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Betrachtungen über die Damentoilette von Heutzutage (1866).

Jede Mode darf sich heutzutage, wenn sie nur hübsch in's Hyperauffallende hinüberspielt, geltend machen. Jedes femininum darf nach seinem eigenen Geschmacke oder Ungeschmacke kannegießern. Man vergebe mir den politischen Ausdruck. Unwillkürlich fuhr derselbe wie ein Blitz in die Bänder, Spitzen, Chignon's hinein, von denen ich reden will, zum Glück, ohne die leichte Waare zu entzünden. Was die Farben betrifft, so kleiden wir uns hauptsächlich gern in die preußischen Landesfarben. Ein Frauenzimmer in einem modernen, noch dazu höchst eleganten Kleide, kann wahrhaftig für einen preußischen Grenzpfahl, Schilderhäuschen oder Schlagbaum gehalten werden, denn sie wird schwarz und weiß gestreift erscheinen. Bei dieser Gelegenheit lasset uns den alten Lateinern eine Hekatombe Dankesworte opfern für die Erfindung des Wortes: elegans! Was sollten wir denn anfangen, ohne dieses göttliche Wort? Wir müßten untergehen in den deutschen Ausdrücken: schön, zierlich, manierlich, geschmackvoll, gewählt, die wir für dies eine »elegant« aufzuweisen haben. Freilich, entgegnet mir der echte Deutsche, elegant ist immer noch etwas anderes, besseres. Dafür hat sich so jeder in seinem Seelenstillleben einen unbestimmten Begriff gebildet, etwas dunkel zwar, aber 's klingt doch wunderbar.

Doch nach dieser Abschweifung soll nicht verschwiegen bleiben, daß wir in der Zusammenstellung von Schwarz und Weiß die Polentrauer vervielfältigen halfen. Früher nannte man die Mode auch bei diesem Namen. Nun ist sie auf dem Throne verblieben, der Name ist verschwunden. Die Polinnen gaben »Schwarz auf Weiß« ihre innere Trauer kund. Lutetia parisiorum sympathisirt mit den Polen, welche dort ihr Lager zum großen Theile aufgeschlagen hatten, und die Pariserinnen, obwohl sie sicher niemals eine andere, mir an Ort und Stelle bekannt gewordene polnische Mode, nämlich die, barfuß an den Händen zu gehen, werden mitmachen wollen, konnten doch nicht zugeben, daß die schönen Polinnen das Monopol dieser »aparten« Farben hätten. Ohne selbst traurig zu sein, trauerten sie also schnell mit und mit Vergnügen trauerten wir ihnen nach. Für den Culturhistoriker lebt also in der Zusammenstellung dieser beiden Farben durch die Polen eine verpuffte Revolution auf ewig fort.

Da weht nun, gleich einer Trauerflagge, eine schwarze Spitzenschärpe oder Bandschleife hinten auf dem weißen Faltenwurfe von der Taille der Dame herab. Wir setzen also unsere Trauer wenigstens hintan. Aber auch unsere schönsten buntesten Schärpen tragen wir hinten, als möchten wir selbst sie gar nicht sehen. Gesehen werden wird wohl auch hier wieder einmal die Hauptsache sein.

In Italiens Miedern anerkannten wir das Königreich Italien lange ehe eine Regierung es that. Sie umschließen unsere Herzen warm und innig und die Herzen der Italienerinnen konnten nicht feuriger für die Einverleibung Venetiens in das Königreich Italien schlagen, als unsere für Einschnürung unserer Taillen in diese reizenden Mieder klopften. Freilich würden sich die Schönen von Nettuno wundern, wenn sie ihren graziösen Miederschnitt thronen sähen über dem Eisengestell der getreuen Crinoline.

An das naturwüchsige, eng anschmiegende italienische Mieder mit der herauspuffenden Hemdblouse und den lustig flatternden Achselschleifen, die Hohlheit eines Crinolinenrocks gesetzt, gab ein eben so unharmonisches, barockes Bild, als wenn man einem marmornen Hermes oder Apoll einen Frack anziehen wollte. Und nun gar die Schleppen, die wir über den eisernen Ugolinokäfig der Crinoline herabhängen ließen! Denn nicht was die Schleppen, sondern was den Käfig anlangt, muß man jetzt im Imperfectum sprechen, d. h. theilweis. Seit die Männerwelt das Kriegsschwert eingesteckt hat, sind auch wir ein wenig vom Eisen zurückgekommen und die eiserne Bepanzerung durch die Crinoline nimmt ab. Aber nicht die Schleppen. Sie scheinen im zunehmenden Monde erfunden worden zu sein. Die Dame, welche mit einigen Ellen Zeug mehr, als eine andere, die Gasse kehrt, wie siegsgewiß schreitet sie dahin! Sie hat vor den Andern etwas voraus – hintennach! wollt' ich sagen. Ja bei mancher Selbstträgerin der Schleppe legt sich das Gesicht in so viel Hochmuthsfalten mehr, als Rockfalten mehr und länger – Besenstelle auf Trottoir und Parquet vertreten, und Teppiche abgeben für Pflastertreter und Hunde. Ein selbstbewußtes, wenn auch nachlässiges Kopfneigen nach hinten, ein triumphirender Blick auf den Kometenschweif von Seide oder Baumwolle, der dem oft dünnen Kerne gehorsam nachraschelt, verkündet dem feinen Psychologen, daß sich hier eines jener weiblichen Seelenmysterien vollzieht, die oft von ganz unberechenbarer Folgenschwere sind. Ein so vollkommener Anzug, eine so bedientengleich hinterherziehende Schleppe giebt der jungen Trägerin ein Sicherheitsgefühl, ein Selbst- und Siegesbewußtsein, das ihrem treuen Verehrer oft gefährlicher werden kann, als die Huldigungen und Schmeicheleien eines halben Dutzend courschneidender Seladons.

Ja, es ist etwas Eigenthümliches um den Zauber in einer Schleppe. Die Herren der Schöpfung ahnen nicht, welch' Blumenbeet hochschwellender Gefühle sie treten, wenn sie auf eine Damenschleppe den vernichtenden Absatz setzen. Sie haben keinen Begriff, diese Adamssöhne! welche ihren Frackschößen noch nie eine so geniale Ausdehnung geben mochten, von dem nervösen Zucken, welches die Selbstschleppenträgerin schon beim Gedanken an einen solchen Tritt durchfiebert. Möchten sie doch nur bedenken, wie sehr dadurch Faltenwurf, majestätische Haltung, ja oft ganze Blumen oder Thierstücke, die das Muster des Kleides bilden, als: Schwalbennester, Hyazinthenfluren, selbst entomologische Cabinette, bedroht werden!

Ich selbst erinnere mich deutlich, welch' hohes Wonnegefühl mich durchschauerte, als ich das erste reichlich lange Kleid trug, obwohl mein nächstes Gefühl ein furchtsames vor des Vaters spöttischen Bemerkungen war, der mir sicherlich ein Citat aus Homer über das »staubaufwiegelnde Rindvieh« nicht ersparen würde. Doch dieser aufgewiegelte Staub ist Weihrauch für uns, den wir behaglich, wie ein Parfüm, schlürfen, wenn wir ihn nur selbst erregten. Während wir über eine staubaufwiegelnde Carrosse Ach! und Weh! schreien, lieben wir jenen Weihrauch aller Orts so sehr, daß einer meiner Bekannten in Odessa mir auf meine Bitte um Photographien einiger Merkwürdigkeiten dieser Stadt antwortete: »So lange die Photographen den Staub nicht zu photographiren verstehen, welchen unsere Damen mit ihren colossalen Schleppen verursachen, kann ich Ihnen das Merkwürdigste von Odessa nicht bildlich senden.« – Doch die Crinoline, welche hinter ihren Eisenstäben den guten Geschmack gefangen hält, beginnt an der Schwindsucht zu leiden. Eisenbahnen, eiserne Hinterladungsgewehre, Schwerter, Stahlfedern, Eisenpillen für Bleichsüchtige etc. werden bald allein berechtigt sein, die norwegischen Eisenminen zu leeren. Die Zeit scheint bald vorüber zu sein, wo mir unsere Crinoline in des Wortes verwegenster Bedeutung wollten und man sich nicht gewundert hätte, wenn eines Tages in der Zerstreuung eine Caroline Müller oder Schulze sich mit Crinoline Müller oder Schulze unterschrieben hätte.

Wir sind in uns gegangen, gönnen die Eisenreifen wieder mehr den Fässern und Tonnen und drapiren unsere Schleppen häufig, wie Tribünenschmuck, Ehrenpforten- oder Fenstervorhänge, über reichbesetzten bunten Unterkleidern. Wir mußten wohl, denn die armen Schleppen waren uns gar zu oft vor- und absätzlich von der schnöden Männerwelt, ja sogar von der sittenlosen Gassen- und Schuljugend gemaßregelt worden. Dafür bilden nun die mit vielfältigen Besätzen, Knöpfen, Zacken und Schnörkeln oft ganz zigeunermäßig ausstaffirten Unterkleider eine neue Industrie und jedenfalls sehen die »gerafften Damen« des 19. Jahrhunderts vernünftiger aus, als die »beschleppten«.

Ungarische Hüte und Barrett's trugen wir schon lange, ehe Oesterreich mit Ungarn in bekannter antigermanischer Weise zu coquettiren begann. Wir setzten sogar eine Zeit lang schwarze oder bunte lange Schleier an diese Hüte, welche wie Roßschweife hinten hinabhingen und bisweilen turbangleich um den Kopf des Hutes geschlungen wurden. Sollte dies wohl gar der Ausdruck einer noch zu bestimmenden Hochachtung vor den Pascha's von einem oder mehreren Roßschweifen gewesen sein? Wir glauben nicht, denn selbst die »Pforte« dürfte sich damals zu schmal für unsere Crinolinen erwiesen haben.

Auch die ungarischen Jäckchen und die Magyarenbesätze von Schnüren und Quasten erfreuen sich unserer aufrichtigen Sympathie. Als wir sie zu Zeiten mit Gold betreßt trugen, hätte uns der edle Zrini für hülfreiche Amazonen gegen die Türken nehmen können. Allein die Gesinnungen waren in unsern Trachten nie rein. Wir schielten bald rechts, bald links, hingen den Mantel nach dem Winde, drehten das Zeug nach den Schnitten und trugen daher nie rein ungarische, sondern halb türkische, halb griechische unbestimmbare Jäckchen und Besätze. Wir sind wie die Diplomaten. Wie's gerade paßt, so wird »zugeschnitten« und »besetzt«. Auch hat man den Frauen diplomatisches Talent nie absprechen können. Um unsere Unbestimmbarkeit zu vollenden, so tragen wir Westen, Hemdchen und Hemdenkragen mit gedruckten Pferdeköpfen, Cavaliermanschetten, Stulphandschuhe, als wollten wir uns duelliren, Herrenschlipse um den Hals, Absätze an den Stiefeln und schiefen Scheitel auf dem Kopfe. Für letztern Uebergriff haben sich jedoch die Männer längst gerächt. Seitdem wir den Scheitel schief tragen, furchen sie ihr Haar wie die Damen, in der Mitte der Stirn, und werden dadurch auch bisweilen unbestimmbar. Denn da wir Weste, dunkle frackähnliche Jäckchen, Schlipse etc. tragen, so kann einen im Theater sitzenden Herren z. B. nur der Schnurrbart vor der Schmach retten, in der Ferne für ein Weib gehalten zu werden. Sollte nach dem bekannten Ausspruche: Unsinn Du siegst! die Mode, wenn sie auf dem betretenen Wege fortfährt, nicht noch eines Tages befehlen, daß die Damenwelt angeklebte Bärte trage? Fürwahr, es giebt nichts Wunderlicheres, als eine in den oberen Etagen herrenmäßig angekleidete Dame zu sehen, welche Fächer und – Spazierstock trägt, wie ich in großen Badeorten das Glück hatte, es wahrzunehmen. Oft kam dann noch das Bouquet eines Verehrers hinzu und dafür überreichte sie ihm wohl gar den Stock, weil sie nicht alle drei Gegenstände zugleich in den Händen tragen konnte. Wo der Sonnenschirm blieb, weiß ich nicht mehr zu sagen. Auf dem Fächer war ein Hundekopf gemalt, am Barett trug sie einen Paradiesvogel, das Kleid war mit Schwalben heraufgerafft, die Knöpfe des Jäckchens zeigten unförmliche Käfer, den Knopf des Spazierstockes bildete der Kopf eines Affenpinschers, Pferdeköpfe waren auf Hemdenkragen und Manschetten gedruckt, und um die Menagerie oder den Zoologischen Garten zu vollenden, scherzte die thierfreundliche Dame mit einem wahrhaftigen lebendigen Kakadu. Dies ist die verderbliche Seite der Zoologischen Gärten und Aquarien, daß sich die thierfreundliche Richtung unserer Zeit auch auf die Kleidertrachten erstreckt. – Ja, Madame Mode ist ebenso confus in, als auf dem Kopfe. Welche Hutformen, oft nur Deckel mit Bändern, drückt sie uns jetzt auf unsere Puffscheitel, falschen Zöpfe und Chignons von grauenhafter Kropfform. Die Tyroler-, Schäfer- und Matrosenhüte sind noch die vernünftigsten darunter. Aber als wir die Matrosenhüte adoptirt hatten, konnten wir wieder nicht Anker genug bekommen. Einer am Hute genügte uns nicht, sie mußten auch auf die Matrosenjäckchen, ja sogar in die Zipfel und Ecken der Schleifen und Besätze genagelt werden. Diese Jäckchen und Hüte waren aber eine sinnige Tracht – endlich einmal! Sie kamen zu der Zeit zuerst auf, als die preußische und österreichische Flotte um den Besitz Schleswig-Holsteins mit Dänemark rang. So gedankenlos auch viele Frauenzimmer ihre Anker getragen haben mögen, für den denkenden Menschen lag doch in dem Anblick ein Sinn. Freilich steht zu befürchten, daß wir durch den nun vollendeten Krieg veranlaßt werden, gezogene Kanonen und Zündnadelgewehre an Hüten, auf Knöpfen, vielleicht gar im Haare zu tragen.

Und nun, o Naturfreund! was sagst Du zu unsern Haartrachten? Kann man etwas Ge- und Verpuffteres sehen? Unser eigenes Haar kommt kaum mehr in Betracht. Sonst verbarg eine Dame verschämt ein leider! nothwendiges falsches Zöpflein und frug die vertrauteste Freundin schüchtern, ob die Falschheit bemerkbar sei? Jetzt – haha! die Aufklärung ist vorgeschritten, aber auch die Aufklärung der Männer über unsern Betrug. Je mehr Beulen und Auswüchse am Kopfe hervorragen, je unverschämter, gleich plump ausgestopften Bälgen die falschen, mit Schaafwolle unterlegten Chignons sich am Hinterkopfe recken und strecken, desto eleganter und modischer die Coiffüre. Manche unserer Schwestern lassen sich eine ganze Wurstkammer am Hinterkopfe fertigen, so dicht liegen dort neben einander die runden, von dünnem Haar überzogenen Wülste. Eine naschige Katze hungrig obendrein, könnte schon einmal auf den naiven Gedanken kommen, wenn die Puffen mit guter Pommade getränkt sind, ihre Herrin rücklings anzubeißen. Freilich, ehe sie auf den wahren wirklichen Kopf gelangte, könnte sie lange speisen.

Nun betrachte man einmal an der Wand den Schatten eines so wohl aufgeputzten Damenkopfes von der Seite. Man wird glauben, eine ungeschlachte indische Gottheit vor sich zu haben.

Vorn über der Stirn erhebt sich auch ein ausgestopfter Cimborasso, an welchem unser Haar nur einen gleißnerischen Antheil hat. Vor einiger Zeit wurden diese Gebirge mit Thieren bevölkert, jetzt weniger, wo die gezogenen Kanonen und Zündnadeln – (eine zu dem alten ehrwürdigen Geschlechte der Nadeln neu hinzugekommene berühmte Nadel, welche die der Cleopatra, die Magnet-, Näh-, Haar-, Strick-, Stecknadeln etc. jetzt verdunkelt) in Aussicht genommen werden dürften. Manche Schöne, die bei'm Anblick einer gottgeschaffenen Spinne, Bremse oder Ameise Ohnmachten und Krämpfe bekommen haben würde, klebte sich gewissenhaft auf das Riesengebirge ihrer Coiffüre die vorgeschriebenen goldenen Insecten mit häßlichen weitausgestreckten Beinen und Fühlhörnern. Auch die Alten schmückten sich einst mit nachgeahmten Scarabäen (Roßkäfern), aber sie waren ihnen doch ein Sinnbild der Unsterblichkeit der Seele, woran bei uns Christen keine noch so sterbliche Sterbliche denkt, wenn sie sich mit Käfern und anderen Wandlungsthieren putzt.

Merkwürdig waren die langen Lockenchignons, die hinten hinab bis auf die Taille zu fallen hatten, woselbst sie sich an die langflatternde Schärpe anschlossen, welche sich wieder mit der staubaufwiegelnden Schleppe verband. Mit den langen Locken einer jugendlichen Mädchenleiche oder eines lebendigen, durch Armuth zum Verkauf ihres natürlichen Haarschmuckes gezwungenen schönen Kindes, verflocht man bei Ballcoiffüren, außer den früher erwähnten Vögeln, langhängende Blumen- und Moosgewinde, unterbrochen von kleinen Kränzen, auf deren Blumen wiederum Käfer, Bienen, spanische Fliegen und andere Bestien, die man lebendig mit dem Worte: horreur! von sich weist, herumspazierten. Im Allgemeinen ist es Gesetz, daß an der Damentoilette, wenn sie elegant und modern sein soll, Alles hänge und schleppe, so auch die Bänder und Spitzen, welche vom Kopfe und Halse herabhängen, und Zügeln oder Wimpeln auf Masten gleichen. Je nun – wer lang hat – doch Manche hat nicht lang und läßt doch lang hängen.

So schwebt, flattert, hängt denn Alles um die Dame herum, damit es ein wahres Kunststück für den heranrückenden Herrn sei, sich ohne Toilettenmajestätsverbrechen der Moderngekleideten zu einem Handkuß oder Tanz zu nahen. Fürwahr, Königin Mode muthet uns allzuviel Ungeheuerlichkeiten zu. Sinn für natürliche Schönheit, feinen Geschmack, praktischen Verstand legt sie nicht in unsere gegenwärtigen Toiletten. Nein! Carricatur, Effecthascherei, also Geschmacksverfall repräsentirt die Richtung, welche sie der Damentoilette gegeben hat. Kunterbunt vereint sie aus den Trachten aller Nationen und vergangener Zeiten das Widersprechendste, Auffallendste und entkleidet es seiner ursprünglichen Eigenthümlichkeit und Zweckmäßigkeit eben durch jene ungereimte willkürliche Zusammenstellung. Die launische, übermüthige Herrscherin verurtheilt sich und ihren Geschmack jedoch selbst, indem sie nur eine, und zwar die schönste, der menschlichen Körperbildung würdigste Tracht nicht aus langem marmor'nen Todesschlaf erweckt und wieder an's Sonnenlicht hervorruft: die antike.

Zwar eine Art griechisches Peplum taucht bereits auf. Wer weiß, was folgt? Doch, wenn es folgt, dürfen wir uns nicht schmeicheln, daß es mit der an den Alten zu rühmenden Einfachheit und Decenz auftreten werde. Am wünschenswerthesten erscheint: Emancipation der deutschen von der französischen Mode. All' die gerügten Gesetze giebt uns doch nur das französische Modejournal. Wär' es nicht an der Zeit, während das stolze Frankreich, durch die kriegerischen Vorgänge in Deutschland bewogen, den Entschluß gefaßt hat, seine Armee, die es für die erste der Welt hielt, zu reorganisiren, daß endlich auch einmal deutsche Mode in Paris und nicht Pariser in Deutschland nachgeahmt würde?

Oder wären unsere deutschen Modedamen zu arm an Geschmack und Phantasie für eine solche Gesetzgebung? Wir sind vom Gegentheil überzeugt, wie wir von unsern deutschen Schwestern stets das Beste denken, ja wir glauben sogar, daß sich auch auf diesem Felde bald ein originaler deutscher Geist entwickeln würde, und gewiß zum Vortheile deutscher Gesinnungstüchtigkeit, denn das Kleid war noch nie ohne Einfluß auf den inwendigen Menschen.


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