Elisabeth Langgässer
Das unauslöschliche Siegel
Elisabeth Langgässer

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II

In demselben Augenblick, als der Rektor, mit dem ärgerlichen Gefühl, von Belfontaines Anruf und Frage verspottet gewesen zu sein, sich wieder einen Ruck auf sein Ziel gab – schlug der Besitzer des Schloßkellers kräftig, jedoch mit sicherer Überlegung, wo er am wirksamsten landen würde, seinem Küchenjungen aufs Ohr.

»Ich will dir helfen, das Schneckenragout mit Käse zu überbacken«, sagte er vollkommen ruhig. »Und wenn du der Sohn aus dem ›Astor‹ wärest, gäbe es keinen Pardon.« Er sah den Jungen durchdringend an und fuhr mit öliger Stimme fort: »Aber wer bist du? Der Sohn aus der ›Traube‹ in dem dreckigen Offenbach. Ein Garnichts bist du. Ein halber Preuße. Die Hebamme brauchte dir nur einen Tritt in den Hintern zu geben, so warst du schon über der Grenze.«

Herr Gutermuth drehte sich zart in den Hüften und steckte die rosige Spitze des speckigen kleinen Fingers, an welchem er einen Damenring trug, in die Schüssel mit Mayonnaise. »Und so ein 55 Nasenpopel wie du verdirbt mir noch meinen Ruf«, sagte er abgewendet, bückte sich auf die Hors d'oeuvres und verwandelte die Tomatenhütchen über den Eierstümpfen, indem er sie mit der Sauce betupfte, in leckere Satanspilze. »Aber diesmal wird es dir nicht geschenkt. Du darfst das Schneckenragout bezahlen und wirst es, so wahr ich Gutermuth heiße, in meiner Gegenwart fressen.«

Der Junge entfärbte sich, wurde grün und bekam dicke Augen. »Schnecken –« stieß er entsetzt hervor.

Herr Gutermuth betrachtete ihn mit sichtlichem Wohlgefallen. »Ach so, ich verstehe«, sagte er mild. »Unser Herr Eddie hat sicherlich heute den Wunsch, nach der Karte zu speisen.« Er lachte in hohen, gefährlichen Tönen und tändelte, außer sich vor Vergnügen, der Kochfrau, die vor dem Herdfeuer kniete, mit allen zehn Fingern zugleich auf dem Nackenpolster herum. »Nein, so was! Beiklern«, schluchzte er selig, »so was Schönes wie Eddies Gesicht, wenn er antreten muß, um die Schnecken zu essen, wird man sobald nicht mehr sehen!«

Die Kochfrau blickte gleichgültig auf. »Die Fischpastete müßte nach oben«, sagte sie unzufrieden. »Sonst wird ihre Kruste weich.«

Der Wirt nahm gehorsam die Platte entgegen, stülpte über das warme Gericht ein wappengeschmücktes Mundtuch in Form einer Bischofsmütze und schwebte die Wendeltreppe empor, deren Spindel vom Boden des Küchengewölbes bis zu der Decke des Gastzimmers durchlief und sich dort oben hinter der Theke mit einer Falltür auftat.

Von oben rann fades, grauweißes Licht die ausgetretenen Stufen wie eine Spittelsuppe herunter, von dünnem Klirren und Klappern und entferntem Gelächter begleitet – dann setzte sich wieder die Falltür auf, der Lichtschein erlosch . . . An dem kleinen, vergitterten Fensterausschnitt der Küche gingen Herrn Belfontaines Schuhe vorbei: seitlich geknöpft, mit Wildledereinsatz und aufgebogenen Spitzen.

»Da kommt er –«, sagte die Beikler, horchte noch eine Weile nach oben und feuerte rasch eine Butterkugel in den qualmenden Herd hinein. »Das Holz will heute nicht richtig brennen«, erklärte sie dem schlotternden Eddie und wartete, bis die 56 Flamme brauste, legte noch einige Hände Reisig und etwas Spaltholz darüber und stieß mit kräftigem Fußtritt die Ofentür wieder zu. »Gib das Ragout her!« sagte sie hastig und richtete sich auf. »Nein, warte. Du kannst mich füttern, indes ich die Ente rupfe.«

Die Kochfrau packte das Tier an den Flügeln, setzte sich breit auf den Küchenschemel und ließ den schlappen, blutigen Hals des frisch geschlachteten Vogels zwischen den Beinen herunterhängen; dann fing sie mit Wollust zu rupfen an; die Federn schnalzten, wirbelten, wölkten; der Junge, anstatt ihr die Schnecken zu bringen, starrte sie gierig an.

»Na, wird's bald?« fragte die Frau. Eddie faßte die Schüssel am Griff, verbrannte sich, schlug mit kläglicher Miene ein Handtuch unter den Schüsselboden und trug das Ragout herbei.

»Die Fischgabel!« sagte das »Frauenzimmer«, wie er heimlich die Beikler nannte. Sie machte den Mund auf, schlürfte und schluckte, ohne in ihrer Arbeit einen Augenblick inne zu halten, und leckte sich mit der fetten Zunge nach jedem Bissen langsam und gründlich über die breiten Lippen bis in die Winkel hinein.

»Schmeckt's?« fragte Eddie, zwischen Entsetzen und Wohlbehagen schwankend; brachte sein mageres Knie an ihren mächtigen Schenkel und blickte mit schlechtem Gewissen in die halbgeöffnete Bluse der Köchin, wobei er dachte, nun werde er sicher wieder einen von jenen Träumen bekommen, nach denen er sich sehnte; für die er nichts konnte und die er deshalb auch nicht zu beichten brauchte – er war fünfzehn Jahre alt, blaß wie Käse und litt immerfort an Furunkeln.

Kaum war die Schüssel zur Hälfte geleert, so ächzte die Falltür wieder, und Gutermuth rief durch das Sprachrohr hinunter: »Für Herrn Belfontaine Rührei mit Trüffeln, aber ein bißchen rasch.«

»Sofort!« schrie die Beikler zurück und fügte leise hinzu: »Nun gerade nicht. Weil der Belfontaine Geld hat, denkt er vielleicht, ich springe da unten wie eine Groschenpuppe. Aber natürlich: so sind sie alle. Ich kenne diese Sorte.«

»Was für 'ne Sorte?« fragte der Junge.

Die Kochfrau schmiß das Tier in die Ecke und schlug sich den 57 Federflaum ab. »Na, ja. Die nicht warten kann. Böh – –!« Sie griff Herrn Eddie frech an die Nase und schüttelte seinen Kopf ein paarmal hin und her. »Weißt du's jetzt? He? Du weißt gar nichts. Ein Mauerpisser wie du –.« Die Beikler versetzte ihm einen Stoß vor die miselsüchtige Brust und stellte die Pfanne auf. »Aber sei erst mal zwanzig Jahre da unten« – sie meinte: in der Küche – »so kannst du die Sorten wie Pfeffer und Salz im Dunkeln unterscheiden. Was einer frißt, und wie schnell er es frißt«, sagte sie in die zischende Butter, »ob er zufrieden ist oder dahinter noch gleich etwas anderes haben muß – – vor allem aber das Wartenkönnen oder die Ungeduld.« Sie schlug das erste Ei in die Pfanne, das zweite, das dritte, und rührte sie rasch mit einer Holzgabel um. »Ungeduld, Eier und Zwiebeln: daran erkennt eine Köchin den Juden; auch wenn er getauft worden ist. Alles andere, nein, das ist nicht so sicher. Die Haarfarbe nicht und erst recht nicht die Füße. Der Belfontaine, was, hat die schönsten Füße, die hier, solange ich denken kann, über's Pflaster gegangen sind. Das weiß er und trägt auch Pariser Schuhe – ›Pariser Schuhe und Mombacher Füße?‹ – Nein! Diese Redensart paßt nicht auf den Lazarus Belfontaine.«

»Lazarus?« fragte der Junge erstaunt. »Aber dann meinen Sie wohl einen andern, als unseren Belfontaine? Den nennen die Herren doch Lutz.«

»Schafskopf!« sagte die Köchin. »Möchtest du Lazarus heißen? Den ›Lutz‹ hat der alte Schweickert erfunden«, fuhr sie fort und rührte die Trüffeln unter, zog die Pfanne vom offenen Feuer weg und stellte sie zur Seite. »Ich muß das doch wissen. Ich habe ja damals auf seiner Hochzeit gekocht. Wie lang mag das her sein? An sieben Jahre. Das Friedelchen ist ja schon fünf . . . Na, also. Der alte Schweickert kam nachmittags in die Küche; seine Frackschleife war zu fest gezogen, und er hatte wohl auch über'n Durst getrunken, sein Gesicht war ganz blaurot, ich sehe noch heute die fingerdicken Adern. ›Beiklern‹, sagte er damals, ›Beiklern, mach mir die Schleife mal los. Ich kann sonst nicht weiter essen.‹ Dieses lange Aas, und noch dürr wie ein Geißbock – ich hätte, um an die Schleife zu kommen, auf den Küchenstuhl steigen müssen. Aber die Stühle, du lieber Himmel, standen alle voll von Geschirr und Gläsern, gerade 58 wurde der zehnte Gang von dem Servierkellner angerichtet – jawohl, wir hatten zwölf Gänge, ohne Suppe und Nachtisch, mein Lieber! Da setzte der alte Schweickert sich mitten auf die Erde und streckte die Beine fort; es knackte von Krachmandeln, meine Güte, und als er aufstand, glänzte die Hose von dem zertretenen Fett. ›Beiklern‹, sagte er damals am Boden und griff sich ein Weinglas vom Tisch herunter, ›Beiklern, ich habe ihn umgetauft, prost! Weil's der Pfarrer vergessen hat. Unser L . . Lazarus heißt jetzt L . . Lutz.‹«

»Na, da hat er ja wirklich Glück gehabt, dieser Herr Belfontaine!« sagte der furunkulöse Eddie mit wohlwollend männlicher Stimme. »Und ansehen tut man ihm eigentlich auch nicht, was er früher gewesen ist.«

Die Kochfrau lachte schallend heraus. »Der war auch schon früher hübscher als du . . . du grätiger Pickelhering«, sagte sie unbarmherzig. »Geh hin und lecke die Schüssel aus. Wenn der Alte herunterkommt, kannst du ihm sagen, du hättest aus lauter Genußsucht ein Loch in den Boden gekratzt.«

». . . Hat er?« fragte der Wirt gespannt, als er wieder auf halber Treppe war, und bewegte die weichen Füße nahezu lautlos abwärts.

»Er hat, Herr Gutermuth!« sagte die Kochfrau. »Bis auf den Schüsselgrund. Ja.«

»Schade«, seufzte der Schloßkellerwirt. »Da bin ich zu spät gekommen.«

»Ach, es hat keine Mühe gekostet«, gab die Beikler boshaft zurück. »Als er hörte: Maischnecken klären das Blut – –«

»Einerlei«, sagte der Wirt gekränkt. »Einerlei. Nächstes Mal schlinge ich ihm eine gesottene Maus durch seine Kehle hinunter – die klärt ihm auch das Gehirn. Herrn Belfontaines Rühreier, los!« Er griff nach der Platte, verzog das Gesicht und sagte zu Eddie: »Ich weiß nicht, wofür wir dich eigentlich haben. Da, nimm die Serviette. Anders herum! Und von links die Platte geboten. Du wirst es nicht lernen. Trotzdem. Für heute bleibst du oben – natürlich im Hintergrund. Böhmer bekommt einen Aquavit, bevor er zu essen anfängt, Rübsam hinterher einen Kaffee mit Schwarzwälder Kirsch darin. Gitzler schließt jede Mahlzeit mit nacktem Roquefort und Butter, auf einem 59 Weinblatt serviert, und Schmoller – – Du wirst es doch nicht behalten und Belfontaine sicher den Schwarzwälder Kirsch, Böhmer den Roquefort und Gitzler den Aquavit vor die Nase stellen; natürlich wirst du das tun. Wiederhole mal!«

»Rübsam . . . den Aquavit«, begann Herr Eddie zu schnattern.

»Da haben wir's. Rübsam den Aquavit!« sagte Herr Guthermut höhnisch. »Und Belfontaine?«

»Belfontaine war nicht dabei«, platzte Eddie erleichtert heraus.

»So? Belfontaine war nicht dabei? Na, hoffentlich ruft er: hier bin ich, wenn du die Rühreier bringst. Allons –!« Er stieß ihn leicht mit dem Fuß in das ängstliche Zwetschgengesäß und folgte aufmerksam, erst mit den Augen und dann mit Augen und Ohren, Herrn Eddies Aufstieg zur Oberwelt: »Wahrhaftig, Beiklern, er klopft mit dem Kopf an die Falltür, weil er sich wohl nicht getraut, eine Hand von der Platte zu lassen . . .«

 

»Na, endlich«, sagte Herr Belfontaine halblaut und trommelte mit den Fingern vor verhaltener Ungeduld. »Links herum – so. Das Fischbesteck nimmst du gleich fort. Was ich trinke? Wie immer. Weißen Burgunder, wenn du's nicht wissen solltest.« Er zerkrümelte rasch den Rest seines Brötchens und tupfte die Splitterchen auf.

»Prost, Belfontaine!« sagte sein Gegenüber, als der Burgunder ausgeschenkt war.

»Prost, Gitzler!« erwiderte jener und sog mit genießerisch prüfender Zunge den ersten Schluck in die Gaumenhöhle; gurgelte, trank und setzte das Glas ab, Herr Gitzler genau so – dann sahen sie beide einander in die Augen. In Gitzlers flimmerte es, als zöge ein Haifisch darunter her. »Auf Ihren Schützling!« sagte er leise und legte mit Daumen und Zeigefinger den großen, hellroten Mund zwischen dem Vollbart bloß.

»Und den Ihren!« versetzte Herr Belfontaine rasch, mit zuckenden Nasenflügeln.

Ein flüchtiges Beben ging hin und zurück, lautlos wie zwischen zwei Tieren, die um die Beute kämpfen.

Mit einem Ruck gab Herr Gitzler nach. »Meiner?« fragte er lässig, zog die Oberlippe hinauf und ließ seine Goldplomben blitzen. »Ich wüßte nicht, wieso.« Belfontaine starrte ihn 60 fassungslos an. »Oder am Ende«, fuhr Gitzler mit aufreizend langsamer Stimme fort, »am Ende bin ich es gewesen, der das Kasino erpreßt hat? Nein, nein, lieber Belfontaine, glauben Sie mir: ich habe schwarz gekugelt. Das bin ich allein schon der Loge schuldig. Und dann: die Gesellschaft des guten Mathias habe ich ohnehin.«

Er lächelte still und drehte den Fuß seines Glases spielerisch hin und her; von der anderen Ecke des Tisches rief der dicke Böhmer mit Stentorstimme: »Ihr unterhaltet euch wohl über den Pfarrer Mathias? Der soll ja am Sonntag, hab ich gehört, zu unserem Gartenfest kommen, da nimmst du ihn doch an die Leine, Gitzler, damit er sich nicht verläuft?«

»Ich werde mich hüten, die heilige Kirche an die Leine nehmen zu wollen«, sagte Herr Gitzler kalt. »Erstens pflegt so etwas leicht in sein Gegenteil umzuschlagen, und zweitens sind andere näher dazu – ich meine: solche, die diesen Ritus genauer kennen als ich und wenigstens schon eine Kerze getragen oder das Kreuz von links nach rechts herübergezogen haben – –, die dürften es besser verstehen, ihn an der Leine zu führen.«

»Herr Gitzler!« fuhr ihn Belfontaine an.

Der andere brach in ein wieherndes, krankes, hohes Gelächter aus; Böhmer stemmte sich gegen den Tisch und kippte die Platte hoch, die Gläser klirrten und fielen um; Herr Eddie stürzte mit wedelndem Mundtuch wie ein geflügelter Kellner unter den Krach der Gigantea und flog augenblicklich zur Wand zurück, wo er mit Standbein und Spielbein sich eben noch angelehnt hatte.

»Ja, seid ihr denn vollkommen übergeschnappt?« brüllte Böhmer, stellte die Tischplatte senkrecht und ließ alles zu Boden gleiten: die Speisen, Messer und Gabeln; Gedecke, Sektkübel, Flaschen und Gläser; Gewürzständer, Streichholzbehälter – – dazwischen lachte Herr Gitzler noch immer sein schmetterndes Pferdegelächter, und Belfontaine hackte wild und mechanisch mit dem Schuhabsatz auf die Scherben und schmelzenden Eisstückchen ein.

An der Theke spülte das Mädchen mit ungestörten Bewegungen weiter und hob die Falltür empor. Der Wirt und die Beikler, Flußgöttern ähnlich – aber dem eigenen Fett entstiegen – trieben 61 sanft und unwiderstehlich mit weichen Bewegungen aufwärts und hielten statt Dreizack und Muschelhorn die Schaufel, den Besen, den Scheuerlappen in sturmgewohnten Händen.

»Mach im Billardzimmer die Vorhänge auf!« zischte Guthermut seinem Pikkolo zu und riß ihm das Mundtuch fort.

»Ich war es nicht«, wimmerte leise der Bursch.

»Idiot. Zieh die Vorhänge weg, hab ich dir eben gesagt. Und laß das Geflenne, verstehst du?« Gleich danach setzte der Schloßkellerwirt eine künstliche Lache auf und näherte sich im Ballettschritt der Runde, Herr Böhmer faßte ihn um die Taille, die beiden Fetten tanzten jetzt Walzer, während die Beikler den Takt dazu klatschte und wie ein Mann durchdringend und grell eine Schlagermelodie pfiff.

Eine Weile starrten die Sybariten mit Augen, wie sie geschossenes Wildpret, kopfabwärts hängend, hat, auf das völlig entrückte Tanzpaar; dann schlug Herr Eddie die Tür zu dem Billardzimmer zurück, bückte sich, hob das Mundtuch auf und wedelte schlank und gefällig auf die schweigende Runde zu: »Bitte, die Herren!« wisperte er, und noch einmal, diesmal lauter: »Bitte, die Herren; wenn sich die Herren herüberbemühen wollten!«

Die Bitte-die-Herren wandten sich um und verließen die Stube im Gänsemarsch: der kleine Rübsam neben Herrn Schmoller, einem Amtsrichter, der die Gewohnheit hatte, in einem fort an den Zwicker zu greifen, ihn festzuklemmen und gleich darauf wieder den mageren Kopf zu schütteln; von neuem an den Zwicker zu greifen, ihn festzuklemmen, den Kopf zu schütteln – und dies alles mit furchtbar gequältem Gesicht, einem sozusagen schlaflosen Ausdruck in den wimperlosen Kaninchenaugen, die eine gläserne Härte hatten, als wische niemals das Lid darüber, geschweige, daß sie der Schlummer bedeckte . . . Und wie sollte Herr Schmoller auch schlafen können, da er doch ständig den Zwicker richten und wieder losschütteln mußte –.

Ihm folgte der praktische Arzt, Herr Doktor Schiffenberger, ein höchst erfolgreicher Beutelschneider, der einen riesigen Damenzulauf – und nicht nur aus diesem Städtchen – hatte, weil er dafür bekannt war, die besten Entbindungen weit und breit und auch das chirurgische Drum und Dran mit einer Geschicklichkeit 62 auszuführen, die alle Kliniken rings im Kreis längst hinter dem zurückließ, was Schiffenberger vermochte; ja, man erzählte sich, daß er sogar selbst dort etwas holen konnte, wo gar nichts gesät worden war: Früchte, die – wie noch andere aus Schiffenbergers olympischer Praxis – eine Reihe tüchtiger Knaben und Mädchen zu Stiefgeschwistern hatten.

Jener wiedererstandene Jupiter, ein üppiger, ewig schwitzender Mann mit griechisch geformten Händen, blickte angewidert und leicht entsetzt auf Schmollers Schüttelschädel. »Scheußlich«, sagte er eitel und kindlich zu dem Apotheker an seiner Seite, »dieses nervöse Geschüttel mit dem elenden Nasenklemmer. Warum trägt er denn keine Brille?«

Der Apotheker, noch größer als Böhmer, aber dabei so entsetzlich fleischlos, daß er wie eine Bambusstange beständig am Schwanken war, fuhr mit der Hand an das spitze Kinn, welches er, wie das ganze Gesicht, vollständig ausrasiert hatte, rollte die Augäpfel hin und her und sagte wegwerfend: »Brille! Na, Schiffenberger, ihr praktischen Ärzte seid doch vollkommen ahnungslos.«

»Wieso«, fragte Schiffenberger verdutzt, »bin ich vollkommen ahnungslos?«

Der Apotheker legte ihm fest seine knochige Hand auf die Schulter und sagte beschwörend: »Weil dieser Klemmer, vielmehr die Beschäftigung mit dem Klemmer, doch gerade Herrn Schmollers Zwangsvorstellung –!«

Herr Schiffenberger trat wie ein Mensch, der ohne Arg ein Lokal besucht, in welchem die Gäste durch eine Wippe, deren Brett sie einige Stufen tiefer in das Vergnügen hinabwirft, auf die Falltür des Wortes »Zwangsvorstellung« und war sich der erotischen Störung, die sein Gleichgewicht dadurch erduldete, mit Unbehagen bewußt. »Freilich – eine Tragödie von Äschylos ist dagegen nichts«, sagte er widerwillig. »Aber ein Klemmerzwang! Ein geklemmter und losgeschüttelter Zwang! Na, ja. Ich verstehe. Träume! Libido! Es läutet sich auch allmählich in unseren Kreisen herum. Doch diese Urwald-Expeditionen sind mir im Grunde ein Greuel – man bindet sich eine naturechte Maske, made in Germany oder in U.S.A., aus Papiermaché und Ölfarbe vor und stochert mit Stöcken und Regenschirmen in dem Dickicht 63 des Unterbewußten herum, wie man früher in die Summa des Thomas Löcher gestoßen hat, Lichtschächte, Sauerstoffschleusen und Schlitze, durch welche die Seele heulend entweicht wie das ›Ite missa est‹ aus dem Mund eines unmusikalischen Priesters.«

Herr Kiebich blickte ihn mißtrauisch an. »Seele –«, sagte er dann erleichtert und spuckte dieses gefährliche Wort wie einen Kirschkern, den er noch eben vor dem Abrutschen in die Kehle bewahrt und verhindert hatte, sich nach der Gegend des Blinddarms zu begeben, in weitem Bogen aus. »Aber was wollen Sie?« fuhr er fort. »Meinen wir denn, wenn wir ›Psyche‹ sagen, die – theologische Seele . . . dieses unerlöste, katholische Ding, über das man nichts ausmachen kann?«

»Seele hin, Seele her«, sagte Schiffenberger in ungeduldigem Ton. »Wozu dann überhaupt dieses Wort, um einen Begriff zu decken, der etwas ganz anderes meint? Denn Sie brauchen im Grund doch den Ausdruck ›Seele‹, wie man ›Katze‹ für einen Laufkran sagt. Ich bitte Sie aber, wohin soll das führen? Die Wandervögel haben inzwischen schon wieder die Seele der Landschaft entdeckt. Ich würde mich gar nicht wundern, wenn man nächstens auch ›Blutseele‹ sagte. Nein, nein – da ist mir das alte ›katholische Ding‹, wie Sie's nannten, immer noch angenehmer.«

Er breitete seine Arme mit übertriebener Zärtlichkeit aus und sagte, als ob er die trauernde Psyche an seinen Busen zöge: »Seele, komm her – ich verteidige dich! Alle hierher hören! Ich, der Doktor Schiffenberger, verteidige die Seele!«

Sie waren inzwischen ein paarmal um die Billardtafel herumgeschlendert – gefolgt von Gitzler und Belfontaine, die eine halbe Betäubung in der Strömung der anderen mitschwimmen machte – und zogen sich nun vor dem Klacken der Kugeln, welche Rübsam und Schmoller zu stoßen begannen, in die Fensternische zurück, während Gitzler und Belfontaine, ihrem Gesetz der inneren Trägheit anheimgegeben, den Billardtisch weiterhin schweigsam und tierisch umrundeten. Die beiden gingen versunken vorüber, und Schiffenbergers Gesicht, noch gebadet von jenem Gefühl, mit welchem er ›Seele‹ gerufen hatte, wandte sich ihnen zu. Mit einem Ruck blieb Herr Belfontaine stehen und blickte ihn stumpfsinnig an. 64

»Komisch – klingt sowas in meinem Mund, nicht wahr, mein goldenes Lützchen?« fragte Schiffenberger verlegen.

Langsam kam Belfontaine wieder zu sich. »Ja . . . aber wieso denn? Nun, allerdings. Entsetzlich komisch – –« Sie lachten jetzt beide; dieses Lachen glich einem Wasserfall, der von Schiffenbergers Gesicht vergeblich das Öl der Verzweiflung herunterzuspülen suchte, mit dem es begossen war. Im Gegenteil: während er immer noch lachte, verschwand schon das Lachen wieder, und sein gesalbtes Dämonenantlitz mit dem Siegel unaussprechlicher Schwermut unter den braunen Haaren trat, fast wie verwundet, hervor.

In einem fort lachend, schlug Schiffenberger Herrn Belfontaine auf die Achsel. »Wir beide«, sagte er überwältigt, »wir beide verstehen uns, wie?« Ein Seufzer schwellte Herrn Belfontaines Brust, als er jetzt Schiffenbergers Gesicht fast mit den Wimpern berührte. ». . . Verstehen uns«, lallte der andere wieder. Es war so. Sie verstanden sich auch. Die Trauer der beiden verstand sich, wie regentragende Wirbelwinde in dem leeren, riesigen Raum der Nacht sich schon von weitem verstehen und nur darauf warten, einander zu finden, sich zu vermischen, herabzustürzen und den Boden, worüber sie lagerten, mit peitschenden Schlägen hinwegzuschwemmen, in Schlamm zu verwandeln, und nichts als den nackten, verödeten Felsgrund zurückzulassen, der jeglichen Samen, Beere und Korn, in Zukunft verweigern mußte . . .

»Komm, Gitzler!« sagte der Apotheker und versuchte, Herrn Gitzler weiterzudrängen. »Lassen wir diese Phantasten mit ihren Göttern allein.«

»Lalala«, erwiderte Gitzler und blickte mit prüfendem Ausdruck von Schiffenberger zu Belfontaine und wieder zu Schiffenberger. »Götter und Göttinnen hat nur der eine«, – er deutete auf den Doktor – »der andere hat die Zehn Gebote, die Kirchengebote, die Fastenzeit . . . na, kurzum: das Gesetz.«

»Meinetwegen, mein guter Gitzler«, sagte Kiebich verständnislos. »Lassen wir also die Götter und das Speisegesetz allein. Übrigens habe ich Hunger und glaube, daß man endlich anfangen könnte.«

Er deutete mit dem Kopf auf die Tür, aber Gitzler hielt ihn am 65 Ärmel fest. »Keine Überrumpelung!« sagte er kurz und bestimmt. »Böhmer kommt für den Sachschaden auf, wenn man Gutermuth nur die Zeit gönnt, ihm in die Knie zu treten.« Er schob den verwaschenen kleinen Vorhang der eingesetzten Glasscheibe fort und rückte Herrn Kiebichs Schädel in dem trüben Blickfeld zurecht. »Na?« fragte er leise. »Was sehen Sie?«

Herrn Kiebichs merkwürdig bleicher Hals zitterte wie ein Schmetterlingsrüssel über dem Blütenboden. Er trank in raschen, begierigen Schlücken das Bild, das Herr Gitzler ihm darbot: zwei unmäßig fette Männer hielten einander umschlungen, und jeder sprach, wie ersichtlich war, mit vertrauter Gehässigkeit auf seinen Partner ein.

Gutermuth schien im Vorteil zu sein; er hatte Böhmer – vielmehr einen Böhmer, der bis zur Hälfte zusammengerutscht war – in eine Ecke gedrückt und ihm die Hand mit dem fortgespreizten, beringten kleinen Finger wie einen rosaseidenen Fächer auf die mächtige Brust gelegt. »Otsch«, sagte er leise zu Ottokar Böhmer. »Ich bringe dich noch vor den Kreisarzt und in die Irrenanstalt. Oder glaubst du, ich wüßte nicht, was dich veranlaßt, jeden Tag an der Penne zu lauern, wenn die Arrester nach Hause schleichen? ›Lichtbund!‹ hat sich was! Erst wird geraucht, dann gibt es Liköre, pappsiges Zeug, und das gepfefferte Ingwerkonfekt aus deinem Nachttischschränkchen; zuletzt die französische Andenkenmappe mit dem Titel: ›Qui joue, jouera‹. Was glaubst du? Die ganze Prima kennt deine Sammlungen schon.«

Der dumme Böhmer erzitterte. »So«, sagte er niedergeschlagen, »das hast du herausbekommen? Ja . . . dann – – dann muß ich natürlich zahlen«, murmelte er verstört.

»Natürlich mußt du, das ist doch klar«, sagte Gutermuth ungerührt.

»Aber du rechnest das Wappen nicht mit?« flehte ihn Böhmer an.

»Das Wappen! Allmächtiger Gott – das Wappen!« schrie der Wirt in kläglichen Fisteltönen und schlug sich vor die Stirn. »Es war ja das Wappenservice, das du zertrümmert hast! Das Wappen, das zu den Servietten gepaßt hat –.« Er legte die niedrige Stirn in dicke, gefährliche Falten. »Ich kann den Betrieb nicht 66 mehr Schloßkeller nennen«, sagte er hemmungslos. »Das ist mein Ruin, damit du es weißt.« Er redete rasch und geläufig noch verschiedenen anderen Blödsinn, bis er plötzlich zu kichern begann, ganz unvermittelt, als ob ihn einer kräftig gekitzelt hätte; Böhmer stimmte erleichtert mit ein; das lasterhaft hohe Organ des Wirts ging mit Ottokars dumpfen Hornochsentönen merkwürdig passend zusammen; eigentlich hörte es sich so an, als ob eine Frau und ein Mann im Einverständnis wären, oder wie wenn aus Kreta der Wind die Stimme der fetten Europa herübertriebe, als der Bulle sie auf dem Rücken entführte, und sie schreiend Ja dazu sagte.

»Los, Eddie, setz dich mal ans Klavier«, rief, als er ausgequietscht hatte, Herr Gutermuth seinem Pikkolo zu, »und zeige, was du kannst!«

Der Junge schlug eilig den Deckel des Pianinos zurück und intonierte das Lieblingsstückchen seines Gesellenvereins, eine Polka mit strammen Takten und fröhlichen Akkorden; ab und zu brauchte er das Pedal, obwohl es nicht nötig war.

Sofort erschienen die Herren der Runde wieder im Gänsemarsch und belebten das Trümmerfeld ihrer Taten, die dank der männischen Beikler spurlos verschwunden waren, mit unbefangenen Mienen. Diesmal waren die Letzten die Ersten: Gitzler und Belfontaine stürzten vor und schüttelten Böhmer die Hand.

»Sehr vernünftig, Ottokar, sehr vernünftig«, sagte Belfontaine leidenschaftlich, »daß du uns auseinandergebracht hast.« Er ächzte heftig und etwas stärker, als er eigentlich vorgehabt hatte. »Das war schon das vierte Service!«

»Und jedesmal eines mit anderem Wappen«, stellte Herr Gitzler fest. .

»Was soll ich machen?« sagte der Wirt. »Ohne Wappen kann ich nicht leben, ein eigenes Wappen besitze ich nicht, und das Wappen der Katzenellenbogen kann Gutermuth nicht kriegen.«

»Nun, dann werden wir eben ein neues steigern – ein neues, ein neues, ein neues steigern . . .« trällerte Gitzler hell. »Fahren Sie mit mir nach Mainz herüber, mein lieber Herr Belfontaine?«

»Eh, nein«, sagte Belfontaine unbehaglich, »zum Steigern bin ich noch niemals der richtige Mann gewesen. Es geht mir zu sehr auf die Nerven, mein Bester, wenn ich sehen muß, wie ein 67 lebendiger Leib unter das Hackmesser kommt. Da liegen die Füße – dort liegt der Kopf – alles ist plötzlich gebeilt wie das Kalb in dem Laden des Metzgermeisters. Man kauft und verkauft die einzelnen Teile: das Hirn, die Klauen, Leber und Nieren. Pfui Teufel!« – Belfontaine schüttelte sich – »fahren Sie lieber allein, Herr Gitzler, und ersparen Sie mir die Gelegenheit, eine traurige Milz zu kriegen.«

Gitzler blickte ihn aufmerksam an. »Ich finde, die traurige Milz haben Sie heute schon. Sie sind verändert, Herr Belfontaine –?« Er schnippte mit den Fingern und sagte: »Na, schön. Vielleicht fährt der Pfarrer mit. Er muß ja manchmal aufs Domkapitel; dann schließe ich mich an. Ihm . . . oder – – nun, warum eigentlich nicht? ihm oder meiner Frau. Möglicherweise, wie fänden Sie das, fahren wir auch zu dritt.« Herr Gitzler lachte, es war das gleiche krankhafte Pferdelachen, das ihn geschüttelt hatte, als die Tafel umgestürzt war. Belfontaine schwieg, und Herr Gitzler, die langen Schneidezähne entblößend, fragte: »Wie Sie das fänden? Na, so reden Sie doch in Gottes Namen! Reden Sie frisch von der Leber weg, von Ihrer bis dato noch ungebeilten, lieben, lustigen Leber, oder auch von der traurigen Milz weg, wenn Ihnen das leichter fällt. Also: wie fänden Sie das, wenn wir beide mein Täubchen nach Mainz begleiten und wieder abholen würden?«

»Verbrecherisch«, sagte Herr Belfontaine streng. »Nein, schlimmer noch: einfach peinlich. Ja. Peinlich fände ich das.«

»So. Peinlich«, flüsterte Gitzler und ließ mit erschöpfter Bewegung den Kopf heruntersinken; die zahlreichen feinen Runzeln und Fältchen, die sein Gesicht bedeckten, liefen plötzlich alle um Kinn und Mund wie Spinnenwege zusammen; der dunkle Bart, schon im Ansatz geteilt, hatte Glanz und Fülle verloren und war von grauen Knoten durchsetzt, die ausgesogenen Fliegen glichen, Speiseresten, verfilzter Wolle: nutzlosem Zeug aus dem Abfall des Daseins, nicht einmal wertvoll genug, um von den Fingern des Todes herausgekämmt zu werden. »Natürlich«, fuhr er im Flüsterton fort, »natürlich, das wäre peinlich für einen Mann von Ehre.« Dieser Ausdruck: »ein Mann von Ehre« schien ihn unvermerkt aufzurichten. Er führte seine gewohnte Bewegung, das Ziegenmaul bloßzulegen, mit 68 salbungsvoller Langsamkeit aus, musterte Belfontaine höhnisch und sagte in dem schreienden Tonfall verletzter Eigenliebe: »Sie fallen auch wirklich auf alles herein, bester Herr Belfontaine. Ein Mensch, der so klar sieht wie ich, begeht keine Peinlichkeit. Übrigens möchte ich nur bemerken, daß Sie soeben Moral und – Sünde verwechselt haben. Wenn ich sündige, muß das nicht peinlich sein; es wird erst peinlich, wenn die Gesellschaft etwas davon erfährt. Dann ist nämlich nicht nur die Tugend verletzt, sondern schlimmer noch: die Moral. Die Gesellschaftsmoral, Jehova auf Erden, das Staatsfundament . . . und so weiter. Na, kurzum: der gute Geschmack, wie vielleicht unsereiner«, er meinte die Sybariten damit, »etwas weniger hochtrabend sagen würde.«

Herr Belfontaine rümpfte die Nase und atmete heftig aus. »Ich habe gar nichts verwechselt«, sagte er starr und beleidigt. »Ob Sie nun ›Staatsfundament‹ oder ›Jehova auf Erden‹ oder ›Gesellschaftsmoral‹ für das christliche Sittengesetz unter uns Menschen sagen –«

»Wie?« kreischte Gitzler mit einer Stimme, die scheinbar die rasende Polka Eddies, in Wirklichkeit aber das höllische Lachen seiner verwundeten Brust zu übertönen suchte. »Christliches . . . Sittengesetz?«

Mit einem Schlag brach die Bumsmusik ab, der Deckel des Pianinos klappte, ein fernes Summen ging durch den Raum, die Tropfen des Nickelhahns auf dem Spültisch fielen wie abgezählt nieder und schnalzten unten auf.

»Mäßigung!« sagte Kiebich kalt und legte Herrn Gitzler ein Mundtuch um, das er hinten verknotete, während jener, ärgerlich lachend, seinen Vollbart über das Lätzchen zerrte und mit Erleichterung wahrnahm, daß Kiebich bei sämtlichen Sybariten, in der Hoffnung, das Essen voranzutreiben, diesen Ritus vollzogen hatte. Gleichzeitig blickten einander die Herren in tiefem Schweigen an und bemerkten, ganz wie in Spiegelträumen, daß sie samt und sonders unter dem Kinn mit ihren Servietten bekleidet und also vervielfältigt waren; wie auf Verabredung nahmen sie Platz, stützten die Ellbogen auf und hielten, ohne ein Wort zu sprechen, Messer und Gabel hoch.

Herr Eddie drehte sich ängstlich auf seinem Klavierstuhl um. »Soll ich weiterspielen?« fragte er schüchtern. Keine Antwort. 69 »Bitte, die Herren«, fuhr der Junge schweißbedeckt fort, »wird noch ein Stückchen gewünscht?« Niemand erwiderte eine Silbe, Herr Eddie stemmte den Deckel wie Zentnergewichte hoch, setzte hilfesuchend den Fuß aufs Pedal und nahm ihn wieder herab. »Machen wir's den Schwalben nach«, krächzte er in die Stille, »heißt der Walzer, den ich jetzt spiele.«

Er kam nicht dazu. Schon der zweite Teil seines hilflos geratterten Sätzchens ging in dem allgemeinen Gelächter der Sybariten unter. Ihre Schlünde zerrissen, ihr mächtiger Atem zischte wie überflüssiger Dampf aus tutenden Schiffsschornsteinen, deren Schreie sich heben und senken und heben, um endlich auf dem erlösten Geheul einer Sirene stehenzubleiben – endlos, bis zur Erschöpfung und Klage, die sich selber als Letztes verschlingt.

Der am längsten lachte, war Gitzler. Mit schmerzlichen Schreien hielt er sich krampfhaft die noch immer geschwellten Rippen und blickte tränenden Auges den benachbarten Belfontaine an. »Christliches Sittengesetz«, stöhnte er unter erneutem Gelächter und fiel seinem Feind um den Hals. »Na, endlich«, wimmerte er entzückt, »endlich gehörst du an diesen Tisch wie nur irgend einer von uns.«

»Sind Sie verrückt?« fragte Belfontaine böse und machte sich heftig los.

»Aber wieso?« sagte Gitzler erstaunt und war plötzlich wie ausgewechselt. Sein Gesicht wurde menschlich. Es glättete sich; die hohe leidende Stirn dieses Mannes gewann die Herrschaft über den Bart und die hellroten Wüstlingslippen. Er dachte einen Augenblick nach und fuhr mit geläuterter Stimme fort: »Sehen Sie, früher: da glaubte ich manchmal, Sie gehörten auf die andere Seite« – er machte eine vage Bewegung – »drüben hin . . . Gott, wie soll ich es sagen? Ganz einfach: zu Pfarrer Mathias hinüber, wobei Mathias ein Sammelbegriff für alles, woran ich jetzt denke, ist; etwas« – er lächelte schief – »wie eine Himmelsglocke, die über dem Ganzen steht.«

»Und«, fragte Belfontaine wie ein Mensch, dem ein Schlag vor die Brust versetzt worden ist, »was ist das für eine Seite, auf die Mathias gehört?«

Gitzler drehte wieder den Fuß seines Weinglases hin und her und sagte dann: »Eigentlich weiß ich nicht recht, was diese 70 Frage bedeutet. Denn theologisch besehen, könnte Ihnen doch jedes Kind die Antwort darauf geben.«

Herr Belfontaine wurde dunkelrot und senkte gleichfalls den Kopf auf sein Glas. »Denken Sie, was Sie wollen«, sagte er mit Überwindung. »Aber geben Sie mir eine Antwort auf diese – kindliche Frage.«

»Nun, Belfontaine«, murmelte Gitzler und zwang ihn durch seinen Tonfall, ihm in die Augen zu sehen, »es ist die Seite der Freiheit, wohin Mathias gehört.«

Belfontaine starrte ihn regungslos an.

»Ja, sehen Sie« – Gitzlers Organ veränderte sich wieder und fiel in das unangenehme Kreischen einsamer Menschen zurück – »ich wußte doch, daß Sie mit meiner Antwort nichts würden anfangen können!«

»Jawohl«, gab ihm Belfontaine finster zurück. »Sie haben vollkommen recht. Seite der Freiheit . . . he!« Er griff um den Kelch seines Glases und preßte ihn, daß die weißen Knöchel aus seinen Händen traten. »Ich habe es doch geahnt.«

Gitzler wartete schweigend, ob Herr Belfontaine fortfahren würde; ein gespannter, ja fast besessener Ausdruck lag über seinem Gesicht, eine ungeheure geistige Neugier, welche die Formen verzehrte und dieses entleerte Antlitz, nicht anders wie bei Toten, ins Erhabene steigerte.

Belfontaine wollte weiter sprechen, doch entrangen sich dem Erregten zunächst nur sinnlose Laute: ein Lispeln und Zischen, ein hartes Röcheln im Kehlkopf, das sich erst ganz allmählich zu Worten verdichtete. »Nun begreife ich«, sagte er dumpf, »was den Pfarrer mit Ihnen verbindet. Mit Ihnen und Ihrer Frau. Ja – warum sollten Sie nicht zu dritt nach Mainz herüberfahren?«

»Belfontaine«, flüsterte Gitzler.

Der andere schien ihn nicht zu bemerken; sein Körper wiegte sich hin und her, langsam, wie unter entsetzlichen Schmerzen, deren Ursache ihm verborgen war. »Nein, damit habe ich nichts zu tun. Garnichts. Nicht das Geringste. Ich gehöre nicht auf die Seite der Freiheit . . . wohin, wie Sie eben sagten, der Pfarrer Mathias gehört. Ich bin auf der Seite der Ordnung zu finden. Gerade entgegengesetzt.« 71

Gitzler berührte rasch seine Schulter. »Aber – Sie lieben den Pfarrer doch?« fragte der Wüstling sanft.

»Nein«, sagte Belfontaine hart und bestimmt und hörte auf, sich zu wiegen. »Ich liebe Ihren Mathias nicht.« Er strich etwas Unsichtbares mit der flachen Hand von sich fort; es war, als ob er ausdrücken wollte: da, nimm ihn dir, deinen Mathias. Nein, bitte – es macht mir nicht das Geringste. Ich lege keinen Wert mehr darauf, mit ihm befreundet zu sein.

In dem gleichen Augenblick wurde er ruhig. Eine köstliche Kühle erfüllte ihn, und er wußte: es war der nämliche Zustand, der sich seiner bemächtigt hatte, als er im Selbstgespräch dieses Morgens den Blinden – angenommen, der Mann wäre doch noch an seinen Zaun gekommen – kurzerhand von sich wies . . . »Lieben! Schnickschnack, Herr Gitzler«, sagte Belfontaine ungezügelt, »ich bin doch kein junges Mädchen. Was ist das überhaupt für ein Ausdruck! Natürlich ist mir der Pfarrer sympathisch – und zwar in hohem Maße«, setzte er in dem Bierdeutsch gewisser Vereine hinzu. »In hohem Maße! A la bonheur! Er ist meiner Achtung gewiß.«

Herr Belfontaine rückte gedankenlos sein Eßbesteck an den Teller und sah die verschiedenen Frühstücksplatten hinter dem Spültisch hervor und auf die Tafel schweben; sie kamen in seinem verhängten Bewußtsein wie große Vögel herbei: lautlos und ohne getragen zu werden, segelten sie durch den Raum und wurden im Niedersetzen farbigen Herbstblättern ähnlich, die ihr Dasein vollendet haben.

»Natürlich – mißverstehen Sie nichts – kenne ich auch seine Fehler so gut wie irgendeiner«, redete Belfontaine weiter. »Aber sehen Sie: dieses Wissen stärkt meine Verantwortung nur. Man muß ihm ein wenig behilflich sein, nicht wahr – mein Gott, so ein Bauernjunge kommt roh wie eine Rübe aufs Priesterseminar, man bringt ihm einige Tischsitten bei und gibt ihm ein Taschentuch. Was lernt er? Gehobenen Katechismus, einige Gottesbeweise und etwas Apologetik von der Art jenes Lesebuchliedchens: ›Der Kuckuck und der Esel, die hatten einmal Streit, wer wohl am schönsten sänge, wer wohl am schönsten sänge, zur lieben Maienzeit.‹ Aber sonst? Ich frage Sie: sonst? Mit den Klassikern hört das auf. Doch das Schlimmste, 72 für mein Gefühl, ist die mangelnde Menschenkenntnis. Oder glauben Sie nicht, Herr Gitzler?«

Gitzler mümmelte irgend etwas und bückte sich auf den Teller; er war schon mitten im Fressen und fraß voller Hingebung weiter, die Krebsscheren krachten, sein fleischiger Mund mit dem umgebenden Barthaar glänzte von Mayonnaise. »Meinetwegen«, sagte er endlich. »Int'ressiert mich nicht. Geht mich nichts an. So betrachte ich mir den Mathias nicht. Sie wissen doch: wie ich immer betone, bin ich vollkommen areligiös.« Er wandte sich wieder dem Krebsfutter zu und drückte mit jeder Bewegung aus, daß er nicht mehr zu sprechen sei.

Herr Belfontaine räusperte sich enttäuscht, zog nun gleichfalls die silberne Platte näher und nahm von dem Trüffel-Ei. »Weißbrot!« sagte er kurz zu Herrn Eddie, der wieder, Standbein bei Spielbein, an der Ledertapete lehnte. Der Pikkolo huschte hin und zurück, Belfontaine blickte mit leeren Augen über die Tafelrunde und sah jeden mit seinem Frühstück beschäftigt: keineswegs tierisch, im Gegenteil – diese Leute schienen unter der Lust des Feinschmeckertums, das ihr Leben war, offensichtlich zu leiden. Sie quälten sich. Ihre Gesichter waren nach innen gerichtet, als dächten sie angestrengt nach; in eins damit aber spiegelten sie eine Hingerissenheit wider von der Art, wie sie Liebende kennen, die den Kuß sowohl geben wie nehmen. Ja, wer sie ansah, hätte wohl schwerlich den Gedanken zurückweisen können, daß sie selber in gleichem Maße von ihren Speisen verzehrt und von ihnen verschlungen wurden, wie sie ihrerseits diese Speisen verzehrten und ein lebendiges Beispiel der dunkeln Forderung waren: daß die Toten, ungestört von dem Fortgang des eigentlichen Daseins, ihre Toten begraben sollten. Welch eine Anstrengung, zu genießen! Man merkte: sie kämpften mit dem Genuß wie Laokoon mit den Schlangen; umstrickt von ihm, suchten sie ab und zu diese Umstrickung zu lockern und den Genuß, den sie eben hatten, ein wenig fortzuschieben, um desto lüsterner in der Umarmung des nächsten zu versinken. Wahrhaftig – da war kein gewöhnlicher Fresser unter ihnen zu finden; ja, nicht einmal ein Mensch, der sich des Lebens freute; doch jene seltsame Art zu leiden, die über die Runde wie Luziferlicht breit ausgegossen war, gab ihnen eine 73 magische Schönheit, die gleichsam das Spiegelbild aller Freuden und also keineswegs wirkliche Freude, doch von den Gebärden der Freude nicht unterschieden war.

Diese Menschen: waren sie nur erst gefallen oder auch schon verdammt? Ihre Lautlosigkeit – eine Art von Stille, welche darin bestand, daß sie einander weder zu fühlen, noch fühlend wahrzunehmen und also weder zu lieben, noch zu hassen imstande schienen – sprach vielleicht für die schreckliche Meinung, daß hier nicht Vorhölle war oder Orkus, sondern einfach der Tisch der Verdammten. Daran änderte auch die Tatsache nichts, daß unter den Ausbrüchen Böhmers die Tafel des öfteren krachend und klirrend in sich zusammenstürzte; vielmehr wollte Belfontaine heute dünken, daß diese Zufälle, mehr noch als alles, was sich sonst in der Runde begab, etwas vollkommen Lebloses hatten und keineswegs aus den Bindekräften der menschlichen Natur: aus Wut oder Liebe kamen; ja, nicht einmal aus der wachsenden Hefe besinnungsloser Mächte – oder daß sie dem tierischen Treiben mythologischer Urweltspiele verglichen werden konnten. Sie ereigneten sich. Das war alles. Aber auf welche Weise? Wenn Herr Belfontaine sich bemühte, darüber nachzudenken, so fühlte er einen blinden Fleck, eine taube Stelle in seinem Gehirn, einen winzigen, stecknadelgroßen Punkt, der ohne Erinnerung war. Natürlich mußte wohl immer ein Anlaß vorhanden gewesen sein – aber keiner bedeutete eigentlich mehr, als die Nacht, die dem Morgen voraufgeht, an welchem der Sammler die Schüsseln und Schalen, Krüge, Becher und Kerzenhalter von der Zinnkrankheit nicht nur befallen, sondern bereits zu Asche verwandelt, in sich selber eingestürzt, findet . . . .

Mit einem Ruck stand Herr Belfontaine auf und schob die Manschetten zurecht. »Ich habe noch eine Verabredung vor«, sagte er wie betäubt.

»Oh nein, Sie bleiben«, flüsterte Gitzler und zog ihn wieder herunter. »Sie verlassen ja auch die Kirche nicht während der Wandlungsworte.«

»Feiern Sie Ihre Messe allein«, stammelte Belfontaine mühsam und machte einen letzten Versuch, sich aus der Runde zu lösen; gleichzeitig hörte er, daß die Tür des Gastzimmers aufgerissen 74 und zugeworfen wurde; wie ein Fächer schlug ihm das Licht an die Schläfe und losch im Nu wieder aus.

»Herr Amtsrichter, rasch, der Kreisarzt ist drüben!« sagte ein Mann und fuhr an die Mütze; es war der Gerichtsdiener Gombel, ein früherer Feldwebel, Diener des Staates vom Scheitel bis zur Sohle.

Schmoller zuckte empor wie von der Tarantel gestochen. »Und was haben Sie diesem Kerl gesagt?«

»Daß der Herr Amtsrichter heute morgen einen Lokaltermin hätte«, schnauzte der brave Gombel mit unerschütterter Miene.

»Wo?« fragte Schmoller.

»In Wallerstädten, bei dem Gemarkungsprozeß –«

»Schon gut.« Der Amtsrichter winkte ab. »Wann komme ich wieder zurück?«

»Um 12.50. Der Zug ist soeben am Bahnhof eingelaufen.«

»Die Pflicht!« sagte Schmoller. »Die Pflicht, meine Herren, hat Preußen einst groß gemacht. Die Pflicht und der deutsche Idealismus, die mich leider von hinnen treiben.«

»Ich denke, der Kreisarzt treibt ihn von hinnen?« fragte Böhmer Herrn Schiffenberger.

»Allerdings«, erwiderte Schiffenberger und funkelte vor Vergnügen. »Oder wissen Sie wirklich nicht, lieber Böhmer, daß der Kreisarzt mehr Leute von hinnen treibt, als – na, ich möchte nichts weiter sagen. Aber schließlich ist es ja kein Geheimnis, daß die Bevölkerung meinen Kollegen nur ›Doktor Eisenbart‹ nennt.«

›Die Bevölkerung‹ war nicht ganz richtig, denn es gab keinen Bauern in dieser Gegend, der nicht auf Doktor Eisenbarts Pillen wie auf die Bibel geschworen hätte; man rief ihn sogar, wenn der Veterinär mit der kalbenden Kuh nicht zurechtkam, wenn der Traubenstecher die Blüten verspann oder der gärende Rotwein einen Trebernhut bildete.

»Was will denn der Kreisarzt von Ihnen, Schmoller?« rief Schiffenberger gleichwohl hinüber – halb neugierig, halb wie ein Mensch, der gezwungenermaßen den Dorn in die eigene Ferse tritt.

»Von mir will er gar nichts. Er kommt nur vorbei, um den toten Landstreicher anzusehen, der gestern zwischen den Wingertmauern, die Schweickerts Lage von Rockers trennen, gefunden 75 worden ist. Der alte Rocker spritzte die Stöcke den ganzen Nachmittag über, ohne etwas zu hören. Als er fertig war und das Holztürchen aufschloß, merkte er, daß er da oben die Pfeife vergessen hatte. Er stellt also seinen Trageimer ab und läuft zurück zu der Steinbank, wo er eben gevespert hat. Die Pfeife ist weg. Nun, er bückt sich: unter der Bank liegt es auch nicht, das sappermentse Ding.« Der Amtsrichter fiel in den Tonfall Rockers und fuhr in der Ichform fort zu erzählen, während Gombel verstohlen und ängstlich an seinem Schnurrbart zerrte. »Da denk' ich: das Mäuschen sollte dich beißen, wenn du nicht statt deiner Pfeife das Brotpapier in die Tasche gestopft und die Pfeife – wie schon mal vor Jahren – über die Mauer geschmissen hättest, mein lieber Leonhard, was? Richtig, das Wurstpapier ist im Sack, und die Pfeife liegt jenseits der Mauer – aber nicht nur die alte Pfeife . . .«

Schmoller faßte an seinen Kragen und sah die Hundeaugen des Dieners verzweiflungsvoll auf sein Gesicht gerichtet.

»Na, Gombel, so gehen Sie doch schon voran. Ich kann ja schließlich nicht hexen und in drei Minuten vom Bahnhof zum Amtsgericht laufen, wie?«

»Zu Befehl!« sagte Gombel und machte kehrt.

»Ein Verbrechen?« fragte Herr Gitzler leise, als der Diener verschwunden war.

»Keine Spur. Ein Herzschlag, nehme ich an. Der Mann war vollkommen ausgemergelt, mehr ein Skelett als ein Mensch. Trotzdem, so sagte der alte Rocker, hat sein Anblick nichts Schreckliches, oder vielmehr, wie der Bauer es auszudrücken versuchte: ›nichts Plötzliches‹ gehabt. Er lag auf der Seite, den linken Arm unter den Kopf geschoben; die Pfeife schien ihm gerade aus dem Mund gefallen zu sein. Wenn der Kreisarzt die Leiche freigibt, wird der Pfarrer ihn heute abend begraben; den Mann identifizieren zu wollen, ist vollkommen aussichtslos. Erstens hatte er keine Papiere, zweitens zeigte die Kleidung Spuren einer ununterbrochenen Wanderschaft, und drittens schwört Gombel darauf, ihm noch niemals begegnet zu sein. Das Dritte gibt wohl den Ausschlag; denn, wen der Philipp Gombel nicht kennt oder wenigstens einmal gekannt hat, den gibt es sozusagen nicht. Hä!« 76

Der Amtsrichter lachte und nahm seinen Hut, Gitzler hielt ihn noch einmal zurück und fragte: »Von welchem Pfarrer wird denn der Tote begraben?«

»Na – ich denke: von dem Mathias. Der Unbekannte trug nämlich ein katholisches Amulett um den Hals«, sagte der protestantische Schmoller mit quetschender Nasenstimme.

»Eine Medaille?«

»Kann sein. Ich weiß nicht. Drüben wartet der Kreisarzt, Herr Gitzler. Wo habe ich meine Mappe?«

Auch Eddie sprang jetzt eilfertig her. »Die Handschuhe. Bitte, mein Herr.«

»Den Stock!« schnarrte Schmoller. »Nicht doch. Den andern. Den mit der Elfenbeinkrücke.« Er setzte seine Melone auf, grüßte und ging wie ein Lineal zu der quietschenden Tür hinaus. »Ölen!« sagte er streng zu Herrn Eddie, der ihn begleitete.

Auch Belfontaine nahm seinen Hut von dem Ständer und schickte sich an zu gehen. »Zahlen, Eddie!«

Der Pikkolo klemmte das Mundtuch, ohne das er sich nicht bewegen konnte, aufs neue unter den Arm und wedelte leichtfüßig näher. Belfontaine schob ihm ein Häufchen Silber, das Rechnung und Trinkgeld weit überstieg, in die warzigen Kinderhände. »Da, mach dir einen vergnügten Tag.«

Gitzler, mit einem Brötchenrest spielend, lächelte fahl vor sich hin . . .

 


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