Gotthold Ephraim Lessing
Der junge Gelehrte
Gotthold Ephraim Lessing

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Fünfter Auftritt

Damis. Chrysander.

Chrysander. Der verzweifelte Valer! er hätte mir zu keiner ungelegnern Zeit kommen können. Muß ihn denn der Henker eben heute von Berlin zurückführen? Und muß er sich denn eben gleich bei mir anmelden lassen? Hui daß – – Nein, Herr Valer, damit kommen Sie zu spät. – – Nun mein Sohn – (Damis steht zerstreut, als in tiefen Gedanken.) Hörst du, mein Sohn?

Damis. Ich höre; ich höre alles.

Chrysander. Kurz, du merkst doch, wo ich vorhin hinauswollte? Einem Klugen sind drei Worte genug. Sapienti sat! sagen wir Lateiner. – Antworte doch –

Damis (noch immer als in Gedanken). Was ist da zu antworten? – –

Chrysander. Was da zu antworten ist? – Das will ich dir sagen. – Antworte, daß du mich verstanden; daß dir mein Antrag lieb ist; daß dir Juliane gefällt; daß du mir in allem gehorchen willst. – Nun, antwortest du das? –

Damis. Ich will gleich sehn – (Indem er in der angenommenen Zerstreuung nach einem Buche greift.)

Chrysander. Was kann in dem Buche davon stehen? – Antworte aus dem Herzen und nicht aus dem Buche. – – Ex libro doctus quilibet esse potest; sagen wir Lateiner. – –

Damis (als ob er in dem Buche läse). Vollkommen recht! Aber nun wie weiter? –

Chrysander. Das weitere gibt sich, wie 's Griechische. Du sagst ja; sie sagt ja; damit wird Verlöbnis; und bald darauf wird Hochzeit; und alsdenn – – Du wirst schon sehen, wie's alsdenn weitergeht. – –

Damis. Wenn nun aber diese Voraussetzung – (Immer noch als ob er läse.)

Chrysander. Ei, ich setze nichts voraus, was im geringsten zweifelhaft wäre. Juliane ist eine Waise; ich bin ihr Vormund; ich bin dein Vater; was muß mir angelegner sein, als euch beide glücklich zu machen? Ihr Vater war mein Freund und war ein ehrlicher Mann, obgleich ein Narr. Er hätte einen honetten Bankerott machen können; seine Gläubiger würden aufs Drittel mit sich haben akkordieren lassen; und er war so einfältig und bezahlte bis auf den letzten Heller. Wie ist mir denn? hast du ihn nicht gekannt?

Damis. Von Person nicht. Aber seine Lebensumstände sind mir ganz wohl bewußt. Ich habe sie, ich weiß nicht in welcher Biographie, gelesen'

Chrysander. Gelesen? gedruckt gelesen?

Damis. Ja, ja; gelesen. Er ward gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts geboren und ist, etwa vor zwanzig Jahren, als Generalsuperintendent in Pommern gestorben. In orientalischen Sprachen war seine vornehmste Stärke. Allein seine Bücher sind nicht alle gleich gut. Dieses ist noch eines von den besten. Eine besondere Gewohnheit soll der Mann an sich gehabt haben – –

Chrysander. Von wem sprichst denn du?

Damis. Sie fragen mich ja, ob mir der Verfasser dieses Buchs bekannt wäre?

Chrysander. Ich glaube, du träumest; oder es geht gar noch etwas Ärgers in deinem Gehirne vor. Ich frage dich, ob du Julianens Vater noch gekannt hast?

Damis. Verzeihen Sie mir, wann ich ein wenig zerstreut geantwortet habe! Ich dachte eben nach, – – warum wohl die Rabbinen – – das Schurek M'lo Pum heißen.

Chrysander. Mit dem verdammten Schurek! Gib doch auf das acht, was der Vater mit dir spricht! – – (Er nimmt ihm das Buch aus der Hand.) Du hast ihn also nicht gekannt? Ich besinne mich; es ist auch nicht wohl möglich. Als er starb, war Juliane noch sehr jung. Ich nahm sie gleich nach seinem Tode in mein Haus, und Gott sei Dank! sie hat viel Wohltaten hier genossen. Sie ist schön, sie ist tugendhaft; wem sollte ich sie also lieber gönnen als dir? Was meinst du? – – Antworte doch! Stehst du nicht da, als wenn du schliefest! – –

Damis. Ja, ja, Herr Vater. Nur eins ist noch dabei zu erwägen. – –

Chrysander. Du hast recht; freilich ist noch eins dabei zu erwägen: ob du dich nämlich geschickt befindest, bald ein öffentliches Amt anzunehmen, weil doch – –

Damis. Wie? geschickt? geschickt? Sie zweifeln also an meiner Geschicklichkeit? – Wie unglücklich bin ich, daß ich Ihnen nicht sogleich die unwidersprechlichsten Beweise geben kann! Doch es soll noch diesen Abend geschehen. Glauben Sie mir, noch diesen Abend. – – Die verdammte Post! Ich weiß auch nicht, wo sie bleibt.

Chrysander. Beruhige dich nur, mein Sohn. Die Frage geschahe eben aus keinem Mißtrauen, sondern bloß weil ich glaube, es schicke sich nicht, eher zu heiraten, als bis man ein Amt hat; so wie es sich, sollte ich meinen, auch nicht wohl schickt, eher ein Amt anzunehmen, als bis man weiß, woher man die Frau bekommen will.

Damis. Ach, was heiraten? was Frau? Erlauben Sie mir, daß ich Sie allein lasse. Ich muß ihn gleich wieder auf die Post schicken. Anton! Anton! Doch es ist mit dem Schlingel nichts anzufangen; ich muß nur selbst gehen.


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