider ein wenig zu spät gekommen. Habe auf dem Wege herauf aber noch alles in Tätigkeit gesehen. Bin entzückt! Seine Majestät wird morgen erscheinen und Ihr Werk ebenfalls bewundern.«

Der Prinz nahm den Hut ab, als der Kaiser genannt wurde, und die Künstler, die dasselbe getan, verneigten sich so tief, als stünden sie vor dem Monarchen selbst. Sie waren beglückt von dieser Mitteilung der Gräfin. War der Kaiser doch der baulustigste und kunstfreudigste Herr, den Österreich je besessen. Der Prinz aber schaute zu seiner Freundin auf, als ob er zweifle ... Die Gräfin sah ihn triumphierend an. »Er wird kommen!« sagte sie leise. »Maria hat es mir versprochen.«

»E vero?« fragte der Prinz. »Ist es wahr?« Nun glaubte auch er daran. Die schöne Maria Althan durfte so etwas versprechen. Seitdem die Freundin des Kaisers Witwe war, stand Eugen mehr in Gunst bei ihr. Sein eigentlicher Feind bei Hofe war ihr Gemahl, der Herr Oberststallmeister, der nicht dulden wollte, daß ein anderer etwas galt beim Kaiser, dessen Jugendfreund, dessen ständiger Begleiter er durch zwei Jahrzehnte gewesen. Die Gräfin Lory und die Althan waren Nachbarinnen in der Schenkenstraße, jede hatte dort ihr Palais. Zu dem einen fanden die Isabellenschimmel Eugens blind den Weg auch ohne Kutscher. Und die Träger einer schwarzen Sänfte, die immer Larven vor den Gesichtern hatten, waren in dem anderen wohlbekannt ... Piket wurde da und dort gespielt und dazwischen immer auch ein bißchen protegiert und intrigiert.

Der Prinz reichte der Gräfin Lory eine Rose aus seinem schönsten holländischen Beet. Dann bot er ihr den Arm, Meister Lucas übernahm jetzt die Führung in das Innere des fertigen Schlosses Belvedere.

*

Als Anton von Mercy unter Vorantritt seines Heiducken zu seiner Karosse schritt, um zurückzufahren nach der Stadt, entstieg die Gräfin Lory der ihren. Der Major merkte, daß die Dame eine besondere Respektsperson sein mußte im Hause des Generalissimus, denn ihr Wagen war in das Innere gefahren; die Lakaien liefen herbei, und der aalglatte Camerlere katzbuckelte um die Wette mit ihnen, dem Gast gefällig und behilflich zu sein. Sie blickte voll Wohlgefallen nach dem schmucken Offizier mit dem hungarischen Heiducken und erkundigte sich bei dem Kammerdiener nach dessen Namen. Kein Wort sagte sie, als Baptiste ihr diesen Namen nannte, aber sie schaute sich noch einmal um nach ihm. »Ein Mercy?« fragte ihr forschender Blick. »Gute Rasse. Wenn der Neveu dem Oheim auch sonst nachgerät ... – Sie erinnerte sich jetzt. Das war ja der neue Graf, der Adoptierte. Vielleicht der einzige unter den heurigen Osterhasen, so nannte man scherzhaft die immer zu Ostern Ernannten und Geadelten, der nicht durch Marias Gnade aufstieg, der einzige, der sich nicht bei ihr loskaufte ... Ob der Fremde unter den Geladenen für morgen wäre, wollte die Gräfin wissen. Baptiste bejahte es. Der Prinz habe ihn selbst geladen, habe ihn überhaupt mit großer Auszeichnung empfangen. »Apropos, Baptiste«, sagte die Gräfin, »setze Er noch den Namen der Baronin Helene Parkoczy, geborene Gräfin Erdödy, auf die Liste ... » Dann ging sie und bestieg die Sänfte.

Es erschien Mercy noch zu früh, nach der Hofkanzlei zu fahren. Der Hofkammerrat empfing sicherlich noch nicht. Der Morgen aber lachte so festlich, und ein Meer von Wohlgerüchen lag in der Luft. Der Major gab seinem Kutscher den Auftrag, einmal gemächlich um die Stadt herumzufahren. Hatte er dieses schöne Wien ja noch kaum recht gesehen. Dieses starke Wien, das den Türken zweimal trotzte. Sein Auge war geschult, er kannte so manche Festung und lernte jetzt viel bei dem Neubau von Temeschwar. Diese Vorwerke von Wien, die sich in einem halben Jahrtausend so kunstvoll gegliedert haben, die immer wieder erneuert und verstärkt und verschönt wurden, so daß jetzt ihre Stärke hinter dem anmutigen Bild einer abwechslungsreichen Parkanlage verschwand, sie konnten wahrlich als ein Muster und Vorbild dienen. Der Festungsbauingenieur in Mercy wurde wach, er begeisterte sich an dem Anblick der strengen Anlage, die dem gesamten Verkehr der inneren Stadt nach außen nur acht Tore offen ließ. Und er bewunderte die Genialität des Prinzen Eugen, der mit einem kühnen Entschluß endlich auch den Kranz von Vorstädten einbezog in dieses Befestigungssystem.Zweimal waren diese blühenden Vorstädte freiwillig eingeäschert worden, als die Türken sich näherten, aber als auch die Rakoczyschen Kuruzzen Wien bedrohten, da kommandierte der Generalissimus ein Armeekorps zur Schanzarbeit und zog einen Riesenwall um das ganze große Stadtbild. Dieses blühende Leben vor den Toren von Wien sollte nicht ein drittes Mal vernichtet werden.. . Wie oft hatte der Oheim ihm nicht von dieser stürmisch durchgeführten Improvisation einer neuen Festung erzählt. Sie setzte hunderttausend Hände in Bewegung und war in wenigen Monaten vollendet. Hinter neun Außentoren schloß der Prinz die ganze Welt um Wien ein. Wenn diese Außenlinie gehalten wurde, drang nimmermehr ein Kanonenschuß bis in die innere Stadt. Und die Kuruzzen haben sie nicht überschritten, diese Linie, sie konnten keinen Fuß auf Wiener Gebiet setzen.

Anton von Mercy galt den Temeschwarer Herren als ein scharfer Kritikus, aber hier verstummte seine Tadelsucht, er fragte sich nicht, wie ein so ungeheuerer Kreis gegen einen ernsthaften Feind, gegen eine Armee zu verteidigen wäre, er bewunderte nur, er schwelgte in Möglichkeiten und mußte über sich selber lächeln, als er sich auf dem Gedanken ertappte, aus Temeschwar sollte man eine solche Festung machen.

Hatte er heute keine anderen Gedanken?

Sein Wagen fuhr gemächlich, wie er es befohlen, auf dem Glacis rings um die Stadt. Mercy träumte von seiner Zukunft ... Beinahe noch mehr als die kriegerische Schönheit zu seiner Rechten fesselte ihn der Kranz prunkvoller adeliger Sommersitze zu seiner Linken, diese vornehme Anlage von Villen und Schlössern und Gärten der Feldherren und Ministerialen des Kaisers, die hier die Wohltaten des Friedens genossen. Auch er sehnte sich nach solch einem Idyll ... Ach, wenn er doch hier leben dürfte! Aber daran war nicht zu denken. Er durfte nicht weichen von der Seite seines Wohltäters, seines Vaters. Noch war dessen Lebenswerk nur halb getan.

Aber muß er denn von ihm weichen? War es so undenkbar, daß er ein Wesen fand, das bereit war, ihm in die Sümpfe des Banats zu folgen? Seit gestern glaubte er daran.

»Fahr Er beim Schottentor in die Stadt hinein!« rief er dem Kutscher zu.

Auf halbem Wege unterbrach er seine Rundfahrt. Das Verlangen, wenigstens das Haus in der Renngasse zu sehen, wo sie wohnte, war zu mächtig in ihm. Und er hatte Glück, Mademoiselle Charlotte und die Tante kamen gerade aus der Schottenkirche, sie hatten wohl die Messe besucht. Die Marktwagen stauten sich auf der Freyung, und seine Kutsche kam kaum vorwärts. Das war ihm recht. Er sah das schlanke, schöne Mädchen neben der würdigen Tante ahnungslos dahinschreiten, so bürgerlich bescheiden, als wäre sie nicht die Tochter eines mächtigen Mannes, so sittsam wie eine Nonne. Und als sie beim Tor ihres Hauses angelangt waren, übernahm die Lottel das Gebetbuch der Tante, lächelte der alten Frau zu und verschwand. Die Tante aber ging weiter, sie nahm den Weg nach dem Markt am Hof.

Tun sie das wohl täglich? fragte er sich. Da wollte er gern wieder fromm werden wie in seiner Kindheit und täglich zur Messe kommen. Alle Empfehlungsbriefe an die adlige Gesellschaft von Wien, die er bei sich trug, war er bereit, zu verbrennen, wenn die Lottel ihm gut wäre, wenn Madernoiselle Charlotte von Stephany ihn nehmen und ihm folgen wollte.

Er fuhr zur Hofkanzlei.

»Seien Sie mir willkommen, Herr Major«, sprach der Hofkammerrat etwas förmlich und kühl, als Anton von Mercy vor ihm stand. Er sah ihn prüfend an und sagte: »Wie befindet sich der Herr Gouverneur?«

»Ich danke gehorsamst, Herr Hofkammerrat, es geht ihm gut. Ich habe viele Kompliments zu bestellen und seinen Dank für all die Unterstützung und das für treffliche Verständnis, das ihm von hier aus entgegengebracht wird.«

Der Hofkammerrat neigte den Kopf. Er lud den Major zum Sitzen ein und sagte: »Das ist ja selbstverständlich. Wir haben wenige Männer wie ihn auf so wichtigen Posten stehen. Der Herr Generalissimus hat mit seiner Wahl in allen Stücken recht behalten.«

»Das zu hören wird den Gouverneur außerordentlich freuen, Herr Hofkammerrat. Er geht völlig auf in seiner Aufgabe und hat keinen Ehrgeiz mehr. Ich habe ihn lieb gewonnen wie einen Vater, und er erwies mir die Gnade, mich an Sohnes Statt anzunehmen«, sprach der Major.

»Ich habe es gehört, Herr Graf, und gratuliere bestens. Sie haben ja schon gestern mein Haus beehrt«

»Es war mein erster Weg, Herr Hofkammerrat. Ich glaubte den Damen meine Aufwartung machen zu sollen.«

Herr von Stephany lächelte kühl. »Was führt Sie indessen nach Wien?«

Festungsangelegenheiten, Herr Hofkammerrat. Und allerlei Differenzen mit dem Hofkriegsrat in Militärgrenzsachen. Ich war schon heute morgen in Audienz bei Seiner Durchlaucht dem Herrn Generalissimus.«

»Heute hat er Sie empfangen?«

»Jawohl, Herr Hofkammerrat. Ich habe mich ahnungslos um diese Audienz beworben, und er gewährte sie. Er empfing mich gehr gnädig, aber im Park, inmitten seiner Künstler; ich kam zur Generalprobe seiner Wasserkunstanlage, und er beschied mich in drei Tagen wieder zu sich. Der Präsident des Hofkriegsrates war noch nicht zu sprechen für mich.«

Der Major sagte das leichthin, beinahe scherzend. und die Weise des jungen Offiziers gefiel dem Hofkammerrat. Der gute Eindruck, den er vor einigen Jahren von ihm empfangen hatte, erneuerte sich.

»Der Prinz ist seit Tagen für alle Welt unsichtbar«, sagte der Hofkammerrat. »Er weiht morgen sein Belvedere ein durch ein Fest.«

»Seine Durchlaucht würdigten mich der Auszeichnung einer Einladung, Herr Hofkammerrat«, sagte Mercy.

»Das ist allerdings eine große Auszeichnung, Herr Graf. Und ich rate Ihnen, sich um die Vorstellung bei der Gräfin Althan zu bemühen, die das Fest wohl besuchen dürfte. Und die Gräfin Lory Strattmann-Batthyanyi ist nicht zu vergessen! Sie werden so manches leichter in Wien durchsetzen, wenn die Zauberhände dieser Damen eingreifen.«

Der Major war überrascht. »Sind die Damen denn nicht Gegnerinnen? Der Gouverneur warnte mich ... «

»Das war einmal! Intime Freundinnen sind sie jetzt«, sprach lachend der Hofkammerrat. »Sie protegieren jetzt um die Wette. Manchmal vereinigen sie sogar ihren gefährlichen Einfluß. Herr Major, Sie sind zurück in der Weltgeschichte.«

Mercy lächelte. »Danke sehr für den Hinweis, Herr Hofkammerrat; werde nicht ermangeln, davon Gebrauch zu machen.«

Das Gespräch stockte, eigentlich war es zu Ende. Stephany fragte sich, warum der Graf nicht von dem rede, was ihn zu ihm geführt. Kam er nur aus Höflichkeit? Hatte man gar keine Wünsche? Und Mercy wunderte sich, als der Hofkammerrat nicht fragte. Es gab doch hundert Dinge, die ihn interessieren mußten.

»Sie bleiben einen Monat in Wien, Herr Major?« sprach nach einer Pause Herr von Stephany.

»Ja, Herr Hofkammerrat. Und ich hoffe, noch Gelegenheit zu haben, Ihnen manches vorzutragen.

Stephany lächelte. »Aha! Wünsche? Beschwerden? Klagen? Sie sind sehr diplomatisch, Herr Major.«

»Gar nicht, Herr Hofkammerrat. Im Gegenteil ! Ich erwarte, von Ihnen Wünsche und Beschwerden zu hören, und ich bin hier, um zu berichten und aufzuklären«, sagte Mercy bescheiden.

»Sind Sie denn, Herr Major, in allem auf dem Laufenden?«

»In allem. Ich bin nicht nur der Adjutant, ich bin auch der geheime Sekretarius des Gouverneurs, sein Vertrauter und sein Sohn.«

Stephany schaute den Sprecher freundlich an. »Das ist ja sehr erfreulich ... Nun sagen Sie mir, bitte, wie steht es denn um den leidigen Streit mit den Serben in der Gemeinde Temeschwar?«

»Der ist beigelegt, Herr Hofkammerrat. Der Gouverneur richtete neben dem deutschen Magistrat auch einen serbischen ein, der in der Vorstadt Palanka seinen Sitz hat. Das Verbot, in der Festung zu hausen, wurde gemildert, und es wohnen jetzt ein Dutzend serbischer Familien in der Stadt.«

»Mehr nicht?«

»Nicht mehr, Herr Hofkammerrat. Und es ist Friede. Temeschwar ist im übrigen so deutsch wie Augsburg.«

Stephany nickte und dachte nach.

»Woran ist der brave erste Stadtrichter eigentlich gestorben, Herr Major?«

»Sind die Gerüchte bis hierher gedrungen?« fragte dieser.« Herr Tobias Hold ist an der Banater Krankheit gestorben, am Sumpffieber, und an sonst nichts.«

»So ... ? Und die Verwaltung ist in ehrlichen Händen?«

»Herr Hofkammerrat, in den allerbesten! Der Kaufmann Peter Solderer wird von seinen Mitbürgern Jahr um Jahr wieder zum Stadtrichter gewählt, er ist ein trefflicher Mann.«

»So,so ... Er muß einen Feind dort haben. Wir sprechen noch davon ... Und bitte, sagen Sie mir, was war es denn eigentlich mit dem heiligen Nepomuk? –Warum wurde denn die Statue, die so dringend von uns verlangt wurde, zwei Jahre hindurch nicht 'aufgestellt? Selbst von Rom liefen die Beschwerden an Seine Majestät ein, und ich konnte nie Klarheit erlangen. Ich kann es Ihnen heute vertraulich sagen, die Stellung des Gouverneurs war in Gefahr«, sprach Stephany.

Der Major sann nach. »Herr Hofkammerrat, der Konflikt war ein dreifacher. Erstens war die Statue bei ihrer Ankunft zerbrochen, und wir fanden lange niemanden, der sich an ihre Wiederherstellung wagte.«

»Ich weiß«, warf Stephany ein.

»Zweitens führte der Fürstbischof und Primas Klage in Rom gegen die Einführung eines eigenen Heiligen in einer Provinz, die nach seiner Auffassung zu Hungarn gehörte. Man mußte warten, bis der heilige Vater entschieden hatte. Und drittens tobte ein Krieg zwischen den Jesuiten und den Piaristen über den Ort der Aufstellung der Statue; jeder Orden wollte den neuen Landespatron vor seiner Kirche haben.«

»Darum also? Darum! Der arme Gouverneur!«

Der Major lachte. »Es war toll. Der Gouverneur liebt die Feder nicht, er berichtete wohl kaum. Aber er hat in der heiligen Sache oft geflucht wie ein Heide.«

»Und wie wurde der Streit geschlichtet?« fragte der Hofkammerrat.

»Die Piaristen waren schlauer, als die Jesuiten«, erwiderte der Major. »Sie haben von Anbeginn ihre Kirche dem heiligen Johann von Nepomuk geweiht, die der Jesuiten aber war der heiligen Maria gewidmet. Und da entschied der Gouverneur für die Aufstellung in der Nähe der Piaristenkirche. Alle Prozessionen führen jetzt dahin, das Ansehen der Piaristen hat sich gehoben.«

»Und jetzt ist Friede?«

»O nein. Die Jesuiten werden nicht ruhen, bis die Statue des Heiligen, den sie dem Lande in Rom erwirkt haben, auf einem neutralen Platz steht. Sie gönnen ihn den Piaristen nicht.«

Herr von Stephany lächelte still in sich hinein während dieses ganzen Berichtes. Jetzt sagte er: »Es mag recht schwer sein für den Herrn Gouverneur, in so heiklen Fragen seinen Gleichmut zu bewahren.«

»Wenn er das könnte, Herr Hofkammerrat!« rief der Major. »Er hatte Stunden, in denen seine Zornausbrüche mich für sein Leben fürchten ließen.«

»Oh, oh!« rief Stephany mit tiefem Bedauern. Dann sagte er lebhaft: »Herr Major, Sie werden mich künftig besser von allem unterrichten als bisher. Sie müssen mir mehr Briefe schreiben und alle Mißverständnisse verhindern. Von hier aus läßt sich vieles mildern und dämpfen. Und während Ihres Hierseins schenken Sie uns doch manchmal Ihre Gegenwart?«

Es war gesagt. Gegen seine vorherige Absicht hatte er den Grafen in sein Haus geladen. Er hatte ihm eben gefallen; er fand einen offenen Sinn und ein gutes Herz in seinem Gehaben.

Der Major war aufgestanden. Er fühlte, daß die Unterredung zu Ende war, aber ohne Ergebnis für ihn blieb sie nicht, und das erfüllte ihn mit Genugtuung. »Ich danke gehorsamst, Herr Hofkammerrat«, sagte er und verneigte sich. »ich fühle mich sehr geehrt durch Ihre gütige Einladung.«

Stephany reichte ihm die Hand:

»Wir sehen uns morgen im Belvedere, Herr Graf!«


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