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An Gräfin Enzenberg

Sophie Amalie Gräfin Enzenberg, Gattin des Grafen Ignaz Cassian.

*

den 20. Februar 1775.

Meine liebe Enzenberg! Ich wünsche sehr, daß Wolkenstein Sie in besserem Zustand wiederfindet, als er Sie gelassen hat, und daß die Schokolade Ihnen zusagt. Es gibt zwei Sorten, beide ohne Vanille, wenn Sie noch mehr davon haben wollen, brauchen Sie es nur durch Ihren Sohn sagen zu lassen, von welcher Sorte, ich verstehe mich nicht darauf, weil ich nie welche nehme.

Ich war gestern so beschäftigt, weil Sonntag war und der doch für das Publikum bestimmt ist, so daß ich erst um 9 Uhr abends in mein Kabinett kam. Ich war so von Müdigkeit überwältigt, daß ich diesen Brief vergessen habe. Ich schreibe Ihnen um 2 Uhr nachts, nachdem ich meine vier Stunden Schlaf hatte. Ich höre nur Wagen, die zur Redoute fahren oder zurückkommen. Ich sitze lieber an meinem Tisch, um mich mit meiner lieben Freundin zu unterhalten, als daß ich mit der vornehmen Gesellschaft dieses Vergnügen teile, das sehr schön für die jungen Leute ist, aber nicht mehr für uns paßt. Glücklich sind diejenigen, die sich kennen und darnach handeln. Sie werden überall hören, daß es mir gut geht; ich glaube es, weil alle Leute es sagen. Ich verbringe die Jahre, die Monate, die Tage in derselben Einfachheit, in derselben Bitterkeit wie den ersten Tag, und oft ist es mir ein Trost, daß die Verstorbenen nicht zurückkehren, und daß ich mich jeden Augenblick meinem Ende nähere, aber ich zittere vor der fürchterlichen Rechenschaft, die ich ablegen muß. Nur die große Barmherzigkeit Gottes und meine guten Absichten ermutigen mich ...


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