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Dreiunddreißigstes Kapitel

Eines Nachts gegen Ende August hin, als die Pest gerade am heftigsten wütete, kehrte Don Rodrigo in Begleitung seines getreuen Grauen, des einen von dreien oder vieren, die ihm von seiner ganzen Dienerschaft noch am Leben geblieben, nach seiner Wohnung in Mailand heim. Er kam aus einem Klub von Freunden, die gewohnt waren, sich zu Schwelgereien zu versammeln, um die Schwermut der Zeitläufe zu vertreiben und ein jedesmal gab es neue dabei und fehlten alte. An diesem Tage war er einer der lustigsten gewesen und hatte die Gesellschaft unter anderen sehr mit einer Art von Lob- und Leichenrede auf den Grafen Attilio zum Lachen gebracht, der vor zwei Tagen von der Pest hinweggerafft worden war.

Beim Gehen empfand er jedoch eine Unlust, eine Abspannung, eine Müdigkeit in den Beinen, eine Beschwerde beim Atemholen, eine innere Glut, die er gern durchaus dem Weine, der Nachtwache, der Jahreszeit hätte zuschreiben mögen. Er gab auf dem ganzen Wege keinen Laut von sich und zu Hause angelangt, war sein erstes Wort, daß er dem Grauen befahl, ihm im Zimmer Licht anzuzünden. Als sie eingetreten waren, betrachtete der Graue verstohlen das entzündete Gesicht und die hervorgetriebenen gläsernen Augen seines Gebieters und hielt sich fern; denn unter jenen Umständen hatte gewissermaßen jeder gemeine Kerl sich einen ärztlichen Blick anschaffen müssen.

»Ich befinde mich wohl, wie du siehst,« sagte Don Rodrigo, der in dem Verhalten des Grauen den Gedanken las, der ihm durch den Sinn ging. »Ich befinde mich ganz wohl; aber ich habe getrunken, ich habe vielleicht ein wenig zuviel getrunken. Der Vernaccia! ... Aber ein tüchtiger Schlaf wird schon alles wieder gut machen. Ich bin gewaltig schlaftrunken ... ›Nimm mir einmal das Licht da weg, es blendet mich ... ich kann es nicht vertragen! ...«

»Das sind die Streiche des Vernaccia,« sagte der Graue und hielt sich immer in der Ferne. »Aber legen Sie sich nur gleich nieder; der Schlaf wird Ihnen gut tun.«

»Du hast recht; wenn ich schlafen kann ... Übrigens bin ich wohl. Stelle indessen nur die Klingel hierher, im Fall ich diese Nacht etwas nötig haben sollte, und paß auf, weißt du, wenn du etwa klingeln hörst. Aber ich werde schon nichts weiter brauchen ... Nimm das verwünschte Licht da weg,« hob er dann wieder an, derweil jener den Befehl vollzog und so wenig als möglich nahe kam. »Teufel, was mir doch so übel wird!«

Der Graue nahm das Licht und ging, dem Gebieter eine gute Nacht wünschend, schnell von dannen, indem dieser unter die Decke kroch.

Aber die Decke bedünkte ihn ein Berg. Er warf sie von sich und krümmte sich zusammen um einzuschlafen, denn er war in der Tat todmüde. Aber kaum hatte er ein Auge geschlossen, so wachte er urplötzlich wieder auf, als ob ein unfreundlicher Arm ihn gerüttelt hätte und fühlte, daß die Glut, der Aufruhr in ihm zugenommen. Er richtete die Gedanken auf den August, den weißen süßen Wein, die Ausschweifung; er hätte so sehr gewünscht, ihnen alle Schuld geben zu können; aber diesen Vorstellungen schob sich immer von selber jene unter, die damals mit allen verbunden war, die sozusagen durch alle Sinne Eingang fand, die sich in alle Gespräche der Schwelgerei eingeschlichen hatte, weil es doch noch leichter war, einen Spott aus ihr zu machen, als sie wegzuleugnen, die der Pest.

Nach langem, heftigem Kampfe schlief er endlich ein und hatte alsbald die allerdüstersten und verworrensten Träume von der Welt. Und aus dem einen in den anderen war es ihm, als befände er sich in einer großen Kirche, flugs mitten in einem großen Volkshaufen, als befände er sich darin, ohne daß er wußte wie er hineingeraten, besonders noch, wie ihm zu dieser Zeit der Gedanke dazu beigekommen wäre, und darüber grübelte er denn bei sich nach. Er sah die Umstehenden an; es waren lauter erstorbene, erdfahle Gesichter mit entsetzten, erloschenen Augen, mit hängenden Lippen; lauter Leute in gewissen Kleidern, die in Stücke gingen, und zwischen den Fetzen hervor schienen Pestflecken und Beulen. »Platz da, Gesindel!« bildete er sich ein zu rufen, indem er nach der Tür ausschaute, die so fern war, und den Ruf mit drohenden Mienen begleitete, ohne daß er jedoch irgendeine Bewegung machte und sich vielmehr in sich zusammenzog, um nicht die unflätigen Körper zu berühren, die ihm schon allzusehr von allen Seiten zu nahe kamen. Aber keiner der Unsinnigen schien sich zu rühren, noch sogar gehört zu haben; vielmehr rückten sie ihm noch mehr zuleibe; und vor allem war es ihm, als ob einer von ihnen mit den Ellbogen oder sonst etwas ihm in die linke Seite zwischen Herz und Achselhöhle drückte, wo er einen stechenden und wie schwerlastenden Schmerz empfand. Und wenn er sich wand, um sich dieser Beschwerde zu entledigen, setzte sich ihm gleich ein neues spitziges Etwas an demselben Flecke ein. In Wut geratend, wollte er Hand ans Schwert legen, und da deuchte es ihm gerade, als wäre es ihm durch das Gedränge die Hüfte entlang emporgeschoben worden und der Knopf desselben eben das, was ihn an jener Stelle drückte; aber indem er mit der Hand hinfuhr, fand er das Schwert nicht vor und empfand bei seiner eigenen Berührung einen desto heftigeren Schmerz. Er tobte, keuchte und wollte noch lauter schreien, als, siehe da! die Gesichter alle sich nach einer Seite kehrten. Er blickte auch seinerseits dorthin, gewahrte eine Kanzel und sah über die Brustwehr derselben ein gerundetes, glattes, gleißendes Etwas zum Vorschein kommen, sodann einen kahlen Scheitel sich erheben und bestimmt sich abzeichnen, darauf ein Paar Augen, ein Antlitz, einen langen, weißen Bart, einen aufrechtstehenden, bis an den Gürtel über die Lehne aufragenden Mönch, den Bruder Cristoforo. Dieser ließ rings über die ganze Zuhörerschaft einen Blick hinblitzen, und es schien Don Rodrigo, als heftete er ihn sodann auf sein Angesicht, indem er zugleich, in der nämlichen Stellung, die er in jenem Zimmer im Erdgeschoß seines festen Schlosses angenommen hatte, die Hand erhob. Er fuhr nunmehr gleichfalls ungestüm mit der Hand empor und machte eine Anstrengung, wie um gewaltsam den in die Höhe gestreckten Arm zu packen; ein Ruf, der ihm dumpf brausend durch die Kehle ging, brach in ein lautes Geheul aus, und er erwachte. Er ließ den Arm sinken, den er wirklich erhoben hatte; bemühte sich eine Weile, wieder zu völligem Bewußtsein zu kommen und die Augen ganz aufzuschlagen; denn das schon helle Tageslicht tat ihm ebenso weh wie das der Kerze, er erkannte sein Bett, sein Zimmer wieder; er begriff, daß alles ein Traum gewesen war; die Kirche, das Volk, der Mönch, alles war verschwunden; alles außer einem: jenem Schmerz an der linken Seite. Zugleich fühlte er am Herzen ein schnelleres, ängstliches Klopfen, in den Ohren ein Gesumme und ein Brausen, einen innerlichen Brand, eine Schwere in allen Gliedmaßen, schlimmer als da er sich zu Bett gelegt hatte. Er zauderte eine Weile, ehe er nach der schmerzenden Stelle sah; endlich deckte er sie auf, warf schaudernd einen Blick darauf und nahm eine ekelhafte, dunkelviolette Pestbeule wahr.

Der Mann sah sich verloren; der Schrecken des Todes überfiel ihn und mit einer vielleicht noch heftigeren Empfindung die Angst, eine Beute der Monatti, von ihnen ins Lazarett getragen, geworfen zu werden. Und indem er überlegte, wie er diesem entsetzlichen Schicksale entgehen möchte, fühlte er, wie seine Gedanken sich verwirrten und verfinsterten, wie der Augenblick nahte, da ihm nur so viel Bewußtsein übrigbleiben würde als hinreichte, um zu verzweifeln. Er erfaßte die Glocke und klingelte mit Heftigkeit. Und siehe! da zeigte sich der Graue, der auf der Lauer gestanden. Er verhielt sich in einer gewissen Entfernung vom Bette, schaute den Gebieter aufmerksam an und war dessen gewiß, was er am Abend gemutmaßt hatte.

»Grauer!« sagte Don Rodrigo und richtete sich mühsam zum Sitzen empor, »du bist immer mein Getreuer gewesen.«

»Ja, Herr.«

»Ich habe dir immer Gutes getan.«

»Sie hatten die Gnade.«

»Auf dich kann ich mich verlassen.«

»Den Teufel auch!«

»Ich befinde mich schlecht, Grauer.«

»Ich hatte es gemerkt.«

»Wenn ich geheilt werde, so will ich dir noch mehr Gutes tun, als ich dir jemals getan habe.«

Der Graue antwortete nichts und wartete ab, wohin dieser Eingang führen werde.

»Ich will mich niemand anvertrauen als dir,« fuhr Don Rodrigo fort. »Tu mir einen Gefallen, Grauer.«

»Zu Befehl,« sprach dieser, die ungewohnte Formel mit der gewohnten beantwortend.

»Weißt du, wo der Wundarzt Chiodo wohnt?«

»Das weiß ich wohl.«

»Er ist ein rechtlicher Mann, der, wenn er gut bezahlt wird, die Kranken verhehlt. Geh und hole ihn; sage ihm, daß ich ihm vier, sechs Scudi für den Gang und noch mehr gebe, wenn er mehr verlangt; er solle nur geschwind herkommen, und mache deine Sachen gut, daß niemand was davon gewahr wird.«

»Sehr wohl,« sagte der Graue: »Ich bin gleich wieder da.«

»Höre, Grauer: gib mir erst ein wenig Wasser her. Ich brenne vor Durst, daß ich es nicht mehr aushalten kann.«

»Nein, Herr,« versetzte der Graue: »Nichts ohne den Rat des Doktors. Das sind vertrackte Übel; es ist keine Zeit zu verlieren. Seien Sie nur ruhig; ich bin im Augenblicke mit dem Chiodo hier.«

Dies gesagt, ging er hinaus und lehnte die Tür an.

Auf seinem Lager zusammengekrochen, begleitete Don Rodrigo ihn in der Einbildung nach der Wohnung des Chiodo, zählte die Schritte, berechnete die Zeit. Dann und wann wandte er sich und sah nach seiner linken Seite; aber er kehrte das Gesicht alsbald mit Abscheu wieder ab. Nach einer Weile begann er aufzuhorchen ob der Wundarzt käme, und diese Anstrengung der Aufmerksamkeit zog ihn einstweilen von dem Gefühl des Übels ab und hielt seine Gedanken zusammen. Auf einmal vernimmt er einen fernen Klang, der ihm aber aus den Zimmern, nicht von der Straße her zu kommen scheint. Er horchte noch schärfer hin; er vernimmt ihn stärker, wiederholter, und zugleich ein Scharren mit den Füßen; ein gräßlicher Argwohn fährt ihm durch den Sinn. Er setzt sich aufrecht und horcht noch aufmerksamer hin; er hört ein dumpfes Geräusch im nächsten Zimmer, wie wenn eine Last behutsam niedergesetzt wird; er schwingt die Beine zum Bette hinaus, als ob er aufstehen wollte, starrt nach dem Eingange, sieht ihn aufgehen, sieht zwei abgetragene, besudelte rote Röcke, zwei scheußliche Gesichter, mit einem Worte, zwei Monatti sich darstellen und herantreten; er sieht halb und halb des Grauen Gesicht, der hinter einem angelehnten Türflügel verborgen steht und lauscht.

»Ha, schändlicher Verräter! ... Fort, Gesindel! Biondino! Carlotto! Hilfe! Ich bin verraten und verkauft!« schreit Don Rodrigo, fährt mit einer Hand unter das Kopfkissen, um eine Pistole zu suchen; erfaßt sie, zieht sie hervor, aber bei seinem ersten Schrei waren die Monatti auf das Bett losgestürzt; der schnellste fällt über ihn her, ehe er noch etwas tun kann, reißt ihm die Pistole aus der Hand, wirft sie weit weg, drückt ihn wieder nieder und hält ihn fest, indem er, zugleich vor Wut und Hohn grinsend, ausruft: »Ha, du Schelm! Gegen die Monatti! gegen die Diener des Amtes! gegen die, die Werke der Barmherzigkeit tun!«

»Halte ihn ordentlich fest, bis wir ihn fortschaffen,« sagte der Gefährte, auf einen Koffer zugehend. Und indes trat der Graue ein und machte sich mit ihm daran, das Schloß aufzubrechen.

»Bösewicht!« brüllte Don Rodrigo, und sah unter dem hervor, der ihn hielt, nach jenem hin, indem er sich unter den nervigen Armen wand und krümmte. »Laßt mich den Niederträchtigen ermorden,« sagte er darauf zu den Monatti, »und macht alsdann mit mir, was ihr wollt.« Dann hob er wieder an mit lautem Geschrei seine anderen Diener zu rufen; aber es war sicherlich vergebens, denn der verruchte Graue hatte sie mit vorgeblichen Befehlen des Gebieters selbst weit weggeschickt, ehe er zu den Monatti gegangen war, um ihnen dies Unternehmen und die Teilung des Raubes vorzuschlagen.

»Sei ruhig, ruhig,« sagte zu dem unglückseligen Don Rodrigo der Scherge, der ihn fest in sein Bett gedrückt hielt. Und hiernach das Gesicht den beiden Plündernden zukehrend, rief er ihnen zu: »Geht ehrlich zu Werke.«

»Du! Du!« brüllte Don Rodrigo nach dem Grauen hin, den er geschäftig aufbrechen, Geld, Sachen herausholen, teilen sah. »Du! Nachdem! ... Ha, Teufel der Hölle! Ich kann noch geheilt werden!« Der Graue muckste nicht und wendete sich auch, so wenig er konnte, nach der Seite, woher diese Worte kamen.

»Halt ihn fest,« sagte der andere Monatto; »er ist toll.«

Der Elende ward es ganz und gar. Nach einer letzten und noch gewaltsameren Anstrengung zu schreien und sich loszuwinden, sank er plötzlich kraft- und bewußtlos zusammen; er blickte jedoch noch immer wie bezaubert aus den Augen und schüttelte sich von Zeit zu Zeit oder stieß ein Geheul aus.

Die Monatti packten ihn, der eine bei den Füßen, der andere bei den Schultern an und legten ihn auf eine Bahre nieder, die sie in dem anstoßenden Zimmer gelassen hatten; dann kam der eine wieder und holte die Beute, und hierauf hoben sie die elende Last auf und schleppten sie von dannen.

Der Graue blieb zurück und raffte in der Geschwindigkeit zusammen, was ihm etwa noch anstand; schnürte sein Bündel und machte sich auf und davon. Er hatte sich allerdings gehütet, mit den Monatti in Berührung zu kommen, aber er hatte bei dem letzten hastigen Herumhantieren beim Bette die Kleider des Gebieters aufgenommen und durchstöbert, ohne sich dabei etwas zu denken, um zuzusehen, ob Geld darin wäre. Indessen hatte er des nächsten Tages Ursache, daran zu denken, denn, derweil er es sich in einer Kneipe wohl sein ließ, ergriff ihn auf einmal ein kalter Schauder, umwölkten sich ihm die Augen, vergingen ihm die Kräfte, und er fiel um. Von den Genossen verlassen, geriet er den Monatti in die Hände, die ihn alles dessen beraubten, was er Wertvolles an sich hatte, und ihn auf einen Karren warfen, auf dem er verschied, ehe er noch in dem Lazarett ankam, wohin sein Gebieter getragen worden war.

Wir lassen nunmehr diesen in der Wohnung des Jammers und müssen einen anderen aufsuchen, dessen Geschichte mit der seinigen niemals etwas gemein gehabt haben würde, wenn er es nicht mit aller Gewalt so gewollt hätte; ja man kann selbst für gewiß annehmen, daß ohne dieses weder der eine noch der andere eine Geschichte gehabt; ich spreche von Renzo, den wir in der neuen Spinnmühle unter dem Namen Antonio Rivolta verließen.

Er hatte etwa fünf oder sechs Monate dort zugebracht, als, nachdem die Feindschaft zwischen der Republik und dem König von Spanien erklärt und demnach alle Besorgnis vor Anfechtungen und bösen Händeln von dieser Seite gehoben war, Bortolo sich beeilte, ihn abzuholen und wieder mit sich zu nehmen, sowohl weil er ihn lieb hatte, als auch weil Renzo von Natur anstellig und in seinem Handwerke geschickt, dem Faktotum in einer Fabrik von großem Nutzen war, ohne daß er doch irgend Ansprüche machen konnte, dieses selbst zu werden, insofern er eben nicht mit der Feder umzugehen verstand. Da dieser Beweggrund von einigem Belang dabei gewesen war, so haben wir ihn anführen müssen. Man hätte vielleicht lieber einen idealeren Bortolo; ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, man mache sich einen. Dieser war nun eben so.

Renzo war darauf immer bei ihm geblieben und hatte gearbeitet. Mehr als ein- und mehr als zweimal, und besonders nachdem er einige jener verwünschten Briefe von Agnes erhalten hatte, war ihm der Einfall in den Kopf gestiegen, Soldat zu werden und ein Ende zu machen, und an Gelegenheiten dazu fehlte es nicht; denn gerade in der Zwischenzeit hatte die Republik mehrmals Leute nötig gehabt. Die Versuchung war für Renzo zuweilen um so stärker gewesen, als auch davon gesprochen worden, das Mailändische zu überziehen, und es ihm natürlich bedünkte, eine wie schöne Sache es doch sein müßte, als Sieger nach Hause zurückzukehren, Lucia wiederzusehen und sich einmal mit ihr auszusprechen. Allein Bortolo hatte ihn stets mit guter Art von dem Entschlusse abzuziehen gewußt.

»Wenn sie dorthin ziehen sollen,« sagte er, »so werden sie auch ohne dich hinziehen, und du ziehst alsdann nach deiner Gemächlichkeit hinter ihnen drein; und wenn sie nun mit blutigen Köpfen wiederkehren, wird es da nicht besser gewesen sein, sich weit vom Schusse gehalten zu haben? An verzweifelten Kerlen wird es ganz gewiß nicht fehlen, die Bahn brechen wollen. Und ehe sie einmal da einen Fuß hinübersetzen! ... Ich bin ein Ketzer, ich, was mich betrifft; jene prahlen immer ins Gelag hinein; ja, ja, der Mailänder Staat ist aber doch kein Bissen, den man nur so hinunterschluckt. Man hat es mit Spanien zu tun, mein lieber Sohn; weißt du, was das heißen will, mit Spanien? Sankt Markus ist stark daheim bei sich; aber zu so was gehört mehr. Gedulde dich; geht es dir denn hier etwa nicht wohl? ... Ich begreife schon, was du mir sagen willst, aber wenn es dort oben beschlossen ist, daß die Sache gut ausschlagen soll, so sei du gewiß, daß sie bestens ausschlagen wird, wenn keine Dummheiten geschehen. Es wird dir schon irgendein Heiliger beistehen. Glaube nur, daß das kein Gewerbe für dich ist. Meinst du, es schicke sich für dich, das Seideaufspulen an den Nagel zu hängen und anstatt dessen dich auf das Totschlagen zu legen? Was willst du mit solchem Volke anfangen? Dazu gehören Kerle, die eigens dazu geschaffen sind.«

Ein andermal nahm sich Renzo vor, heimlich, verkleidet und unter falschem Namen hinzugehen. Aber auch davon wußte Bortolo ihn mit nur zu leicht zu erratenden Gründen abzuhalten.

Als darauf die Pest auf dem Mailänder Gebiete und zwar gerade auch, wie wir gesagt haben, an der Grenze des Bergamaskischen ausgebrochen war, dauerte es gar nicht lange, daß sie dieses gleichfalls ergriff und ... man erschrecke nur nicht ich habe nicht vor, ihre Geschichte ebenfalls zu erzählen; wenn sie jemand verlangte, so ist sie auf öffentliches Veranstalten von einem gewissen Lorenzo Ghirardelli geschrieben; nichtsdestoweniger ein seltenes und ungekanntes Buch, obwohl vielleicht mehr darin steht als in allen namhaftesten Beschreibungen der Pest zusammengenommen; die Berühmtheit der Bücher hängt doch eben von so vielen Dingen ab! Was ich sagen wollte ist, daß auch Renzo die Pest bekam und sich selbst davon herstellte, das heißt, gar nichts dazu tat; er war zwar dem Tode nahe, aber seine gute Natur bewältigte die Kraft der Krankheit; in wenigen Tagen befand er sich außer Gefahr. Mit der Rückkehr des Lebens erstanden auch peinlicher und unbändiger als jemals in seiner Seele die Sorgen des Lebens, die Wünsche, Hoffnungen, Erinnerungen, Absichten wieder; das will sagen, er dachte mehr als jemals an Lucia. Was war in der Zeit aus ihr geworden, in der es gleichsam eine Ausnahme war, zu leben? Und in so geringer Entfernung nichts von ihr erfahren zu können? Und Gott weiß wie lange! in solcher Ungewißheit auszuhalten? Und wenn dann auch diese gehoben wäre, wenn er, nachdem alle Gefahr vorüber, in Erfahrung gebracht hätte, daß Lucia am Leben wäre, blieb doch immer noch der andere Knoten übrig, die verwickelte Geschichte mit dem Gelübde. – »Ich gehe, ich gehe und mache alles mit einmal ab« – sagte er bei sich, und sagte es schon, ehe er wieder imstande war, sich auf den Beinen zu halten. – »Wenn sie nur noch lebt! Ach, wenn sie nur noch lebt! Wenn ich sie nur finde; ich werde sie finden; ich werde dann einmal von ihr selber hören, was es mit dem Versprechen eigentlich auf sich hat; ich werde ihr zeigen, daß das nichts ist, und ich führe sie mit mir fort, sie und die arme Agnes, wenn sie lebt! die mir immer gut gewesen ist und mir ganz gewiß noch gut ist. Der Steckbrief? ei! jetzt haben die, die noch am Leben sind, an andere Dinge zu denken. Es gehen ja auch hier Kerle sicher herum, die ... Sollte es denn nur allein für Schurken sicheres Geleite geben? Und in Mailand sagen alle, soll ja noch eine ganz andere Verwirrung los sein. Wenn ich eine so gute Gelegenheit jetzt vorüber lasse ... – Die Pest! Man sehe einmal, wie der heillose Trieb, alles auf uns selbst zu beziehen und uns unterzuordnen, uns zuweilen unsere Worte wählen läßt! – so kommt mir nun und nimmer eine ähnliche wieder!« –

Das steht freilich zu hoffen, mein lieber Renzo.

Kaum, daß er wieder von der Stelle konnte, so suchte er Bortolo auf, der bis jetzt so glücklich gewesen war, von der Pest verschont zu bleiben und sich in acht nahm. Er ging nicht zu ihm ins Haus hinein, sondern rief ihn von der Straße aus ans Fenster.

»Aha!« sagte Bortolo: »Du bist davongekommen. Gut für dich!«

»Ich bin noch ein wenig schwach auf den Füßen, wie du siehst; aber was die Gefahr angeht, aus der bin ich heraus.«

»Ach, ich wollte, daß ich auf deinen Füßen stände. Wenn man sonst sagte, ich befinde mich wohl, so schien alles gesagt zu sein; aber jetzt will das wenig sagen. Wenn einer erst so weit ist, daß er sagen kann, ich befinde mich besser, das ist ein schönes Wort.«

Renzo äußerte gegen den Vetter einige gute Wünsche und teilte ihm dann seinen Entschluß mit.

»Nun, so geh diesmal, und der Himmel segne dich,« versetzte dieser. »Hüte dich vor der Gerechtigkeit, so wie ich mich vor der Seuche hüten will, und wenn Gott gibt, daß es uns beiden wohlergeht, so werden wir uns wiedersehen.«

»Oh, ich komme gewiß wieder, ach, wenn ich nur nicht allein wiederkomme! Nun, ich will hoffen.«

»Ja, komm doch in Gesellschaft wieder, so Gott will, arbeiten wir dann alle miteinander und halten getreulich zusammen. Wenn du mich nur auch wiederfindest und die verteufelte Seuche vorbei wäre!«

»Wir sehen uns wieder, wir sehen uns wieder; wir müssen uns wiedersehen!«

»Ich sage nochmals, Gott gebe es!«

Mehrere Tage über ging Renzo nunmehr damit um, sich Bewegung zu machen, um seine Kräfte zu versuchen und zu stärken, und kaum hielt er dafür, zu der Reise tüchtig zu sein, so schickte er sich zum Aufbruch an. Er legte sich unter den Kleidern einen Gürtel an, worin jene fünfzig Scudi waren, die er durchaus nicht angegriffen, und von denen er niemand, auch sogar Bortolo nicht, etwas vertraut hatte; nahm auch das bißchen Geld mit, das er von einem Tage zum anderen durch gutes Haushalten erspart; schob sich ein kleines Bündel Kleider unter den Arm; steckte einen schriftlichen Abschied unter dem Namen Antonio Rivolta in die Tasche, den er sich wohlbedacht von seinem zweiten Herrn hatte geben lassen; in die eine Hosentasche kam ein großes Messer, das wenigste, was ein rechtschaffener Mensch zu jener Zeit tragen konnte; und so machte er sich denn gegen Ende August, drei Tage nachdem Don Rodrigo in das Lazarett getragen worden war, auf den Weg. Er schlug die Straße nach Lecco ein, weil er, ehe er sich nach Mailand wagte, durch sein Dörfchen gehen wollte, wo er hoffte, Agnes noch am Leben zu finden und den Anfang zu machen, von ihr einige der vielen Dinge zu vernehmen, die zu wissen er so begierig war.

Die wenigen von der Pest Genesenen waren inmitten der übrigen Bevölkerung in der Tat gleichsam ein bevorrechteter Stand. Eine große Menge anderer siechte oder starb, und die bis dahin noch nicht von der Krankheit ergriffen worden waren, lebten in beständiger Angst davor, gingen zurückhaltend, vorsichtig, mit gemessenen Schritten, finsteren Mienen, eilig und zögernd zugleich einher; denn alles konnte gegen sie zur tödlich verwundenden Waffe werden. Jene hingegen, die ihrer Sache so ziemlich gewiß waren – denn daß man die Pest zweimal gehabt hätte, war viel mehr ein unerhörter als ein seltener Fall – bewegten sich frei und entschlossen mitten in der Pest; so wie die Ritter einer Periode des Mittelalters, in Eisen gehüllt, soweit Eisen nur anzubringen war und auf Streitrossen, die, insoweit dies tunlich, ebenso gerüstet, auf Abenteuer – daher ihre ruhmwürdige Benennung der irrenden – unter einer armseligen Fußgängerrotte von Bürgern und Bauern herumzogen, die, um ihre Streiche zu schwächen und abzuhalten, nichts anderes als Lumpen auf dem Leibe hatten. Eine schöne, anständige und nützliche Zunft; eine Zunft, geeignet, in einer Abhandlung über Staatswirtschaft eine erste Stelle einzunehmen.

Mit einer solchen Sicherheit, die jedoch von seinen bekannten Sorgen und von dem wiederholten Schauspiel, von dem unaufhörlichen Gedanken an die allgemeine Trübsal gedämpft wurde, wanderte Renzo unter einem schönen Himmel und durch ein schönes Land seiner Heimat zu, begegnete jedoch nach langem Andauern der traurigsten Einsamkeit nur hier und da einem schwankenden Schatten vielmehr als einem lebenden Menschen oder Leichen, die ohne die letzten Ehren, ohne Sang und Klang eines Geleites in die Grube getragen wurden. Um die Mittagszeit ungefähr machte er in einem Gebüsch Halt, ein wenig Brot und Zukost da zu verzehren, das er mitgenommen hatte. Obst, viel mehr als er bedurfte, stand ihm den ganzen Weg entlang zu Gebote: Feigen, Pfirsiche, Pflaumen, Äpfel nach Belieben; er brauchte nur in einen Weinberg hineinzugehen und die Hand auszustrecken, um von den Zweigen welche abzupflücken oder die reifsten vom Boden aufzulesen, der unter ihnen damit bedeckt war, denn das Jahr war an Baumfrüchten aller Art außerordentlich fruchtbar, und es war fast niemand da, der sich darum bekümmerte; auch die Weintrauben verdeckten fast die Weinblätter und waren dem ersten besten, der sie sich aneignete, preisgegeben.

Gegen Abend sah er sein Dorf liegen. Dieser Anblick, wie sehr er auch darauf vorbereitet sein mußte, gab ihm doch gleichsam einen Stich ins Herz; er ward mit einmal von einem Schwarm von schmerzlichen Erinnerungen und schmerzlichen Vorgefühlen bedrängt; es war ihm, als klängen ihm jene dumpfen Glockenschläge in den Ohren, die ihn bei seiner Flucht aus dem Dorfe gewissermaßen begleitet hatten, ihm gefolgt waren, und zugleich vernahm er doch ordentlich die Totenstille, die gegenwärtig darin herrschte. Eine noch stärkere Unruhe empfand er, als er den Kirchhof betrat, und auf noch Schlimmeres machte er sich am Ziele seiner Wanderung gefaßt, denn wohin er seine Schritte zu richten vorhatte, das war nach dem Hause, das er sonst gewohnt gewesen, Luciens Haus zu nennen. Jetzt konnte es höchstens nur Agnes' Wohnung sein, und die einzige Gnade, um die er den Himmel bat, war, sie ihn dort am Leben und gesund finden zu lassen. Und in diesem Hause gedachte er sich ein Nachtlager auszubitten, denn er vermutete wohl, daß das seinige nur noch für Marder und Mäuse bewohnbar sein möchte.

Um also dorthin zu gelangen, schlug er, ohne durch das Dorf zu gehen, einen Fußsteig rechter Hand ein, den nämlichen, auf dem er in jener gewissen Nacht in guter Gesellschaft hergekommen war, um den Pfarrer zu überrumpeln. Auf der Mitte des Weges etwa war auch einerseits der Weingarten, anderseits das Häuschen Renzos gelegen, so daß er im Vorbeigehen einen Augenblick in den einen und in das andere treten konnte, um ein wenig nachzusehen, wie es um sein Hab und Gut stünde.

Im Weiterschreiten blickte er umher, zugleich begierig und ängstlich jemand zu entdecken, und nach wenigen Schritten gewahrte er in der Tat einen Mann im bloßen Hemde, der an der Erde saß und sich mit dem Rücken an eine Jasminhecke lehnte, wie ein Wahnsinniger sich ausnehmend, und hieran und dann auch an den Gesichtszügen meinte er den armen Gimpel Gervaso zu erkennen, der als zweiter Zeuge mit bei der verunglückten Unternehmung gewesen war. Aber nachdem er näher gekommen, mußte er sich überzeugen, daß es statt dessen der so aufgeweckte Tonio war, der ihn mitgebracht hatte. Die Krankheit, die ihm mit der Kraft des Körpers zugleich die des Geistes entzogen, hatte in seinem Gesicht und ganzen Wesen den geringen und schlummernden Keim einer Ähnlichkeit entwickelt, die ihm mit seinem blödsinnigen Bruder zu eigen war.

»Ach, Tonio!« sagte Renzo zu ihm, vor ihm stehenbleibend, »bist du es?«

Tonio schlug die Augen zu ihm auf, ohne den Kopf zu bewegen.

»Tonio! Kennst du mich nicht?«

»Wen es trifft, den trifft es«, erwiderte Tonio und behielt den Mund offen.

»Hast du daran glauben müssen, he? armer Tonio; aber kennst du mich denn gar nicht mehr?«

»Wen es trifft, den trifft es«, versetzte jener mit einem gewissen albernen Lächeln. Da Renzo sah, daß er sonst nichts aus ihm herausbringen würde, so ging er noch niedergeschlagener weiter. Und siehe! da kam, als er um eine Ecke bog, etwas Schwarzes zum Vorschein und näherte sich, das er alsbald für Don Abbondio erkannte. Er ging Schritt vor Schritt, indem er den Stock wie jemand trug, der sich darauf stützen muß, und in dem Maße, daß er herankam, konnte man aus seinem bleichen, abgezehrten Gesicht und aus seinem ganzen Äußeren immer mehr abnehmen, daß auch er seine Gefahr überstanden haben mußte. Auch er schaute auf; es war ihm so und war ihm auch wieder nicht so; er nahm etwas Fremdartiges an der Kleidung wahr; ja, ganz recht, es war das Fremdartige des Bergamaskischen.

»Er ist es und kein anderer!« sprach er bei sich und hob mit einer Bewegung verdrießlichen Erstaunens die Hände zum Himmel empor, so daß der Stock, den er mit der Rechten gefaßt hatte, in der Luft schweben blieb, und man sah nun die dürren Arme in den Ärmeln schlottern, in denen sie sonst kaum Platz gehabt hatten. Renzo eilte ihm entgegen und machte ihm einen Bückling; denn wiewohl sie auf die bewußte Art voneinander geschieden waren, so war und blieb er doch immerdar sein Pfarrer.

»Seid Ihr hier?« rief dieser aus.

»Ich bin hier, wie Sie sehen. Wissen Sie nichts von Lucia?«

»Was soll ich von ihr wissen? Nichts weiß man von ihr. Sie ist in Mailand, wenn sie noch auf dieser Welt ist. Aber Ihr ...«

»Und Agnes, lebt sie?«

»Kann sein, aber wer soll das wissen? Sie ist nicht hier. Aber ...«

»Wo ist sie?«

»Sie hat sich nach Valsassina gewendet, zu ihren Verwandten, nach Pasturo, wißt Ihr wohl; denn dort, heißt es, soll die Pest nicht so sehr hausen wie hier. Aber Ihr, sage ich ...«

»Das ist mir, mein Seel, gar nicht lieb. Und der Pater Cristoforo?«

»Der ist schon vor langer Zeit fort. Aber ...«

»Das wußte ich; sie haben es mir schreiben lassen; ich fragte nur, ob er etwa wieder in die Gegend gekommen wäre.«

»Ei bewahre! man hat nichts wieder von ihm gehört. Aber Ihr ...«

»Das ist mir doch auch gar nicht lieb.«

»Aber Ihr, sage ich, was, um des Himmels willen wollt Ihr in der Gegend hier beginnen? Wißt Ihr nicht, was für ein erschrecklicher Steckbrief? ...«

»Was tut's? Sie haben an andere Dinge zu denken. Ich habe auch einmal nach meinen Angelegenheiten sehen wollen. Und man weiß doch nicht recht? ...«

»Was wollt Ihr sehen? Jetzt da niemand mehr da ist, da es nichts mehr gibt. Und solchem Steckbriefe zum Trotz gerade hier an den Ort zu kommen, in den Rachen des Wolfes, ist das wohl vernünftig, frage ich? Folgt einem alten Manne, dem es not tut, vernünftiger zu sein als Ihr, und der Euch seinen Rat gibt, weil er es gut mit Euch meint: schnürt Eure Schuhe tüchtig fest und kehrt dahin zurück, woher Ihr gekommen seid, ehe Euch jemand bemerkt, und wenn Euch jemand bemerkt haben sollte, so kehrt nun um so geschwinder wieder um. Meint Ihr denn, es wäre hier gut sein für Euch? Wißt Ihr nicht, daß sie gekommen sind und Euch gesucht und herumgelungert und gestöbert und das Unterste zu oberst gekehrt haben ...«

»Ich weiß es nur zu gut, die Schurken!«

»Nun also ...«

»Aber wenn ich Ihnen sage, daß mich das nichts schiert. Und ist der noch am Leben? Ist er hier?«

»Ich sage Euch, es ist gar niemand hier, ich sage Euch, daß Ihr Euch um die Dinge hier nicht zu kümmern habt, ich sage Euch, daß ...«

»Ich frage, ob der hier ist.«

»Oh, heiliger Himmel! Sprecht doch nicht so. Ist es möglich, daß immer noch alle die Hitze, nach dem was geschehen ist, in Euch steckt!«

»Ist er da, oder ist er nicht da?«

»Er ist nicht da, nicht doch! Aber die Pest, Sohn, die Pest! Wer wird sich denn in solchen Zeiten so herumtreiben?«

»Wenn da weiter nichts als die Pest auf der Welt wäre ... ich sage nur für mich: ich habe sie gehabt und bin frei.«

»Nun also? Nun also? Sind das etwa keine Warnungen? Wenn man so etwas überstanden hat, so denke ich, sollte man doch dem Himmel danken und ...«

»Ich danke ihm auch recht sehr.«

»Und nicht eben wieder etwas anderes aussuchen, sage ich. Folgt meinem Rate ...«

»Sie haben sie wohl auch gehabt, Herr Pfarrer, wenn ich mich nicht irre.«

»Ob ich sie gehabt habe! Gar verräterisch und schmählich hat sie mich behandelt, ich bin nur durch ein Wunder hier; es ist genug, wenn ich sage, daß sie mich auf die Weise zugerichtet hat, wie Ihr seht. Gerade jetzt hatte ich nun ein klein wenig Ruhe nötig, um doch wieder ein bißchen zu mir selbst zu kommen; ja, ich fing schon an, mich in etwas wieder besser zu befinden ... In des Himmels Namen, was wollt Ihr hier beginnen? Kehrt ...«

»Immer haben Sie was mit Ihrem Kehren! Wenn ich hätte zurückkehren wollen, so hätte ich besser getan, mich gar nicht auf den Weg zu machen. Sie sagen: ›Was wollt Ihr hier beginnen, was wollt Ihr hier beginnen?‹; Ich will auch einmal nach meinem Hause sehen.«

»Nach Euerem Hause?« ...

»Sagen Sie einmal, sind viel Leute hier daran gestorben?« ...

»Eh! eh!« brach Don Abbondio los, und indem er bei Perpetua anfing, zählte er eine lange Reihe von Personen und ganze Familien auf. Renzo hatte nun wohl allerdings dergleichen erwartet; wie er denn aber so viele Namen von Bekannten, Freunden und Verwandten hörte – die Eltern hatte er schon vor mehreren Jahren verloren –, so stand er schmerzlich betrübt mit gesenktem Kopfe da und rief einmal über das andere aus: »Der Arme! Die Arme! Die Armen!«

»Da seht Ihr!« fuhr Don Abbondio fort, »und es ist noch nicht aus. Wenn die Übriggebliebenen diesmal nicht Vernunft annehmen und sich alle Grillen aus dem Sinne schlagen, so steht das Ende der Welt bevor.«

»Fürchten Sie nichts, ich gedenke gar nicht hier zu verweilen.«

»Ach! Gelobt sei der Himmel, der Euch das eingegeben hat. Doch ich verstehe schon, Ihr gedenkt erst wiederzukehren ...«

»Deshalb machen Sie sich keine Sorge.«

»Was! Ihr wolltet mir nicht etwa noch einen dümmeren Streich als den da spielen?«

»Lassen Sie doch das gut sein, sage ich, das ist meine Sache; ich bin ja über die Kinderjahre hinaus. Ich hoffe indessen, Sie werden niemand etwas davon sagen, daß Sie mich gesehen haben. Sie sind ein Priester, ich bin eines Ihrer Schafe; Sie werden mich nicht verraten wollen.«

»Ich habe verstanden,« sagte Don Abbondio und seufzte ingrimmig; »ich habe verstanden. Ihr wollt Euch zugrunde richten und mich zugrunde richten. Es ist Euch noch nicht genug an dem, was Ihr ausgestanden habt, es ist Euch noch nicht genug an dem, was ich ausgestanden habe. Ich habe verstanden, ich habe verstanden.« Und indem er fortfuhr, diese letzten Worte zwischen den Zähnen zu brummen, ging er seines Weges weiter.

Renzo blieb traurig und mißvergnügt stehen und war auf ein anderes Nachtlager bedacht. In der Totenliste, die ihm Don Abbondio hergesagt, war auch eine Bauernfamilie, die von der Seuche gänzlich, bis auf den jungen Burschen, hingerafft worden, der etwa Renzos Alter hatte und in der Kindheit sein Kamerad gewesen war; das Haus lag vor dem Dorfe draußen, in geringer Entfernung. Dorthin beschloß er sich zu wenden, um sich ein Unterkommen zu erbitten.

Er war in die Nähe seines Weingartens gelangt und konnte schon gleich von außen folgern, in welchem Zustande er sein müsse. Kein Wipfelchen, kein grüner Zweig eines Baumes, den er daselbst verlassen hatte, ragte noch über die Mauer empor; wenn etwas sie überragte, so war das in seiner Abwesenheit aufgegangen. Er trat an den Eingang – von einem Gitter war nichts mehr zu sehen; – er warf einen Blick umher: der arme Garten! Zwei Winter hindurch waren die Leute aus dem Dorfe hingegangen und hatten darin geholzt, »an des Ärmsten Statt«, wie sie sagten. Weinstöcke, Maulbeerbäume, Fruchtbäume jeder Art, alles war schonungslos umgeknickt oder dicht an der Wurzel abgeschnitten. Es waren jedoch die Spuren des alten Anbaues noch vorhanden; junge Reben in unterbrochenen Reihen, die aber gleichwohl den Zug der zerstörten Stöcke bezeichneten; hier und da Schößlinge und Nachwuchs von Maulbeer-, Feigen-, Pfirsich-, Kirsch- und Pflaumenbäumen, aber auch diese vereinzelt und erstickt, inmitten eines neuen, mannigfaltigen, dichtgedrängten Geschlechts, das, ohne von der Hand des Menschen gefördert zu werden, sich erzeugt hatte und aufgeschossen war. Es war ein Gewirr von Nesseln, Farnkraut, Lolch, Quecken, von Mehlkraut, wildem Hafer, grünem Tausendschön, Salatkräutern, Sauerklee, Hirsegras und anderem ähnlichen Kraut, von der Art nämlich, woraus der Bauer in allen Ländern auf seine Art eine große Sippe gemacht und es Unkraut benannt hat. Es war ein Gemengsel von Stengeln, die einander um die Wette in der Luft überragten, oder ebenso eines über das andere hinaus am Boden hinkrochen, kurz in aller Weise sich gegenseitig zu verdrängen strebten; ein Gemisch von Blättern, Blumen, Früchten von hunderterlei Farben, hunderterlei Formen, hunderterlei Größen; kleine Ähren, Kolben, Büschel, Dolden, Krönchen, weiß, rot, gelb, blau. Aus dem Gewirr hervor stachen einige längere, augenfälligere, wiewohl zumeist wenigstens nicht edlere Pflanzen, der türkische Wein über alle anderen, mit seinen ausgebreiteten, rötlichen Ranken, mit seinen prächtigen, starken, dunkelgrünen Blättern, deren an dem Gipfel schon eines und das andere purpurn gesäumt war, mit seinen gekrümmten Trauben, unten mit dunkel-, mehr oben mit hellpurpurnen, weiterhin mit grünen Beeren und an der Spitze mit weißlichen Blütchen besetzt; das Wollkraut, mit seinen großen filzigen Blättern am Boden und dem gerade aufstrebenden Stengel und den langen einzelnen Ähren, die mit hellen, gelben Blumen wie besternt sind; Disteln mit stacheligen Stengeln, Blättern, Köpfen, aus denen weiße oder purpurne kleine Schöpfe von Blüten aufragten oder von der Luft entführte silberfarbige leichte Federbüschelchen sich ablösten. Hier hatten eine Handvoll Ackerwinden, die sich an den neuen Schößlingen eines Maulbeerbaumes empor- und um sie herumgeschlungen, ihn ganz und gar mit ihren hängenden, nach der Erde spitz zulaufenden Blättern bedeckt, und ließen von den Spitzen der Schößlinge ihre weißen, weichen Glöckchen herniederbaumeln; dort hatte eine Zaunrübe mit den korallenfarbigen Beeren sich um die jungen Reben eines Weinstockes gewunden, dieser, vergebens nach einem festeren Anhalt suchend, seine Gäbelchen seinerseits an sie gehangen, und indem sie also ihre schwachen Stengel und wenig verschiedenen Blätter untereinander mischten, zogen sie sich gegenseitig nieder, wie es den Schwachen so häufig geschieht, die eines das andere zur Stütze nehmen. Brombeergesträuch war allenthalben, ging von einer Pflanze zur anderen auf und wieder nieder, drängte seine Zweige zusammen oder breitete sie aus, je nachdem es sich fügte, und indem es sich auch über den Zugang hinzog, schien es da zu sein, um sogar dem Hausherrn den Eintritt streitig zu machen.

Aber es fiel Renzo nicht ein, einen solchen Weingarten zu betreten, und vielleicht brachte er nicht so lange damit zu, ihn zu beschauen, als wir, diese kleine Schilderung davon zu entwerfen. Er begab sich hinweg; sein Haus lag unfern; er schritt mitten durch den Küchengarten, die neuen Ankömmlinge, von denen er wie der Weingarten bedeckt war, zu Hunderten niedertretend. Er betrat die Schwelle eines der beiden Stübchen, die zur ebenen Erde waren; bei dem Geräusch seiner Tritte, bei seinem Erscheinen eine Verwirrung, ein sich durchkreuzendes Davonlaufen von Ratten, ein Gekrieche in den Unrat hinein, der das ganze Estrich überdeckte: es war noch das Bett der Landsknechte. Er schlug die Augen rings zu den Wänden auf: abgestoßen, besudelt, verräuchert; er richtete sie zu der Decke empor: ein Schmuck von Spinngeweben. Sonst war nichts da. Er entfernte sich auch von hier, indem er sich mit den Händen in die Haare fuhr, kehrte durch den Küchengarten zurück und betrat den nämlichen Fußpfad, den er sich erst vor einem Augenblick selbst gemacht; nach wenigen Schritten schlug er einen anderen Weg nach links zu ein, der in die Felder führte; und ohne eine lebendige Seele zu sehen oder zu hören, erreichte er das Häuschen, wo es seine Absicht war, um eine Herberge anzusprechen. Es war schon Abend geworden. Der Freund saß vor der Tür auf einer kleinen hölzernen Bank, die Arme über der Brust verschränkt, die Augen an den Himmel geheftet wie ein vom Unglück betäubter und in der Einsamkeit verwilderter Mensch. Als er Fußtritte hörte, wandte er sich, sah, wer käme, und sagte dementsprechend, was er so in der Dunkelheit durch Laub und Zweige zu sehen meinte, mit lauter Stimme, aufstehend und beide Hände emporhebend: »Ist denn sonst niemand da als ich? Hab ich gestern nicht genug gemacht? Laßt mich doch ein wenig in Ruhe, das wird eben auch ein Werk der Barmherzigkeit sein.«

Da Renzo nicht wußte, was das heißen sollte, so antwortete er, indem er ihn beim Namen rief.

»Renzo ...« sagte jener, zugleich im Tone des Ausrufs und der Frage.

»Er selber,« sprach Renzo; und einer eilte dem anderen entgegen.

»Bist du es wirklich!« sagte der Freund, als sie beieinander waren. »Ach, was freue ich mich, dich zu sehen! Wer hätte das gedacht? Ich hatte dich für Paolin, den Totenmann, gehalten, der immer kommt und mich quält, ich solle ihm helfen begraben. Weißt du, daß ich allein übrig bin? allein! allein wie ein Einstedler!«

»Weiß es nur zu gut,« sagte Renzo und so Begrüßungen, Fragen, Antworten die Menge durcheinander austauschend, traten sie zusammen in das Häuschen ein. Hier, ohne das Gespräch zu unterbrechen, ging der Freund geschäftig daran, Renzo so viel Ehre anzutun, als er nur unvorbereitet und zu der Zeit imstande war. Er stellte Wasser zum Feuer und fing an, die Polenta zu bereiten; aber dann händigte er Renzo das Rührholz ein, daß er sie umrühre, und ging mit den Worten fort: »Ich habe gar niemand mehr; ja, ich habe niemand mehr!«

Er kam mit einem kleinen Eimer voll Milch, mit etwas gesalzenem Fleisch, mit ein paar frischen fetten Ziegenkäsen, mit Feigen und Pfirsichen zurück, und nachdem alles fertig und die Polenta in den Napf gestürzt worden, setzten sie sich miteinander zu Tische und bedankten sich wechselseitig beieinander, der eine für Vorsprache, der andere für die Aufnahme. Und nach einer Trennung von beinahe zwei Jahren fanden sie sich auf einmal weit enger befreundet, als sie irgend zu der Zeit gemeint hatten zu sein, da sie sich fast alle Tage sahen; denn es waren eben beiden, sagt hier die Handschrift, solcherlei Dinge begegnet, die da fühlen lassen, welch ein Balsam für die Seele das Wohlwollen, sowohl dasjenige ist, was man selber fühlt, als das, was man bei anderen antrifft.

Ganz gewiß konnte niemand weder Agnes' Stelle bei Renzo vertreten, noch ihn über deren Abwesenheit trösten, und zwar eben nicht allein um jener alten und herzlichen Zuneigung willen, sondern auch weil unter den Dingen, die er sich so sehr gern hätte erklären lassen, eins war, wozu sie allein den Schlüssel inne hatte. Er war einen Augenblick zweifelhaft, ob er doch nicht zuvor sie aufsuchen sollte, wiewohl sie eben gar nicht so unfern war; aber da er bedachte, daß sie über Luciens Befinden auch nichts wissen würde, so blieb er bei seinem ersten Vorsatz, sich Gewißheit darüber auf dem geraden Wege einzuholen, das große Wagnis zu bestehen und dann die erlangte Kunde der Mutter zuzutragen. Aber auch von dem Freunde vernahm er mancherlei, was er nicht wußte, und wurde er über manches besser berichtet, was er nicht recht wußte, sowohl in betreff Luciens als hinsichtlich der Verfolgungen, die man gegen ihn angestellt, und wie Don Rodrigo das Hasenpanier ergriffen und sich nicht wieder in der Gegend hatte blicken lassen; kurz über den ganzen Mischmasch von Ereignissen. Er hörte auch – und dies war für ihn eine Kenntnis von nicht geringer Wichtigkeit – den Familiennamen Don Ferrantes recht aussprechen; denn Agnes hatte ihm denselben wohl von ihrem Schreiber schreiben lassen; aber weiß der Himmel, wie er geschrieben sein mochte, der bergamasker Dolmetsch hatte ihn auf eine solche Weise gelesen, ihm ein so beschaffenes Wort in den Mund gelegt, daß, wenn er damit nach Mailand gegangen wäre, um Nachweisungen über dieses Haus zu erlangen, er wahrscheinlich keinen Menschen gefunden haben würde, der da erraten hätte, wen er gemeint. Und dennoch war dieser Faden der einzige, der ihn leiten konnte, sich Nachrichten von Lucia zu verschaffen! Was die Gerechtigkeit betraf, so konnte er sich immer mehr darin bestärken, daß dies eine Gefahr sei, die entfernt genug, um sich nicht allzusehr deshalb zu beunruhigen; der Herr Gerichtsvogt war an der Pest gestorben; wer weiß, wann man wieder an dessen Statt einen anderen einsetzen würde; die Häscherschar war auch meistenteils daraufgegangen; die Überbliebenen hatten an ganz andere als an so alte Geschichten zu denken.

Er erzählte dem Freunde ebenfalls seine Erlebnisse und erfuhr dagegen von ihm hunderterlei über den Durchzug der Truppen, über die Pest, von Salbern, von Wundern. »Das sind böse Sachen,« sagte der Freund, indem er Renzo in ein kleines Stübchen brachte, das durch die Pest seiner Bewohner ledig geworden und verödet war, »Sachen, von denen man sich doch nimmermehr gedacht hätte, daß man sie mit ansehen würde, Sachen, drum sein Lebelang nicht wieder froh zu werden; aber dennoch ist's ein Trost, mit Freunden davon zu sprechen.«

Mit Tagesanbruch waren beide auf dem Platze, Renzo reisefertig, seinen Gürtel unter der Jacke verborgen, den Dolch in der Tasche, übrigens leicht und flink; das Bündelchen ließ er seinem Wirte in Verwahrung. »Wenn es mir gut geht,« sprach er, »wenn ich sie am Leben finde, wenn ... genug ... so komme ich über unser Dorf zurück; lauft nach Pasturo, um der armen Agnes die gute Nachricht zu bringen, und dann, und dann ... Wenn aber das Unglück, das Unglück, das Gott nicht wolle ... ja dann, dann weiß ich nicht, was ich tue, weiß ich nicht, wo ich hingehe, hier zu Lande lasse ich mich gewiß nicht wieder sehen.« Und bei diesen Worten auf der Schwelle, die nach dem Felde zu führte, stehend, hob er den Kopf empor und sah mit einem Gemisch von Herzeleid und Rührung in die Morgenröte seines Dorfes, die er seit so langer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Der Freund tröstete ihn mit guten Hoffnungen, wollte, daß er noch ein wenig Mundvorrat für den Tag mitnähme, geleitete ihn ein Stück Weges und ließ ihn mit neuen Glückwünschen gehen.

Renzo trat gemächlich seine Wanderung an, es war ihm genug, daß er an diesem Tage in die möglichste Nähe Mailands gelangte, um morgen beizeiten hineinzukommen und seine Nachforschungen gleich anzustellen. Die Reise blieb ohne Zufälle; auch gab es nichts, was außer dem gewöhnlichen Elend und Jammer etwa vorzugsweise seine Blicke angezogen hätte. Ebenso wie er am vorigen Tage getan, verweilte er, als es an der Zeit war, in einem Gebüsch, um sich zu laben und auszuruhen. Als er durch Monza vor einem offenen Laden vorbeikam, wo Brote ausgestellt waren, forderte er ein paar, um auf jeden Fall nicht ganz unversorgt zu sein. Der Verkäufer bedeutete ihn, er solle nicht hereintreten, schob ihm auf einer kleinen Schaufel ein Näpfchen mit Wasser und Essig zu und sagte ihm, daß er das Geld nur da hineinlegen solle, was geschah; darauf reichte er ihm mit einer gewissen Zange die beiden Brote, eins nach dem anderen hin, die Renzo sich ein jedes in eine Tasche steckte.

Als es Abend ward, langte er in Greco an, dessen Namen er jedoch nicht wußte; da er aber annahm, insofern ihm von der anderen Reise her die Örtlichkeit noch ein wenig erinnerlich war und er den Weg nachrechnete, den er von Monza bis hierher zurückgelegt, daß er ziemlich nahe bei der Stadt sein müsse, so ging er von der Hauptstraße ab, um sich auf den Feldern irgendeine Erntehütte aufzusuchen, in der er die Nacht zubrächte; denn auf Wirtshäuser wollte er sich nicht einlassen. Es glückte ihm besser, als er es erwartete: er sah einen Eingang eines Zaunes offen, der das Gehöft einer Molkerei umschloß; er ging getrost hinein. Es war niemand darin; er sah auf der einen Seite eine große Halle mit darunter aufgespeichertem Heu und eine Sprossenleiter daran gelehnt; er schaute sich wiederholt ringsum, stieg dann auf gut Glück hinauf, wo er sich anschickte, die Nacht zu verbringen, und schlief sofort ein, um erst mit dem Anbruch des Tages wieder zu erwachen. Erwacht, kroch er auf allen vieren an den Rand des großen Bettes, reckte den Kopf hinaus und stieg, da er noch niemand gewahrte, wieder auf die Art hinunter, wie er heraufgekommen war. So ging er auch wieder ebenda hinaus, wo er hereingekommen, wanderte auf Nebenwegen weiter, indem er zu seinem Polarstern den Dom ins Auge faßte, und befand sich nach einer sehr kleinen Weile unter den Mauern von Mailand, zwischen der Porta Orientale und der Porta nuova, ziemlich nahe bei dieser.


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