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7

Zwischen schwerem, dunkelm Gewölk tauchte die Sonne als glanzloser Feuerball langsam hinter den Riesenkopf hinab. Nach der sengenden Gluth des Nachmittags lagerte sich eine dumpfe, drückende Schwüle über das ganze Innthal, und auch die träge heranrollenden Wogen des Flusses brachten dem schmachtenden Leben am Ufer keine Kühlung mehr. Hinter dem bleigrauen Schleier, der die höchsten Berggipfel einhüllte und den letzten Tagesschimmer verdrängte, sowie er sich allmälig tiefer in's Thal senkte, thürmte sich im Westen eine schwarze Wand auf, die ihren Schatten über die ganze Niederung breitete.

Jene zwei Männer dort am Ufer des Inn auf der Tiroler Seite schauten mit heitern Augen und vergnügten Herzen spät am Abend noch nach den schwarzen Wolken, die, vom Winde getrieben, immer drohender näher kamen. In einem Kahne, der hinter überhängendem Weidengestrüpp vor jedem Späherblick geschützt war, lagen sie, die alten verwitterten Hüte tief in die wildbärtigen geschwärzten Gesichter gedrückt und dunkele Pferdedecken um sich geschlagen, regungslos auf dem Boden, und nur manchmal streckte sich ein Kopf spähend über den Rand des kleinen Fahrzeugs. Alle Muskeln in dem Gesicht des Mannes, der im Kiel des Schiffchens lag, waren auf's äußerste gespannt; er strengte Auge und Ohr zugleich an, die finstere Nacht zu durchdringen. Ein kleines schweres Gewehr, den kurzen Gebirgsstutzen, wickelte er sorgfältig in die Decke, um es vor dem plötzlich niederströmenden Regen zu bewahren; dann richtete er sich auf und ergriff mit fester Hand das Ruder. Auch der hinten Sitzende erhob sich auf seinen Wink, tauchte gleichfalls sein Ruder, um es als Steuer zu gebrauchen, geräuschlos in's Wasser und setzte ein scharfes Messer an den Strick, der das Fahrzeug am Ufer festhielt.

Auf Augenblicke warf der Mond noch sein Licht durch die dahinjagenden Gewitterwolken und ließ die Fluth hell erglänzen; doch immer näher rückte, nur flüchtig von feuerigen Blitzen zerrissen, die finstere Wand der goldenen Sichel, sie völlig zu verdunkeln. Auf diesen Moment schienen die beiden zu warten; denn kaum lag die tiefe Nacht über dem Wasser, als ein scharfer Schnitt den Strick trennte und der Nachen pfeilschnell hinausschoß in die jetzt hochgehenden Wogen.

Mit herkulischer Kraft führte der erste das Ruder und trieb an einer gedeckten Stelle das Fahrzeug hoch auf das jenseitige Ufer. Wieder lauschten sie still hinaus in die Finsterniß, und erst als kein verdächtiger Laut an ihr Ohr schlug, betraten sie das Gestade. Jeder half nun dem andern, einen von den schweren Päcken, die am Boden des Nachens gelegen, auf die Schultern schnallen. Dann befühlte der erste, ein ungewöhnlich großer und starker Mann, das Schloß seines Gewehrs mit prüfendem Finger und schritt, von seinem unansehnlichern Gefährten gefolgt und auf seinem Wege immer an Strauchwerk und hohen Büschen hinhuschend, so rasch als möglich landeinwärts. Der weiche Ufersand des oft austretenden Flusses und der niederprasselnde Regen dämpften hier die Schritte.

Der Zweite richtete zuweilen ängstlich seine Blicke nach dem Firmament, ob dort nicht bald wieder verrätherische Lichtstreifen durchbrächen, und fuhr bei jedem Windstoß, der durch die Baumwipfel sauste, erschrocken zusammen. Bei jedem Aufblitzen des zum vollen Ausbruch gekommenen, von ununterbrochenem Donner begleiteten Gewitters aber bekreuzte er sich hastig, während der andere sein ganzes Augenmerk auf eine Waldspitze richtete, die von dem hier auslaufenden Wildbarrn sich in's Thal hereinzog. Jedes Hinderniß behutsam und geräuschlos umgehend, lenkte er seinen Marsch dorthin. Erst als der finstere Wald die Männer aufnahm, gönnten sie sich einige Rast.

Auf den schwer mit Eisen beschlagenen Stöcken ließen sie die Last ihrer Schultern ruhen und folgten mit den Augen aufmerksam dem Laufe der Wolken, doch nur für kurze Zeit; dann drängte der große Mann zum Weitermarsch. Immer steiler ging es die bewaldete Höhe hinauf, manche abschüssige Stelle mußten sie mühsam auf Händen und Füßen erklimmen. Dabei kam der Große seinem verzagten und weniger kräftigen Begleiter oft zu Hülfe, ohne daß dabei weder der eine noch der andere einen Laut von sich gegeben hätte. Endlich hatten sie das finstere Dickicht erreicht, an dessen Ausgang eine Waldblöße sich ausbreitete.

Der Voranschreitende legte nun die Hände an den Mund und ließ den heisern Ruf des Uhu durch den Wald ertönen. Einen Moment horchte er gespannt hinaus, und als er von der Lichtung her denselben Schrei vernahm, leuchtete ein zufriedenes Lächeln in dem geschwärzten Gesichte auf.

Allmälig hatte auch der schwere Gewitterregen nachgelassen. Die köstlichste Waldesfrische zog unter den majestätischen Tannen hin, ein unvergleichlicher Duft entströmte den erquickten Zweigen und Büschen und stieg würzig aus dem schwellenden Moose auf. Die Blitze brachen seltener aus den Wolken, und das unaufhörliche Rollen des Donners in den Bergen ließ sich immer ferner und schwächer vernehmen. Der Wind hatte umgeschlagen und trug das Unwetter mehr gegen Süden.

Ein breiter, heller Silberstreifen des wiederkehrenden Mondlichts legte sich auf die Waldblöße und spielte zitternd an dem nackten Gestein einer fast senkrecht abfallenden Wand. Das rauhe Felsgeröll und die mächtig großen behauenen und unbehauenen Blöcke auf dem zerwühlten Rasen zeigten einen Steinbruch an. Ein kleiner Stollen, der bei bösem Wetter den Arbeitern als Zufluchtsstätte diente, war dort in die Wand getrieben und gegen abrollende Felsstücke durch schief angelehnte starke Bohlen gesichert.

Dahin richtete der Vorderste jetzt seine Schritte. Doch schlüpfte er behende nochmals zurück in das Walddunkel, als er den Lichtschimmer gewahrte. Er näherte sich seinem Kameraden und flüsterte ihm, indem er auf die Holzwand wies, leise etwas zu. Zitternd vor Angst und gekrümmt unter der immer schwerer drückenden Last wagte sich dieser hinaus auf die Blöße und verschwand bald hinter dem Schutzdach, indeß sein Gefährte, durch einen Baum gedeckt und die Büchse im Anschlag haltend, mit lauernden Blicken nach allen Seiten spähte. Erst nach einiger Zeit, als er nichts hörte, als das Rauschen der angesammelten Wasser in den Bergrinnen, trat er eiligen und festen Schrittes hinaus und verschwand gleichfalls hinter den Bohlen.

»Grüß Gott, Herr!« begrüßte in dem Versteck den zuletzt Eingetretenen leise ein dritter, der die Vermummten hier erwartet und vorher den Eulenruf so vortrefflich erwidert hatte. »Habt's heut aber tüchtig aufpackt, Herr,« sagte er und half ihm, den schweren Pack von den Schultern schnallen.

»Wohl, Ruap, ist lauter italienische Seide,« entgegnete der große, starke Mann – die vorsichtig gedämpfte Stimme gehörte unverkennbar dem Tirolerwastl. »Aber sag, wie sieht's aus in den Bergen, ist alles sauber?«

»Den Teufel ist's, Herr,« versetzte der andere, seiner Mundart nach ein Landsmann Wastl's, »hab' noch nie so viel Grenzer herüben gesehen, vom Falkenberg bis zum Wildbarrn gehen die Streifen. Mich mit meiner Hack' haben's wohl für einen Holzknecht gehalten. Aber Ihr wißt schon, Herr, uns Tirolern traut man nicht viel da herüben. Will mir gar vorkommen, als wenn Euer Gang verrathen wär'.«

»Hast wohl gar zu viel Angst, Ruap. Aber sag mir, wo kommen wir dann hinaus, zum Einödbach müssen wir hin.«

»Ja, Herr, da geht's wohl nicht anders, als an der Kapellen vorbei über den Jochstein auf die Klamm und die Flintsbacher Alm zu. So weit werden doch die grünen Teufel nicht drinn' stecken, und da müßt ihr halt so von hinten herein in's Thal zum Einödbach.«

»Ja freilich wohl. Aber geh jetzt und leg dich draußen hinter einen Stein. Bevor der Mond nicht drunten ist, können wir nicht gut fort. Dann gehst du voraus – kennst ja unsern Ruf, wenn alles sauber ist – nimmst fleißig die Augen in die Hand und sei fein geschickt.« Mit diesen Worten reichte er ihm eine Branntweinflasche, und nachdem Ruap einen kräftigen Zug daraus gethan, verließ er den Stollen, kroch im Schatten der aufgeschichteten Steine fort und legte sich hinter einem großen Felsblocke als Vorposten auf die Lauer.

Kaum hatte er die beiden allein gelassen, als der am Boden liegende Schwärzer in vorwurfsvollem Tone den Zurückbleibenden anfuhr: »Wastl, das sag' ich dir, das ist das erste und das letzte Mal, daß ich einen Paschergang mach'. Ich hab glaubt, das geht anders, und jetzt kommt's mir vor, als wär ich schon am besten Weg in's Zuchthaus. Ich weiß kein einziges Stoßgebetl mehr, ich hab' alle schon hergesagt, und du kommst mir vor, wie der leibhaftige Beelzebub, wie er unsern Herrn in der Wüsten hat verführen wollen.«

»Du kommst mir aber nicht vor, wie unser Herr, du Hasenfuß,« sagte der Tiroler halb im Scherz zu seinem guten Freunde, dem Achmüller. »Laß dir's nicht verleiden. Das gewöhnt sich alles, und dein Sinn wird bald nach was anderm stehn, wenn du die blanken Silberzwanziger einstreichst, die ein Gang einbringt.«

»Ich will nichts davon!« rief der Achmüller aufgebracht. »Du hast mich bloß dazu überredet, zu der ganzen Lumperei. Lieber arbeit' ich im Torfmoos oder auf der Straßen; ich brauch' das Sündengeld nicht, ich brauch' nichts als mein Recht.«

Ein höhnisches Gelächter schallte laut durch die Grotte.

»Meinst denn, du Narr,« hub Wastl spöttisch an, »ich hab' dir das Geld auf das Haus gegeben, daß du's dummer Weis' verprocessiren kannst? Weil wir jetzt so beisammen sind, will ich dir's grad' recht sagen: die Achmühl muß ich haben, die ist mir am besten gelegen zu meinem Geschäft. Hab' ich sie, kannst dich wohl plagen und arbeiten gehen in's Moos: denn das Geld kannst mir doch nimmer herauszahlen, armseliger Schlucker. Ja, wenn die Rosel,« fuhr er gedehnt fort, »nicht so eine stolze Dirn' wär', hätt' sich alles anders gemacht; hätte gern die Mühl' für euch alte Leut' wieder eingerichtet und euch bei mir fortkommen lassen. Dem Madel zu lieb hätt' ich viel gethan; aber betteln geh' ich nicht drum. Kann mir die saubersten Dirnen heraussuchen drüben in Tirol.«

Gewaltig stürmte es in der Brust des Achmüllers, der halb aufgerichtet auf seinem Strohbündel saß; und in seinem Kopfe schwirrten die Gedanken lebhaft durch einander. Die Dunkelheit schien sein Denken zu schärfen, und er gewahrte, wohl in Folge der ausgestandenen Angst jetzt zum ersten Mal, wie die Schlingen des Netzes, das jener Mensch über ihn geworfen, eng und enger sich um ihn zogen, daß er ganz in der Gewalt des harten Mannes sei. In die Finsterniß hinstarrend, fühlte er, wie ihm das Blut heißer zum Herzen drang, als seit langer, langer Zeit. Es regte sich etwas wie Vatergefühl in ihm, und einen Augenblick war er entschlossen, sich um jeden Preis aus der Umstrickung des Tirolers zu befreien. Zum ersten Mal schauderte ihm vor dem Abgrund, an dessen Rand er taumelte, und wie ein guter Engel stand ihm seine Tochter vor der Seele, welche die Hand des Dämons, der auch sie hinabziehen wollte, muthig zurückgestoßen.

Zum ersten Mal schlug ihn das Gewissen, und wenn er an sein gutes, treues Weib, an sein schönes, braves Kind dachte, die er beide in seinem Starrsinn muthwillig dem Verderben zugeführt, fühlte er sich bis in's Innerste erschüttert. Und doch, wer durfte es ihm vorenthalten, sein gutes, sein unantastbares Recht? Mußte es ihm nicht endlich zugesprochen werden? War ihm nicht die langen Jahre hindurch bitteres Unrecht geschehen, und würde er nicht zuletzt doch noch triumphiren?

Die festgewurzelte Leidenschaft erwachte mit neuer Macht, das thörichte Jagen nach seinem angeblichen Rechte ließ die bessern Regungen in ihm nicht aufkommen. Es stand fest bei ihm, daß nur der Tirolerwastl ihn seinem Ziele näher führen, ihn aber auch ganz verderben könne. Er wollte darum jetzt nicht mit ihm brechen, sondern ihn durch die Hoffnung auf das Mädchen hinzuhalten suchen. In Gedanken verschob er den Tag, wo er sich auf immer von ihm lossagen wollte, auf den unfehlbar günstigen Ausgang des Processes.

»Ich hab' nur glaubt,« sagte er nach einer längern Pause hörbar gedrückt, »du sollst dich halt öfters sehen lassen bei der Rosel, sollst ihr zu Gefallen gehen, sollst ihr schön thun. Bei uns herinn' muß jeder Bub sein Diendl sich selber erobern. Ich kann nichts dazu thun, als Ja sagen.«

Die Antwort des Tirolers wurde durch ein Geräusch am Eingange des Schlupfwinkels abgeschnitten; und unwillkürlich griff er nach seinem Stutzen. Doch lehnte er denselben bald wieder an die Wand, als Ruap's bekannte Stimme ihm zuwisperte: »Herr, jetzt ist der Mond hinunter, und ich glaub', die Wolken haben sich am wilden Kaiser hinten gestoßen; sie ziehen ganz schwarz wieder herauf.«

»Vorwärts, vorwärts!« drängte Wastl halblaut in befehlendem Tone. »Du, Ruap, nimmst deine Hacke mit.«

»Ich hab' sie schon und geh' voraus,« erwiderte Ruap. »Nehmt nur den Weg, den ich euch gesagt hab', nachher kann's nicht gefehlt sein. Wenn ihr von der Klamm her einen Nachtvogel hört, so ist drüben alles sauber, und ihr könnt ohne Sorg' am Einödbach hinaufgehen.«

Die schweren Päcke waren rasch wieder aufgeschnallt, und nach der längern Rast ging es nun rüstig vorwärts. Alle Blößen vermeidend und nur immer die dichtesten Waldpartieen aufsuchend, ging es den Wildbarrn ziemlich steil hinauf. Das Wetter war das prächtigste zu solch' unheimlichem Gang; alles war naß, kein dürres Laub, kein morscher Ast, der so leicht zum Verräther werden konnte, raschelte heute unter ihren Füßen. Lautlos stiegen sie, auf ihre Bergstöcke gestützt, auf dem vom Regen durchtränkten Boden fort, und es erforderte die höchste Anstrengung, nicht auszugleiten auf dem schlüpfrigen Waldgrund. Nur ein paar Mal wurde Halt gemacht, und sie ließen die schwere Bürde einige Minuten auf einem Baumstamm ruhen, wobei dann immer der Achmüller, der hier die Gegend besser kannte, die Richtung durch stumme Zeichen angab. Der Tirolerwastl aber ging wie früher voran, den scharfgeladenen Stutzen nur lose an der Schulter hängend.

Die sanfte Abdachung des Wildbarrn war schon überschritten, und unangefochten langten sie an der Kapelle an. Von hier aus aber ging es besonders für den alten, erschöpften Achmüller mühsam bergan gegen den Jochstein. Das ist ein steiler Berggrat, der sich vom Wildbarrn gegen die Bigleralp herüberzieht. Aeußerst vorsichtig und, ehe ein Schritt gewagt wurde, mit Hand und Fuß jeden Stein betastend, ob er auch fest sitze und nicht durch lauten Absturz in die Tiefe die ganze Umgebung aufstöre, hatten sie schon ein paar kahle Schrofen überstiegen und betraten jetzt hoch aufathmend das reiche, grüne Alpengebiet.

Wie der Fuchs auf seinem Wechsel immer die weit vorspringende Waldspitze aufsucht, um dann mit einem einzigen Satze das jenseitige Dickicht wieder zu gewinnen, so eilten die Schmuggler im Schutze der schwarzen Nacht mit langgestreckten Schritten hastig über eine schmale Thalsohle weg, bis sie den Forst erreichten, der in mäßiger Steigung auf die Klamm führte. Sie wanderten in dieser Richtung jedoch nicht weiter fort, sondern suchten in der Dunkelheit nach den stärksten Stämmen und befanden sich bald zwischen einer Gruppe mächtiger Tannen, deren Zweige schon in halber Mannshöhe angesetzt waren. Von den überhängenden Aesten versteckt und der Länge nach auf den Boden hingestreckt, horchten sie hier lange in die tiefe Waldstille hinaus. Das Schweigen wurde nur durch die Nachtluft, die leise rauschend durch die Baumkronen strich, oder durch einen fallenden Tannenzapfen unterbrochen – der erwartete Eulenruf aber wollte sich nicht hören lassen.

Durch lebhafte Geberden drängte der Achmüller zum Vorwärtsgehen. Er konnte nicht glauben, daß ihnen jetzt, so nahe ihrem Ziele, der Achmühle, noch Gefahr drohen sollte, und er hatte so tief in den Bergen noch selten einen Grenzjäger getroffen. Doch der Tirolerwastl, ein alter, durchtriebener Schwärzer, ahnte instinctmäßig eine Gefahr und wollte ohne das verabredete Signal nicht von der Stelle. Während er den Kopf zum Mitterberg erhob, in dessen nächster Nähe sie lagerten, und mit seinen Gedanken bei der feinen jungen Sennerin verweilte, die er sich nicht aus dem Sinne schlagen konnte, brütete der Achmüller ungeduldig vor sich hin. Das Rauschen des Einödbaches oder der Achen, wie er den Mühlbach nannte, und das Plätschern des Wasserrades, das von der Leitenmühle her an sein Ohr schlug, schürten den alten Zorn gegen den verhaßten Brenzlmayr auf's neue. Er spürte keine Müdigkeit mehr, und die innere Unruhe ließ ihn kaum aushalten auf dem Platze. Genau bekannt mit der Oertlichkeit, entdeckte er, nachdem sein Auge sich an die Finsterniß gewöhnt, in einiger Entfernung an den Hängen, zwischen denen die Achen durchschoß, einen jener kleinen Heuschober, in denen die Gebirgsbewohner ihre Ernte bis zum Verbrauche aufbewahren.

Dies wäre, deutete er an, ein besseres Versteck, als das hier unter den Bäumen. Doch der schlaue Wastl, der überall den Feind witterte, rieth entschieden ab; es konnte ja dort eben so gut ein Grenzer im Hinterhalt liegen, oder gar der Treffpunkt einer Streife sein.

Da erregte plötzlich ein Geräusch hinter ihnen ihre Aufmerksamkeit. In ihrer unmittelbaren Nähe führte ein Waldweg vorüber, und deutlich vernahmen sie näherkommende Fußtritte.

»Das ist der Ruap,« flüsterte der Achmüller; in demselben Momente aber legte ihm der Tiroler die eine Hand derb auf den Mund, während er mit der andern nach der Büchse griff. Das scharf lauschende Ohr des erfahrenen Schwärzers hatte im Augenblick den festen und gleichmäßigen militärischen Schritt von dem schweren Tritte eines Holzknechts unterschieden.

Als der nächtliche Wanderer näher kam, erkannten sie trotz der Dunkelheit durch die Baumlücken hindurch die lange Uniformhose und den kurzen Säbel, der daran herabhing. Den Athem an sich haltend, lagen sie unbeweglich, bis die Schritte in der Ferne verhallten.

Aber auch drüben an dem Heuschober begann es sich jetzt zu regen, und wieder war es der Achmüller, der in den unbestimmten Umrissen der dort zwischen dem Gestrüpp auftauchenden Gestalt den Ruap erkennen wollte, bis der dunkele Schatten auf einen freiern Platz heraustrat und das Blinken des Gewehrlaufes abermals einen Grenzjäger verrieth.

Einen Fluch zwischen den Zähnen, sank der Wastl aus seiner halb aufgerichteten Stellung zurück, aber nur um wiederholt zu horchen; und erst als er die Gewißheit hatte, daß der Grenzer die Richtung nach dem Inn einschlug, wisperte er dem Achmüller zu: »Jetzt können wir's wohl wagen, mehr als zwei wird der Satan nicht dorthin postirt haben.«

Geräuschlos ihre Päcke aufnehmend, setzten sie sich wieder in Bewegung. Der Tiroler nahm das Gewehr von der Schulter, und hart hintereinander schlichen sie durch den Wald auf den Heuschober zu.


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