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Kapitelvignette

Ausklang

Weimar, im Mai 19l7.

Am Park von Weimar hat der Verfasser dieses Buch begonnen; er schließt es am Park von Weimar. Nicht mehr als Gast im ehemaligen Hause der Frau von Stein, wohl aber eingebürgert in einer Villa der Belvedere-Allee. Und nicht mehr allein: denn an meiner Seite sitzt die Waldfrau vom Wasgenwalde, jetzt mein Weib Marie Elisabeth. Die Elsässerin stickt, der Elsässer schreibt, und der spät und kühl emporblühende Mai dieses dritten Kriegsjahrs bemüht sich, ein wenig Grün und Vogelsang hervorzuzaubern.

Es war eine Pause in meinen Arbeiten, als ich mich zur klärenden Rückschau auf diese ersten fünfundzwanzig Lebensjahre entschloß. Die Stockung hatte ihren Grund. Der Leser meines Romans »Der Spielmann« (Sommer 1913) kennt den Grund: ich empfand den Weltkrieg als eine unmittelbar bevorstehende Völker-Erschütterung und Zeitenwende.

Nun spricht der Krieg sein monumentales Wort. Einst dröhnte Kanonendonner von Wörth in meine Kinderjahre; den Mann erschüttelte die schwerere Kanonade vom Hartmannsweiler Kopf. Zwischen einst und jetzt, in diesen vier Jahrzehnten, war Europa eine ununterbrochene Spannung, ein wirtschaftlicher Wettbewerb, ein Wettrüsten zu Land und See, ein lastender Materialismus, ein Netz von Drähten und Schienen, ein Niederwuchten der Seele und Emporpeitschen der Sinne – großartig in der äußeren Aufmachung!

Dieser Großartigkeit entspricht nun die Großartigkeit der Vernichtungsmittel und der Vernichtungswut.

Ich habe demgegenüber Bund gesucht mit den Meistern der Stille. Jetzt verstehe ich meine Einsamkeit. Und verstehe das Leid und den Unfrieden, die insgeheim durch unsere Dichtung bebten, soweit sie nicht im sinnlichen Flackerfeuer aufging. Es war eine vierzigjährige Wanderung durch Wüste. Die Seele hungerte. Das hat schon den Studenten und Hauslehrer zu Boden gebeugt, wenn er vergebens im Zeitgeist Liebe suchte: der Hunger nach Seele, die Sehnsucht nach den Meistern der Weisheit, nach den Engeln der Güte.

»Nach Liebe suchend – und immer die Larven.
Die verfluchten Larven finden und zerbrechen müssen!«
War es die tiefste Ursache von Nietzsches Zusammenbruch?

Saß nicht der Geisteskranke da oben in der Villa am »Silberblick« und blickte mit müden Augen auf Weimar?

 

Ich erzähle zum Ausklang kurz das Schaffen meiner zweiten fünfundzwanzig Lebensjahre.

Das Ringen um Berlin mißlang. Wohl biß der Zeitungsschreiber die Zähne zusammen und schlug sich sorgenfrei durch: verdiente mit der Linken sein Geld, baute mit der Rechten seine Welt. Fernfahrten nach Norwegen, Schottland usw. bewahrten nebst menschlichen Erlebnissen vor Verknöcherung. Die »Heimatkunst« ward als Mittel zur Beseelung begrüßt, doch als zu äußerlich mit Bedauern wieder abgelehnt. Und sobald es der Ertrag meiner ersten Bücher gestattete, wurden die Literatenwirbel der Hauptstadt verlassen und die Flucht in Wald, Freiheit und stilles Menschentum bewerkstelligt (1903).

Drei Jahre hindurch war ein Thüringer Waldhaus meine Heimat.

Der Wald hat Seele. Der Wald mit seinen Geheimnissen bot dem Erschöpften Balsam. Wald und Welt stellten sich ja schon in meinen Erstlingswerken in Gegensatz. Aus Waldwanderungen ist das erste Buch entstanden, das mein eigentliches Gepräge trägt: die »Wasgaufahrten« (1895); fast gleichzeitig die Dramen »Gottfried von Strasburg« und »Odilia«. Ein Dichter und eine Heilige waren hier behandelt, meine zwei liebsten Lebenszustände. Diesen elsässischen Stoffen entsprachen dann in Thüringer Waldeinsamkeit das »Thüringer Tagebuch« (1903) mit der »Wartburgtrilogie«. Gottfrieds Zusammenstoß kehrt wieder im »Heinrich von Ofterdingen«; das Heiligenproblem der Elsässerin Odilia wiederholt sich in der Thüringerin Elisabeth, ergänzt durch »Luther auf der Wartburg«.

So suchte sich, gestaltend und rhythmisierend, meine Seele gegen die Außenwelt auf einer stillen Lebensburg zu behaupten. Im Stich gelassen von einer im Sinnlichen wühlenden Umwelt, suchte der Einsiedler Bestätigung bei den Meistern der Vonvelt. Dies ist der Entstehungsgrund des sechsbändigen Wertes »Wege nach Weimar« (1905–1908). Der Lebensbegriff »Weimar« trat in Gegensatz zum Literaturbegriff »Berlin«.

So ist auch mein dramatisches Ringen zum guten Teil Selbstbefreiung. Wie schon »Eulenspiegel« ins Freie gestrebt, ohne »Münchhausens« unbittres Lächeln zu finden; wie »König Arthur« in Entartungszeiten sein königliches Menschentum wahrt: so schmiedet »Wieland der Schmied« seine Flügel, und »Odysseus« erringt sein Ithaka.

Im Jahre 1906 war ich nach Straßburg gezogen, um den kränkelnden Vater in der Erziehung der Stiefgeschwister zu unterstützen. Aber die Thüringer Waldklause wurde daneben beibehalten. Und so wechselte, bis in den Krieg hinein, mein Wohnen und Schaffen zwischen Elsaß und Thüringen.

Aus diesem Fadenspinnen und den damit verknüpften Erlebnissen ergab sich mein Kulturroman »Oberlin« (1910), dessen Keim schon in den »Wegen nach Weimar« steckt.

Mutter Natur ist listig genug, durch Gegnerschaften Kräfte zu üben. Sie hat auch mir gegenüber diesen Kniff in Anwendung gebracht, wofür ich ihr dankbar bin. Ich habe nicht selten die Fäuste geballt, wenn man allenfalls meine Gesinnung gelten lieh auf Kosten des Künstlers; wenn man versuchte, mein Ringen um organisch gewachsenes Denken, um edelnatürliches Dichten, um Geschlossenheit der Lebensgestaltung etwa als eine Art Moralismus zu bemängeln, während man die Moralisten Ibsen und Strindberg anhimmelte. Deutschland war vor dem Kriege durch Ausländerei um seine besten Instinkte geprellt. Nun, wir werden uns nach diesen furchtbaren Erschütterungen mit mehr Anmut und Würde über unser deutsches Geistesgut verständigen. Und ich hoffe, daß neben den Heldenhainen sich Hallen der Freundschaft aufbauen werden, wo man in stillwirtenden Lebens- und Arbeitsgemeinschaften an der Reichsseele mitschaffen und das Gralsgeheimnis verkünden wird.

 

Ich erlebte die ersten Wochen des Weltkriegs in Thüringen, die nächsten im Elsaß. Alter und Gesundheit erlaubten keine soldatische Mitwirkung. In Schriften und Aufsätzen wurde für die deutsche Westmark gewirkt. Dafür zogen meine jungen Stiefbrüder hinaus. Einer steht als Jägerleutnant in den Karpathen; ein andrer ist bei Ypern gefallen. Daß ein dritter seinem Siechtum erlegen, nachdem uns der Vater schon früher verlassen; daß auch sonst allerlei Menschenleid das muntre Häuflein von einst heimsuchte: das gehört nicht weiter hierher. Tod und Tragik schreiten jetzt mit andrem Schrittmaß über die Erde.

Doch von schlichtmenschlichen Freuden möge zur Abrundung noch zu plaudern gestattet sein!

Ich habe mir zum fünfzigsten Geburtstag selber das beste Geschenk zugeführt, indem ich die oft in diesen Blättern genannte Elsässerin heimführte. Nach zwölf Diakonissenjahren war sie in Privatkrankenpflege übergegangen und grade in Sedan tätig, als der Weltkrieg sie und mich zu trennen drohte. Mit Mühe gelang es, die elsässische Französin herüberzuholen. In der Elisabethenstadt Eisenach wurden die Trauringe gekauft; auf dem Straßburger Rathause die standesamtliche Trauung vorgenommen: Elsaß und Thüringen grüßten sich auch hier.

Am Abend zuvor hatte die Festvorstellung meines »Odysseus auf Ithaka« stattgefunden; unter Geschenken an meine Getreue brachte der andre Tag ein Bild der Penelope. Am gleichen Sonntag trug mir die Universität in feierlicher Lederkapsel den Ehrendoktortitel ins Haus: so wurde der Mißklang, mit dem ich einst Hochschule und Geliebte verlassen hatte, an demselben Tage in Harmonie verwandelt. Die kirchliche Trauung vollzog sich im Pfarrhause von Jung-Sankt-Peter. Und abermals eine sinnige Fügung: derselbe Geistliche, in dessen Kirchlein im Hochlandsdorf Büst ich einst als blutjunger Student zum ersten und einzigen Male den Talar getragen hatte, legte nun unsre Hände segnend ineinander.

Dankend nahm ich die Liebe an, die zu jenem Geburtstag von vielen Seiten heranströmte. Denn ich hatte die Empfindung: das gilt nicht deiner Person, das gilt weit mehr einer der Formen und Möglichkeiten des deutschen Ideals, dem ich zu dienen suche. In solchem Sinne ließ ich den Mitarbeitern der Festschrift – die eines jungen Göttinger Gelehrten persönlichstes Werk war –, anknüpfend an einen brieflichen Zuruf des verstorbenen Ernst von Wildenbruch aus seiner »Villa Ithaka« in Weimar, folgendes Dankwort zugehen:

Einer schrieb mir einmal, ein Dichter, der sich in Weimar
Spät noch ein Ithaka schuf, aber nicht lange genoß:
» Ihnen Gutes wünschen, heißt Gutes wünschen den Deutschen«...

Freunde, mich rührte das Wort, wie mich kein zweites gerührt.
Laßt mir auch heute den Stolz, zu sagen: Indem ihr mich ehrtet,
Habt ihr das Ganze geehrt, denn ihr habt Deutschland gemeint!

 

Ich hatte das Glück, meine Elsässerin noch meiner ältesten thüringischen Freundin und Vertrauten zuführen zu dürfen: Adelheid von Schorn. Die beiden Frauen schlossen sich rasch ins Herz. Doch die Greisin verließ uns schon am 7. Dezember 1916.

Gewiß besagt ja der Name der Stiftsdame Adelheid von Schorn, in diese hochgespannte Zeit geworfen, weiter nichts Belangreiches. Ihre beiden Bücher – »Das nachklassische Weimar« und besonders »Zwei Menschenalter« – haben einen Ehrenplatz in unsren Erinnerungswerten. Aber das Wertvollste an ihrer Gesamterscheinung war doch die Seele: das Menschentum.

Sie war eine Persönlichkeit. Ich kannte sie seit mehr als sechzehn Jahren. Die Bekanntschaft wurde zuletzt eine enge Freundschaft. Wenn ich nach Weimar kam, war mein erster Gang an den Fernsprecher: Anmeldung bei »Tante Adelheid«. Ihr galt mein erster und mein häufigster, ja fast täglicher Besuch. Ihre Stube war übervoll von Zeichen der Freundschaft erlesener Menschen. Und überall Blumen zwischen den Bildnissen und der sorgsamen Bücherei.

Darin sah eine Herrin im wahren Sinne des Wortes. Denn sie wußte ihr Leben zu meistern; und zwar in einfachen, graden Linien, mit einer an das Griechische gemahnenden Architektur. Aber gründlich eingedeutscht; ohne jeden undeutschen Beigeschmack.

Sie war ihrer selbst und ihrer ruhig beherrschten Umwelt unbedingt sicher. So weckte sie Vertrauen; es ging Wärme, Festigkeit, Klarheit von ihr aus. Sie war ein Talent des Zuhörens und der klaren Beratung. Durch ihre herüberwirkende Ruhe war man gezwungen, sich deutlich zu fassen; so klärte man sich schon durch die Aussprache. Unbeweglich, ein wenig angelehnt, saß sie in ihrer weiten luftigen Kleidung, hatte ihre feinen, schlanken Hände über der Decke gefaltet, schaute mit unbestechlichen Blicken und geschlossenem, schmalem Munde den Besucher an und lauschte mit Teilnahme. Die Augen hatten, durch die seitliche Neigung, etwas Prüfendes. Dann klang ihre weiche, gute Stimme, die aber manchmal von einem kurzen, harten Auflachen und einer kräftigen Bemerkung durchbrochen werden konnte. Verstiegenheiten lehnte sie ab; Lüge und Umnebelungen jeder Art waren ihr zuwider; Sentimentalität erst recht. Ihr Grundzug war harmonische Geschlossenheit und Beherrschtheit des Charakters; und im Bunde damit eine schöne Güte.

Geistig war die Freundin eines Franz Liszt und der Fürstin Wittgenstein auf zwei Lebensmächte eingestellt: auf Bayreuths Kunst und auf den Bismarckschen Reichsgedanken. Ich habe sie als »Tante Adelheid« in meinen »Spielmann« eingeführt. Helene Böhlau hat ihr, unter dem Namen Magelone von Geldern, in der »Isebies« ein Denkmal gesetzt. Daß mir Weimar kein Literaturbegriff wurde, daß ich vielmehr das, was ich unter diesem symbolischen Namen zusammenzufassen pflege, von ganzem Herzen erlebt und errungen habe: daran hat Adelheid von Schorn, die Enkelin der Elsässerin Oktavie von Berckheim und die Tante eines Heinrich von Stein, das wesentliche Verdienst.

Das Erbbegräbnis der Familie Schorn auf dem voll und reich hügelan blühenden Friedhof von Weimar grenzt an die Begräbnisstätte der Familie Goethe. Maiglöckchen aus dem Bezirk des edlen Kunsthistorikers und seiner ebenbürtigen Gattin wachsen durch das Gitter hindurch auf das Goethegelände hinüber. Anmutige Huldigung der Gegenwart an die große Vergangenheit!

 

Und nun noch einmal ins Elsaß zurück!

Hat dieses Buch mit meines Vaters Verlobung begonnen, so sei es beschlossen mit einem Blick der Ehrfurcht auf Vaters Tod!

Wenige Tage vor seinem Hingang feierten wir noch in stiller Wehmut den letzten Geburtstag des Todgeweihten. Aus dem Nachbarzimmer sangen wir ihm mit gedämpften Stimmen seinen Lieblingschoral »Nun danket alle Gott«; dann versammelten wir uns um sein Bett. Ich setzte mich zu ihm und sprach ihm in unsrer gewohnten elsässischen Mundart unser aller Dank aus, den ich dann in ein Gedicht zusammenfaßte:

Manchmal, wenn ich es dankend bedacht,
Mein Vater, wie treu du für uns gewacht,
Gesorgt, gekämpft, ein tapfrer Mann,
Fängt es leise zu läuten an.
Vom Walde kommt es, schwer und tief:
Ingweiler, das uns zur Kirche rief
Nachts um Silvester, wenn weitum schlief
Das Mondscheinland, vom Schnee verschönt;
Die Schillersdörfer Glocke tönt,
Offweiler läutet, ein singender Hauch,
Das Glöckchen von Rothbach meldet sich auch –
So läuft am beseelten Gebirg entlang
Glockenklang:
Glocken der irdischen Heimat.

Mein lieber Vater, gedenken wir dein,
So fallen uns all deine Sorgen ein;
Aber zugleich auch, sieghaft schön,
Tönt es wie Glocken auf Hügeln und Höhn.
Es sind nicht Glocken von irdischer Hand,
Nicht Kirchturmstimmen vom Hanauer Land;
Wir wußten schon damals und wissen es heut':
Vater vernimmt noch ein ander Geläut';
Das wohnt hoch über dem Abendrot,
Hoch über der Nacht, hoch über dem Tod.
Was dich geführt und beseligt hat,
Das sind die Glocken der inneren Stadt,
Das sind die Töne von ewigem Klang,
Sphärengesang –
Glocken der himmlischen Heimat.

Der Greis in seinen Kissen war sehr bewegt. Er konnte schon seit Wochen bei aller Geistesfrische, die ihm bis zuletzt treu geblieben, nicht mehr sprechen, nur noch flüstern. So hatte er denn jedem seiner Kinder ein kurzes Abschiedswort mit Bleistift auf ein Zettelchen geschrieben, das er uns nun einzeln mit einem Händedruck überreichte. Dann machte er eine gleichsam segnende Handbewegung in die Runde und flüsterte: »Ich dank' euch allen.« Wir gingen tief ergriffen hinaus; er mußte sich – so schwach wie er war, zum Körper eines Kindes abgemagert – den übrigen Tag ruhig verhalten. Ich hatte ihm die vorausgedruckten zwei ersten Kapitel des »Oberlin« auf die Decke gelegt; er war der erste, der sie las. Mir hat er seinen väterlichen Segen in das für seine Denkart bezeichnende Wort zusammengefaßt: »Du hast dich in den Dienst der höchsten Ideale gestellt und Großes erreicht. Halte aus, und dein Name wird zu hohen Ehren kommen. Immer demütig bleiben. Dein schwer kranker, dir ewig dankbarer Vater.«

Als er am Vormittag des 1. August 1909 starb, läuteten die Sonntagsglocken; es war wie ein letzter Gruß von den Hügeln von Rothbach.

Ich verlor in ihm meinen besten Freund. Bei meiner einsamen Stellung in der Literatur war mir die Aussprache mit ihm sachlich und menschlich von großem Wert; all mein Schaffen und Sorgen hat er innig mitzuleben sich bemüht. So dehnte sich ein weites Abendrot um sein Lebensalter; Gedanken und Gestalten traten in seinen Gesichtskreis, von denen er auf seinem engen Dorfe nie eine Ahnung gehabt hätte. Diese versöhnlich und dankbar ausklingenden Jahre zähle ich zu den schönsten und seelisch reichsten meines Lebens. Man darf im Werdegang dieses elsässischen Dorfschulmeisters vom Wasgau nach Weimar etwas Vorbildliches ehren.

 

Heute sehe ich in meinem Pfadsuchen zwischen Elsaß und Thüringen vollends klar die bedeutsame Symbolik. Es war ein Wandern nicht nur vom Grenzland ins Binnenland, sondern zugleich von der Außenwelt zu den Meistern der Stille.

Lagarde hat eine tiefe Wahrheit geahnt, als er das Wort schrieb: »Es gibt Augenblicke in jedes Menschen Leben, in welchen er eines Planes gewahr wird, der durch sein Dasein hindurchgeht, eines Planes, den nicht er entworfen hat und den nicht er ausführt, dessen Gedanke ihn gleichwohl entzückt, als habe er ihn selbst gedacht, dessen Ausführung ihn Segen und allereigenste Förderung deucht ... Der Meißel tut weh, der aus dem empfindenden Blocke den Gott herausschlägt: je weiter aber der Stahl in seiner Arbeit vorgeschritten, desto stiller hält der Marmor, der sich schon über die aus der Natur erstehende Geistesgestalt freut.«

Dieses »Stirb und werde!« steht als Leitwort über jeder tiefgründigen Lebensauffassung, schon von meinem Landsmann Tauler und seinem Meister Eckehart sprachfein geprägt – und jetzt wieder verstanden in diesem Weltkrieg. Die Gottheit hämmert und meißelt an uns. Gewiß hat sie ihren Plan. Wir wollen ihr vertrauen.


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