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6.

Erst als er athemlos war, hielt er ein und überdachte was er erlebt; jetzt erst empfand er sein Glück mit voller Freudigkeit, und vor ihm ging eine helle Lebenssonne auf. Er war ja nicht allein frei, auch die drückende Schuld war bezahlt, und in der Tasche trug er ein kleines Capital, das ihn weiter bringen konnte. Für das Magazin konnte er jetzt arbeiten, Herr Schönfeld wollte ihn nächstens rufen lassen, und oh! wunderbar war ihm geholfen, er konnte seine Dorothe heirathen!

Voller Unruhe lief er in einen Hausflur, wo eine Gasflamme brannte, und zog das Papier des Banquiers aus der Tasche. Ja, wirklich ja! Da lagen vier große Scheine darin, die ganze Summe und mehr noch, es blieb noch ein Guthaben übrig.

Ich habe es immer gesagt! rief Silbermann mit nassen Augen, er hat ein gutes Herz, und die lieben Herren, die für mich bezahlt haben, sie sollen das Ihrige nicht verlieren. Wieder bezahlen will ich es, sobald ich kann. O! mein Gott, ich danke Dir auch aus Herzensgrund! Jetzt will ich hin zu Dorothe und leg' ihr Alles in den Schoos, das ganze Geld und mich dazu.

Mit diesem schönen Vorsatz eilte er weiter, zunächst aber wohlüberlegt nach seiner eignen Wohnung. Mit einem Griff war der Gerichtszettel abgerissen, die Thüre aufgeschlossen, und da lag das Päckchen mit dem Tuche und der Haube noch auf dem Tische. Gleich war es in seiner Hand und er auf der Straße. Der lange Weg zu dem lieben Mädchen wurde in möglichst kurzer Zeit zurückgelegt. Von unten sah er hinauf, und sein Herz schlug mächtig, denn ein heller Schein kam aus dem Dachfenster. Es brannte sicherlich ein Christbäumchen drinnen, es mußte einer brennen, und Dorothe saß davor und wartete auf ihn.

Als hätte er Springfedern unter den Sohlen, so leicht ging es die etwas steilen Treppen hinauf, und die Küchenthür war nicht verschlossen, er schlüpfte hinein und – stand fest. Alle Freude in ihm sank zusammen, wie wenn es ein Hammer zerschmettert hätte, und seine Zähne bissen wild zusammen, denn grade wie damals, wo er hier gestanden, so hörte er jetzt wieder die heisere Stimme und das heisere Gelächter, und es kam Beides von keinem Anderen, als von dem Mann, der ihn so schwer mißhandelte.

Also um den Herrn Silbermann haben Sie das hübsche Christbäumchen angesteckt, Fräulein Dorchen, sagte Herr Werder.

Da Sie es gerathen haben, will ich es nicht läugnen, antwortete sie.

Und schöne Geschenke obenein, nicht wahr?

Das beste Geschenk hat er schon fort, erwiederte sie lächelnd.

So? Was meinen Sie denn, schönes Dorchen?

Wünschen Sie es zu wissen, bester Herr Werder?

Gewiß, wenn Sie es mir anvertrauen wollen.

Ich meine mich selbst damit! rief sie mit einem kleinen Knix. Denn sehen Sie, verehrtester Herr Werder, da es mit der halben Million doch nichts wird, und ein Graf auch nicht kommen will, so mag ich beides nicht, und habe fest beschlossen einen Schneider zu nehmen.

Den Herrn Heinrich Silbermann.

Denselben. Ich hab' es ihm auch schon gesagt, daß ich ihn heirathe und keinen Andern.

O! Und vermuthlich bald?

Ich denke wohl.

Wirklich! lachte Herr Werder. Am Ende ist heut wohl gar die Verlobung?

Es könnte wohl sein, verehrtester Herr Werder.

Er beantwortete ihre spottlustigen Blicke mit einem höhnischen Lachen und rieb sich die Hände.

Das ist ja allerliebst! rief er dann; weiß er das auch?

Er wird es schon erfahren, wenn er kommt.

Und ein schönes Geschenk hat er dazu eingekauft.

Das wissen Sie?

Ich weiß es, sagte Herr Werder. Soll ich es Ihnen sagen?

Ich will nichts von Ihnen hören! fiel sie ein. Es ist Jemand draußen an der Thür. Jetzt kommt er.

Bleiben Sie! rief er, indem er ihre Hand zu nehmen suchte. Ich sage Ihnen, er ist nicht da.

So muß er gleich kommen.

Wenn er nun gar nicht käme? sagte Herr Werder lauernd. Wenn das niedliche Christbäumchen umsonst brennte?

Er wird schon kommen, er muß kommen! erwiederte sie lebhaft. Sie werden es ihm doch nicht verwehren können, setzte sie trotzig hinzu.

Herr Werder lachte.

Wer weiß, sagte er, es könnte doch sein, und wenn es so wäre, Fräulein Dorchen, was würden Sie mir geben, wenn ich ihn herbeischaffte?

Nichts! lachte sie, nichts! geehrtester Herr Werder.

Wirklich nichts?

Gewiß nichts. Selbst wenn es Ihnen möglich wäre – auch dann nichts.

Da Sie so grausam und unerbittlich sind, versetzte Herr Werder, so soll er nicht kommen. Ich will Ihnen auch sagen, warum nicht, denn –

Er ist schon hier! fiel der Meister ein, der nicht länger warten wollte.

Herr Werder sprang auf, als sähe er ein Gespenst.

Wo kommen Sie her? schrie er. Wie ist das möglich? Hat der gewissenlose Mensch Sie losgelassen?

Heinrich! Heinrich! rief zu gleicher Zeit Dorothe und ohne alle Scheu herzte und küßte sie ihn. Komm her, fuhr sie fort, komm geschwind, die Lichte sind schon ganz heruntergebrannt, weil Du gar zu lange bliebst. Sieh hier, das ist Dein, Alles Dein! Sie zog einen Tuch schnell fort, der über einem Teller lag, und da schimmerten Aepfel, süßer Kuchen und obenauf ein warmer, gestrickter Shawl, um den Hals zu binden, und ein Paar warme Handschuhe.

O Du gutes; liebes Dorchen! sagte er gerührt.

Und hier ist noch ein Weihnachtsgeschenk, fuhr sie fort – ich, Heinrich, ich selbst! Ich habe es dem Herrn Werder schon gesagt. Auch die halbe Million nehme ich nicht mehr, einen Grafen will ich auch nicht. Dich ganz allein will ich, keinen Anderen.

Nehmen Sie sich Zeit dazu! rief der reiche Herr, so bald wird's nicht sein können. Werden Sie mir jetzt sagen, wie Sie hierher kommen?

Liebstes Mädchen, jubelte der Meister, in vier Wochen machen wir Hochzeit. In vier Wochen, länger nicht! Wie mich's freut, ich kann's nicht aussprechen. Aber hier schau her – schau, was ich mitgebracht habe. –

Er sprang nach der Thür und holte das Päckchen, riß den rothen Faden auf und ließ den schönen Plaidtuch herausrollen, den er um ihre Schultern warf, und dann das Häubchen für die Mutter.

Das ist ja herrlich! das ist ja köstlich! schrie Herr Werder ingrimmig lachend. Er hat die Thür aufgebrochen,, das ist Diebstahl, darauf steht Zuchthaus. Ich gratulire zur Hochzeit, gratulire!

Und hier, mein Dorchen, das nimm, das verwahre, bis wir es brauchen, fuhr Silbermann fort. Sieh da – er legte die großen Scheine vor sie hin auf den Tisch. Eins, zwei, drei, vier!

Dorothe stieß einen hellen Schrei aus und fiel ihm um den Hals. Wir sind reich, schrie sie, reich, bester Herr Werder! Sehen Sie doch! O, sehen Sie doch!

Ich sehe es, ja! ich sehe es, antwortete Herr Werder außer Fassung. Aber wie? woher ist das Geld gekommen?

Dorothe lag in Heinrichs Armen; die alte Frau stand neben ihnen und betrachtete mit gefalteten Händen die Scheine.

In vier Wochen soll Hochzeit sein, Mutter! rief Dorothe.

Ist es denn auch Alles richtig damit? fragte sie auf den Tisch deutend.

Richtig und wahr! erwiederte Silbermann. Es ist Alles mein, gehört mir, und ich habe keine Schulden mehr, sie sind bezahlt!

Dann mag's in Gottes Namen sein! sagte die alte Frau, ich will's segnen und loben, so lange ich lebe.

Und bei uns leben, und immer unsere gute Mutter bleiben! jubelte der Meister.

Bester Herr Werder! rief Dorothe glückselig lachend, wohin wollen Sie? Bleiben Sie doch, nehmen Sie Theil an unserer Verlobung.

Herr Werder schlug seinen Spanier um die Schultern, setzte den Hut auf, antwortete nicht und ging der Thür zu.

Da hinaus! schrie Silbermann ihm nach. So ist's recht. Bleib stehen, liebste Dorothe, Du sollst ihn nicht begleiten; er weiß am besten, was sich für ihn schickt. Und jetzt fällt's letzte Unheil von mir ab, jetzt komm her, jetzt setz' Dich und leg Deinen Arm um mich, ich will Dir Alles erzählen. –

 

Es war um die Mitternachtstunde, als Heinrich Silbermann endlich seine Braut verließ, doch welche glücklichen Feiertage brachte der nächste Morgen! Genau vier Wochen darauf aber war Hochzeit, und neben der jungen Frau saß Herr Schönfeld, der eine Rede hielt, die lachen und weinen machte, bis er zuletzt den Herrn Geheimrath und die Frau Geheimräthin hoch leben ließ, unter dem unermeßlichen Beifall aller Gäste.



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