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Elftes Kapitel

Was nach dem Tode des Grafen-Herzogs im Schloß von Loeches geschah, und wozu Santillana sich entschloß.

 

Der Minister wurde, wie er es angeordnet hatte, ohne Pomp und Aufsehn unter dem Laut unsrer Klagen im Kloster begraben. Nach der Leichenfeier ließ die Gräfin von Olivares uns das Testament vorlesen, und alle Bedienten konnten zufrieden sein. Jeder erhielt ein seiner Stellung entsprechendes Legat, und das geringste betrug zweitausend Taler. Meins war das höchste: der Minister hinterließ mir als Zeichen seiner sonderbaren Zuneigung zu mir zehntausend Pistolen. Er vergaß auch die Spitäler nicht und stiftete in mehreren Klöstern jährliche Seelenmessen.

Die Gräfin von Olivares schickte alle Dienstboten nach Madrid, um bei dem Verwalter Don Raimondo Caporis, der Befehl hatte, sie auszuzahlen, ihre Legate zu erheben; aber ich konnte nicht mit ihnen aufbrechen: ein heftiges Fieber, die Frucht meines Kummers, hielt mich noch sieben bis acht Tage im Schloß zurück. Derweilen ließ mich der Dominikanerpater nicht im Stich. Der gute Mönch hatte mich liebgewonnen, und da er an meinem Heil teilnahm, fragte er mich, als ich in der Besserung war, was ich beginnen wollte. Ich weiß es nicht, ehrwürdiger Vater, erwiderte ich; ich bin mir darin noch mit mir selber nicht einig: mitunter bin ich in Versuchung, mich in einer Zelle einzuschließen, um Buße zu tun. Kostbare Augenblicke! rief der Dominikaner aus; Herr von Santillana, Ihr tätet gut daran, sie zu benutzen. Ich rate Euch als Freund, ohne daß Ihr deshalb Weltlicher zu sein aufhören müßtet, Euch zum Beispiel in unser Madrider Kloster zurückzuziehn, Euch durch eine Schenkung all Eurer Habe zu seinem Wohltäter zu machen und unter dem Gewande des heiligen Dominikus zu sterben. Viele Menschen sühnen durch ein solches Ende ein weltliches Leben.

In meiner Geistesverfassung empörte mich der Rat des Mönchs nicht und ich antwortete Seiner Ehrwürden, ich würde darüber meine Erwägungen anstellen. Aber als ich Scipio zu Rate zog, den ich bald nach dem Pater sah, erhob er sich gegen diesen Gedanken, der ihm als eine Krankenidee erschien. Pfui! Herr von Santillana, sagte er, kann Euch eine solche Zuflucht schmeicheln? Bietet Euch Euer Schloß in Lirias nicht eine angenehmere? Wenn Ihr schon früher von ihm entzückt wart, so werdet Ihr jetzt, in einem Alter, das eher geeignet ist, um sich von den Schönheiten der Natur ergreifen zu lassen, all seine Reize noch mehr genießen.

Es wurde Scipio nicht schwer, mich von meiner Meinung abzubringen. Mein Freund, sagte ich, du schlägst den Dominikanerpater. Ich sehe wirklich, ich werde besser daran tun, nach Lirias zurückzukehren; ich bleibe dabei. Wir wollen aufbrechen, sobald ich dazu imstande bin. Es dauerte nicht mehr lange; denn da ich kein Fieber mehr hatte, so fühlte ich mich in Kürze kräftig genug, um meinen Entschluß auszuführen. Wir begaben uns nach Madrid. Der Anblick dieser Stadt machte mir nicht mehr soviel Vergnügen wie ehemals. Da ich wußte, daß fast all ihre Einwohner das Andenken eines Ministers, dem ich die zärtlichste Erinnerung bewahrte, haßten, so konnte ich sie nicht mit gutem Auge ansehn: ich blieb daher auch nur fünf bis sechs Tage dort, die Scipio für die Vorbereitungen zu unsrer Reise nach Lirias verwandte. Während er an unsre Ausrüstung dachte, suchte ich Caporis auf, der mir mein Legat in Dublonen gab. Ich ging auch zu den Schatzmeistern der Ordensgüter, auf die ich Pensionen hatte, und traf wegen der Zahlungen Abrede mit ihnen; kurz, ich ordnete all meine Angelegenheiten.

Am Tage vor unsrem Aufbruch fragte ich Scipio, ob er von Don Henrico Abschied genommen habe. Ja, erwiderte er, wir haben uns heute morgen in Güte getrennt; er hat mir freilich gesagt, es täte ihm leid, daß ich ihn verließe; aber wenn er mit mir zufrieden war, so war ich es keineswegs mit ihm. Es genügt nicht, wenn der Diener dem Herrn gefällt, der Herr muß auch dem Diener gefallen, sonst passen sie schlecht zusammen. Übrigens, fuhr er fort, spielt Don Henrico bei Hofe nur noch eine jämmerliche Rolle; er ist der äußersten Verachtung verfallen: man zeigt auf der Straße mit Fingern nach ihm, und man nennt ihn nur noch den Sohn der Genueserin. Sagt selber, ob es sich für einen Burschen von Ehre schickt, einem entehrten Manne zu dienen.

Endlich fuhren wir eines schönen Tages mit Sonnenaufgang aus Madrid davon und schlugen den Weg nach Cuenza ein. Der Aufzug fuhr in folgender Ordnung. Mein Vertrauter und ich, wir saßen in einer Kutsche, die von zwei Maultieren gezogen und von einem Postillon gelenkt wurde; drei Maultiere folgten uns unmittelbar, beladen mit unserm Gepäck und unserm Gelde, geführt von zwei Knechten; dann kamen zwei Lakaien, die Scipio ausgesucht hatte, bis an die Zähne bewaffnet, auf zwei Maultieren; auch die Knechte trugen Säbel, und der Postillon hatte zwei gute Pistolen am Sattelbogen hängen. Da wir sieben Menschen waren, unter denen sechs sehr entschlossene Leute waren, so machte ich mich heiter auf den Weg, ohne für mein Legat zu fürchten. In den Dörfern, durch die wir kamen, ließen unsre Maultiere stolz ihre Glöckchen erklingen, die Bauern liefen an ihre Türen, um unsern Zug zu sehn, und er erschien ihnen mindestens als der eines Granden, der einen Vizekönigsthron besteigen wollte.


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