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5.

Am nächsten Morgen begann für die Familie das kreolische Pflanzerleben mit allen seinen Freuden und Leiden, und schon nach den ersten Tagen sagten sich die beiden Schwestern, daß allerdings viel Ausdauer, guter Muth und guter Wille dazu gehöre, um sich daran zu gewöhnen, zu vergessen und an Frankreich und Paris ohne Seufzen zu denken. Alles war anders hier, Manches abstoßend und den Gefühlen widerwärtig. Die heiße Luft, die schattenlosen Bäume, die Thierwelt und die Menschen – überall fielen die Vergleiche unvortheilhaft aus.

Delville hatte die Pflanzung verlassen, und eigentlich war dies kein Verlust; die beiden Damen, denen der stolze ritterliche Mann Anfangs so wohl gefallen hatte, waren von seinen Aeußerungen und harten Handlungen wiederholt erschreckt und beleidigt worden. Es half nichts, daß er gegen sie nur die glatteste und höflichste Seite herauskehrte, auch nicht, daß sie ihn als einen der klügsten, reichsten und angesehensten unter den großen Besitzern des Westens rühmen hörten; es waren europäische Frauen mit milden Sitten und mitleidigen Herzen, und diese empfanden ein geheimes Grauen vor ihm, das bald noch mehr durch das überschwengliche Lob der Dama Lätitia vermehrt wurde; denn was diese lobte, konnte gewiß nicht lobenswerth sein.

Die Haushälterin war und blieb die erste Person in dem häuslichen Getriebe, und wer hätte ihr die Bürde ihrer Pflichten streitig machen sollen? Die Hitze vermehrte sich jeden Tag; man mochte sich, so lange die Sonne brannte, nicht regen und nicht rühren. In ihren kühlen Gemächern auf feinen Matten liegend, Limoniensaft schlürfend und von Sklavinnen mit Pfauenfedern gefächelt, brachten alle die reichen Kreolinnen ihre Tage hin. Erst wenn der Abend kam, öffneten sie ihre Thüren, saßen und gingen auf der Verandah umher, oder fuhren und ritten wohl einmal zum Besuch bei den Nachbarn, oder zu einem Feste, das auf einer Pflanzung veranstaltet war. Zwei fremde Frauen, des Klimas ganz ungewohnt, konnten es eigentlich nicht besser machen, als die Eingeborenen und Eingelebten; allein bei alledem zeigte sich auch hier die Wahrheit der Bemerkung, daß Europäer bei weitem mehr Kraft und Willen besitzen, der erschöpfenden Hitze zu trotzen, und sich viel schwerer in das träge Nichtsthun finden, als Kreolinnen, die darin geboren und erzogen wurden.

Die ersten Morgenstunden mit dem Zauber des frischen Tages, welche auf dem Balkon genossen wurden, waren die schönsten. Simon Lariviere kam zum Frühstück hierher, wenn er mit Ardon fertig war und dessen Berichte gehört, Rechnungen geprüft und Anordnungen erledigt hatte. Dann brachte er das Regierungsblatt aus Port au Prince mit und die Zeitung, welche zweimal wöchentlich in Cap Français erschien und alle Neuigkeiten aus der Insel enthielt, oder er brachte auch Schriften und Zeitungen, die mit Schiffen aus Frankreich und England eingetroffen, und es gab Mancherlei zu erzählen, zu lachen und zu scherzen. –

Endlich setzte Lariviere seinen großen Palmenhut auf und machte einen Weg nach den Arbeitsgebäuden und durch die Pflanzung, und während dessen wurden die Läden geschlossen, denn die flimmernde Hitze brach herein; das Haus mußte dunkel gehalten werden.

Eine Kreolin kann lange Stunden liegen, schlafen, träumen, sich mit den Gaukelspielen ihrer Gedanken beschäftigen, oder auch Cigaritos rauchen, gar nichts denken und unter den Fächerschlägen ihrer Sklavinnen, wie der Kaiman auf einer Sandbank, mit offenen Augen unbeweglich vor sich hinstarren; dem beweglichen Geiste der jungen Abendländerinnen mußte eine solche Unthätigkeit bald eben so zur Last werden, wie die erdrückende Schwüle dieses Himmels.

Lariviere hatte doch einige Geschäfte und machte überdies kleine Ausflüge über den See fort und in die Berge, die Damen hatten dagegen keinerlei Abwechselung und während Simons Abwesenheit keine andere Gesellschaft, als die unbequeme der Dama Lätitia, die ihre Geduld auf harte Proben stellte.

Die anmaßende Haushälterin schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, ihr Regiment auch über die beiden Eindringlinge auszuüben, ihnen Vorschriften zu machen, wie es in allen Dingen hergehen solle, und weil sie seit einer Reihe von Jahren unbeschränkt befahl, weil sie wußte, wie unentbehrlich sie war, und endlich, weil sie keinerlei Achtung vor den weißen, schwächlichen Frauen empfand, erlaubte sie sich, sie danach zu behandeln.

Wäre Eugenie allein gewesen, so würde sie sich wahrscheinlich unterworfen haben, Melanie aber bestärkte sie im Widerstande, und so kam es bald zu Widersprüchen und Uneinigkeiten, die zur Folge hatten, daß Lätitia immer bösere Launen zeigte.

Nichts war den sanften Frauen fataler, als die Züchtigungen, welche die gestrenge Jungfrau häufig in den Küchenräumen vollstreckte. Es verging fast kein Tag, wo sie ihre kreischende Stimme nicht hören ließ, der ein Jammergeschrei folgte. Die beiden schwarzen Mädchen, welche den Vorzug genossen, Zimmermägde zu sein, zu den Füßen ihrer Gebieterinnen zu sitzen, sie zu bedienen und ihnen Luft zuzufächeln, merkten bald, was sie ungestraft erzählen durften, und was sie mit ängstlicher Scheu über die Dama Lätitia berichteten, empörte die beiden Schwestern.

Eines Tages, als Simon nicht zu Hause war, schien das Wehgeheul in dem Wirthschaftsraume ärger als je zu sein, und nach einer Berathung drang Melanie's Wille durch, Lätitia aufzufordern, ihre Untergebenen milder zu behandeln.

Du darfst diese Grausamkeiten nicht länger dulden, sagte Melanie, sie fallen auf Dich zurück. Bist Du Herrin in diesem Hause, so hast Du auch das Recht, Deiner Haushälterin zu sagen, wie sie Dein Gesinde behandeln soll. Ich würde mir die Nichtachtung niemals gefallen lassen, welche sie überhaupt gegen Dich beweist.

Eugenie sandte eine der Dienerinnen an Lätitia mit der Bitte, sich zu ihr zu bemühen, und nach einigen Minuten erschien sie; aber ihr Anblick verkündigte nichts Gutes.

Nun, Madame, rief sie vor der Thür aus, Sie haben mich rufen lassen. Was haben Sie mir zu sagen?

Meine liebe Freundin, setzen Sie sich zu mir und seien Sie nicht böse über meine Bitte. Ich habe wenige Erfahrungen bis jetzt gesammelt, aber wie ich glaube, giebt es kein Land auf dieser Erde und kein Volk, sei es christlich oder heidnisch, wo nicht mit Güte und Milde mehr bewirkt werden könnte, wie mit Härte und Gewalt. Wir aber, die wir an einen Gott glauben, der ein Gott der Liebe sein soll, uns ziemt es sich gewiß noch mehr, mild und menschenfreundlich zu sein, und eben darum – deswegen – ja darum hören Sie meine herzliche Bitte – hier verstummte die junge Frau, denn Lätitia stand von dem Stuhle auf und ihre Hände ballten sich zusammen, ihre Lippen zuckten und ihre Augen richteten sich so flammend auf Frau von Lariviere, daß diese erblaßte.

Was werfen Sie mir vor? schrie sie. Lassen Sie doch hören, was Sie befehlen.

Meine Schwester befiehlt Ihnen, sagte Melanie an Eugenie's Stelle, daß Sie mild und menschlich mit denen umgehen sollen, die das Glück haben, unter Ihrer Botmäßigkeit zu stehen.

Lätitia wandte sich zu der kühnen Sprecherin hin, und während eines Augenblicks schien es, als wollte sie sich auf diese stürzen und eine Gewaltthat begehen; plötzlich aber hob sie ihren Arm auf und schlug das Negermädchen, das vor ihr auf der Matte saß, mit solcher Heftigkeit ins Gesicht, daß es rücklings überstürzte.

Ungeziefer, schrie sie, mußt Du zusehen, wie ich geschändet werde?!

Das ist unverschämt! Das ist abscheulich! sagte Eugenie zitternd.

Fort von hier! Entfernen Sie sich! rief Melanie zu gleicher Zeit.

Lätitia rührte sich nicht; aber mitten unter diesem Lärm wurde die Thür geöffnet und Lariviere trat herein, begleitet von Delville.

Was geht hier vor? fragten beide.

O, Simon, sagte Eugenie weinend, schütze mich vor Mißhandlungen.

Laß es Dir erzählen, schrie Lätitia, indem sie hinausging.

Der Baron schickte die Sklavinnen fort, dann hörten sie, was sich zugetragen, und Lariviere war verlegen und mißmuthig; er hatte Gründe genug, die Cousine zu schonen, und konnte der Frau, die er liebte, doch seinen Beistand nicht versagen. Delville half ihm, indem er den ganzen Streit als geringfügig behandelte und darüber lachte.

Ich sagte es ja, fing er an, Sie werden mit ihrer europäischen Gemüthlichkeit in allerlei seltsame Widersprüche gerathen und das heiße Blut unserer Kreolen nicht eher begreifen, bis es Ihnen selbst durch die Adern fließt. Geh hin, Simon, zu der Dama Lätitia Cadusch, unserer reizenden Cousine, und setze ihr den Kopf zurecht; ich bin überzeugt, ihre Heftigkeit thut ihr jetzt leid und sie bietet gern ihre gewichtige Hand zum Frieden. Was aber die beiden sentimentalen Damen betrifft, so werde ich Ihnen zu beweisen suchen, daß sie auch ihr Theil Unrecht haben.

Es soll Ihnen schwer werden, Herr von Delville, erwiderte Melanie, unser Recht in Unrecht zu verkehren.

Ich glaube, sagte der Präsident, es giebt überhaupt nichts Leichteres in der Welt. Wofür wäre denn auch das Unrecht, wenn es nicht verübt werden sollte? und was ist Gerechtigkeit, wenn Jeder darauf schwört, Recht zu thun und Recht zu haben? Unrecht und Recht sind verschiedene Begriffe für verschiedene Anschauungen, Handschuhe für verschiedene Hände, der eine paßt dieser, der andere jener. Es kommt im Grunde auch nur darauf an, ob ich im Stande bin, das, was ich Recht nenne, zu behaupten und durchzuführen, und dazu allerdings sind Leute nöthig, die uns beistehen und nöthigenfalls unser Recht vertheidigen helfen. Wer also die Macht hat, hat auch das Recht. Salomonis Weisheit ist Kinderei gegen solchen Beweis! Ich beuge mich vor der Macht der Schönheit, die unwiderstehlich ist, obwohl ich selbst ein Richter in Israel bin und in der Assemblée allerlei erleuchtete Sprüche zu fällen habe. Es ist das lächerlichste Possenspiel in der Welt, mit hoher Gerechtigkeit zu prahlen, denn jeder Proceß hat für jede Partei Recht und Unrecht auf jeder Seite. Es kommt daher nur auf die richterliche Meinung einer gewissen Anzahl Personen an, deren Meinung sich hierher oder dorthin neigt. Hätte der eine oder andere weise Richter nicht an dem Tage, wo die Gerechtigkeit zu Ehren kommen soll, Kopf- und Leibschmerzen gehabt, so würde, was nun Unrecht genannt wird, Recht gewesen sein. Sie sehen somit, meine schönen Damen, wie es überhaupt mit diesen wankelmüthigen Begriffen beschaffen ist.

Er scherzte noch eine Zeitlang fort und sagte dann:

Die Hauptsache ist also: was sagt die öffentliche Meinung dazu? und diese wird Ihnen diesmal nicht beitreten. Was um des Himmelswillen geht es Sie denn an, wenn ein paar schwarze Teufel von der eifrigen Dama Lätitia gepeitscht werden? Danken Sie doch allen Heiligen, daß Sie es nicht selbst thun müssen, daß eine so willige und gewichtige Hand Ihnen zu Gebot steht, um Ihr Hauswesen in Ordnung und diese träge, widerspenstige Race in Zucht zu halten.

So läßt sich Alles rechtfertigen, sagte Eugenie.

Doch ich, fügte Melanie hinzu, möchte nicht der Vertheidiger sein.

Sie sollen mir nicht zürnen, theures Fräulein, rief Delville ihre Hand küssend, auch will ich nicht schlimmer sein, wie ich bin. Diese alte Jungfer ist eine Tyrannin in ihrer Art, und je älter sie wird, um so schärfer scheint die Lust dazu zu kommen, und Sie dürfen nicht vergessen, daß bei Negern ein Uebermaß von Strenge immer besser ist, als zu große Milde. Glauben Sie mir, daß ich Wahrheit sage. Es ist mit diesen Geschöpfen wie mit unseren bösen Hunden, die täglich die Peitsche sehen müssen. Streichelt man sie, so dauert es nicht lange und man wird gebissen. Solche verthierte Wesen müssen Furcht haben, wenn sie Achtung haben sollen; es konnte daher der gefürchteten Lätitia nicht gleichgültig sein, daß Sie in Gegenwart ihrer Sklavinnen ihr Vorstellungen und Vorwürfe machten, und ohne Zweifel war dies die Hauptursache ihres unangemessenen Benehmens.

Die beiden Damen fühlten, daß einige Wahrheit in dem war, was Delville zuletzt sagte: sie schwiegen daher und der Baron fuhr lachend fort:

So ist es mit der Philanthropie, die alle sogenannten Geschöpfe Gottes veredeln und ihnen ein wonniges Leben bei Chocolade und Zuckerplätzchen bereiten will. Sie haben aber mit Ihrer Gutherzigkeit schon allerlei Unheil angestiftet. Ardon ist nichts weniger als ein strenger Intendant, er läßt gern Fünf gerade sein; dennoch klagt er mir, daß alle die Schufte, die gepeitscht werden sollen, weil sie es reichlich verdient haben, sich den holdseligen Damas zu Füßen werfen, welche dann Lariviere so lange bittend schmeicheln, bis er befiehlt, die Strafe nicht zu vollziehen. Ardon bemerkt seitdem, daß ein Geist der Widersetzlichkeit sich in der Pflanzung zeige, der davon herkommt, weil Intendant und Aufseher nicht mehr so geachtet, das heißt gefürchtet werden, und wissen Sie was daraus entstehen kann? Eines schönen Morgens können der alte gute Arbon und seine Gehülfen mit abgeschnittenen Kehlen sanft und selig in ihren Betten gefunden werden. Wenn nicht etwa noch etwas Nichtswürdigeres geschieht, fügte er mit einem langen, scharfen Blicke auf die Damen hinzu.

Mein Gott! lieber Delville, sagte Eugenie bestürzt, setzen Sie mich nicht in Angst.

Behüte, erwiderte er, das will ich nicht, dahin wird es nicht kommen; aber wir haben mehr als ein klägliches Beispiel aufzuweisen, daß Pflanzer, deren Milde und Güte für ihre Sklaven bekannt war, das schrecklichste Unglück erlebten. Ihre Häuser wurden nächtlich in Brand gesteckt, Frauen und Kinder verbrannten, ihr Vermögen ging verloren, Mordthaten kamen vor und ihre wie zur Familie gehörend gehaltenen Sklaven raubten, begingen schändliche Verbrechen und liefen davon in die Mornen jenseit der spanischen Grenze, wo sich jetzt ganze Schaaren solcher verzweifelten Vagabonden umhertreiben, auf welche von allen Seiten Jagd gemacht wird und die doch immer wieder entschlüpfen. Darum, meine schönen Freundinnen, hüten Sie sich vor unzeitigem Mitleid. Ein schwarzer Schädel ist dreimal so dick, wie der eines weißen Menschen, und auf meine Ehre! wenn es wahr wäre, was uns diese verdammten Narren in Paris prophezeihen, wenn unsere Neger einmal losbrächen und über uns herfielen, so würden sie ihre mildherzigen Freunde zuerst in Stücke hauen.

Delville sagte seine prophetischen Worte leicht und lustig hin und hatte keine Ahnung, daß kaum zwei Jahre später eine furchtbare Wahrheit daraus werden sollte. –

Nun, rief er dann, lassen wir den schwarzen Bart der Dama Lätitia in Frieden; sie wird kommen und um Verzeihung bitten, nur müssen Sie ihr einige Zeit dazu lassen. Ich bin mit Lariviere gekommen, um Sie zu einem ländlichen, häuslichen Feste einzuladen. Die ganze Nachbarschaft wird bei mir versammelt sein, Lariviere wird meine Bitten unterstützen.

Während der reiche kreolische Grundherr seine Einladung ausmalte und den Ball beschrieb, der in der Nachtkühle das Fest bis zum jungen Tage verlängern sollte, hatte Lariviere eine Unterredung mit Lätitia, die nicht so anmuthig endete. Er hatte sie in sein Zimmer gerufen und machte ihr hier sanfte, aber eindringliche Vorstellungen.

Bist Du unzufrieden mit mir, sagte sie demüthig, so vergieb mir, mein lieber Simon. Ich könnte ja Alles für Dich thun, könnte auf meinen Knieen bis in das Hijathal zu der Kapelle der heiligen Gottesmutter von Preso rutschen, wenn ich dadurch wieder gewinnen könnte, aber glaube mir – sie schüttelte ihren langen gelben Kopf und sah ihn traurig an.

Lätitia, erwiderte Lariviere, ich weiß, wie sehr Du mich liebst, und weiß, welche Dankbarkeit ich Dir schuldig bin; aber dennoch –

Eine Andere hat Dein Herz und ich habe die Qual, murmelte sie.

Eugenie ist gut und sanft, sagte Lariviere. Nähere Dich ihr, Du wirst sie lieben lernen, wie Du mich liebst.

Nein, antwortete sie, das ist nichts für mich. Sie versteht mich nicht; sie lachen über mich und verspotten mich.

Du bist ungerecht und thust mir weh, rief er unwillig.

Lätitia schwieg und richtete ihre Augen fest auf ihn, dann legte sie ihre gelbe, knochige Hand auf seine Schulter und sagte leise an seinem Ohr:

Warum hast Du sie hierher gebracht, Simon? Warum nahmst Du keine Frau, die Deiner würdig war?

Seine Stirn wurde roth.

Schweig! rief er sich losreißend und – bei Gott! kein Wort weiter in dieser Weise. Meine Frau ist Herrin in diesem Hause. Du hast zu gehorchen, wenn sie was befiehlt, wenn nicht 

Still, Simon, still, fiel sie ein, ich bitte Dich, es ist genug! Sage nichts, was ich Dir nicht vergeben könnte.

Sie drehte sich rasch um und verließ ihn, aber was ihre Blicke aussprachen, der Kummer in ihrem harten Gesicht und die Würde und Liebe zugleich, mit der sie ihn hinderte, seinen Zorn zu verfolgen, machten tiefen Eindruck auf ihn.

Er ging auf und ab, bis Delville kam.

Nun, sagte dieser, Du hast Aerger gehabt?

Ich fürchte, erwiderte er, Lätitia wird heut noch mein Haus verlassen.

So wärst Du sie los, doch Du willst das nicht und hast Recht. Sie würde ein Geschrei über Dich erheben, das von Port au Prince bis zum Cap Français schallte. Laß mich mit ihr reden, ich verstehe mich darauf. Geh zu Deiner Frau und sage ihr, sie würde in Zukunft Ruhe haben; ich verbürge mich dafür.

Er ging zu dem kleinen Zimmer neben der Küche, das die Haushälterin inne hatte, und fand sie an dem Tische sitzend, ein paar brennende Thränen aus den Augen wischend, die da hinein gerathen waren.

Cousin Delville, sagte sie, ich muß fort. Die Pest über Croix rouge! Bin ich da, um mich so nichtswürdig behandeln zu lassen?

Ich komme deswegen zu Ihnen, Cousine Lätitia, antwortete der Präsident gelassen. Sie müssen wirklich fort, wenn Sie es nicht vorziehen, sich in die Umstände zu schicken.

Schicken? Ich?! schrie sie auf. Diese beiden – Gott vergieb mir! ich will das Wort nicht aussprechen – aber niemals, nein niemals will ich mich einem solchen blassen Milchgesicht unterordnen.

Wer sagt denn das? fragte Delville. Sie sollen sich auch nicht unterordnen, Sie sollen nur vorsichtiger sein. Was verlangt denn die Dame Eugenie von Ihnen? Sie verlangt nur, daß ihre zarten Nerven nicht gestört werden. Sie will kein Geschrei hören; es ist mir auch nicht angenehm. Ich bin niemals zugegen, wenn am Sonnabend die Abrechnung am Prügelpfahl im Hofe stattfindet. Machen Sie Ihre Angelegenheiten mit den Negermädchen doch mehr in der Stille ab, und lassen Sie die Zeit hingehen, bis die Dame sich mehr an unsere Sitten gewöhnt hat. Geben Sie ihr Gelegenheit, sich darin zu üben, und warten Sie ab, was geschieht. Seien Sie freundlich, gefällig, ein wenig schmiegsam. Es ist Simon Lariviere's Frau, das dürfen Sie nicht vergessen.

Wäre sie es allein, murmelte Lätitia, so möchte es gehen, aber dies schnippische, übermüthige Ding, diese Schwester –

Pst! unterbrach Delville ihren Erguß, nichts von dieser Schwester; von ihr werde ich Sie befreien. – Ich werde sie heirathen!

Sie – Sie! rief die Haushälterin mit weit offenen Augen.

Ich, sagte der Baron, und darum, meine liebe Cousine, seien Sie versöhnlich und klug. Sie werden in Croix rouge alsdann die unbestrittene Herrschaft ausüben, nach wie vor die nöthigen Denkzettel vertheilen und die gefürchtete und geliebte Dama Lätitia sein. Frau von Lariviere ist durchaus nicht geeignet, Ihnen das Alles streitig zu machen, und sind erst Kinder da, wird sie um so mehr die Hände segnen, die so treulich das Haus in Ordnung halten. Nun noch Eines, liebe Lätitia. Alles, was ich Ihnen vertraute, bleibt unter uns. Wir wollen gemeinsam darauf hinwirken, diese kleinen, empfindsamen Französinnen zu bekehren, und ich hoffe, es soll uns gelingen. Also, seid klug wie die Schlangen! so steht es in der Heiligen Schrift. Morgen habe ich ein Fest auf meiner Pflanzung; wenn die Damen von dort zurückkehren, werde ich Ihnen meine Braut vorstellen, Cousine Lätitia. Ich lade Sie nicht ein, weil ich weiß, Sie kommen nicht, aber ein Hochzeitsgeschenk bitte ich mir aus: diese vortreffliche kleine Peitsche, die auf der schwarzen Haut so viele große Wunder schon gethan hat.

Mit diesem Scherze, den die Haushälterin zu würdigen wußte, verließ er sie und versicherte den Damen, daß Alles abgethan sei, Lätitia versprochen habe, daß das klägliche Geheul in der Küche aufhören solle, über welches er dann seine gewöhnlichen sarkastischen Glossen machte.

Den ganzen Abend über blieb er in Croix rouge und mehr als ein neugieriger Neger, der aus dem Sklavenzwinger sich dem Herrenhause heimlich näherte, lauschte auf die Töne des schönen Flügels, den Lariviere mit aus Paris gebracht hatte, und auf die süßen Stimmen, deren Lieder durch die Nachtstille drangen.



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