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[Vorworte]

Geleitwort

Von Herrn Unterrichtsminister
Dr. Kurt Ritter von Schuschnigg

Unsere Zeit kennt das eigentliche Volksbuch doch nur mehr vom Hörensagen. Vielleicht sind es noch einzelne Kalender, die man auch heute noch zu dieser Gattung zählen kann. Im Begriff des Volksbuches liegt die Vorstellung, daß es Werke gibt, welche tatsächlich noch in alle Kulturschichten und Kreise eindringen und, was das Ausschlaggebende ist, in Stadt und Land, in der Bauernschaft wie in der Arbeiterschaft, in den Kreisen akademischer Bildung wie von den Menschen, die nur eine Volksschule besucht haben, gelesen, ich will sagen seelisch begriffen und innerlich zu eigen gemacht werden. Das ist eine Teilfrage des Gesamtproblems der Entfremdung von Kunst und Volk. Wo sind die Gründe dieser Entfremdung zu suchen? Wie soll eine Verbindung neu angebahnt werden?

Künstliche Mittel, Erleichterung der Kaufbedingungen, der Ausbau des Leihbüchereiwesens reichen nicht an die Wurzel. Als letzte Ursache sehe ich die Abkehr der Kunst und des Schrifttums von dem Gefühls- und Vorstellungsleben, von dem Gottnahen und im Heimatboden verwurzelten Wesen des Volkes. Die große Volksgemeinschaft hat weder Neigung noch Zähigkeit einer » l'Art pour l'art-Kunst und -Dichtung« bis in alle formalen Feinheiten und Besonderheiten zu folgen. Volkskunst und Volksdichtung müssen als ein Ganzes vom Stoff und vom Gehalte wie von der Form her wesenseins mit der Seele des Volkes sein. Die Verbundenheit, die Einheit von Gemeinschaft und künstlerischem Schaffen ist in Theorie und Tat weithin verlorengegangen. Hier nützt kein Klagen und kein Bedauern. Erst da und dort, wo der Künstler und der Schriftsteller wieder aus dem Volksempfinden heraus schreiben und gestalten, können volkstümliche Werke entstehen.

Die Voraussetzungen dafür sind heute wieder gegeben. Religiosität und Vaterlandsliebe, durch Jahrzehnte belächelt und vielfach verleugnet, lebten insgeheim in den Tiefen der Volksseele weiter, so daß es nur eines Weckrufes bedurfte, um die verborgenen Quellen wieder zum Fliehen zu bringen. Gott und Vaterland heißt der Zauberstab, der wiederum Wunder zu wirken vermag, so wie er es von Jahrhundert zu Jahrhundert vermochte. Was durch lange Zeit dem Volke vorenthalten wurde, hat nunmehr Aussicht, als Erfüllung alter Sehnsucht begrüßt zu werden. Die ruhmreiche österreichische Geschichte ist heute berufen, das Gefühl der Heimatverbundenheit um das große Bewußtsein einer geschichtlichen Sendung zu mehren und zu erhöhen. Unsere Heimat, das Land, in dem wir geboren sind, ist nicht nur schön und liebenswert, weil es schön ist und Wiege und Sarg unserer Ahnen bildet, sondern weil es Teil eines größeren Ganzen ist, das eine Aufgabe in der europäischen Welt zu erfüllen hatte, hat und haben wird, eines Ganzen, das wir Österreich nennen. Möge das Buch den Namen eines Volksbuches im doppelten Sinne verdienen, indem es zum ganzen Volke findet und dazu beiträgt, alle zu einem Volksganzen zu schmieden.

Wien, im Mai 1934
Schuschnigg

Zur Einführung

Dem österreichischen Volk soll seine ruhmvolle vaterländische Geschichte zurückgegeben werden. Das ist jetzt die wichtigste erzieherische Aufgabe, der dieses Buch dienen will. Es ist nicht zuviel gesagt: Volk und Jugend waren durch Jahrzehnte der eigenen Geschichte entfremdet. Und darum sich selbst entfremdet. Das eigene tiefere Wesen schien sich zu verlieren, der österreichische Genius sich abhanden zu kommen. Unbewußt war er wohl da, jedoch verschüttet, überwuchert und verdrängt von fremden oder gar falschen idealen, die nicht Heimatgewächs waren und nur Schaden bringen konnten. Ein Blick in die Lese- und Geschichtsbücher unserer Schulen der Nachkriegszeit zeigte mit erschreckender Deutlichkeit den in diesen wahren herrschenden Ungeist, der sein Antlitz nach Moskau oder Potsdam gerichtet hatte. In vielen unserer Schulbücher kam der Name Österreich kaum mehr vor. So wuchs ein Geschlecht heran, das von der geschichtlichen Größe des Vaterlandes und seinen unmeßbaren Seelenwerten schier keine Ahnung hatte; »verstaubtes Museumsgut« und »leere Daten« erschien österreichische Geschichte nach dem hämischen Ausspruch eines Wiener Universitätslehrers; uneingedenk, daß die großen Ahnen hinter uns stehen müssen, wenn wir gelten wollen, verwarf man den Ahnengeist, obschon um so lauter Steine reden vom Stephansturm bis zur Ringstraße, bis in die köstlichen Altstädte Österreichs, ja bis ins fernste Waldtal; man behauptete, mit diesem geschichtlichen Österreich nichts zu tun haben zu wollen und etwas ganz anderes und ganz neues zu sein, was ja auch in einem beklagenswerten Sinn der Fall war. Es schien, als ob das österreichische Volk ein geschichtsloses Volk geworden sei, das sich selbst preisgibt und fremde Herren sucht, eine Seelenlage, die schwere Gefahren barg.

Aber es schien nur so. Der echte Österreicher trägt sein Österreichertum im Herzen und Gemüt, das stärker spricht als alle Phrasen des irregeleiteten Verstandes und sich im entscheidenden Augenblick immer nur zu diesem ewigen Österreich bekennt, das trotz aller Not der Zeit für ihn das einzig mögliche Paradies auf Erden ist. Nach Überwindung jener dunklen geschichtslosen Krisenepoche und nach glücklichen Wendungen unter der Führung schöpferischer Männer Österreichs wie Kanzler Dollfuß und seine treuen Helfer, die auf eigenem Volksgrund aufbauen, auf Gottesgrund, ist nach der Zeit der Selbstentfremdung eine Zeit der Wiederbesinnung angebrochen, eine innere Heimkehrbewegung zum österreichischen Vaterland, zum österreichischen Geschichtsgeist, zum österreichischen Geschichtsbewußtsein als dem unentbehrlichen Fundament der wiedererwachten Heimat- und Vaterlandsliebe.

Der Standpunkt der vorliegenden Geschichtsbetrachtung – und das ist das unterscheidende zeitgemäße Merkmal! – ist nicht die herkömmliche national-liberale oder einseitig deutschnationale Geschichtsauffassung, die, seit hundert Jahren auf der Berliner Universität durch Ranke, Sybel, Treitzschke usw. im Widerspruch zu tieferen geschichtlichen Wahrheiten ausgebildet, auch bei uns fast allein herrschend wurde und die Quelle so vieler Irrtümer über Österreich ist, so vieler Verdunklungen und Entstellungen, die nicht nur bei uns, nicht nur in Deutschland, sondern auch fast im ganzen Ausland, das aus der Berliner historischen Schule schöpfte, gläubig hingenommen worden sind und einer Widerlegung durch die Herstellung des ursprünglichen Wahrheitsbildes dringend bedürfen.

Es ist klar, daß jedes Volk die besondere Auffassung, die es von seinem Schicksal, von seiner Bestimmung, von seinem Gestaltungs- und Lebenswillen, von seiner Stellung in der Welt hat, kurz die Idee seiner Existenz zu begründen sucht und sein Geschichtsbild schafft, das es in sich trägt und das diese Idee enthält, die es von sich hat. So haben seit dem vorigen Jahrhundert Deutschland und einige andere europäische Länder ihren Geschichtsgang, auch retrospektiv, vorwiegend und zum Teil fast ausschließlich in einseitiger und daher umso schärferer nationaler Belichtung gesehen. Daneben hat sich seit der Aufklärung und der französischen Revolution, eigentlich aber schon seit der Reformation, ein sozialrevolutionäres Geschichtsbild entwickelt, das über Staaten und Nationen hinausgreift und sich als Internationale erklärt.

Nicht der Weltkrieg konnte das alte universelle Österreich zerbrechen, sondern die nationale und die revolutionäre Geschichtsidee haben dieses Friedensbollwerk Mitteleuropas zerstört. Beide haben seit 1918 um die Herrschaft über das heutige kleine Österreich gerungen, beide sind am 12. Februar 1934 an der oft verleugneten, verkannten und doch so elementaren österreichischen Idee gescheitert, die als historische Größe und Bestimmung auch für die Zukunft Bedeutung hat. Wie einst vor den Türken, hat Wien heute Europa vor dem Einbruch des internationalen und nationalen Bolschewismus bewahrt und als Eckpfeiler abendländischer Kultur wieder seine europäische Sendung erwiesen.

Weder die einseitig nationalistische, noch die sozialistisch-revolutionäre Geschichtsidee, die ja beide Österreich verneinten, konnten für ein österreichisches Geschichtsbuch in Betracht kommen, das volkserzieherisch und aufbauend wirken will, vielmehr mußte eine österreichische Geschichtsauffassung erarbeitet und begründet werden, die sich an einem fast 2000jährigen Geschehen als geschichtliches Zwangsgesetz hier ergeben hat.

*

Österreichische Geschichtsauffassung ist verankert im religiösen Sittengesetz, im augustinischen Gottesstaat als der Grundidee des christlichen Abendlandes und des Heiligen Reiches, das zu allen Zeilen eine übernationale, universelle Bedeutung hatte.

Österreichische Geschichtsauffassung hält daran fest, daß das Recht göttlichen Ursprungs ist, als Naturrecht und Völkerrecht, und über der bloßen Gewalt steht, daß also die bloße Gewalt nicht die Quelle des Rechts sein kann und göttliche Rechte nicht aufhebt.

Österreichische Geschichtsauffassung betrachtet den Staat nicht als eine Zwangsanstalt, sondern als eine sittliche Einrichtung von höchster weltlicher Autorität, über der die Autorität Gottes steht. Der Staat ohne Gott ist von Übel. Staatsallmacht und Staatsvergottung ist Materialismus. Ihm ist die sittliche Idee entgegenzustellen, die Erneuerung des Staates im christlichen Geiste.

Österreichische Geschichtsauffassung verwirft die heidnische Überbetonung von Blut und Rasse, die zum Nationalhaß, zur Blutrache und zum Untergang Europas führen würde; sie glaubt vielmehr an die unsterbliche Seele und ruft das Ewige im Menschen auf.

Österreichische Geschichtsauffassung bekennt sich zum christlichen Nationalismus, der die heiligen Güter der eigenen Nation verteidigt und die der anderen Nationen achtet und wahrt in Volkstum, Brauchtum, Sprache und Bekenntnis.

Österreichische Geschichtsauffassung erkennt in Glaube und Vaterland den Doppelpfeiler jeder menschlichen Ordnung und Gesittung; in der Familie die Organzelle von Gesellschaft und Staat; im Ahnenkult oder Vätergeist die Kontinuität von Volk und Kultur; im Autoritätsgedanken ein konstruktives Prinzip, das durch die Autorität Gottes, die Autorität des Staates, der Väter und somit der Familienväter bis in die kleinste Arbeiterfamilie gewährleistet.

Österreichische Geschichtsauffassung verwirft die sozialistisch-revolutionäre Idee und bekennt sich zu einer sittlich sozialen Auffassung, die im Familiengedanken beruht, den der Marxismus verneint. Für diese organische Auffassung gibt es keine Proletarier, weil jeder Arbeiter mit seiner Leistung und mit seinem Können Teilhaber am Gemeinschaftswerk ist und sowohl Rechte als Pflichten übernimmt, wobei zu beachten ist, daß alle Rechte letzten Endes Gnaden sind. In dieser Auffassung gibt es weder Masse noch Klasse, sondern gegliedertes Volk.

Österreichische Geschichtsauffassung hält an der historisch begründeten Freiheit und Unabhängigkeit Österreichs fest, damit es seine eingeborene Bestimmung erfüllen kann, die eine kulturelle und völkerverbindende ist. Sie ist deutscher Art, jedoch kulturell und blutmäßig bereichert durch so viele Nationen, mit denen es schicksalsmäßig durch viele Jahrhunderte verbunden und denen es Führer war. Dadurch und vor allem durch seine katholische Kultur, ist Österreich die geistig formende, stilgebende Kraft Mitteleuropas geworden, die in der spezifisch österreichischen Ausprägung ein kultureuropäisches Gesicht trägt und mit dem Besten aller Welt verwandt ist. Darum ist Österreich nicht nur um anderer willen da, sondern auch um seiner selbst willen, damit es sein Heil wirke und seinen Genius in bester Weise entfalte, indem es nicht fremden Imperativen gehorcht, sondern seinem tiefsten eigenen Wesen, und dergestalt der Würde der Menschheit dient als Heimat und Lebensraum aller Künste im Sinne des ewig Schönen, ewig Wahren, ewig Guten!

Österreichische Geschichtsauffassung steht keineswegs in irgendeinem Gegensatz zur gesamtdeutschen, sie ist vielmehr deren Grundvoraussetzung und Herzstück, insofern als Österreich seit dem Nibelungenlied nicht aufgehört hat, das deutsche Nationalgut um seinen besten Bestand zu bereichern und hinwiederum das Beste der deutschen Kultur mit in seinem unverlierbaren geistigen Besitzstand wahrt. Infolgedessen ist Österreich wie zu allen großen geschichtlichen Zeiten der berufene geistige Führer des Auslanddeutschtums. Österreich denkt föderalistisch. Es denkt Reich!

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Es ist dem Verfasser dieses Buches eine angenehme Pflicht, allen jenen führenden österreichischen Männern, vor allem dem Bundespräsidenten Wilhelm Miklas, Kardinal Erzbischof Dr. Innitzer, Kanzler Dollfuß, Vizekanzler Fürst Starhemberg, Vizekanzler Fey, Heeresminister Fürst Schönburg-Hartenstein, Bundesminister Fritz Stockinger, dem Präsidenten General Vaugoin, Bürgermeister der Stadt Wien, Vizekanzler a. D. Dr. Richard Schmitz, Landeshauptmann Hofrat Dr. Rehrl, Stabschef Dr. Kemptner, H. H. Mons. Fried, H. H. L. G. usw., die die Entstehung dieses Werkes anregten und seinen Weg in die Herzen des Volkes irgendwie förderten, an dieser Stelle allen Dank zu sagen, Unterrichtsminister Dr. von Schuschnigg bin ich für das schöne Geleitwort besonders verpflichtet. Aber auch dem Verlag und seinem Leiter Kommerzialrat Wiedling sei Dank für die Sorgfalt der Buchausstattung. Möge jeder in diesem Buch sein eigenes Denkmal sehen! Indem es den Österreichern ihre eigene herrliche Geschichte erzählt, erzählt es ihr Herkommen, ihren Werdegang, ihre große ruhmvolle Vergangenheit, die eine Bestimmung ausdrückt und daher auch ein Wegweiser in die Zukunft ist. Wie figurenreich das Gemälde auch sein mag, es handelt dennoch immer nur von einem einzigen ruhmreichen Helden, der sich in wechselvollen Schicksalen, in Glück und Unglück, immer mit Ehren behauptet hat, und dieser Held ist

 

unser Vaterland Österreich!

 

Geistige und sittliche Größe, hohe künstlerische Kultur, heroische Persönlichkeiten, Helden und Heilige wandeln vorüber als lebendig fortwirkende Kräfte und als erhabene Vorbilder zur Nacheiferung für Volk und Jugend; sie wecken die unbewußte Liebe des Österreichers zu Heimat und Vaterland zusammen mit dem Bewußtsein des eigenen Wertes in dem berechtigten edlen Stolz, Österreicher zu sein! Wer sich eins fühlt mit dem Vaterland, wird in diesem Spiegel österreichischer Geschichte seine besten und tiefsten Wesenszüge zu schauen und emporzubilden vermögen.

Joseph Aug. Lux


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