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VIII

Ingeborg und Hartwig waren ganz bis auf den Strandweg hinabgekommen, ehe eines von ihnen sprach.

Beide waren schwindelig, weil sie sich einander so nahe fühlten. Eine so sonderbar Wonne hatten sie noch nie empfunden. Ein solches Bedürfnis nach Demut, nach Dank, nach Hingebung machte sie stumm und scheu.

Was soll ich ihr sagen, dachte Hartwig, – das gut und sanft und innig genug wäre? – Wie soll ich ihr es ausdrücken, wie heiß ich sie liebe? – –

Er dachte an heute morgen und errötete vor Scham über sich selbst. Wir passen nicht zusammen, hatte er ja geglaubt. Passen nicht zusammen! Du großer Gott, – wie die Gedanken der Menschen doch wild und zwecklos umherflattern! – Passen nicht zusammen! Es war, als wenn all das Gleichgültige und Zufällige, all das Flüchtige und Eitle bei ihnen jetzt auf einmal beiseite geschoben sei, damit sie so recht fühlen konnten, wie tief ihre Liebe ging, wie eng sie miteinander verknüpft waren. – –

Passen nicht zusammen! Es giebt ja niemand in der ganzen Welt, der so zusammenpaßt wie wir beide! – –

Ingeborg lehnte den Kopf schwer an seine Schulter. Sie ging mit geschlossenen Augen, sie fühlte nur ihn. Ich habe ihn wieder, – ich habe ihn wieder, – etwas anderes dachte sie nicht.

Sie kamen auf den Strandweg hinab, und gingen langsam heimwärts. Radler flogen an ihnen vorüber, an den Gartenpforten standen gleichgültige Menschen und sahen ihnen nach. Mitten auf dem weiten Wege im Sonnenschein, der um sie her flimmerte, im Staube, der bei ihren Schritten aufwirbelte und sie einhüllte, gingen sie unberührt dahin, stark, warm, – wie aufs neue für einander geboren!

»Ingeborg!« flüsterte er.

»Ja!«

»Bist du jetzt wieder glücklich?«

»Ja!«

Nach einer Weile murmelte sie:

»Und du bist auch glücklich, nicht wahr, Ernst?«

»Ja!«

Sie schwiegen eine Weile.

Dann begann Hartwig langsam und tastend:

»Wir fühlen das hier so heftig,« sagte er gedämpft. »Ich habe bisher nicht darüber nachgedacht, – aber gewiß gerade so wird die Grundlage zu dem Glück zweier gesunder und starker Menschen gelegt. – – Von Anfang an haben wir immer genug an uns selber. So stark fühlen wir uns, daß selbst das zärtlichste und innigste Verhältnis zu einem andern Menschen ein Zwang für uns wird. Wir müssen hinaus, wir müssen fort, wir müssen unsere Fessel sprengen, – – dann heißt es in Ehren bestehen. Diese Probe vernichtet die meisten. – – Aber die, die zurückkehren, die wissen selber, daß sie jetzt und in alle Ewigkeit nur stark sind, – nur gut und innerlich, – nur gut und glücklich, Ingeborg, – wenn sie mit dem Menschen zusammen sind, den sie verlassen haben. – –

So glaube ich, ist es. »Glaubst du das nicht auch, Ingeborg?«

»Ja,« flüsterte sie. »Das glaube ich auch!«

Nach einer Weile fuhr er fort:

»Du fuhrst mit Vedel hinaus. Es ist ja soviel Schönes, Anziehendes an ihm, das sehe ich sehr wohl. Und für dich ging er gewiß gern in den Tod. Es ist ja so natürlich, daß du ihn aufsuchtest. – Aber du fühltest dich enttäuscht, nicht wahr?«

»Enttäuscht?« wiederholte sie und erhob den Kopf, der an seiner Schulter ruhte.

»Ja, – er war doch nicht der, für den du ihn gehalten hattest, wie?«

»Ja,« sagte sie, – »er war so, wie er immer gewesen ist.«

»Nun, aber er konnte dir doch nicht helfen?«

»Nein,« rief sie aus und drückte seinen Arm an sich.

»Aber du suchtest doch seine Hilfe, nicht wahr?«

»Das weiß ich nicht,« sagte sie. »Ja, doch wohl,« fuhr sie nachdenklich fort, – »ich habe ihn, glaube ich, gefragt, ob er mich haben wollte.«

»Aber Ingeborg!« rief er aus. »Ja, da kannst du sehen!«

»Aber dann hatten wir a narrow escape ,« fuhr sie fort.

Er brach in ein schallendes Gelächter aus, » A narrow escape ,« rief er aus, – ja, so geht es! In einem solchen Augenblick pflegt es dann a narrow escapezu sein.«

»Ja, aber ich mache mir gar nichts aus ihm!« sagte sie eifrig, »ich habe die ganze Zeit nur an dich gedacht.«

Er streichelte sie lächelnd und schwieg.

Nach einer Weile sagte er mit einem Lächeln:

»Ich habe auch einen narrow escapegehabt, das kannst du mir glauben!«

Sie sah ihn an. »Das ist ja wahr!« rief sie aus, »wie ist es denn dir mit der dicken Dame ergangen? Hast du ihr den Hof gemacht?«

»Und ob!« sagte er. »Wir kamen sogar so weit, daß ich in dem entscheidenden Moment Wurst zu ihr sagte, und sie sagte Haut zu mir. Und beides war wirklich ganz zutreffend. Aber damit war es aus.«

Ingeborg lachte ausgelassen und sah ihn mit ihren strahlenden Augen an.

Nach einer Weile standen sie an der Pforte.

»Ernst,« sagte sie ernsthaft und schlang ihre Arme um seinen Hals. » Kennstdu mich jetzt?«

»Ich weiß nicht recht,« sagte er und küßte sie. »Aber ich kenne meine Liebe zu dir und mit der werden wir schon glücklich werden!«

Und Arm in Arm gingen sie dem Hause zu.


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