Heinrich Laube
Louison
Heinrich Laube

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Sechzehntes Kapitel.

Eines Nachmittages kamen sie in Dublin an, Lauriston und Ferval, und stiegen im »Kleeblatt« ab.

Ferval war unterrichtet und voll Eifer. Er war's, welcher eiligst den Wirt, den Walliser, fragte, ob Lord O'Brien noch in Dublin sei.

182»Ja,« lautete die Antwort, »jetzt noch. Aber in der Nacht reist er nach Frankreich.«

»Ist er auf seinem Zimmer?«

»Nein. Sein Advokat hat ihn abgeholt; er kommt aber um fünf zum Diner.«

»Sagen Sie ihm, Herr Ferval aus Paris wünsche dringend, ihn zu sprechen, und erwarte ihn auf dem Zimmer, welches Sie mir anweisen werden.«

»Werd's genau ausrichten.«

Lauriston und Ferval waren sehr erbaut, daß sie just noch vor Torschluß angekommen und nun noch ein paar Stunden frei hatten zur Vorbereitung. Lauriston fragte also nach dem Wege zu Mr. Forrest.

»Ah, zu dem!« sagte der Walliser. »Ja, dieser junge Arzt macht großes Glück in Dublin. Er behandelt auch Lord O'Brien.«

»Ist der krank?«

»Es scheint so. Vor einigen Wochen ist er einmal rücklings aufs Steinpflaster gefallen, und Mr. Forrest spricht von einer Gehirnerschütterung.«

»Spricht der Lord irre?« fragte Lauriston.

»Noch nicht.«

»Er ist also zurechnungsfähig?«

»Das will ich meinen! Er ist ein scharfer Herr, und jetzt erst recht, seit er steinreich geworden!«

»Wissen Sie, ob ich Mr. Forrest jetzt daheim finde?«

»Ja, es ist seine Ordinationsstunde.«

»Und wenn ich zurückkehre, haben Sie Zeit zu einer halbstündigen Unterredung mit mir?«

»O ja.«

»Sie sind mir als ein rechtschaffener Mann genannt worden.«

»Sehr verbunden; schmeichle mir.«

Jetzt aber schien das Glück den so energisch vorschreitenden 183Lauriston zu verlassen: er fand Mr. Forrest nicht. Dieser war zu einem schwer Kranken über Land gefahren. Und doch bedurfte Lauriston dieses Mannes dringend. – Ferner entzog sich ihm der Wirt, der Walliser, während des ganzen Nachmittagsrestes. Er war nicht zu finden. Und doch bedurfte er dieses Mannes unerläßlich zu dem, was er die Hauptaktion nannte.

Wenn nämlich der Zweikampf mit O'Brien unglücklich ausfiel für Lauriston, dann gab es kein Mittel mehr, O'Brien an der Abreise nach Paris zu hindern. Dies Mittel eben hoffte Lauriston mit Hilfe des Wallisers zu erlangen. Und unglücklich mußte er den Ausgang des Duells nennen, auch wenn er selbst nicht verwundet wurde, sondern auch, wenn O'Brien nur eine leichte Wunde davontrug. Denn mit einer solchen reiste er wahrscheinlich doch.

Endlich kamen sogar Anzeichen, daß O'Brien vielleicht gar nicht mehr in den Gasthof kommen werde vor seiner Abreise. Sein Diener packte alles ein und bemerkte: Seine Lordschaft werde wohl mit seinem Advokaten auswärts speisen und von da direkt nach dem Dampfschiff fahren.

Das wurden schwül hereinbrechende Abendstunden für Lauriston, und auch Ferval wurde ärgerlich. Wenn die interessanten Vorfälle ausblieben, wozu war er mitgereist?!

Es wurde wirklich dunkel, und O'Brien kam nicht. Das Wetter war mild, der Winter schien nachzulassen, es wehte gelinde vom nahen Meer herüber. Lauriston und Ferval gingen auf und ab vor dem »Kleeblatt«, in jedem Wagen O'Brien erwartend.

»Kommt er nicht, dann gehen wir aufs Dampfboot,« sagte Lauriston.

»Dort wird er uns,« erwiderte Ferval, »im günstigsten Falle nach Paris einladen zum Duell, und die originellste Affäre hier bleibt –«

Da hielt ein Wagen. Zwei Männer stiegen aus – der 184eine war O'Brien, der andere wahrscheinlich sein Advokat, welcher mit ihm speisen würde.

Sie gingen in den Speisesaal und nahmen Platz an einem kleinen runden Tische.

Lauriston und Ferval folgten ihnen auf dem Fuße. Lauriston setzte sich an den nächsten Tisch und verlangte Speisen. Ferval trat zu O'Brien.

»Ferval!« rief O'Brien. »Sie in Dublin! Wie das?«

»Ihretwegen, Mylord.«

»Wie so?«

»Sie haben durch Telegramm die Wettsumme verlangt. Wir haben dieselbe gesandt. Sie haben sie in Empfang genommen.«

»Ja.«

»Und doch haben Sie die Wette nicht gewonnen.«

»Wer sagt das?!«

»Der ganze Klub auf die Aussage dieses Herrn da am Nachbartische.« Dabei zeigte er auf Lauriston und fuhr fort: »Dieser Herr hat in Paris erzählt, Louison habe Ihre Annäherung mit Entrüstung zurückgewiesen und sei geflohen.«

»Dieser Herr ist ein frecher Lügner!« schrie O'Brien.

Wie elektrisiert sprang Lauriston auf, trat rasch herzu und sprach: »Sie beschimpfen mich, Mylord; ich verlange Genugtuung!«

»Wer ist der Mann?« fragte O'Brien Ferval.

»Ein perfekter Gentleman, welchen Sie in der Geschwindigkeit beleidigt haben. Sein Name ist Lauriston.«

»Verweigert etwa der irische Lord auch Genugtuung?« fragte Lauriston.

»Niemals! Binnen acht Tagen steh' ich in Paris zu Dienst.«

»Nichts da von Vorschrift und Verzögerung! Ich bin der Beleidigte, ich habe die Forderung zu stellen und zu normieren. Morgen früh verlang' ich hier in Dublin die Genugtuung auf Degen.«

185»Was Degen! Ein Pistolenschuß steht Ihnen noch heute Abend bei Fackelschein zur Disposition.«

»Sie haben nicht zu bestimmen, Mylord,« erwiderte scharfen Tones Ferval; »zu bestimmen hat der Beleidigte, das ist sein Recht. Ihr Betragen gegen unseren Klub legt Ihnen ohnehin schon eine Verantwortung auf, welche höchst schwierig ist. Vernichten Sie nicht gänzlich Ihren Ruf als Gentleman, indem Sie einer regelrechten Forderung ausweichen.«

»Nun, zum Teufel! es soll mir auch darauf nicht ankommen, der Bagatelle halber einen Tag später abzureisen. Ich erwarte die Bestimmung von Zeit und Ort binnen einer Stunde. Jetzt will ich speisen.«

Und er setzte sich und speiste. Lauriston aber und Ferval gingen an ihren Tisch und speisten ebenfalls, höchst befriedigt von der raschen Erledigung.

Ein Glück kommt nie allein. Auch Mr. Forrest erschien und fragte nach Herrn Lauriston aus Paris.

Er war ein junger, frisch dreinschauender lichtblonder Engländer, welcher noch Studentenkomment verstand trotz ärztlicher Gelehrsamkeit, und welcher heiter darauf einging, Zeuge und eventuell Paukarzt zu sein bei einem Zweikampfe. Er bezeichnete in demselben Atem den Ort für das Duell, ein poetisches Wäldchen, wie er's launig nannte, unweit der Stadt. Dies Wäldchen sei für derlei Zeitvertreib gebräuchlich, und um zehn Uhr habe er eine freie Stunde.

»Besten Dank!« sagte Lauriston, »so ist's vortrefflich. Die Degen haben wir aus Paris mitgebracht; also, Ferval, ohne Zeitverlust, ich bitte.«

Ferval ging sogleich zu O'Brien und nannte ihm Ort und Stunde. O'Brien nickte mürrisch und speiste weiter.

Lauriston lud nun Mr. Forrest ein, an dem Diner teilzunehmen, da er, vom Lande zurückkehrend, wie wahrscheinlich, noch nüchtern wäre.

186»Hungrig wenigstens«, erwiderte er lachend und speiste mit ihnen, nach Zech und dessen Laune fragend.

Als sie beim Dessert angekommen waren, bat Lauriston den munteren Dr. Forrest um eine zweite Gefälligkeit. Er sollte ihm den Walliser herbeischaffen und aufs Zimmer bringen, wo er einige Fragen zu bestehen haben werde.

Mr. Forrest war eine Respektsperson für den Walliser. Gar oft wurde er zu vornehmen Gästen ins Hotel gerufen, welche krankheitshalber nach Dublin kamen, und der Wirt des Hotels mußte für den gesuchten Doktor zu finden sein.

Das war er auch, und er versprach, binnen einer halben Stunde auf Nummer drei zu erscheinen.

Als Lauriston, Ferval und Forrest auf Nummer drei waren und rauchend sich niedergelassen hatten, begann Lauriston:

»Ich schreibe Theaterstücke und Erzählungen, werter Herr Doktor Forrest, und bin deshalb gewohnt, die Vorgänge genau zu begründen, was man motivieren nennt. Daher kommt es, daß ich bei jeder Erzählung von Vorgängen besonders achtgebe, ob die Motivierung der Handlungen genau oder doch wahrscheinlich ist. Nun hat mir das Mädchen der Demoiselle Louison, des Namens Rose, die Eheschließung hier in diesem Hause ausführlich erzählt, und sie hat mir deutlich geantwortet auf eine Menge kleiner Fragen, welche ich in ihren Bericht eingeschoben. Daraus habe ich den Schluß gezogen: die Eheschließung O'Briens und Louisons ist höchst verdächtig! Da ist, wie ich meine, ein täuschender Schleier in die Höhe zu heben, und das können wir vielleicht mit Hilfe des Wirts bewerkstelligen.«

Ferval, welchem Lauriston bisher das Nähere dieser verwegenen Frage vorenthalten hatte, schrie laut auf. Das war allerdings nach seinem Sinne eine interessante Unterhaltung.

Doktor Forrest lachte und versicherte: »Das ist diesem O'Brien zuzutrauen nach dem Rufe, welchen er hier in Dublin genießt. Überlassen Sie mir's, den Wirt sicher zu machen. 187Das ist nötig, denn er wird sich fürchten, die Kundschaft der liederlichen Junker zu verlieren, wenn er hierüber Auskunft gibt.«

Da trat der Wirt ins Zimmer. Forrest ging ihm entgegen und sagte: »Mr. Donald, setzen Sie sich zu uns, rauchen Sie behaglich eine Zigarre, und entwickeln Sie uns unbefangen Ihre Gedanken über die Eheschließung O'Briens und einer Dame in Ihrem Hause. Erschrecken Sie nicht so sichtlich! Die Zigarre geht ja aus. Ich verspreche Ihnen – und Sie wissen, ich halte, was ich verspreche – ich verspreche Ihnen: Ihre Aussage fällt ins Grab, kein Mensch erfährt ein Wort davon. Sollten Sie sich aber trotzdem weigern, der Wahrheit die Ehre zu geben, dann könnte das Ihnen und dem ›Kleeblatt‹ recht schädlich werden, denn ich würde die Angelegenheit und Ihre Vertuschung derselben öffentlich bekannt machen. Wir kennen den Hergang, wir sind unserer Sache sicher und wollen von Ihnen nur einige Details erfahren.«

»Sie kennen den jungen Mann,« nahm Lauriston das Wort, »welcher den Geistlichen gespielt?«

Mr. Donald hustete, er hatte den Rauch verschluckt von seiner Zigarre.

»Schlucken Sie,« rief Forrest, »schlucken Sie! Solcher Rauch macht Wirkung. Dann aber reden Sie! Ich wiederhole Ihnen: Sie tun klug, wenn Sie reden, Sie werden's aber bitter bereuen, wenn Sie den Klugen spielen wollen. Die Sache ist ein Sakrileg; verstehen Sie das Wort?«

»Ungefähr,« stöhnte Donald.

»Und Sie müssen sie mit verantworten, wenn Sie nicht zur Klarmachung beitragen. Denn alsdann weist man Ihnen nach, daß Sie den sakrilegen Humbug sehr wohl bemerkt haben, ohne Anzeige davon zu machen, wie es Ihre Schuldigkeit erfordert hätte.«

»Nun, in Gottes Namen!« ächzte Donald, »ich brauche 188selbst die Beruhigung für mein Gewissen. Ja denn, der junge Mann war kein Geistlicher, sondern ein Zechbruder O'Briens, ein heruntergekommener Landjunker, welchen O'Brien erhält.«

»Er heißt?«

»Warnell.«

»Und ist hier in Dublin?«

»Gewöhnlich nicht, aber ich meine ihn gestern gesehen zu haben mit O'Brien.«

»Können wir seiner habhaft werden?«

»Vielleicht. Er wohnt immer in demselben Wirtshause am Hafen, im ›Meerschwein‹.«

»Und die beiden Trauzeugen?«

»Sind zwei Sänger von der hiesigen Oper.«

»Ist der Friedensrichter ein Vollblut-Irländer.«

»Nein, seine Familie stammt aus England von der Cromwellzeit her.«

»Also unbefangen wie Sie, der Sie aus Wales stammen?«

»Ja, aber eben deshalb muß sich unsereiner doppelt in acht nehmen –«

»Kurz, der Friedensrichter ist brav?«

»Sehr brav.«

»Finden wir ihn jetzt?«

»Jetzt ist er in seiner Wohnung.«

»Und die liegt im Stadthause?«

»Ja.«

Alle diese Fragen stellte Lauriston, und nun bat er Dr. Forrest, mit zum Friedensrichter zu gehen.

»Mit Vergnügen. Bis zum Stadthause wird die Zigarre reichen und nicht weiter. Der Friedensrichter kennt mich, wie Sie ersichtlich voraussetzen.«

»Allerdings. Verzeihen Sie, daß –«

»Vorwärts! vorwärts!«

Sie wurden ohne Aufenthalt vorgelassen und fanden einen alten Herrn mit schneeweißem Haar, welcher Herrn 189Forrest verbindlichst mit den Worten begrüßte, er könne Dublin gratulieren, daß ihm ein so trefflicher Arzt geschenkt worden sei in dem jungen Engländer.

Selbstverständlich führte also Forrest das Wort und machte den Friedensrichter mit dem Tatbestande und mit dem Wunsche bekannt, ein formelles Aktenstück zu erhalten, welches die Ungültigkeit der Ehe ausspreche.

Der alte Herr hatte mit voller Aufmerksamkeit zugehört und sagte dann langsam:

»Das ist eigentlich eine schwerwiegende Gerichtsfrage, weil es ein Mißbrauch geistlicher Befugnis ist.«

»Ja wohl,« erwiderte Lauriston, »aber für die durch den Betrug gefährdete junge Dame wäre uns ein rasches Bekenntnis der Frevler höchst wünschenswert. Es würde ja der nachfolgenden gerichtlichen Verhandlung keinen Eintrag tun, sondern sie sogar erleichtern.«

»Das ist sehr richtig,« sagte der alte Herr. »Morgen mittag um zwölf Uhr werd' ich die Angelegenheit vornehmen. Die beiden Opernsänger schaff' ich mit Leichtigkeit herbei; schwieriger wird dies sein mit dem falschen Pater Patrik, dem Mr. Warnell – nun, auch das wird versucht werden. Ich bitte also die Herren, morgen mittag um zwölf sich nochmals hierher zu bemühen.«

Forrest nannte noch dem Friedensrichter das Wirtshaus, in welchem Warnell einzusprechen pflegte, und sie schieden sehr erbaut voneinander.

Am anderen Morgen bald nach neun Uhr fand sich Forrest ein bei den beiden Franzosen, und nach einem gemeinschaftlichen Frühstück fuhr man hinaus ins Wäldchen. Ferval war höchst vergnügt über die unterhaltende Entwickelung der Dinge. Sogar das Wetter sei schön und der Boden leidlich trocken.

Der Platz des Rendezvous, welchen Forrest kannte, war ein runder Raum ohne Bäume und ohne Rasen, und ein Fahrweg führte dahin.

190Der Wagen, ein großes geschlossenes Fuhrwerk, erschien pünktlich mit O'Brien und zwei Zeugen.

»Das Glück ist unverschämt!« rief Ferval mit gedämpfter Stimme.

»Wie so?« fragte Lauriston.

»Ich erkenne ihn genau,« fuhr Ferval fort. Der eine Sekundant O'Briens, der schwarzhaarige da, ist der junge Geistliche, welchen O'Brien in Paris bei sich hatte, das ist der Pater Patrik!«

»Vortrefflich!« sagte Lauriston. »Nach Beendigung des Duells wird er in Beschlag genommen und zum Friedensrichter gebracht. Wenn es sein muß, mit Gewalt.«

O'Brien sah höchst wildschaffen aus, als es sofort ans Ablegen der Oberkleider ging und an die Aufstellung zum Gefecht. Man sah ihm an, daß er in wilder Wut ausfallen würde nach erfolgtem Signale, vielleicht schon vorher.

So geschah's. Das Signal war kaum ausgesprochen, so stürzte er auch mit heftigen Stößen auf Lauriston ein.

Dieser parierte mit voller Kaltblütigkeit und drängte dann plötzlich mit gewandter Kraft die Klinge O'Briens zur Seite – die frühere Kugelwunde vom Grafen Vilsac mochte den Gegendruck O'Briens abschwächen –, einen vollen Stoß gegen die Brust des Gegners ausführend.

»Halt!« rief Ferval. »Der Stoß hat gesessen!«

»Nein,« schrie O'Brien. Aber der Ton dieses »Nein« war heiser, und er wankte – er sank in den Arm Warnells. Man sah das Blut fließen aus der rechten Brustseite – er war verwundet.

»Ein ›Lungenfuchser‹ heißt das bei den deutschen Studenten,« sprach im Hinzutreten Forrest. Er nahm sich als Arzt sofort O'Briens an und ließ ihn vorsichtig zum Wagen bringen. Dort mußte auf sein Geheiß Warnell zuerst einsteigen und seinen Schoß zum Kissen O'Briens richten, damit der Verwundete die günstigste Lage finde.

191Beim Abfahren – er fuhr mit – rief er Lauriston und Ferval mit einem Blick auf den verdächtigen Pater Patrik zu: »Wir kommen!«

Ferval war betroffen über den Ort der Wunde. »Die Lunge!« sagte er zu Lauriston mit einem Tone der Besorgnis, als wollte er ausdrücken: Das geht über den Spaß der Unterhaltung!

Auch Lauriston war sehr ernst und sagte erst nach längerem Stillschweigen: »Sie müssen im Schritt fahren; steigen wir rasch ein, damit wir vor ihnen in den Gasthof kommen und Mr. Donald unterrichten können.«

Es gelang so ziemlich, jedes Aufsehen zu vermeiden, weil es eine geschlossene Kutsche war; und ohne daß im »Kleeblatt« ein größerer Lärm verursacht wurde, konnte O'Brien auf sein Zimmer gebracht werden. Dort verband ihn Forrest. Als der Blutausfluß gestillt war, erholte sich O'Brien und hörte auf die Anordnungen, welche Forrest nachdrücklich aussprach.

Die Wunde sei nur gefährlich, wenn der Körper O'Briens nicht acht Tage lang unbeweglich verbliebe. Jede Bewegung sei also auf das sorgfältigste zu vermeiden. Mr. Warnell sollte in der nächsten Stunde dafür einstehen. Innerhalb dieser Stunde würden kundige Krankenwärter aus dem Hospital gesendet werden. Desgleichen untersagte Forrest dem O'Brien, auch nur ein einziges Wort zu sprechen.

Dann kam Forrest zu Lauriston und Ferval. »Nun?« fragten diese.

»Die rechte Lunge ist gestreift. Er kann am Leben erhalten werden, wenn sein Blut gesund ist und er sich folgsam einem strengen Regime unterwirft. Sein Leben wird unter solchen Umständen allerdings nicht viel wert sein, und nach Frankreich wird er nie wieder kommen, denn eine Stunde auf den Stößen der Meereswogen wäre sein Tod. – Jetzt hole ich die Krankenwärter, und dann komm' ich wieder, um 192Warnell hinüberzulocken ins Gemach des Friedensrichters. Ich werde dem verbrecherischen Pater Patrik sagen, daß eine vertrauliche Anzeige vom Duell beim Friedensrichter unerläßlich sei, denn ohne diese vertrauliche Anzeige könnte seine Verhaftung als eines Sekundanten erfolgen, sobald eine bloß polizeiliche Anzeige ohne nähere Erklärung zum Friedensamte gelangte! Das werd' ich ihm, der kein großer Geist zu sein scheint, wohl einleuchtend machen. Gehen die Herren dann voraus zum Stadthause, ich muß allein mit dem Herrn Pater verkehren.«

Aus allem, was dieser junge englische Arzt sagte und tat, leuchtete ein frischer Mutwille hervor. Es wurde alles genau ausgeführt und gelang: um zwölf Uhr waren Lauriston, die beiden Opernsänger, Warnell und Forrest im weiten Gemach des Friedensrichters.

Dieser saß im Lehnstuhl vor einem großen Tische, auf welchem eine brennende Kerze stand, und hatte die Hand auf einen großen Bogen Papier gelegt, welcher beschrieben war.

»Mister Warnell« – sagte der alte Herr »oder heißen Sie wirklich Pater Patrik?«

Warnell erbleichte.

»Gleichviel wie Sie heißen, lesen Sie diese Schrift und erklären Sie ohne Verzug, ob Sie dieselbe unterschreiben wollen.«

Er reichte ihm den großen Bogen. Auf demselben stand geschrieben, daß die Eheschließung zwischen O'Brien und Fräulein Louison ein Karnevalsscherz gewesen und absolut ungültig sei. Er, Mr. Warnell, sei niemals ein Priester gewesen, sondern ein leichtsinniger Privatmann. Die anderen beiden Herren, die sogenannten Trauzeugen, ihres Zeichens Opernsänger, bekannten ebenfalls reumütig, daß sie sich leider zu solchem frevelhaften Spiel hätten verleiten lassen, was ihnen jetzt bitter leid täte.

Als Warnell gelesen, sah er wie geistesabwesend auf den Friedensrichter.

193»Lassen Sie nun,« sagte dieser, »die beiden Trauzeugen auch lesen.«

Und während diese lasen – das Papier zitterte in ihren Händen –, fuhr der ehrwürdige Herr fort:

»Die Sache gehört vor ein peinliches Gericht. Diese Herren aus Frankreich, Vertreter des Fräuleins Louison, wollen von der gerichtlichen Anklage absehen, wenn diese Schrift unterzeichnet und von mir beglaubigt wird. Vielleicht kommt dann die schlimme Angelegenheit nicht mehr zur Sprache; vielleicht. Die Unterschrift muß aber auf der Stelle erfolgen.«

Warnell und die beiden Sänger liefen eiligst zum Tische und unterschrieben.

»Für jetzt genug, für jetzt. Sie sind entlassen.«

Schwer betroffen gingen die drei Helden, und während sie gingen, schrieb der Friedensrichter unter die Namen derselben die amtliche Beglaubigung und untersiegelte sie bedächtig mit dem Wappen der Stadt Dublin.

»Hier, meine Herren,« schloß er, »was Sie brauchen, um den Frevel ungeschehen zu machen. Ich habe mich gefreut, Ihnen dienen zu können.«


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