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Aus der Instruktion für Erzherzog Maximilian

Erzherzog Maximilian, das jüngste der Kinder der Maria Theresia, lebte 1756-1801. Er wurde Hochmeister des Deutschen Ordens, später Kurfürst und Erzbischof von Köln.

Aus dieser Instruktion klingt der Protest Maria Theresias gegen den Geist der neuen Aufklärungszeit, als dessen Hauptvertreter sie ihren großen Gegner, Friedrich von Preußen, besonders haßt. Noch schärfer werden wir sie diesen Geist in den Briefen an Joseph bekämpfen hören.

*

Undatiert (April 1774).

... Nichts ist bequemer, nichts geeigneter, unserer Eigenliebe zu schmeicheln als eine Freiheit ohne jeden Zwang. Das ist das Wort, das man an Stelle der Religion in dem aufgeklärten Jahrhundert gesetzt hat, wo man alles begreifen und aus Überzeugung oder Berechnung handeln will. Man verurteilt die ganze Vergangenheit wegen ihrer Unwissenheit und Vorurteile, ohne auch nur über die Vergangenheit und sehr wenig über die Gegenwart informiert zu sein. Diese Klippen sind um so gefährlicher, als sie viel Lockendes haben und alles um unserm Hochmut und unsern Leidenschaften zu schmeicheln.

Wenn ich sähe, daß diese sogenannten Gelehrten, diese Philosophen glücklicher in ihren Unternehmungen, zufriedener in ihrem Privatleben wären, könnte ich mich der Voreingenommenheit, des Hochmutes, der Vorurteile, des Eigensinns schuldig finden, weil ich mich ihnen nicht anbequeme. Aber unglücklicherweise überzeugt mich meine tägliche Erfahrung vom Gegenteil. Nichts ist schwächer, nichts mutloser als diese starken Geister, nichts kriechender, nichts verzweifelter bei dem kleinsten Mißgeschick. Sie sind schlechte Väter, Söhne, Gatten, Minister, Generäle, Bürger. Weshalb? Die Grundlage fehlt ihnen. Ihre ganze Philosophie, alle ihre Grundsätze haben sie aus ihrer Eigenliebe geschöpft, die geringste Unannehmlichkeit wirft sie hilflos zu Boden. Daher kommt es so häufig vor, daß die Leute sich selbst töten, wahnsinnig werden oder wenigstens durch ihre ungehörige Aufführung oder durch Krankheiten zu allem unfähig werden. Wenn selbst der liebe Gott einigen dieser Elenden die Gnade bewilligt, sie auf den rechten Weg zurückzuführen, so werden sie doch überflüssig für den Staat und vergraben sich in düsterer Zurückgezogenheit, um sich vor den Augen der Welt zu verstecken. Aber diese Fälle sind recht selten; nachdem diese Leute ein sehr bewegtes Leben geführt haben, sterben sie gewöhnlich elend und verzweifelt. Diese selben Menschen oder Leute mit gespielter Gleichgültigkeit, die sich über alle lustig machten, den Ton angaben, über alles, was es Heiligstes in unserer Religion gab, und mit Vorliebe über die Geistlichkeit ihre Hanswurstspäße machten, gerade diese haben bei der geringsten Widerwärtigkeit oder Unbequemlichkeit nicht die Kraft, sich aufrechtzuerhalten oder zu unterwerfen. Das ist ein Unglück, das ich Ihnen nicht genug wiederholen kann und Sie bitte es zu vermeiden; es handelt sich nur darum, das genau zu befolgen, was Sie seit Ihrer Jugend gelernt haben, und was Sie bis zu dieser Stunde am Hofe ausüben sahen. Dieser Punkt ist um so delikater, als diese Art Leute in Gesellschaft sehr liebenswürdig, wegen ihres witzigen Geistes sehr gesucht sind oder aus Furcht geduldet werden ...

Vermeiden Sie jede Leidenschaft, besonders in Bezug auf Frauen. Es tut mir leid, es sagen zu müssen: sie sind gefährlicher als die größten Wüstlinge unter den Männern. Einmal gefallen, sind Sie verloren und Sie werden viel Mühe haben, sich wieder zu erheben. Ich urteile so, weil ich Ihren Charakter kenne. Vermeiden Sie sorgfältig den ersten falschen Schritt und seien Sie auf Ihrer Hut vor den Illusionen und Verderbnissen, die nur zu gut ihren Namen verdienen und so viel Übel nach sich ziehen. Die schlimmsten Wüstlinge geben es zu und sind darin ehrlich. Wenn Sie selbst sich nicht Gelegenheiten aussetzen und sie vermeiden wollen, sind Sie durch Ihren Rang und durch Ihre Geburt geschützt und durch die, welche unter dem Vorwande Ihnen zu dienen, Sie davor bewahren können, wenn Sie ihnen nicht selbst Hindernisse bereiten und meinen und ihren Ratschlägen folgen. Befinden Sie sich nie mit Frauen allein, seien Sie weder im Theater, noch in den Logen, nicht bei Besuchen und Spaziergängen mit ihnen, ohne von einem Ihrer Kavaliere begleitet zu sein. Erlauben Sie sich keine Vertraulichkeiten mit den Frauen, aber behandeln Sie sie mit viel Achtung und Höflichkeit, selbst die aus dem Bürgerstand ...


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