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Neuntes Kapitel

Von der Unruhe und den Sorgen, die zunächst den Frieden des Grafen-Herzogs störten, und von der glücklichen Ruhe, die ihnen folgte. Von den Beschäftigungen des Ministers in seiner Zurückgezogenheit.

 

Die Gräfin von Olivares ließ ihren Mann nach Loeches aufbrechen und blieb noch einige Tage am Hofe zurück, um zu versuchen, ob sie durch Bitten und Tränen seine Wiederberufung erreichen könne; aber so oft sie sich auch Ihren Majestäten zu Füßen warf, der König beachtete ihre kunstvoll vorbereiteten Vorstellungen nicht, und die Königin, die sie tödlich haßte, sah ihre Tränen mit Vergnügen fließen. Die Gattin des Ministers ließ sich nicht abschrecken, sie demütigte sich so weit, daß sie die Vermittlung der Damen der Königin anflehte; aber die Frucht ihrer Erniedrigung war einzig die Einsicht, daß sie mehr Verachtung als Mitleid verdiente. Trostlos, all die demütigenden Schritte umsonst getan zu haben, stieß sie zu ihrem Gatten, um mit ihm über den Verlust einer Stellung zu trauern, die unter einer Herrschaft wie der Philipps IV. vielleicht die erste der Monarchie war.

Der Bericht, den diese Dame von dem Zustand gab, in dem sie Madrid verlassen hatte, verdoppelte den Kummer des Grafen-Herzogs. Eure Freunde, sagte sie weinend, der Herzog von Medina-Coeli und die andern Großen, die Euch hassen, loben den König unaufhörlich, daß er Euch vom Ministerium entfernt hat, und das Volk feiert Euern Sturz mit unverschämter Freude, als hänge das Ende der Mißgeschicke des Staates von dem Eurer Verwaltung ab. Frau Gräfin, sagte mein Herr, folgt meinem Beispiel, schluckt Euren Schmerz hinunter; man muß vor dem Gewitter weichen, das man nicht abwenden kann. Ich hatte freilich geglaubt, ich könnte meine Gunst bis zum Schluß meines Lebens verlängern: die gewöhnliche Täuschung der Minister und Günstlinge, die vergessen, daß ihr Los von ihrem Souverän abhängt. Hat sich der Herzog von Lerma nicht auch wie ich täuschen lassen, obgleich er glaubte, der Purpur, den er trug, sei eine sichere Bürgschaft für die ewige Dauer seiner Macht?

So ermahnte der Graf-Herzog seine Gattin, sich mit Geduld zu wappnen, während er selber in einer Aufregung war, die täglich aus den von Don Henrico gesandten Depeschen neue Nahrung sog; denn dieser Adoptivsohn war am Hofe geblieben, um zu beobachten, was vorging, und hielt ihn genau auf dem Laufenden. Scipio brachte die Briefe des jungen Herrn, bei dem er immer noch war, während ich ihn seit seiner Heirat mit Doña Juana verlassen hatte. Seine Depeschen waren stets schlimmer Nachricht voll, und unglücklicherweise erwartete man schon keine andern mehr. Bald schrieb er, die Großen begnügten sich nicht mehr damit, sich öffentlich über den Rückzug des Grafen-Herzogs zu freuen, sie hätten sich sämtlich vereinigt, seine Geschöpfe aus ihren Ämtern und Stellungen zu verjagen, die sie mit seinen Feinden besetzten. Ein andres Mal schrieb er, Don Luis de Haro gewinne sich die Gunst, und allem Anschein nach werde er erster Minister werden. Von allem Traurigen, was sein Herz erfuhr, schien ihn am meisten der Wechsel im Vizekönigtum Neapel zu betrüben, das der Hof einzig, um ihm Schmerz zu bereiten, dem Herzog von Medina de las Torres, den er liebte, nahm, um es dem Admiral von Kastilien zu verleihen, den er von je gehaßt hatte.

Man kann sagen, drei Monate lang hatte Seine Exzellenz in der Einsamkeit nur Unruhe und Kummer; aber sein Beichtvater, ein Dominikanermönch, der männliche Beredsamkeit mit unerschütterlicher Frömmigkeit verband, besaß die Kraft, ihn zu trösten. Er stellte ihm energisch vor, er dürfe nur noch an sein Seelenheil denken, und es gelang ihm mit Gottes Hilfe, seine Gedanken vom Hofe abzulenken. Seine Exzellenz wollte aus Madrid nichts mehr hören und hatte keine andre Sorge mehr als die, sich zu einem guten Tode zu rüsten. Die Gräfin von Olivares aber machte auch ihrerseits guten Gebrauch von ihrer Zurückgezogenheit und fand in dem Kloster, dessen Gründerin sie war, einen Trost der Vorsehung: unter den Nonnen waren Heilige, deren salbungsvolle Reden die Bitterkeit ihres Lebens unvermerkt in Süße kehrten. Und als mein Herr seine Gedanken von den Dingen der Welt abkehrte, wurde er nach und nach ruhiger. Seine Tage regelte er in folgender Weise. Fast den ganzen Vormittag hörte er in der Klosterkirche Messen; dann kam er zum Mittagsmahl nach Hause; nachher amüsierte er sich zwei Stunden lang, indem er mit mir und einigen der anhänglichsten Diener allerlei Spiele spielte; schließlich zog er sich meist allein in sein Kabinett zurück, wo er bis Sonnenuntergang blieb, um dann durch seinen Garten zu gehn oder, bald von mir, bald von seinem Beichtvater begleitet, im Wagen in der Umgebung des Schlosses spazieren zu fahren.

Eines Tages, als ich mit ihm allein war und die Heiterkeit bewunderte, die auf seinen Zügen strahlte, nahm ich mir die Freiheit und sagte zu ihm: Gnädiger Herr, erlaubt, daß ich meiner Freude freien Lauf lasse; ich sehe an Eurer befriedigten Miene, daß Eure Exzellenz sich an die Zurückgezogenheit zu gewöhnen beginnt. Ich bin schon daran gewöhnt, erwiderte er; und obgleich ich mich so lange mit den Geschäften zu befassen hatte, beteuere ich dir doch, mein Kind, daß ich von Tag zu Tag an diesem ruhigen und friedlichen Leben immer mehr Gefallen finde.


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