Wilhelm Meyer-Förster
Alt-Heidelberg
Wilhelm Meyer-Förster

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Fünfter Akt.

Rüders Garten. – Links steht ein langer Tisch mit Holzbänken und Stühlen.

1. Szene.

Rüder. Frau Rüder. Frau Dörffel. (Im Hintergrunde Musici, die ihre Instrumente stimmen.)

Rüder. Es solle die Musici dort drübe sitze. Es soll ein Extra-Schoppe angeschafft werde für des Fürschten Durchlaucht. 's ischt nix geschafft, wir habe kei Blumegewind, 's ischt alles drunter und drüber!

Fr. Rüder. Und die Käthie ischt a net da.

Rüder. Wo ischt die Käthie?

Fr. Rüder. Sie ischt zu Mittag auf Heidelberg gange, sie wollte einkaufe. Wann das die Käthie wüßt! Daß des Fürschte Durchlaucht wieder komma ischt!

Fr. Dörffel. Wann das die Käthie wüßt!

Rüder. Es soll einer laufe und die Käthie suche Der Josef soll laufe und soll sie suche.

Fr. Rüder. Ja freilich! (Ruft Josef. Ab.)

Fr. Dörffel. Josef! (Humpelt auch ab.)

2. Szene.

Lutz (von links herein, groß, vornehm, in Gehrock und Zylinder, blickt sich prüfend um). – – Das soll die Tafel sein, – – es ist gut. Der Platz vorn am Tisch für Se. Durchlaucht. Gut. Etwas abseits von den übrigen. (Rückt den Stuhl ab.) – – So. – – Beachten Sie, was ich Ihnen jetzt sage, Rüder. Der Garten wird für die Dauer der Anwesenheit Sr. Durchlaucht für jedermann gesperrt. Es hat von Ihren sonstigen Gästen, sei es, wer es wolle, niemand Zutritt.

Rüder (devot). Freili net. Desch't koi Frag.

Lutz. Die Musikanten sollen mal näher treten.

Rüder (ruft). Die Musici! Heda! (nervös.) Die Musici natürle, die stehe und schaffe nix und häbet d' Köpf' zsema gesteckt und schwätze!

Erster Musikus. Mer wird doch au noch schwätze dürfe.

Rüder (zornig). Nix!

Lutz (vornehm). Ruhe! – Sie werden die Ehre haben, vor Se. Hochfürstlichen Durchlaucht nachher einige Stücke zu spielen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie dabei alle diejenigen Stücke zu vermeiden haben, die einen unanständigen oder pöbelhaften Charakter tragen.

Erster Musikus. Herr Kammerdiener?

Lutz. Ich kenne diese Studenten-Lieder. Wenn eines davon, trotz dem, was ich Ihnen jetzt sage, gespielt werden sollte, so werden daraus Maßregeln erfolgen, die Ihnen, darauf gebe ich Ihnen mein Wort, nicht angenehm sein sollen.

Erster Musikus. Herr Kammerdiener –?

Lutz. Es ist gut. Und dann – e – Rüder. – Wir haben jetzt Sechs. Der Wagen soll sich bereit halten, damit Se. Durchlaucht jeden Moment fahren kann. Ich habe mich klar ausgedrückt, wie?

Rüder. 's ischt klar, 's ischt ganz klar. (Ab.)

3. Szene.

Frau Dörffel (wieder herein mit einem Tablett, auf dem Wein und Gläser stehen). Bitt schön, Herr Lutz. 's ischt der beste Markgräfler, den wir habe. Mir habe nur noch zwei Flasche davon.

Lutz. Danke. (Trinkt.) Ein guter Wein. (Trinkt.) Sehr gut. (Jovial.) Ja, meine liebe Frau Dörffel, es ist ein eigen Ding, die Stätten, an denen man vor Jahren wohnte, wieder zu sehen.

Frau Dörffel. 's ischt vieles anders geworde. 's ischt bei uns a nit mehr so, wie früher. 's ischt nur selten noch, daß die Studente komme.

Lutz. Weshalb das?

Frau Dörffel. 's ischt wohl kei rechter Grund. 's ischt wohl Modesache. Sie habe gesagt, 's Bier sei net mehr so gut, aber 's ischt net wahr. Sie gehe jetzt viel nach Neckargemünd.

Lutz (trinkt). Ja, ja, das Leben ändert sich, und der Mensch selbst ändert sich auch. Wir alle, meine liebe Frau Dörffel, jeder von uns. (Trinkt, schlürft.) Und deshalb, im Vertrauen gesagt, diese Reise Sr. Durchlaucht war ein Fehler.

Frau Dörffel (erstaunt).

Lutz (halblaut, geheimnisvoll). Ich habe Se. Durchlaucht niemals in einer Verfassung gesehen, wie heute Vormittag.

Frau Dörffel (ängstlich). Wie denn?

Lutz. Diese Leute, diese Studenten haben kein Taktgefühl. Wenn ein so großer Herr eine kleine Marotte hat und eine derartige Reise ausführt, so reist er incognito. Er verlangt dann, daß die Menschen sich – wie soll ich sagen? – sich heiter stellen. Sie sollen kleine Scherze veranstalten, lustig sein und sich derart benehmen, daß Se. Durchlaucht das Gefühl haben, es ist einmal etwas anderes.

Frau Dörffel. Freile, Freile.

Lutz. Statt dessen haben die Leute keinen Takt. Se. Durchlaucht haben die Studenten heute morgen im Hotel empfangen, ich war Zeuge, – diese Leute benehmen sich, als wenn man sie in einen Frack gesteckt hätte, damit sie bei Hofe erscheinen. So tritt Se. Durchlaucht ins Zimmer, im einfachen Anzuge, ohne Orden, und lächelt und streckt gütig die Hand entgegen – statt diese Hand zu nehmen, verbeugt sich die Gesellschaft! Der eine tritt vor und hält eine Rede.

Frau Dörffel. Ja –

Lutz (Pause). Als Se. Durchlaucht wieder allein war – meine liebe Frau Dörffel, das Gesicht war weiß wie Schnee.

Frau Dörffel. Ach.

Lutz. – – Weiß wie Schnee. – – – Se. Durchlaucht haben ein Boot beordert und sich den Neckar hinaufrudern lassen, allein. Allein – Sie verstehen!

Frau Dörffel (traurig). Nu hat er ganz allein sei wolle – 's ischt traurig.

Lutz. Se. Durchlaucht wird das Boot hier anlegen lassen – Se. Durchlaucht wird mit diesen Studenten noch eine halbe Stunde zusammen sein, dann reisen wir. – Dann ist diese etwas sonderbare Exkursion beendet. – – – Da kommen diese Leute.

4. Szene.

Das Korps (herein alle im Frack).

Bilz (zu Lutz). Ist Se. Durchlaucht bereits anwesend?

Lutz. Nein.

Bilz. Wird Se. Durchlaucht diesen Abend in Heidelberg bleiben?

Lutz. Nein. Se. Durchlaucht reisen um 7 Uhr 30. Ich ersuche die Herren, nicht etwa in Se. Durchlaucht zu dringen, den Aufenthalt zu verlängern. Se. Durchlaucht lassen das den Herren hiermit ausdrücklich sagen.

Bilz. Gewiß –

Lutz. Se. Durchlaucht hatten gestern Abend bei der Ankunft den Wunsch geäußert, noch einmal hier bei Rüders eine kleine – e – Feier – e – zu veranstalten, wie in früheren Jahren – mit Musik und in – e – studentischer Art – aber Se. Durchlaucht sehen sich genötigt, Höchstihren Aufenthalt in Heidelberg zu verkürzen. Es empfiehlt sich mithin, das Programm möglichst rasch abzuwickeln.

Bilz. Gewiß.

Lutz (zu Fr. Dörffel). Ja was ich sagen wollte – das Leben ändert sich. Und wo der Takt nicht angeboren ist oder durch die Erziehung erworben, da ist eben nichts zu machen. Ich werde meinen Wein dort drüben trinken. (Er geht in den Hintergrund, setzt sich an die Ufermauer.)

Engelbrecht (wischt sich den Schweiß). Ich werde dann noch 'ne Rede halten. Es ist sehr schwer.

Bilz (ängstlich). Laß man lieber die Rede.

Engelbrecht. Weshalb?

Bilz. Ich weiß nicht – aber wenn ich an Karl Heinrich denke, wie er damals war – und nun heute –

Lutz (springt auf). Se. Durchlaucht!

Alle (horchen auf). Se. Durchlaucht!

Lutz. Rüder, kommen Sie hierher! An die Brücke! Daß der Kahn nicht gegen das Ufer stößt!

Rüder (eilt dorthin).

Lutz (zu dem Korps). Bitte, meine Herren, treten Sie dort hinüber! Bitte, nicht hierher wenn ich bitten darf – – – – –

Engelbrecht. Einer muß ein paar Worte sagen –

(Große, erwartungsvolle Pause.)

Lutz (zieht den Hut).

Alle (ziehende Mützen.)

(Der Fürst ist immer noch nicht zu sehen.)

5. Szene.

Karl Heinrich und der Lakai Glanz.

Karl Heinrich (kommt langsam, schweigend durch die Mitte nach vorn, nach beiden Seiten grüßend, kalt, eisig).

Lutz. Der Wagen, Ew. Durchlaucht, steht bereit. Es ist ungefähr noch eine Stunde bis zur Abfahrt des Zuges.

Karl Heinrich (nickt).

Lutz (tritt zurück).

Engelbrecht. Ew. Durchlaucht geben uns die Ehre, wenn auch nur für kurze Zeit mit uns zusammen zu sein an einer Stätte, an der Ew. Durchlaucht vor Jahren vielfach Gelegenheit nahmen, in unserer Mitte zu weilen. Wir heißen Ew. Durchlaucht in aller Ehrfurcht hier herzlich und ehrerbietig willkommen.

Karl Heinrich. Sie sind bereits eine beträchtliche Reihe von Jahren in Heidelberg, Herr Engelbrecht? –

Engelbrecht. – e – e – zehn Semester.

Karl Heinrich. Sie hatten damals die Absicht, die juristische Carriere zu ergreifen, oder die Verwaltung.

Engelbrecht. Jawohl, Ew. Durchlaucht.

Karl Heinrich. Hm. (Zu Bilz.) Sie sind auch noch in Heidelberg?

Bilz. Jawohl, Ew. Durchlaucht.

Karl Heinrich. Sie gedenken noch länger zu bleiben?

Bilz. Ich – ich – ich stehe vor dem Examen, Ew. Durchlaucht.

Karl Heinrich (fixiert einen Dritten).

Bilz (stellt vor). Herr von Bansin.

Karl Heinrich. Wo sind Sie her?

Bansin. Aus Braunschweig, Ew. Durchlaucht.

Karl Heinrich. Sie sind Jurist?

Bansin. Jawohl, Ew. Durchlaucht.

Karl Heinrich (fixiert einen andern).

Bilz. von Reinicke.

Karl Heinrich. Sind Sie schon lange in Heidelberg?

Reinicke. Drei Semester, Ew. Durchlaucht.

Karl Heinrich (immer eiskalt). Es gefällt Ihnen hier?

Reinicke. Jawohl, Ew. Durchlaucht.

Karl Heinrich. Ich habe Gelegenheit genommen, auf dem hiesigen Friedhofe heute das Grab des Herrn Dr. Jüttner zu besuchen. Der Herr Doktor war bei seinen Lebzeiten durch seine Verbindung mit meiner Person auch Ihnen kein Fremder. Ich hätte dementsprechend eigentlich erwartet, das Grab in einem etwas weniger verfallenen Zustande anzutreffen.

Bilz. Ew. Durchlaucht, – es ist – es –

Karl Heinrich. Ich will Ihnen daraus keinen Vorwurf machen. Sie würden mich aber zu Danke verpflichten, wenn Sie in Zukunft hin und wieder einmal für die Pflege des Grabes Sorge tragen wollten.

Engelbrecht. Es wird alles geschehen, Ew. Durchlaucht –

Bilz. Es soll sogleich morgen –

Karl Heinrich. Dann danke ich Ihnen im voraus. Dieser Tote hat mir nahe gestanden. (Der Fürst winkt Glanz, dieser gibt dem Fürsten die Mütze und nimmt des Fürsten Hut. Trübe Pause, K. H. starrt vor sich hin, dann rafft er sich auf, lächelt.) Was wollte ich sagen –? Meine Herren, setzen wir uns. Die Zeit ist gemessen, und wir wollten doch hier bei Rüder in dem alten Garten noch einmal wenigstens eine Weile zusammensitzen. Ist keine Musik da?

Rüder. Freili. Die Musici! Anfange! (Hat ein hohes Bierglas in der Hand.)

Karl Heinrich Was machen Sie, Rüder? Noch der Alte?

Rüder. Ich danke schön, Ew. Durchlaucht.

Karl Heinrich (setzt sich). Geben Sie mir. (Rüder gibt ihm das Glas.)

Bilz. Befehlen Ew. Durchlaucht. daß ein besonderes Lied gespielt werden soll?

Karl Heinrich. Irgend was! Es ist ja gleich.

Die Musiker (stimmen die Instrumente).

Bilz. Silentium! – Wir trinken mit diesem ersten Glase die Gesundheit dessen, dessen Zugehörigkeit zum Korps Saxonia den glänzendsten Markstein in der Geschichte des Korps für einst, jetzt und alle Zeiten bildet. Se. Durchlaucht beweist durch seine heutige Anwesenheit, daß auch Se. Durchlaucht sich gern der fröhlichen Zeit erinnert, die mir und allen, die an ihr theilnahmen. unvergeßlich bleiben wird. Ad exercitium salamandris 1, 2, 3 – 1, 2, 3 – 1 – 2 – 3! (Die Gläser klirren auf den Tisch.)

Karl Heinrich. Ich danke Ihnen. Ich trinke auf Ihr Wohl. (Er geht zu einigen und stößt mit ihnen an.)

Musik (spielt: »O alte Burschenherrlichkeit«).

Karl Heinrich (hat schweigend zugehört. Als die Musik zum zweiten Male die Melodie beginnt, richtet er sich auf, wie aus einem Traume). Ich bitte, singen Sie doch. Weshalb wollen Sie nicht singen?

Bilz. Sehr wohl, Ew. Durchlaucht. – Silentium! (Musik hört auf.) Silentium für das Lied.

Die Musik (beginnt von neuem, alle singen, aber halblaut, gedrückt, das Lied macht einen sehr wehmüthigen Eindruck).

O alte Burschenherrlichkeit!
Wohin bist du geschwunden?
Nie kehrst du wieder, goldne Zeit,
So froh und ungebunden!
Vergebens spähe ich umher,
Ich finde deine Spur nicht mehr.
    O jerum, jerum, jerum.
O quae mutatio rerum!

Den Burschenhut bedeckt der Staub,
Es sank der Flaus in Trümmer,
Der Schläger ward des Rostes Raub,
Erblichen ist sein Schimmer,
Verklungen der Kommersgesang,
Verhallt Rapier- und Sporenklang.
    O jerum, jerum, jerum.
O quae mutatio rerum!

Allein das rechte Burschenherz
Kann nimmermehr erkalten;
Im Ernste wird, wie hier im Scherz,
Der rechte Sinn stets walten;
Die alte Schale nur ist fern,
Geblieben ist uns doch der Kern.
    Und den laßt fest uns halten!
    Und den laßt fest uns halten! – –

Karl Heinrich (sitzt stumm, von tausend Gefühlen bewegt).

Bilz. Silentium! Cantus ex est!

Karl Heinrich (sitzt wie geistesabwesend).

Bilz. – Befehlen Ew. Durchlaucht vielleicht sonst noch ein Lied? –

Karl Heinrich (starrt ihn an ohne Verständniß). Wie?

Bilz. Irgend ein Lied, das Ew. Durchlaucht vielleicht besonders genehm sein würde?

Karl Heinrich. Nein. ich danke. Bemühen Sie sich nicht. Außerdem: meine Zeit wird zu Ende sein. – (Er steht auf, alle ebenfalls. Er verabschiedet sich kalt, nur von Bilz etwas freundlicher. Alle ab, außer Karl Heinrich.)

6. Szene.

Käthie (herein). Es ist net wahr! – Ihr lügt's ja alle – (sucht in fieberhafter Erregung) es ist net wahr – (sucht, dann plötzlich sieht sie den Fürsten. Mit einem elementaren Aufschrei zu ihm.) Karl Heinz!!

Karl Heinrich. Käthie!

Käthie. Karl Heinz! Karl Heinz!!

Karl Heinrich. Käthie, liebe Käthie! (Sie liegt wie besinnungslos in seinen Armen). Sieh mich an – Käthie! (Lange Pause.)

Käthie. Nun bist du wieder gekommen.

Karl Heinrich. Ja.

Käthie. – Nun bist du wieder gekommen.

Karl Heinrich. Nun bin ich wiedergekommen, Käthie!

Käthie. Laß dich anschaun. Bist du's denn noch?

Karl Heinrich. Ja.

Käthie. Ja, 's ist der Heinz Karl. Derselbe. (Streicht ihm über Gesicht und Haar, zärtlich, wie prüfend.) – A bissel ist er anders geworden – a ganz kleines bissel –. (umarmt ihn stürmisch, außer sich.) Nun bist du wieder gekommen!

(Pause.)

Käthie. Ist's wahr, daß du wieder fort mußt? Jetzt gleich?!

Karl Heinrich. Ja, Käthie.

Käthie (antwortet nicht, preßt ihn an sich im Schmerz) – Ich hab's gewußt, Karl Heinz, einmal im Leben würdest d' noch kommen. Jeden Tag hab' i gewartet. – (Sie streicht ihm über das Gesicht.) So schmal bist worden, und so blaß, Karl Heinz. Hast viel ausgestanden, gelt?

Karl Heinrich. Ja, Käthie.

Käthie. So – so – (streichelt ihn) – die schlimmen Falten – so lach einmal wieder.

Karl Heinrich. – Zwei Jahre. – Du weißt nicht, Käthie, was das für Jahre gewesen sind. Es gibt keinen Menschen, der so einsam war wie ich.

Käthie (angstvoll, dringend). – Lach einmal wieder.

Karl Heinrich (mühsam lächelnd). – Lachen?

Käthie. Ja! So! Noch einmal!! Wie du früher gelacht hast. Lach, Karl Heinz, ach lach doch.

Karl Heinrich. Wann war es? Gestern oder vorgestern? Mitten in der Nacht sind wir fortgefahren, hierher. Ich hab es nicht mehr ertragen, einmal mußt ich noch her. Zum letzten Mal.

Käthie (lehnt sich an ihn). Ja.

Karl Heinrich. Es war alles, Käthie, wie früher, der Main, der Neckar und – Heidelberg. Nur die Menschen sind anders geworden. Ich habe keinen wieder gefunden.

Käthie (schmiegt sich dichter an ihn).

Karl Heinrich. Nur dich, Käthie. Du bist die einzige.

Käthie. Karl Heinz – –

Karl Heinrich. – – – Du bist die einzige – –

Käthie (zieht ihn neben sich auf eine Bank). Komm. – – Weißt du noch den Tag, als du fortgingst, Karl Heinz? Und wir wollten zusammen in den Odenwald?

Karl Heinrich (nickt).

Käthie. Und kutschierten zuzweit nach Neckargemünd – und wollten nach Paris? (Sie lächelt.)

Karl Heinrich. Da oben, Käthie, hinter den zwei Fenstern, weißt du' s noch? Du und ich!

Käthie (vergräbt den Kopf an seiner Brust).

Karl Heinrich. Draußen die Frühlingsnacht, und alles schlief.

Käthie (selig). Du hieltest mich fest.

Karl Heinrich (preßt sie an sich, küßt sie stürmisch). – – – Käthie! – Süße Käthie!

( Pause.)

Käthie. Lustig sind wir gewesen, wir zwei, das ist nun aus. Oft, wann i mir a Müh geb' und i will's und will's zwingen, lustig kann i nimmer sein. I bin auch alt geworden, gelt, da im Gesicht?

Karl Heinrich (lächelnd). Nein, Käthie.

Käthie. Doch. – Und da hier ist's einsam geworden. 's ist net mehr wie früher. Die Studenten kommen net mehr. Oft Abends sitz i ganz allein – – – – Zum Herbst geh' i fort.

Karl Heinrich. Wohin?

Käthie. Nach Oesterreich. Der Franzel schreibt alle Vierteljahr, i soll komme, er will nun endlich heiraten.

Karl Heinrich. Ja.

Käthie. I hätt scho lang fortgehen und heiraten sollen, 's war gar zu traurig dahier. – Sixt, Karl Heinz, dann bin i a fort vom lieben Heidelberg.

( Pause.)

Karl Heinrich. Ich halte auch Hochzeit, Käthie, – weißt du's?

Käthie. Ja. I hab's gelesen in der Zeitung. I hab mir auch die Bilder kauft, euer beiden Bilder. Die Prinzessin-Braut ist schon sehr schön. – (prüfend, ängstlich) Gelt?

Karl Heinrich (zuckt die Achseln, gleichgültig).

Käthie (leise). Sei lieb zu ihr.

Karl Heinrich (faßt sie an beiden Armen, schüttelt sie fast grimmig). Käthie! (in überströmenden Schmerz) Käthie!

Käthie (nimmt seinen Kopf zwischen ihre Hände). Sei net traurig. Sixt, wann i wüßt, daß du traurig wärst und würdest nimmer wieder heiter werden, – ach, Karl Heinz, dann – dann – ja was sollt i dann anfangen? Dann sollt i nach Wien und Hochzeit halten und mit den Leuten reden und immer dabei denken, daß du nimmer froh wärst, dann doch lieber glei (innig) Karl Heinz, i bitt di!!

Karl Heinrich (nimmt sich mühsam zusammen). Ja –

Käthie. Sixt, mit uns Zweien, das hat doch net anders sein können, net wahr? Und das haben wir doch auch immer gewußt.

Karl Heinrich (nickt).

Käthie. Na alsdann –

Karl Heinrich. – – Ja – –

Käthie. Die schöne Jugendzeit, die is halt so kurz –

Karl Heinrich (träumend). Ja –

Käthie. Nun wirst du heimfahren, Karl Heinz, und Hochzeit machen, und 's wird alles gut werden. I kann das ja net so verstehn, aber einer wie du, der muß schon den Kopf obenbehalten, gelt? Schon um der vielen anderen wegen, gelt?

Karl Heinrich. Kleine Käthie!

7. Szene.

Lakai (diskret herein). Ew. Durchlaucht –

Karl Heinrich (blickt auf). Was –? – Ja. ich komme.

Lakai (diskret hinaus; ab).

Käthie. Bleib noch!

Karl Heinrich (zieht sie an sich). Käthie.

Käthie (lehnt sich an ihn, die Hände auf seinen Schultern). Bleib noch.

Karl Heinrich. Nun komme ich nicht wieder, Käthie.

Käthie. Karl Heinz!

Karl Heinrich. Es war die letzte Fahrt nach Heidelberg. aber vielleicht die beste. Es soll vieles anders werden, Käthie, ich verspreche es dir.

Käthie (streichelt nur immer seine Wangen, zu ihm emporschauend, wie jemand, der etwas, was er für immer verliert, noch einmal berühren will).

Karl Heinrich. Wir behalten uns, Käthie. Ich vergesse dich nicht und du mich nicht. Wir sehen uns nicht wieder, aber wir vergessen uns nicht. Meine Sehnsucht nach Heidelberg war die Sehnsucht nach dir, – und dich hab' ich wiedergefunden. (Küßt sie lange.) Leb wohl, Käthie. (Er geht.)

Käthie (steht mit schlaff herabhängenden Armen, sieht ihm nach).

Karl Heinrich (wendet noch einmal). Ich habe nur dich lieb gehabt, Käthie, von allen Menschen nur dich. (Küßt sie, geht.)

Käthie (steht stumm, starrt ihm nach, sekundenlang. Dann schlägt sie die Hände vor das Gesicht und schluchzt bitterlich).


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