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Sophiee von Mandelsloh

Ihr Gang war leicht, ihr Zopf war schwer,
Sie trug ihre Brüste stolz vor sich her
Und lachte so laut und so froh;
Es zwang den ungerittenen Gaul
Und riß dem Bluthund den Fraß aus dem Maul,
Sophiee von Mandelsloh.

Auf Ricklingen ging der Becher rund,
Von Hand zu Hand, von Mund zu Mund,
Gefüllt mit rotem Wein;
Auf Herzog Albrecht ein Spottlied klang,
Die schöne Sophiee es lächelnd sang,
Laut brummte ihr Vater hinein.

Sie sang: »Herr Herzog, wir bitten Euch schön,
So laßt Euch doch endlich auf Ricklingen sehn,
Beehrt doch die Mandelsloh;
Von Lüneburg ist es ja gar nicht so weit,
Zu Eurem Empfange ist alles bereit,
Es blitzet und blinkert nur so.«

Laut lachte ihr Vater und kippte den Rest
Und knurrte: »Nun holla, ein jeder ins Nest,
Heut' abend, da gibt es nichts mehr;
Den Spund in das Loch und geruhsame Nacht,
Und morgen beizeiten hübsch aufgewacht,
Denn die Kammern und die Keller, die sind leer.«

Er warf sich mit Stiefeln und Sporen aufs Bett
Und schnarchte mit seinem Hund ein Duett,
Die Eule zum letztenmal schrie;
Und es krähte ein Hahn und es klang ein Horn,
Herr Dietrich erwachte in hellichtem Zorn:
»Watt schall düsse Döllmerie?«

Er fuhr mit dem Kopf in den Eimer hinein,
Und sah in den lachenden Lenzsonnenschein,
Und machte ein dummes Gesicht;
Denn rings um sein graues, griesgrämiges Schloß,
Da hielt des Herzogs buntscheckiger Troß,
Dreihundert, das langte noch nicht.

»Sophiee, schnell einen Schoppen her,
Auf nüchternen Magen, da ficht es sich schwer!«
Im Unterrock kam sie herein;
Sie kämmte dem Vater schleunigst das Haar,
Das noch von der Nacht etwas strubbelig war,
Und brachte ihm Brot und Wein.

Ihr Bestes nahm sie dann aus dem Schrank,
Von blitzblauer Seide und reichlich lang,
Und bunt von Stickerein,
Und machte sich schnell noch die hohe Frisur,
Die trug sie sonst zum Kirchgange nur,
Und zu ganz großen Gasterein.

Der Herold schrie zur Mauer empor;
Der Ritter legte die Hand ans Ohr,
Dann brüllte er kopfschüttelnd: »Nein!
Übergeben, sagt ihr, solle er sich?
Er denkt nicht daran, der Dieterich;
Es wär' auch zu schad' um den Wein.«

Da sprach der Herzog, er sprach es recht fein:
»So denkt doch an Euer schön Töchterlein,
Herr Dietrich, und bleibt bei Verstand.«
Sophiee jedoch rief mit keckem Gesicht:
»Herr Herzog, so zimperlich sind wir nun nicht!«
An den Wurfbock legt sie die Hand.

Der erste Stein: »Das ging drüber her!«
Der zweite: »Gefällt mir schon etwas mehr!
Spannt schnell das Ding noch einmal!«
Und heulend der Kiesel vom Turme fliegt,
Der Herzog blutend im Sande liegt,
Sein Gesicht ist aschenfahl.

Der Ritter machte ein ernstes Gesicht:
»Ich glaube, der Herr hat den Rest gekriegt,
Doch uns geht es auch ans Genick;
Aber alles, was recht ist, ein guter Schuß,
Komm', Mädchen, da hast du einen Kuß,
Das war ein vorzügliches Stück.«

Zwei Stunden flog weder Stein noch Pfeil,
Dann kam von draußen ein Wutgeheul,
Des Herzogs Kriegsfahne sank:
Und es flog kein Pfeil und es kam kein Stein,
Und die Nacht zog über das Land herein,
So schwarz, so schwer, so lang.

Die Lagerfeuer funkelten rot,
Die Hunde beheulten des Herzogs Tod,
Im Schlosse saß alles stumm;
Denn der Speicher war ledig, die Speckkammer leer,
Im Keller kein einziges Fäßchen mehr,
Der Becher ging sparsam herum.

Die Nacht zerfloß vor dem Morgenrot;
Die Wurst wurde kurz und schmal das Brot,
Sie kriegten alle halb satt;
Der Ritter fluchte: »Daß dich der Daus!
Ich glaube, die Bande, die hungert uns aus,
Sie hungert uns müde und matt.«

Und noch eine Nacht und noch ein Tag;
Herrn Dietrich wurden die Beine schwach,
Er sagte schon gar nichts mehr;
Zu Mittag gab's einen labbrigen Brei,
Der Ritter seufzte: »Gott steh mir bei,
Als ob man im Wochenbett wär'!«

Er schloß kein Auge die ganze Nacht,
Obzwar er den Schmachtgurt ganz eng sich gemacht,
Sein Hund der piepte vor Schmerz;
Vor Hunger er laut seine Pfoten besog,
Und winselnd er lange Geschmacksfäden zog,
Das ging seinem Herrn an das Herz.

Zum Fenster hinein er die Fahne zog;
Die Leute des Herzogs die schrien: »Hoch!«
Sie waren es gleichfalls satt;
Denn die Nacht war kalt, von der Leine her
Da nebelte es und wehte sehr,
Und feucht war die Lagerstatt.

So zog denn der Dietrich von Ricklingen ab,
Die Pferde die wollten durchaus nicht in Trab,
Sie grasten am Wegesrand;
Die schöne Sophiee im Sattel saß,
So steif wie ein Stock, wie der Tod so blaß,
Eine Träne im Auge ihr stand.

Sie hatte die ganze lange Nacht
An den toten Herzog Albrecht gedacht
Und fühlte bittere Pein;
Ihr war inwendig so sonderbar,
Sie glaubte, daß es die Liebe war;
Es konnte auch Heißhunger sein.

Vom grauen Himmel die Heidlerche sang,
Der Trauermarsch in der Ferne verklang,
Die Sonne war ohne Schein;
Die Ricklinger sahen sich lange um,
Dann ritten sie ganz still und stumm
In die weitweite Welt hinein.


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