Hugo Marti
Das Haus am Haff
Hugo Marti

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IV.

Die stumme Glut des Spätsommers erlosch und ließ das weite Land müde und dunkel zurück. Wolken zogen mit breiten, hängenden Schwingen übers Haff herauf und flatterten nieder über die Felder. Die Scholle lag braun, aufgerissen und zerwühlt da und glänzte in matter Nässe, den dunkeln Wald säumten weiße Birken mit hellgelbem, zitterndem Gezweig. Die Wellen rollten mit schaumigen Kämmen langsam von weit draußen heran und fielen dumpf und gebrochen auf den feuchten Sand. Tagelang stäubte leiser Regen herab, und die Abende schritten früh und fröstelnd über die aufgeweichten, menschenleeren Wege gegen das stille Haus und traten, den Finger auf der Lippe und horchend, in die großen Zimmer ein.

76 »Ich fahre heute Nachmittag nach Königsberg,« sagte Christian von Dohm und wandte sich vom Fenster weg. »Kommst du mit?«

Klaus hob langsam die Schultern und erwiderte: »Danke –, nein.« Dann ging er wieder hin und her, den Kopf ein wenig auf die Seite geneigt und die Hände auf dem Rücken.

Christian stieß hastig hervor: »Wer hält das aus? Es ist, als sollte man sich hinlegen und den Tod erwarten.«

Frau Annemarie trat herein und setzte sich in den Sessel, der in der Fensternische stand. Christian fuhr fort: »Ich habe auch Geschäfte zu besorgen. In diesen Tagen kann man hier draußen ja doch nicht arbeiten. Man kommt sich ganz unnötig vor. – Du magst nicht mitkommen?«

»Ich bin wirklich zu faul,« gab Klaus eintönig zurück und setzte, ohne aufzusehen, einen Fuß vor den andern auf den hellen Strich im Teppich.

Christian sah ihm eine Weile zu. »Wenn dir der Aufenthalt hier draußen nur nicht schlecht bekommt! Hast du dich so übersättigt in Berlin?« Und er ging zur Türe.

»Vielleicht –,« sagte Klaus gleichgültig und beugte sich langsam herum, um auf dem roten Strich 77 zurückzuschreiten. Die Türe fiel ins Schloß und zitterte leise nach.

Als Klaus am Ende des Teppichs angekommen war, sagte er vor sich hin, mit einem raschen Blick auf Frau Annemarie, die ihren Arm aufs Fenstergesimse und das Kinn in die hohle Hand gelegt hatte: »Was soll ich jetzt nach der Stadt fahren? Wenn ich nicht Lust habe –?«

Die Frage verhallte langsam, als wüßte sie nicht, wohin sie sich wenden sollte.

»Es ist doch zu still,« sprach Frau Annemarie, ohne den Kopf vom Fenster wegzuwenden.

Klaus hielt mitten in einem Schritt inne, setzte den Fuß neben den Strich und hob den Kopf plötzlich empor: »Wie sagst du? Zu still? So hast du gesagt, du?«

»Für dich, ja,« sprach sie und drehte ihm jetzt das Antlitz zu. Er lachte und schritt weiter.

»Ja«, beharrte sie leise und fügte zögernd und zweifelnd bei: »Es ist nicht für alle – Gesunden –.«

Er machte eine unwillige Bewegung mit den Händen und schüttelte den Kopf. »Laßt mich doch. Ich bin wirklich zu faul; es ist nicht anders.«

Sie lachte. »Ja!«

Als er am andern Fenster stand, die Arme aufs 78 Gesimse gestemmt und mit den Blicken einer herangleitenden Welle folgend, sagte Frau Annemarie: »Soviel ich weiß, hat vor drei Wochen das Wintersemester in Berlin begonnen.«

Er rührte sich nicht und erwiderte: »Auf diese Frage warte ich schon lange.«

»Es ist gar keine Frage.«

»– Doch. Wollt ihr mich wegschicken?«

»Junge!«, lachte sie. »Solange es dir hier gefällt, – Christian ist glücklich, dich zur Gesellschaft zu haben.«

»Wenn ich nur nicht so faul wäre,« trotzte er halb lachend, halb spöttisch zurück. Dann sah er zum Himmel hinauf, der dunkelgrau, voll langsam geschobener Wolken war. »Ich will ein wenig hinausgehen. Es wird bald Abend. Warte nicht auf mich mit dem Essen, bitte. Ich vergesse immer, meine Uhr mitzunehmen.«

Frau Annemarie nickte ihm zu, als er an ihr vorbei hinausging. Sie lächelte und wandte dann den Kopf wieder zum Fenster hin.

Später hörte sie den Wagen vorfahren; Christian trat herein, küßte sie und fragte: »Kann ich dir nichts besorgen?«

»Danke.«

79 »Wo ist Klaus?«

»Er ging weg.«

Christian schüttelte den Kopf. »Weißt du, warum er so ist?«

Sie schaute ihn fragend an.

»Nun, so schlapp? Das ist doch keine Haltung! Ein junger Mensch –. Wäre er mitgefahren!«

Die Tür klappte zu, und nach einer Weile knirschte der Kies unter den Rädern des Wagens.

Frau Annemarie hörte dem Geräusch zu, bis es ferne verklang. Nach einer Weile, als es im Hause ganz ruhig blieb, erhob sie sich, schritt langsam ins Eckzimmer, und setzte sich an den Flügel, der schräg an der Mauer stand, so daß sie, vom Spiele aufsehend, durch das Fenster in die alten Bäume der Allee und hinüber aufs graue Haff blicken konnte. Sie schlug ein paar Töne an, lauschte, wie sie in die Stille hinausflatterten und sich ängstlich im dämmernden Schatten des frühen Abends verirrten, holte sich dann die dunkelrot gebundenen Hefte vom Ständer und blätterte darin. Sie las mit leise geneigtem Kopf in den krausen Linien und bewegte manchmal die Hand leicht hin und her, als begleite sie die Musik. Und endlich spielte sie. –

Klaus schritt rüstig, mit hochgeschlagenem Kragen, 80 die Hände in den Manteltaschen, über den glatten, nassen Feldweg, der dem Haff entlang nach dem Walde führte. Unter den Bäumen war der Boden trockener, der Fuß sank tief in die dürren Tannennadeln, und Klaus ging langsamer. Manchmal hob er den Kopf, wenn das Rauschen der Wellen stärker durch eine Pfadlichtung in den Wald hereindrang. Er wanderte immerzu, verließ das Gehölz und schritt über die Wiesen. Der Regen hatte aufgehört, durch die Wolken über dem Haff stieß ein fahler Schein und scheuchte die Dämmerung ein wenig zurück.

Der Pfad bog langsam zu einem dürren Gesträuch hinüber. Da lag der Fluß, breit, dunkel, ruhig, nur leise durch das Anrollen der Haffwogen bewegt. Klaus erkannte kaum, wo das andere Ufer begann; ferne hob sich eine Windmühle in die Luft, und weit hinten stand schwarz der Forst.

Klaus ging den Fluß hinauf. Er sah über die Wiesen hin und den Dingen entgegen, die aus der trüben Dämmerung in schwanken Umrissen auf ihn zutraten; er blieb manchmal stehen und lauschte lange nach allen Seiten, und die Stille griff mit feuchten Händen nach ihm. Er hörte seinen Herzschlag, und seine Stirn war heiß.

81 Unter seiner matten Gleichgültigkeit brannte eine Unruhe, die er nicht verstand. Er lachte auf: »Als ich Doris kennen lernte, war ich auch so. Aber seither, in allem lauten Leben, war Ruhe in mir. Nun, mitten in dieser Stille, kam es über mich wie Verliebtheit über einen Knaben!«

Er schritt rascher aus. Ein Hausgiebel ragte neben ihm aus dem Nebel auf, ein Hund schlug an, Holzschuhe stapften über den Flur zur Türe. »Hierher, hierher!«, schrie eine Stimme in die Dämmerung hinaus. Der Hund zog sich zum Haus zurück. Die Mädchenstimme fragte ängstlich: »Wer geht da draußen?«

»Leg doch den Hund an die Kette, wenn er bissig ist,« erwiderte Klaus in gereiztem Ton.

»Es geht in Wochen kaum jemand hier vorüber,« sagte das Mädchen. Als Klaus ein paar Schritte vom Haus weg war, fiel die Türe zu.

Dunkel schob es sich im Nebel heran, der Wald tauchte plötzlich auf, und der Weg bog hinein. Es begann wieder zu regnen, die Bäume rauschten auf, und Tropfen schlugen Klaus ins Gesicht. Er schritt in der Richtung auf Kampken zu. Nach einer Viertelstunde gelangte er auf den Feldweg und sah in der Ferne im letzten Schimmer des 82 Abends die Mauern des Hauses am Wasser und die hohen, breiten Baumkronen daneben. Aus den Dorfhütten glommen rötliche Lichter, schwach und verloren in der regendurchpeitschten Dämmerung. Die Fenster des Herrenhauses waren dunkel.

Er ging über den Flur an den Mägdekammern vorbei und stieg die knackende Treppe zum Dachboden hinauf. Der Regen schlug an die Fenster, und der Wind stemmte sich zeitweilig breit dagegen. Klaus tastete sich an dem Balkenwerke und an alten, geschnitzten Truhen entlang nach seiner Stube hinüber, die unter dem andern Giebel lag.

Plötzlich blieb er stehen, die Hand am Eisenschloß einer hohen Truhe. Leise pochte der Regen, und von ferne, aus der Dunkelheit, zitterte ein singender Ton. Klaus hielt den Atem an und hörte eine kunstvoll verschlungene Weise, die auf und nieder schwebte und sich aus leiser Ermattung straff emporhob zu ein paar knappen, trotzig verklingenden Akkorden. Dann war es wieder eine Weile still, und ungestüm schlug der Wind ans Fenster und klapperte mit einem losen Ziegel.

Klaus tappte im Dunkeln weiter, öffnete seine 83 Zimmertüre und trat hinein. Als er den Mantel auszog, schlug der Ton wieder an sein Ohr, lauter und näher. Mitten in seiner Bewegung hielt Klaus inne und lauschte. Dann legte er den Mantel behutsam auf einen Stuhl, beugte seinen Kopf zum Fußboden herab und ließ sich auf beide Kniee nieder. »Ich wußte ja gar nicht, daß sie spielt,« fuhr es ihm durch den Sinn. Sein Blut jagte heftig und jauchzte den Tönen entgegen, die er lange nicht mehr gehört hatte. Und immer wieder staunte er: »So spielt Annemarie? Die stille, kranke Frau –?« Er lauschte den herben, spröden Tongängen, die eigensinnig und doch gebunden heraufklangen; zuletzt legte er sich in seiner ganzen Länge auf den Boden und preßte sein Ohr gegen eine Ritze im Holz. »Wie schön –,« flüsterte er vor sich hin. Mitten in einer Fuge, die sich mächtig und kühn aufbaute wie ein roter Dom über wirre Giebeldächer, ballte er seine Hände und fuhr zitternd vor Erregung empor. Die Holzdiehle unter ihm knackte, und die Musik brach jäh ab. Stumm und lauschend stand die Dunkelheit im Zimmer, die Fenster schimmerten fahl.

Klaus lag noch eine Weile regungslos auf den Knieen und horchte; es blieb still. Eine Ahnung 84 durchfuhr ihn: »Sie will nicht, daß man sie hört –.« Und ihm war, als hätte sich ein langverschwiegenes, tiefes Geheimnis vor ihm aufgetan. Eine leise Scham stieg in ihm auf, und vorsichtig, auf den Zehenspitzen, schlich er zum Tisch, steckte die Lampe an und setzte sich.

Er zog ein Buch herbei und versuchte zu lesen. Er stieß es wieder weg und legte den Kopf in beide Hände. Die Stille fing leise an zu klingen, und er lauschte gedankenlos zu.

Später ging er hinunter. Frau Annemarie hob ihr Gesicht, als er in den Lichtkreis der Lampe trat: »Ah, das ist schön, nun bist du doch zum Abendessen da.«

»Es regnete, da kehrte ich zurück.«

»So, es regnete?«, fragte sie.

Er lachte. »Hat es den ganzen Tag über etwas anderes getan?«

Sie erhob sich. »Du hast gewiß Hunger. Ich werde sehen, ob wir speisen können.« Und sie ging hinaus.

Klaus trat zum Flügel. Er war geschlossen und glänzte blank wie immer; die Notenhefte lagen geordnet auf dem Ständer. Alles stand so schweigsam und alltäglich umher, daß Klaus lächeln mußte.

85 Nach dem Abendbrot, als er bei Frau Annemarie saß, fragte er plötzlich: »Langweilst du dich nicht manchmal, wenn alle weg gehn und du so allein im großen Hause bleibst? – Ich dachte daran, als ich draußen war,« fügte er ablenkend hinzu und ärgerte sich schon über die Worte, die so plump in der Stille standen und an die dünne Wand eines Geheimnisses polterten.

Frau Annemarie sah ihn ruhig an: »Warum mich langweilen? Ich bin ja nie allein. Tausend Dinge stehen um mich, und dann das Haff – und der Regen – und gerade die Stille –.«

»Es ist wahr«, sagte er und blickte nieder. Er fühlte, wie sie ihn prüfend ansah, und wieder klang in ihm die Musik, die er erlauscht hatte. Er hob rasch den Kopf und sprach: »Ja, wie du spieltest! Ich ahnte es nicht –.«

»Also warst du oben?«, fragte sie und in ihr Gesicht stieg eine leise Röte. Sie fuhr sich flüchtig mit der schmalen Hand über die Stirne.

»Ja, – verzeih,« sagte Klaus und sah unsicher auf ihre Hände. »Ich dachte nicht, daß es dir unangenehm sei.«

Sie lächelte. »Aber nein, bitte –. Es ist eine dumme Scheu, – ich habe nie vor Menschen 86 gespielt. Christian hat mich nie gehört. Es ist eigentlich wirklich dumm, aber man gewöhnt sich so was an, hier draußen, ohne zu wollen.«

»Wirst du nicht einmal spielen, wenn ich da bin?« bat er. »Ich liebe Bach so sehr. Ja, wirst du?«

Sie schüttelte leise den Kopf. »Ich glaube nicht. Es wäre das erstemal.«

Da beharrte er nicht weiter darauf. Sie sprachen von andern Dingen, gleichgültig und beide nach den Melodien lauschend, die in ihnen klangen. Und wenn ein Windstoß ans Fenster fuhr und die Wellen stärker klatschten, sahen sie beide langsam hinüber in die Dunkelheit und blickten sich, wenn sie die Köpfe zurückwandten, unsicher und flüchtig in die Augen.

Als Frau Annemarie sich erhob und ihm gute Nacht bot, beugte er sich tief über ihre Hand und küßte sie. Mit zaghafter Stimme sagte er: »Meine Faulheit hat mich heute sehr glücklich gemacht.« Sie lachte und warf dabei den Kopf ein wenig zurück: »Das hättest du in Königsberg besser haben können, ein Konzert!« Er zuckte mit den Schultern und sah ihr nach, bis sie zur Türe hinausgeschritten war. Dann riß er das Fenster auf und lauschte in 87 den Wind, der auf den Wellen heranritt und wie ein schnaubendes Tier an den trotzigen Ecken des Hauses hinaufsprang.

Der Regen hatte nachgelassen, und Klaus ging leise über den durchnäßten Boden zum Strand hinab. Die Wogen kamen mit gekrümmten Rücken bis an seine Füße heran und warfen von ihrem Nacken mattschimmernde Ketten und Geschmeide vor ihn hin. Er schritt darüber hinweg und sah von Zeit zu Zeit über die dunkle, unruhig aufschäumende Flut hin. Und aus allem heraus klang ihm ein gewaltiger, eigensinniger und doch seltsam gefesselter Gesang, in den sein Blut jauchzend miteinstimmte. Sein Mund sprach laut, und die jagenden Lüfte trugen die Worte weithin:

»Land, Land, einsames Land am Haff, – ich liebe dich, ich liebe dich.«

 

Tagelang wanderte Klaus durch das herbstgraue Land. Die Leute im Dorf sahen ihm erstaunt nach, wenn er mit seinen langen Schritten vom Herrenhaus her über den Hof ging und in die nassen, tief ausgefahrenen Feldwege bog oder wenn er, den Kopf leicht gebeugt und die Hände in den Taschen, Abends vom Walde herüber kam, quer 88 über die Felder und an ihren Hütten vorbei, und die kläffenden Hunde mit beschwichtigenden Worten anrief. Einmal sah ihn Timm, der nach Korjäten geschickt worden war, unbeweglich auf dem Damm stehen; er erkannte von ferne seine hohe Gestalt durch den Nachmittagsnebel, der schon über den Feldern aufstieg. Und als der Kutscher in der Dämmerung heimkehrte und, da er keine Laterne bei sich hatte, den Weg über den Strandwall ging, fuhr er plötzlich zusammen: zwei Schritte vor ihm hob sich hoch ins Dunkle ein starrer, regloser Schatten, an der gleichen Stelle, wo Nachmittags der junge Herr gestanden und übers Haff geschaut hatte, und in der gleichen Stellung, den Kopf lauschend vorgestreckt. Timm ging ein paar Schritte auf dem Sande zurück, und da ein starker Wind im Haff wühlte, überbrüllten die Wellen das Knirschen unter seinen Stiefeln; dann kroch er den Damm hinunter und stolperte feldeinwärts den rötlichen Lichtern zu, die aus den Fenstern des Dorfes herüberglommen.

»Was hast du nur?«, fragte ihn seine Frau, die krank im Bette lag, als er noch spät bei der Ampel hockte und vor sich hin döste. Er fuhr auf: »Gesehen habe ich einen, auf dem Damm drüben –.« Sie 89 ächzte: »Was so einer nicht alles sieht!« Er stand schwer auf: »Gerade wie vor Jahren, als das Haff den Wall brach, im Spätherbst. Rings ums Haus herum liefen die Wasser. Da hat ihn der Druske auch gesehen.« Die Frau stöhnte und drehte sich zur Wand.

Am andern Morgen erzählte er sein Gesicht dem alten Druske. Dieser sah ihn schräg an und forschte: »So stand er da und sturte hinaus?« »Ja,« nickte Timm. Der Alte senkte den Kopf.

»Wer nicht schläft in diesen Nächten, der kann auch was hören –.«

Erschrocken hob Timm die Augen. Der alte Druske fuhr mit der klobigen Hand in der Luft hin und her. »Es geht was vor, es geht was vor. Der Wagen fährt wieder, dreimal habe ich ihn gehört.«

»Der Wagen? Ohne die Rosse davor?«

»Ja, der Wagen vom alten gnädigen Herrn. Dort drüben, auf dem Feldweg nach Taktau, kommt er aus dem Wald, man hört ihn klappern. Aber bei der Allee gehts schon nicht mehr; als läge die Straße voll Löcher und Steine, so holpert er und sinkt ein und rumpelt zum Haus hinab. Ganz langsam fährt er vor, ich sah ihn bei der weißen Wand; es war fast Vollmond vor zwei Nächten. Die alte 90 Karosse ists, mit dem hohen Dach, und die nackte Deichsel vor.«

Timm sagte langsam, nachdenklich: »Die Kutsche hat doch der gnädige Herr, der jetzige, vom Stellmacher auseinandernehmen lassen –?«

»Wo sind die Stücke hingekommen?«, fragte der alte Druske und lauerte aus seinen Augenwinkeln. Timm zuckte die Achseln. Der Alte schüttelte langsam den Kopf: »Das findet sich wieder zusammen, man mags vernageln und vernieten, wohin man will. Wenn der alte, gnädige Herr eben herkommen und nach Taktau fahren muß, so ist die alte Karosse auch noch da. Das findet sich immer wieder zusammen. Es geht was vor.« –

Klaus wanderte und sah den letzten verblassenden Farben zu und lauschte auf die leisen, sterbenden Geräusche, und je stiller und grauer das Land wurde, umso tiefer tat sich ihm seine große Schönheit auf. Wie eine Frau, die nach langem Zaudern Geschmeide und Gewand von sich legt –.

Die breiten Flüsse stiegen und rannen über die flachen Ufer in die Wiesen und tief in die dunkeln Wälder hinein. Sie legten ihre Fluten zwischen die einsamen Häuser und schimmerten weithin in den Nächten, wenn der Haffwind über sie strich 91 und der helle Mond aus den eilenden, milchweißen Wolken brach. Und dunkle Segel glitten langsam über sie hin, Kähne, hoch mit Heuhocken befrachtet, und legten bei den Schwellen der Häuser an. In der Ferne stieg der Damm aus dem Wasser empor, und dahinter furchten sich schaumig und grau die Haffwogen, bis weit in den trüben Himmel hinaus.

Frau Annemarie sah Klaus mit ruhigen Augen an, wenn er, erzwungen gleichgültig und doch voll jagender Unruhe, in ihr Zimmer trat und lässig bei ihrer Fensternische stehen blieb. Er lehnte seinen Arm an die Mauerkante und den Kopf in die Hand. Ueber die braunen Haare von Frau Annemarie hinweg glitten seine Blicke aufs Haff hinaus und hoben sich langsam zu den Wolken, die bald schwer und widerwillig herauskrochen, bald wie hurtige Stoßvögel im Winde vor dem blassen Himmel segelten. Und dann begann er stets: »Ich könnte noch ein paar Schritte draußen gehen –.« Frau Annemarie nickte. Seine ungelenke Art machte ihr innerlich Freude. Und an seinen Augen las sie die Wunder ab, die ihm das stille, weite Land offenbarte. Nur seine Unruhe, und daß er sie nicht erkannte und ihrer Herr wurde, brachte der kranken 92 Frau leisen Kummer. Sie fühlte tausendfach, was in ihrem Umkreis zitterte: das Haff, die breitwipfligen Bäume des Parkes, die alten Mauern des Wasserschlosses manchmal, die Menschen –.

Klaus schritt dann still aus ihrem Zimmer, und eine Weile später hörte sie die große Türe ins Schloß fallen und seine Schritte auf den drei Stufen. Sie lehnte sich in ihren geschnitzten, dunkeln Stuhl zurück und sah aus ihren großen Augen in das Zimmer. Sie liebte es, dem langsamen Schwinden des Lichts zuzuschauen, und sie grüßte jeden Schatten wie einen alten Freund, von dem sie wußte, woher er kam. Sie lauschte zugleich und vernahm es, wie der Abend scheu herantrat und mit weichen Händen über die Dinge fuhr.

Erst hing er wie seine Schleier über den Aeckern und Wiesen und spann sich leise in die kahlen, zum Himmel gereckten Aeste der alten Parkbäume. Er glitt an den rissigen und an den bemoosten Stämmen hernieder zur Erde und trat behutsam, zagen Fußes auf den weißen Kies der Allee. Er tat ein paar Schritte, ohne daß es unter seinen Sohlen knirschte, und sah dann weit übers Haff hinaus. Dort fuhr dunkel, schattenhaft ein breites Segel in die dämmerigen Wellen hinein, die schräg 93 heranrollten, dumpf und in langen Ketten. Er ging dann einigemale vor den Mauern des Herrenhauses auf und ab, wie ein Wanderer, der nicht an die Türe zu klopfen wagt, – und stand plötzlich bei den hohen, braunen Stühlen, auf die Frau Annemarie schon eine Weile blickte. Auf dem Flur und in den Gängen war es dunkel; dort hatte er sich rasch vorwärtsgetastet.

Nun ruhte er sich erst ein paar Atemzüge lang aus, auf die Armlehne des Sessels gestützt, und glitt dann lautlos in die Ecke. Das rote Gewand und der blasse Hals auf dem Gemälde an der Wand erloschen wie ein Licht, das man zertritt, und von der Decke senkte es sich schleierwallend herab. Vom Wasser bäumte sich, zum Tode matt, ein letzter Schein empor und schloß die Augen vor den stumm erhobenen Händen der hüllenden Dämmerung, die leise, im Wiegegange eines Abendliedes, wieder aus dem Gemache schritt. Und hinter ihr traten hohe Schatten aus den Wänden und stellten sich, einer mit dem andern die Arme verschränkt, als stille Wehr vor die mattblinkenden Schlösser an den alten Truhen und vor die Rahmen, die wie glutendes Feuer um dunkle rissige Bilder liefen. Und in der Täfelung knackte es irgendwo, als 94 hätte der Knöchel einer tastenden Hand dagegen gestoßen.

So lauschte allabendlich Frau Annemarie dem Heranschreiten der Dämmerung und sah wie einem Spiel dem Treiben der wachsenden Schatten zu. Tiefe Ruhe kam in sie und klingende, wiegende Weisen, die lange nachhallten und nicht ausschwingen wollten.

Unterdessen beschlich Klaus die verschwiegenen Wunder des Eindämmerns draußen im stillen Lande, mit der geduldigen und leidenschaftlich hingegebenen Inbrunst des Jägers, der Abend für Abend der Fährte seines Wildes nachgeht. Er sah das Licht sterben über den weiten Wassern des Haffs; er sah die Nebel sich aus den Wiesen heben und sah sie leise vor den starren, wehrenden Wäldern hinziehen, als suchten sie Zuflucht unter den tief herabhängenden Aesten; er sah die Schatten wie langsame Segel über die stillen Flüsse gleiten, und unter ihnen dunkelte das Wasser in fliehenden Kreisen und rauschte in das Schilf hinein; er sah, wie die Nacht mit riesigen Heerhaufen über die geraden Straßen zog und die einsamen Häuser umgab mit lautlos ausgestellten Wachen, und immer dichter drang sie heran, dort, wo der Weg 95 sich aus dem Walde wand, und schwarze Banner flatterten über den endlosen Zügen. Das Land ergab sich müde aus halbhellen Tagen in die dunkeln Herbstnächte.

Er kam von den langen, geraden Gräben des Moosbruches zurück, in deren braunem, tiefem Wasser sich die geballten Wolken und die Giebelhölzer der Häuser spiegelten. Er war im Kahn weit hineingefahren in die überschwemmten Wiesen und die versumpften Wälder, wo sich das Gezweig über dem Graben verschlungen zu dichtem Dach und wo er sich mit der Bootsstange von Strunk zu Strunk weitergeschoben hatte. Ein paar Kähne, hoch mit Heu beladen, waren ihm entgegen gekommen und lautlos an ihm vorbei geglitten; junge Frauen und Mädchen hatten eine Weile die Stangen aus dem Wasser gehoben und ihm still nachgeschaut. Sie waren den ganzen Tag unterwegs, vom Haff den Strom hinauf und durch die Moosbruchgräben hinein bis zu ihren Hütten, und kein Kahn war ihnen begegnet. Wer nicht fahren muß in den nebelnassen Herbsttagen, liegt unter dem Strohdach; ihnen aber war das Heu auf den Holzgestellen über den Wiesen vom Hochwasser fortgeschwemmt worden, darum hatten 96 sie beim Krüger in Gilge neues kaufen müssen. Viel bares Geld war auf den Schanktisch gezählt worden.

Als Klaus unter den letzten Bäumen des Waldes durchfuhr, – wie ein Tor tat es sich gegen den abendlichen Himmel auf, – stieß ihm ein scharfer Wind entgegen und drückte seinen Kahn zur Seite. Der Moorgraben war voll hüpfender Wellen, und über die Wasserwiesen fuhren zitternde Schauer, allenthalben, soweit er sah. Er stieß die Stange in den Damm, stemmte sich gegen sie und trieb das Boot langsam vorwärts. Der Wind krallte sich kalt in seine Finger, die bald steif um die Stange lagen, und er wich kaum von der Stelle. Nur zaudernd glitt der Wald zurück und sank ins Dunkle. Aechzend arbeitete sich Klaus weiter, und bei jedem Ausatmen legte sich der Wind breit gegen die schräge Bordkante und drängte ihn jauchzend wieder zurück.

Von Ferne durch den Dämmernebel zitterte ein Licht, flackerig und mit dumpfem Schein. Klaus hielt stetig darauf zu und kam ihm langsam näher. Feuchte Fenster schimmerten auf. Klaus band seinen Kahn an einem Pflocke fest und trat ans Land. »Holla, Krüger!« schrie er, indem er in der 97 Dunkelheit seine Arme um den Körper schlug und mit den erstarrten Füßen den Boden stampfte.

Die Tür wurde aufgerissen, und Jakobeit erschien auf der Schwelle. »Wer ruft?«

»Ich bin zurück,« sagte Klaus und trat ins Licht. »Das Boot liegt an der Kette.« Er stieg die paar Stufen hinauf und schritt in die Stube. Eine dumpfe, heiße Luft legte sich um seinen Kopf.

Der Krüger lachte. »Es bremste wohl ein wenig, vom Walde bis hierher? Der Wind ist umgesprungen, die Nacht wird weiß.« Er schenkte hinter dem Tisch zwei Gläser Branntwein ein und nickte Klaus zu. Sie tranken, und Klaus stopfte seine Pfeife.

Die Tür schellte, ein Kind drückte sich herein und trat zum Tisch.

»Sieh mal an, die Kleine kommt so spät noch durch Nacht und Sturm gelaufen?«, lachte der Krüger. Das Mädchen hob sich auf die Zehen und legt das Geld in Jakobeits breite, braune Hand. »Für soviel Salz,« sagte es und schob dann das wollene Kopftuch, das ihm der Wind tief in die Stirne geschlagen, wieder zurück. Helle Haare ringelten sich darunter hervor; es strich sie auch zurück und sah sich dann nach Klaus um, der rauchend auf 98 einem Fasse saß und die Hände um die warme Pfeife hielt.

Das Kind lachte und blickte ihn aus seinen wasserblanken Augen groß an. Er fragte: »Komm ich dir so lustig vor?« Es nickte.

Der Krüger sagte, während er das Salz abwog: »Es ist die Aschmoneitsche, vom Damm. Sie läuft eine Viertelstunde bis hierher, gegen den Wind wirds nochmal soviel werden. Wenn er dich man bloß nicht in den Graben fegt, Strohhalm! Sieh auch gut nach dem Weg, hörst du?«

Sie lachte. »Ich werds schon finden. Und laufen will ich, die Mutter wartet ja.«

»Sie liegt seit Wochen krank,« sagte Jakobeit zu Klaus hinüber. »Wo ist der Vater?«

»Holz treken,« erwiderte sie und wickelte das Salzpäcklein fest ins umgebundene Tuch ein. Dann stapfte sie zur Türe.

»Wart mal,« rief ihr Klaus nach, »wir haben den gleichen Weg.« Er ging hinter ihr hinaus, und Jakobeit sah ihnen von der Schwelle aus nach. Sie waren sofort von der Dunkelheit verschluckt.

Die Kleine ging auf dem Dammweg voraus. Jäh schlug ihr, als sie um die Hausecke trat, der Wind ins Gesicht, und sie legte sich mit vorgebeugtem Kopf 99 dagegen. Klaus nahm sie stark in seinen rechten Arm und schlug seine Jacke um ihre schmalen Achseln. Sie schmiegte sich an ihn und klapperte mit ihren Holzschuhen neben seinen langen Schritten her. Einmal wollte sie reden, aber der Wind packte ihr schwaches Stimmlein und riß es ihr vom Munde weg in Stücke. Klaus schrie: »Halt dich fest, sonst fliegst du davon.« Sie lachte, er spürte das Schütteln ihres Kopfes an seiner Hüfte.

Ein niederer Giebel tauchte im Dunkel auf. Sie hielt an und wickelte sich aus seiner Jacke. »Sind wir schon da?«, fragte Klaus.

»Ja,« nickte sie und reichte ihm die Hand. »Ich danke dir. Es war wie im Heukahn, so weich und warm. Gute Nacht.«

»Wie heißt du eigentlich, kleine Marjell?«, fragte Klaus und nahm ihren Kopf zwischen seine Hände.

»Annemarie –, weißt du das nicht?«, staunte sie aus ihren wasserblanken Augen zu ihm hinauf.

Er ließ sie langsam fahren. »Doch, natürlich weiß ich es –!« Und er sah ihr nach, wie sie eilig die Türe aufstieß und in dem matterleuchteten Raum verschwand.

Klaus ging auf dem Damm weiter, und seine Gedanken waren noch eine Weile bei der schmalen, 100 kleinen Marjell, die Annemarie hieß, Annemarie Aschmoneit, und die lachend unter seine dicke Jacke gekrochen war. Und eine unruhige Freude kam über ihn; er machte noch längere Schritte, die Schultern tief gegen den Wind gepreßt, mit den Augen scharf in die Nacht spähend, ob das stille Haus am Haff noch nicht zu erblicken sei. Plötzlich ließ der Wind nach, und Klaus stolperte beinahe vornüber. Der Wald stieg dunkel vor ihm auf, die hohen Stämme knarrten und die Aeste klapperten prasselnd aneinander. Klaus begann zu laufen. Ehe er auf den Feldweg trat und als er schon ferne die Lichter wie rote Punkte glimmen sah, stand er eine Weile still, um Atem zu schöpfen. Dann stieß er auf dem offenen Felde von neuem gegen den Wind an. »Sie spielt, ich weiß es sicher,« rief er laut in die wirbelnde, aufbrausende Luft. Als er in den Flur trat, schwer atmend und mit nasser, heißer Stirn, hörte er die Töne von fern durch die Zimmer hallen. Er ging leise über die Wendeltreppe in seine Giebelkammer empor.

Es war seit jenem Abend, als er sie beim Spiel überrascht hatte, wie ein stilles Abkommen zwischen ihnen. Frau Annemarie wußte, daß Klaus ihr oft lauschte, wenn er regennaß und windmüde 101 von seinen Wanderungen heimkehrte. Sie hörte auch manchmal über sich eine Diele knacken, mitten in ihre herben, stahlhart klingenden Fugen hinein, und dann gingen ihre Finger wohl während ein paar Takten nur zaudernd weiter, aber sie brach das Spiel nicht mehr ab wie an jenem ersten Abend; sie lächelte und ließ die leise Röte, die ihr ins Gesicht stieg, wieder verfliegen. Nie kam Klaus zum Abendbrot aus seiner Giebelkammer herunter, ehe sie den Flügel geschlossen und sich in ihren hohen Stuhl gesetzt hatte, ein wenig vom Licht der Lampe entfernt, in den halbdunkeln Schatten.

Als Klaus an diesem Abend ins Zimmer trat, das Gesicht vom Winde noch heiß und prickelnde Wärme in den entstarrten Fingern, erwiderte sie fröhlich seinen Gruß und wies mit der Hand auf einen Sessel. Er setzte sich.

»Darf ich rauchen?«, fragte er und sah sie zögernd an.

»Ich habe es dir schon gesagt, ich liebe es selbst. Du bist dann ruhiger.«

Er zündete sich eine Zigarette an und begann von seiner Fahrt zu erzählen, nicht ausführlich und fließend, sondern in abgerissenen, nachdenklichen Worten; manchmal sprach eine Bewegung für 102 das, was er stockend verschwieg. Er sah sie nicht an, nur hin und wieder warf er einen Blick auf ihr Gesicht, das aus dem Dunkel schimmerte. Er zählte die Dörfer auf, durch die er gewandert war, und erklärte, wo er durchgefahren sei. Sie hörte zu, ohne ihn zu unterbrechen. Nur einmal fragte sie: »Es war starker Wind?«

»Als ich aus dem Walde fuhr, vor Sussemilken. Da war auch schon Nacht.«

Dann erzählte er, wie er mit der Aschmoneitschen Marjell, der schmalen, die ihm mit dem hellen Ringelhaar bis wenig über die Hüfte reichte, auf dem Damm gegen den Sturm gelaufen sei, wie sie ihren Kopf unter seine Jacke gesteckt und in der Wärme in einem fort gelacht habe; und wie aus verwunderten Augen ihn gefragt, ob er denn nicht wüßte, daß sie Annemarie heiße.

Rasch sah er zu ihr hinüber, die ruhig den Blick zurückgab. Ihr Mund lächelte.

»Dazu kommt einer von Berlin her, mitten aus seinen ernsthaften Studien, um mit einer Marjell, die kaum zur Schule geht, in einbrechender Nacht über den Damm gegen den Wind um die Wette zu laufen!«

»Ja, soweit hab ichs gebracht,« gab er zu und ließ 103 in lachender Verzweiflung die Arme über die Lehnen des Sessels fallen. Und seine Gedanken gingen eine Weile nach der großen Stadt zurück, in das laute, alte Leben, das so tief, tief versunken war. Gedämpft klang es nur zu ihm heran; die weite Stille des Landes lag zwischen ihm und den fernen Tagen.

Frau Annemarie sagte leise: »Hörst du?«

»Wie?«, und er sah sie groß an. Habe ich richtig verstanden?, fuhr es ihm blitzschnell, ehe Frau Annemarie ihre Worte wiederholte, durch den Sinn.

»Meine Freundin Doris wird in vierzehn Tagen in unsere Einsamkeit kommen. Es ist ja Herbst und sie ist nun nach Danzig zurückgekehrt. Hast du mir nicht schon davon gesprochen, als du ankamst, am ersten Abend?«

»Ja, ja,« sagte er rasch und erhob sich. Er trat ans Fenster und sah aufs Haff hinaus. Er preßte die Stirn an die Wand der Nische und krampfte die Finger um den kühlen Fensterriegel. Es schneite dicht, in kleinen Flocken.

Frau Annemarie drehte leise den Kopf und sah ihm lächelnd zu. Als er sich aber nach einer Weil wieder umwandte, trat ein großes Staunen in ihre Augen; denn sein Gesicht zuckte, und er ging 104 wieder ruhelos auf und nieder, von einer Zimmerecke zur andern, die Füße beharrlich auf die hellen und dunkeln Streifen im Teppich setzend. Sie sprachen lange kein Wort, später redeten sie von gleichgültigen Dingen.


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