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Maria Theresia im Kreise der Ihren

Wir geben hier, als Illustration zu den Briefen der Kaiserin, einige Stellen aus dem Tagebuch ihres Obersthofmarschalls, Oberstkämmerers und Obersthofmeisters, des Fürsten Joseph von Khevenhüller, und aus dem schon angeführten Werke von Adam Wolf. Man wird sehen, wie eng diese kleinen Bilder aus Maria Theresias Familienleben mit dem Inhalt der Korrespondenz zusammenhängen.

 

Ein Konzert der Kinder

Auch Konzerte und kleine Opern wurden aufgeführt. Eine Gesellschaft von Herren und Damen führte am 13. März 1752, am Geburtstage des Erzherzogs Joseph, in Laxenburg die Oper » l'Ecoe Cinese« auf; sie war von Metastasio gedichtet, von Bono komponiert. Nach dem 1. und 2. Akt kamen Balletts, wo die Herren Joseph Herberstein, Colloredo, Rogendorf und Karl Dietrichstein mittanzten. Die Oper gefiel so, daß sie am 18. März wiederholt wurde. Maria Theresia arrangierte wohl selbst kleine Feste. So veranstaltete sie am 15. Oktober 1759 zu Ehren des Namenstages des Kaisers ein kleines Impromptu. Die jungen Herrschaften, mit Ausnahme des Erzherzogs Leopold, der krank war, gaben ein Konzert. Der kleine Erzherzog Ferdinand machte die Overture mit der Pauke, dann rezitierte der Kleinste, Erzherzog Max, einen Glückwunsch, den Metastasio komponiert hatte:

Padre augusto offriti anch'io
Oggi bramo omaggie voti;
Ma inesperto è il labbro mio,
Che del cor seconda i moti;
Ah! si un bacio è permesso
Sulla man del genitore,
In quel bacio appieno espresso
Farà intendersi il mio coro.

Die jüngste Erzherzogin sang ein französisches Baudeville, die übrigen alle italienische Arien. Erzherzog Karl spielte auf der Violine, Joseph auf dem Violoncell, und zum Schluß spielten Maria Anna und Christine am Klavier, wobei sich die erstere mit ihrer klaren, angenehmen Stimme selbst akkompagnierte. Die Entree zu der Musik, die in der Ratstube gehalten wurde, war allen Schönbrunnern erlaubt, und aus alter Freundschaft waren der Fürst und die Fürstin Dietrichstein dazu geladen.

(Aus Adam Wolf.)

 

Am Tag nach Hochkirch

Am 15. Oktober 1758, am Namenstage der Kaiserin, brachte der Flügeladjutant Baron von Roschitz die Nachricht vom Sieg bei Hochkirchen. Es war spät abends, aber die Kaiserin ließ voll Freude alle ihre Kinder zusammenrufen; die Prinzen und Prinzessinnen waren schon in ihren Zimmern und erschienen nun in seltsamer Toilette, die eine Erzherzogin im Schlafrock und noch mit den Edelsteinen in den Haaren, die andere im Reifrock mit zerstörter Frisur, die Prinzen halb in Uniform, halb im Hauskleid.

(Aus Adam Wolf.)

 

Tanz in Schönbrunn

Den 4. Oktober 1752 wurde der große Galatag in Schönbrunn in folgender Art gefeiert. Um 9 Uhr hatte der russische Botschafter, der sich zuerst gemeldet, um 10 Uhr der französische und venetianische ihre Audienzen. In der Zwischenzeit wurden die Hofämter, die Konferenzminister, die Chefs der Stellen, die Feldmarschälle und die ungarischen Magnaten, welche nach Schönbrunn gekommen, zum Handkuß und Glückwünschen empfangen. Um 11 Uhr war Ordonnanz zum öffentlichen Gottesdienst, nach welchem die zwei Botschafter, die in publico waren, der Nuntius und jener von Neapel, ihre Glückwünsche abstatteten. Beide Botschafter wurden sodann zur Tafel der Hofämter, die aus 120 Kuverts gerichtet war, geladen. Abends kamen die Stundfrauen in das Spiegelzimmer, und nach halb 7 verfügten sich die Majestäten in die Appartements, wo wie vor drei Jahren in der großen Galerie getanzt wurde. Damit allen Unannehmlichkeiten mit den Botschaftern und fremden Ministern ausgewichen werde, befahl die Kaiserin, daß es wie bei maskierten Hofbällen gehalten werden solle. Demzufolge fingen der Erzherzog Joseph mit seiner ältesten Frau Schwester und die übrigen jungen Herrschaften ihre Menuetts unter sich an; nach denselben hatten die Kammerherren, und zwar zuerst die Fürsten, die Ehre, mit denselben und dann mit den übrigen Hof- und Stadtdamen, und zwar soviel es sich tun ließ mit Beobachtung des Ranges, zu tanzen. Außer den Kammerherren tanzte sonst kein Kavalier, damit es nicht einem bal paré gleichsehen möge; die Erzherzoge forderten dann einige Stadtdamen zum Tanze auf; von den Gesandtenfrauen tanzte nur die Marchese Gardini, die Frau des Gesandten von Lucca. Nach halb 10 Uhr ging man zum Souper.

(Tagebuch Khevenhüllers.)

 

Geburt und Taufe des Erzherzogs Ferdinand

Den 1. Juni 1754 nachmittags um halb 5 Uhr wurde die Kaiserin ganz glücklich eines gesunden Prinzen entbunden. Der Kaiser gab sogleich die Ordonnanz zur Taufe auf morgen nach dem Kirchendienst. Man hatte den König und die Königin von Neapel zu Taufpaten gebeten, weil aber die Niederkunft nicht so bald vermutet worden, waren die solennen Einladungsbriefe erst unlängst abgegangen, daher die Antwort und nötige Vollmacht zum Taufakt noch nicht eingelangt. Da man durch den Grafen Firmian bereits von der Einwilligung beider Majestäten versichert worden, so schrieb der Gesandte Marchese Majo an den Prinzen von Sachsen-Hildburghausen, daß er die Stelle seines Königs vertreten möge, und bat die Prinzessin Charlotte, die Stelle der Königin zu vertreten. Er selbst konnte seinen Herrn nicht vertreten, weil nach österreichischer Etikette dazu ein Botschafter oder der Prinz eines souveränen Hauses notwendig war. Den 2. Juni erfolgte der solenne Taufakt mit den gewöhnlichen Zeremonien in der großen Antikamera, und weil der Nuntius nicht mehr in publico war, so verrichtete der Erzbischof die Taufhandlung. Der neugeborene Erzherzog erhielt den Namen: Ferdinand Karl Anton Joseph Johannes Stanislaus; dem venetianischen Botschafter war zwar angesagt worden, aber er entschuldigte sich mit einer kleinen Unpäßlichkeit, weil er als Botschafter einer Republik dem Prinzen von Hildburghausen nicht nachgehen wollte. Mittags war bei den jungen Herrschaften heut und den folgenden Pfingstfeiertag Dienst. Der Kaiser, den dergleichen Diners genieren, speiste mit uns Schönbrunner Hofleuten. Bei der Taufe waren auf Anfrage des Obersthofmeisters Trompeten und Pauken erlaubt, welche lärmende Musik vom Erzbischof schon seit dem Winter in allen Kirchen und auch in der Hofkapelle verboten war. Der Hervorgang der Kaiserin wurde am 29. gefeiert. Nach dem Kirchendienst war die zahlreiche Promotion der Kämmerer.

(Tagebuch Khevenhüllers.)

 

Geburt der Marie Antoinette

(2. November 1755)

Den 3. November ging der Kaiser um 9 Uhr im tuchenen Mantelkleid und mit dem offiziellen Cortège zu dem Seelenamt zu den Augustinern. Sodann war um 12 Uhr Ordonnanz zur Taufe, welche Funktion in der neuen und schönen ersten Antikamera, weil die Ritterstube durch die neue Einrichtung der Zimmer zu klein geworden, geschehen ist. Die Taufe wurde von dem Erzbischof verrichtet. Man ließ für heute und morgen große und für den dritten Tag kleine Gala ansagen, aber der Kaiser konnte sich nicht entschließen, öffentlich zu speisen. Die neugeborne Frau wurde im Namen des Königs und der Königin von Portugal vom Erzherzog Joseph und der Erzherzogin Maria Anna zur Taufe gehalten und Maria Antonia Anna Josepha Johanna benannt. Beide Herrschaften begaben sich dann nach vollendetem Taufakte während der Oration und des Tedeums zu ihren Geschwistern in die lange Bank hinter dem Kaiser. Zur Feier des 5. Und 6. wurden dem Volke die Komödien gratis gegeben und keine Sperrkreuzer an den Toren eingehoben. Die Kaiserin wurde im Kindbett unwohl, und erst am 14. Dezember konnte der Hervorgang gefeiert werden. Dieser fand diesmal nicht bei den Augustinern, sondern in der Hofkapelle statt. Nachmittag war eine kleine Oper, wo die Kaiserin erschien, und zuvor eine kleine Kammermusik, welche von den älteren Erzherzoginnen und ihren zwei Fräulein, der Rosenberg und Salaburg, vor einigen geladenen Gästen ausgeführt wurde. Am 18. Dezember wurde noch eine kleine Komödie in den Wohnzimmern der Prinzessin Charlotte ausgeführt; diese war von Durazzo, Metastasio und der Fürstin Traitson komponiert; die Erzherzogin Maria Anna sprach darin Italienisch, Erzherzogin Amalia Französisch und Elisabeth Deutsch; ferner haben darin Erzherzog Karl, Fräulein Ulefeld und Trautson mitgespielt.

(Khevenhüller.)

 

An der Familientafel

Den 1. Dezember 1754 beliebten Ihre Majestäten das wegen der Diners und Soupers für diesen Winter angenommene System ins Werk zu setzen. Dieses besteht darin, daß dieselben, wie zu Schönbrunn, außer Sonntag mittags, welcher zum öffentlichen Tafeldienst bestimmt blieb, en compagnie zu speisen pflegen. Das Diner ist auf 14, das Souper auf 10 Kuverts bestimmt, und obwohl die Kaiserin zu Schönbrunn abends nicht mitzuessen pflegte, so hat sie doch dem Kaiser zulieb mitsoupiert. Die Tafel wurde mittags, teils in dem früheren Appartement der Prinzessin Charlotte, teils auf der Seite der Kaiserin in der ersten Antikamera und nachts in der Ratstube gestellt, damit nach dem festgesetzten Prinzip weder die Herrschaften noch die Gäste geniert werden und die Unterhaltung nicht in eine zeremoniöse und daher ungelegene Aufwartung übergehe, so geschah die Einladung durch den Oberküchenmeister, und daher stand es jedermann frei, sich zu entschuldigen. Graf St. Julien hatte eine geheime Liste, in der eine Reihe besonders erwählter Gäste verzeichnet war und aus welcher er die Gesellschaft hervorhob. Hierzu kamen dann immer einige von den jungen Herrschaften. Mit den Hofämtern und den Daunischen und Losischen blieb es wie zu Schönbrunn. Ich absentierte mich selten von diesen Soupers, wiewohl sie mir wegen meiner Gesundheit und wegen meiner Besuche in der Stadt sehr ungelegen waren. Was mich aber dazu engagierte und warum ich der Kaiserin die Annahme der neuen Ordnung vorschlug, war zunächst des Kaisers Temperament und gewohnte Lebensweise. Weil dieser Herr sehr zur Melancholie inkliniert, daher eines beständigen Umganges mit Leuten, die ihn aufmuntern, nötig hat, so konnte ihm eine solche Änderung seiner Lebensweise, wie sie nach diesem Schönbrunner séjour eingetreten, nicht gleichgültig sein. Nach dem Tode der alten Obersthofmeisterin und der Abreise seiner Frau Schwester hatte er ohnehin die einzigen zwei Ressourcen verloren, welche er noch hatte, um einige Stunden à son humeur et à son aise zuzubringen. Zudem fiel auch der Skrupel weg, als ob die Etikette dadurch leiden möchte. Nachdem in den Hauptpunkten des Zeremoniells zwischen Schönbrunn und der Burg kein Unterschied gemacht wurde, ja sogar bei großen Funktionen das Mantelkleid draußen wie in der Stadt genommen wurde, so konnte kein Bedenken obwalten, daß die Herrschaften täglich nach Belieben en compagnie speisen konnten.

(Khevenhüller.)

 

Fasching

Die fröhlichste Zeit war immer der Fasching. Von Woche zu Woche wechselten die Bälle, Konzerte, Theater, Schlittenfahrten. Besonders liebte die Kaiserin die Maskenbälle, und je seltsamer und bunter die Masken waren, desto mehr Vergnügen machte es ihr. Sie interessierte sich so dafür, daß die Direktoren ihr von allen Kleinigkeiten berichten und die Listen der Masken vorlegen mußten. Einige Jahre waren diese Bälle ganz verboten, erst 1752 wurden sie wieder in den neuen Redoutensälen, welche an die Stelle des 1748 abgebrochenen Opernhauses erbaut worden waren, gestattet, besonders deswegen, weil der Kaiser sehr dafür eingenommen war. 1752 wurde jeden Dienstag ein solcher Ball gegeben, und die Kaiserin erlaubte, daß man auch in den daranstoßenden Appartements bis 1 Uhr nach Mitternacht tanzen durfte. Sie erschien gewöhnlich in einem blauen Domino, zog sich aber immer sehr zeitig zurück. Einst nahm sie einen taubstummen Knaben in Maske mit, den alle Welt für den jungen Erzherzog Joseph hielt. Da der Kaiser sich rühmte, alle Masken zu kennen, so wettete sie mit ihm, daß sie mit jemand auf dem Maskenball erscheinen werde, den er gewiß nicht erkennen würde, und engagierte dazu den bekannten Duval. Der gelehrte Herr, der in Wäldern und Klöstern unter Büchern aufgewachsen war, machte alle möglichen Einwendungen, aber mußte sie begleiten. Maria Theresia gab ihm den Arm und sagte: »Ich hoffe, Duval, daß Sie einen Menuett mit mir tanzen werden.« »Ach, Ew. Majestät,« erwiderte dieser, »ich habe in meinen Wäldern nichts anderes als Purzelbäume schlagen gelernt.« Die Kaiserin lachte und führte ihn durch den Saal. Der Kaiser erkannte ihn erst spät, als Duval hinausging und ein Glas Rum trank. 1754 erschien die Kaiserin nur seltener auf den Maskenbällen und später gar nicht mehr.

Besonders beliebt waren im engeren Hofkreise die maskierten Kinderbälle; man tanzte dabei in der großen Ratsstube, soupierte in der Antikamera, und die Kinder durften sich nach Willkür maskieren. Am 10. Februar 1752 gab der Fürst Trautson in seiner Wohnung bei Hof ein kleines maskiertes Kinderfest für die jungen Herrschaften. Die Kinder changierten zum öfteren ihre Kleider pour diversifier le plaisir et pour que cela eût l'air de redoute. Mein Thereserl war auch unter der Zahl. Zum Beschluß soupierten alle an kleinen Tischen, bei welchen der Erzherzog Joseph und die zwei älteren Frauen die Honneurs machten und sich die Kinder nach gezogenen Losen setzten. Die Majestäten waren beständig zugegen, und außer dem Hof und einigen Privilegierten durfte niemand dazu kommen.

(Nach Khevenhüller.)

 

Reise nach Innsbruck und Tod des Kaisers

Am 15. Juli 1765 trafen die Majestäten in der kaiserlichen Burg in Innsbruck ein, wo die Hochzeit des Erzherzogs Leopold mit der Infantin Maria Luise gefeiert werden sollte.

Die Burg hatte für den großen Hof zu wenig Räumlichkeiten. Für den Empfang war der sogenannte Riesensaal bestimmt; alles war notdürftig renoviert worden; die etwas auffallenden obszönen Freskogemälde in diesem Saal hatte man mit Tapeten überzogen. Für die Majestäten waren anfangs die Zimmer oder dem Erzherzog Leopold bestimmt; allein da die Fenster gegen ein schmales Gäßchen hinausgingen und die Räume für die Kaiserin viel zu wenig luftig waren, so bezog diese Wohnung, die man mit Tapeten und Möbeln prachtvoll ausgestattet hatte, der römische König Joseph. Mittags speisten die Majestäten im Riesensaal. Es war jedermann erlaubt zuzusehen, weil aber der Zulauf zu groß wurde, mußte man die Wachen an den äußeren Gängen verdoppeln. Die Tagesordnung war dieselbe wie in Preßburg ein Jahr früher. Als Dienstkämmerer waren bestimmt die Fürsten Lamberg, Hohenlohe-Schillingsfürst und Auersperg, ferner Chevalier Ricci und Gundacker Sternberg, der dann nach Genua geschickt wurde, um die Infantin bei ihrer Ankunft zu grüßen. Von den Hofämtern übernahm einer nach dem andern den Dienst, aber man band sich nicht an die strenge Ordnung wie in Wien. Alles war nur in Erwartung der erzherzoglichen Braut. Bis dorthin vergnügte man sich täglich mit Theater und Fahrten. Es war eigens die italienische Truppe des Signore Fecchi verschrieben worden, der ungeachtet seiner sechzig Jahre den Arlequin noch sehr lebendig darstellte. Der Kaiser pflegte am Abend nach dem Theater in Gesellschaft seiner Söhne, der Prinzen von Sachsen und einiger Männer seines Gefolges bis zur Wohnung des Erzherzogs Leopold zu gehen, dann eine Zeit bei der Kaiserin zu verweilen, bis das Souper im kleinen Speisesaal aufgetragen war, wo dann im engen Kreise der heiterste, geselligste Ton herrschte. Die Kaiserin war den Tag über mit Schreiben beschäftigt, besuchte Klöster und machte Ausflüge allein oder mit ihrem Gemahle, so nach Hall, um dort im Kloster zu beten oder die Salinen zu sehen, nach Ambras, um das vom Erzherzog Ferdinand begründete Kabinett zu besichtigen, oder in das Prämonstratenserstift Wilda. Die jungen Herren Joseph, Leopold und Prinz Albert begleiteten sie meist zu Pferde. Der römische König verreiste, weil sich die Ankunft der Infantin solange hinauszog, mit seinen Kammerherren Schafgotsch und Reischach und dem jungen Leopold Künigl, der als Gubernialrat in Innsbruck diente, nach Südtirol, Bozen, Trient, Roveredo bis an die venetianische Grenze. Am 26. schon kam er zurück; er war die ganze Nacht gefahren, um noch zur Namenstagfeier seiner Tante, der Prinzessin Charlotte Anna, die er sehr verehrte, zu kommen.

Am 20. war die erste Nachricht eingelaufen, daß die spanische Eskadre, welche die Infantin nach Spanien brachte, nach Genua gekommen sei, und zwei Tage nachher brachte Graf Sternberg die Botschaft, daß die Prinzessin glücklich gelandet und im Palazzo Doria von dem deutschen Hofstaat empfangen worden sei. Die MM. wollten sie im Kloster Wilten erwarten, allein der Erzherzog reiste schon einige Tage seiner Braut entgegen, der Kaiser fuhr auch nach Bozen voraus, und die Kaiserin trieb endlich die Ungeduld, ihr weiter entgegenzufahren. Die Infantin kam am 29. Juli abends zwischen 6 und 7 Uhr nach Wilten. Noch am selben wurde ihr der Hofstaat vorgestellt. Alle waren auf das Angenehmste von ihrem Anstand und ihrem ganzen Wesen überrascht und um so mehr, als man sie als häßlich und übel erzogen beschrieben hatte. Im ersten Moment glaubte man die verstorbene Erzherzogin, die erste Frau Josephs, zu sehen, mit der sie viel Ähnlichkeit hatte; nur war sie blond und hatte deswegen einen lichteren Teint. Ihre Manieren und ihr ganzes Betragen erinnerte an die selige Frau, auch ihre Lebhaftigkeit schien nicht geringer zu sein, aber es fehlte ihr der lebhafte geistige Ausdruck, der bei der Erzherzogin alle entzückt hatte. Sie blieb mit ihrem Hofstaat mehrere Tage in Wilten. Am 3. August fuhren die Herrschaften mit dem sämtlichen Gefolge von Damen, Hofämtern und Kämmerern hinaus zum ersten öffentlichen Besuche. Die Kaiserin schenkte der Braut ein mit Brillanten und anderen Edelsteinen reich besetztes Bukett; auch der Gesandte von Neapel überreichte ihr im Namen seines Herrn ein ähnliches Bukett, das zwar kostbarer als das der Kaiserin, aber nicht so geschmackvoll war. Bei Tische waren nur die vornehmsten Persönlichkeiten; Nachmittag erschienen die Damen zum Handkuß. Am 4. August hatte der Prälat ein Bauernfest veranstaltet, zu dem Joseph und Leopold hinauskamen; es wurde eine Art Operette im Tiroler Dialekt gegeben und eine Bauernhochzeit gefeiert. Die Bauersleute tanzten aber im oberen Saale so furchtbar, daß man den Einsturz fürchtete und viele Leute wegschicken mußte.

Am 5. August hielt die Braut ihren feierlichen Einzug in Innsbruck. Von Wilten bis zur Stadt waren Militär, tirolische Landmiliz und Schützenkompagnien aufgestellt. Eine Eskadron leichter Reiter ritt voran, die Braut selbst fuhr in einem sechsspännigen Hofwagen; der Zug dauerte fast eine Stunde. Die MM. und der gesamte Hof empfingen die Infantin an der Kirchtüre beim Aussteigen aus dem Wagen. Prinz Klemens von Sachsen segnete die Brautleute ein. Es folgte dann der feierliche Aufgang in die Burg, die Vorstellung des Hofstaates der Gesandten usw. Bei dem Souper dienten den Majestäten die Fürsten Lamberg und Auersperg, den Brautleuten und dem römischen König ihre Kämmerer. Nächsten Tags wurden mehrere Herren mit den Notifikationen an die Höfe geschickt; Graf Thun, der Eidam Ulefelds, ging nach Wien, wo bei St. Stephan ein Tedeum und abends Appartement bei der römischen Königin gehalten wurde, John Taaffee ging nach Neapel, und Erdödy, der Sohn des Fürsten Bathiany, nach Spanien. Tag für Tag folgten fröhliche Feste. Durch drei Tage war große Gala; abends ging man gewöhnlich ins Theater. Am Hochzeitsabend wurde eine Oper von Hasse gegeben; der Text » Romulo e Ersilia« war von Metastasio, und ein Ballett von Hilverding stellte die Vermählung des Äneas mit der Lavinia vor. Eine andere Oper »Parthenope« von Metastasio und Hasse gefiel gar nicht. Man fand keinen neuen Gedanken, die Musik traurig und veraltet, das Ballett gezwungen und übertrieben. Die Theater waren, ungeachtet nur der hoffähige Adel zugelassen wurde, gedrängt voll. Am dritten Abend erschien der ganze Hof im Domino auf der Redoute. Später produzierte sich eine italienische Dichterin Morelli Fernando, Corilla genannt, welche vortrefflich improvisierte und sang. Andere kleine Festivitäten gingen nebenher; der Kaiser verlieh dem Grafen Rosenberg, dem Gesandten in Spanien, das Goldene Vlies, das Versprechen einer Tochter Ulefelds mit Graf Georg Waldstein wurde bei Hofe gefeiert. Bei der Illumination am 8. August waren alle Plätze und Hauptgassen beleuchtet; in den Gassen standen Pyramiden, die mit grünen Reisern verbunden und mit Wachsfackeln besteckt waren; das Landhaus trug eine strahlende Inschrift und schien ganz in Feuer zu stehen. Die Kaiserin fuhr mit den Erzherzoginnen durch die Gassen, die Herren waren zu Pferde, man fand aber die Illumination im ganzen kläglich, und die Triumphpforte mit den kurzen Wachskerzen mehr einem castrum doloris gleich. Das Feuerwerk am 13. wurde durch einen Platzregen total verdorben. Der Hof hatte noch das Vergnügen, bei den Jesuiten eine Studentenkomödie ansehen zu müssen, welche die Werbung Isaaks um die Rebekka vorstellte, und wo sich alle gründlich langweilten. Bei aller inneren Fröhlichkeit, der man sich hingab, trat doch immer ein Gefühl des Unbehagens ein; es war unerklärbar, aber bei jedem Feste trat eine kleine Störung ein. Dazu kam, daß der Erzherzog Leopold seit längerer Zeit an einer Diarrhöe erkrankt war; er wurde so schwächlich, daß er am Hochzeitsabend seine Braut verlassen mußte; an den folgenden Tagen hatten seine Kräfte so abgenommen, daß man davon sprach, ihm das Sakrament zu erteilen. Eines Tages wohnte der Hof in der Franziskanerkirche dem Gottesdienst bei. Der Prediger wählte den sonderbaren Stoff von der Ungewißheit der Todesstunde und erinnerte mit viel Eifer, daß keiner der Zuhörer vor einem jähen und plötzlichen Tode sicher sei. Das erregte alles unangenehme Gefühle, aber niemand hatte eine Ahnung von dem Leid, das der Kaiserin und allen bevorstand. Den 17. befand sich der Erzherzog Leopold besser, es sollte wenige Tage später das Stephansordensfest begangen werden und dabei eine zahlreiche Promotion stattfinden, als alle Festlichkeiten durch den plötzlichen Tod des Kaisers am 18. August unterbrochen wurden.

Der Hof ging an diesem Tage wie gewöhnlich zu den Franziskanern in die Messe; dann war Cercle und Diner. Die Kaiserin klagte dem Fürsten Schwarzenberg, der sie führte, daß der Kaiser wegen Brustdrücken und Wallungen sehr unruhig geschlafen habe und sich trotz ihres Zuredens nicht zur Ader lassen wolle. Der Kaiser ging und sprach mit Auersperg und Khevenhüller, ohne das geringste von einem Unwohlsein zu zeigen. Im Cercle unterhielt er sich wie immer, nur schien er mehr schweigsam zu sein, was aber immer eintrat, wenn er übelgelaunt war oder die Gesellschaft ihn genierte. Bei Tische erschien er so heiter und aufgeräumt wie immer; besonders unterhielt er sich mit einem Tiroler Kaufmann, der in seinem Mutterwitz verschiedene Einfälle zum besten gab. Nachmittags empfing er die zwei Domherren Lodron, welche die Glückwünsche des Bischofs von Brixen gebracht hatten und nun zurückkehrten. Abends kam er dann, wie er es täglich zu tun pflegte, allein ins Komödienhaus, wo ein ganz ernstes Stück von Goldoni » il tutore« aufgeführt wurde. Der Kaiser blieb meist in der mittleren Loge; einige Male ging er hinaus und unterhielt sich besonders mit dem Reichsvizekanzler und dem ungarischen Kanzler. Um halb 8 Uhr brachte man ihm einige Tropfen, welche ihm van Swieten verordnet hatte. Er blieb noch bis zum Schluß eines langweiligen Balletts » Iphigenia«. Prinz Karl, seine Schwester, Khevenhüller und mehrere Herren waren in den Speisesaal vorausgegangen, um den Kaiser zu erwarten, weil er gewöhnlich vor dem Souper zur Kaiserin zu gehen pflegte. Die Herren waren kaum eingetreten, als einer von den Dienstleuten gelaufen kam und dem Prinzen Karl die Nachricht brachte, daß der Kaiser unwohl geworden und man ihm zur Ader lassen werde. Es hieß, er sei in die Wohnung des römischen Königs gebracht werben. Alle liefen hin, aber der Kaiser war bereits tot. Er war nach dem Ballett mit Joseph und mehreren Herren und Damen über den langen Korridor zu einem kleinen Vorsaal gegangen, der zu den Wohnzimmern des Erzherzogs Leopold führte. Dort verließ er gewöhnlich die Gesellschaft, um allein zur Kaiserin zu gehen. Beim Weggehen sagte er noch zur Gesellschaft: bon soir, messieurs et mes dames, à nous revoir à souper – und ging dann weiter zu einer engen Passage, wo einige Stufen hinauf- und herabführten. Als er oben angekommen, lehnte er sich mit dem Kopfe an die am Korridor befindliche Tür jenes alten Zimmers, wo sein seliger Vater geboren war. Der römische König, welcher den nämlichen Weg nach seiner Wohnung nehmen mußte, folgte seinem Vater in einer Entfernung, um ihn nicht zu genieren. Als er sah, daß sein Vater nicht wohl sei, sprach er ihm zu, daß er sich niedersetzen möchte, er wolle gleich jemand rufen. Allein der Kaiser antwortete, es habe nichts zu bedeuten, es seien seine gewöhnlichen Anfälle; »ein braver Kerl«, drückte er sich aus, »müßte nichts achten,« und Joseph möge nur seinen Weg fortsetzen. Dieser stellte sich, als ginge er ins anstoßende Gemach; er verlor aber seinen Vater nicht aus den Augen und bemerkte, wie derselbe mit wankenden Schritten die Passage herunterstieg, und als er zu der halb geöffneten Türe der Antikamera kam, sich an derselben, wie jemand, der Hilfe und Stütze sucht, mit Gewalt anhielt. Joseph sprang herzu und fing seinen Vater, der eben zu sinken begann, mit seinen Armen auf, bis Graf Salm herbeikam und beide mit Hilfe der Dienstleute den armen Herrn in die Antikamera brachten. Sie legten ihn dort auf das Rollbett eines Lakaien. Beichtvater, Arzt und Chirurg waren gleich gerufen worden, man öffnete ihm eine Ader, aber er gab kein Lebenszeichen mehr. Der Kaiser war tot.

Der römische König war auf das tiefste erschüttert und die Kaiserin, welche bei der ersten Nachricht von des Kaisers Unwohlsein sogleich herbeigeeilt war, ganz starr vor Schrecken; sie mußte fast mit Gewalt weggebracht werden. Sie zog sich dann in ihr Zimmer zurück und wollte in der Nacht niemand um sich leiden; erst gegen Morgen ließ sie ihre Kammerdienerin und den Kammerzahlmeister Mayer hinein. Khevenhüller hatte, wie es seines Amtes war, die Schlüssel und andere Kleinigkeiten, wie ein Etui, ein kleines Heiligtum, einen Rosenkranz und ein Souvenir, welche der Kaiser immer bei sich getragen, zu sich genommen; die Schlüssel übergab er auf Befehl der Kaiserin dem römischen König und die andern Gegenstände der Guttenberg, der vertrauten Dienerin der Kaiserin. Maria Theresia hatte derselben auch befohlen, dem Verstorbenen einige Haare abzuschneiden, welche sie in ein Brazelett fassen und am Arme tragen wollte. Den folgenden Morgen mußte ein Maler geholt werden, um den toten Herrn zu malen, wie sie von allen verstorbenen Familienmitgliedern solche Porträts hatte, die sie in einem eigenen Kabinette aufgehängt hatte. Dann wurden die Minister und Hofleute gerufen, um das Nötige zu veranstalten. Josef konferierte zuvörderst mit Ulefeld, Colloredo und Kaunitz im Zimmer des verstorbenen Herrn; er ließ sich hier ein Bett aufschlagen, weil er in der früheren Wohnung, in deren Nähe sein Vater verschieden war, nicht bleiben wollte. Khevenhüller übernahm mit seinem Sohn, Franz Dietrichstein, Johann Schwarzenberg und Rosenberg das traurige Amt, für den toten Leib zu sorgen. Erst gegen Mitternacht wurde derselbe auf einer Tafel in der Antikamera ausgestellt. Man hatte sich dafür entschieden, den Leichnam zu Wasser nach Wien zu bringen und die öffentliche Trauer erst nach der Rückkehr anzulegen. Joseph verfügte, daß gleich nach Wien geschrieben und an die kaiserlichen Zimmer in der Burg und in Schönbrunn, sowie in dem Haus und Garten, der dem Verstorbenen gehörte, die Interimssperre angelegt werde. Es war eine traurige Nacht. Niemand konnte und mochte schlafen. In allen Gängen, in den Zimmern standen Gruppen beisammen und flüsterten über Vergangenheit und die Dinge, die da kommen würden.

(Adam Wolf.)


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