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27. Hinter dem Kreuze der Teufel

Reihenfels fand seine Begleiter schon mit der Untersuchung der Höhle beschäftigt. Sie staunten die singende Flamme an, und Valentin tat, als sehe er sie zum ersten Male. Er schlug vor Staunen die Hände über dem Kopfe zusammen.

Man fand die Totenknochen, welche in einer Ecke zusammengehäuft waren, man fand einen von Kisten und Körben aufgetürmten Berg, alle die Signatur der Londoner Firma tragend, einen Vorrat von Brennholz, Töpfe, Tiegel, Felle, ein Lager von Moos und Fellen, kurz alles, was darauf hindeutete, daß die Höhle von jemandem bewohnt wurde, der sich hier für längere Zeit eingerichtet hatte.

Reihenfels legte die Hand auf das Lager – es war noch warm, ja, er konnte noch die Eindrücke der Gestalt wahrnehmen, welche darauf geruht hatte.

Er nahm einen Gegenstand auf und hielt ihn Morrison hin.

»Doktor kennen Sie das?«

»Herrgott im Himmel,« rief für diesen Valentin, sich erstaunt stellend, »das ist ja der Spiegel, den ich neulich verloren habe.«

Ein vernichtender Blick traf ihn, der ihn jedoch nicht einschüchterte. Mit einem schnellen Griff hatte sich Reihenfels der Büchse des Mönchs bemächtigt.

»August,« befahl er, »stelle dich hinter ihn. Bei der geringsten verdächtigen Bewegung jagst du ihm eine Kugel in den Rücken.«

Valentin hatte allerdings eine Bewegung gemacht, als wolle er sich auf Reihenfels stürzen, um ihm das Gewehr zu entreißen. Jetzt starrte er ihn mit weitaufgerissenen Augen an.

»Was soll das heißen?« stammelte er.

»Das soll heißen, daß wir deine Schurkerei durchschaut haben.«

»Meine Schurkerei? Du bist wahnsinnig, der Teufel spricht aus dir, bin ich doch ein Diener Gottes –«

»Laß Gott und den Teufel aus dem Spiele,« unterbrach ihn Reihenfels, und eine furchtbare Entschlossenheit war in seinem Antlitz ausgeprägt. »Ich frage dich, wie kommt dieser Spiegel, der sich in deinem Besitze befand, hierher?«

»Ich sagte dir schon, ich habe ihn verloren.«

»Lügner, elender Schurke!« donnerte ihn Reihenfels an. »Du hast ihn der Bewohnerin dieser Höhle gegeben, warum, weiß ich nicht, jedenfalls, um dich bei ihr einzuschmeicheln. Sie, ein Mädchen, begehrte von dir einen Spiegel; im Kloster gab es keinen, so benutztest du die Anwesenheit Fremder, dir einen zu verschaffen.«

»Du besitzt eine wunderbare Phantasie,« spottete Valentin kaltblütig. »Von welcher Bewohnerin und von welchem Mädchen sprichst du eigentlich?«

»Deine Verstellung nützt dir nichts. Du wußtest, daß sich die Begum von Dschansi hier verborgen hielt.«

»Daß hier jemand wohnt, sehe ich jetzt, daß es aber die berüchtigte Begum von Dschansi ist, ist mir neu. Da ließe sich ein guter Fang machen. Richtig, August, welcher hinter mir mit geladenem Revolver steht, hat mir erzählt, daß sie deine Braut ist! Ich gratuliere dir zu deiner Höhlenbewohnerin und bin gern bereit, die Trauung zu vollziehen.«

»Schurke,« knirschte Reihenfels, »August, den du zu einer Zecherei verführt hast, hat mir noch andere Sachen erzählt.«

»So, was denn?«

»Du rühmtest dich, eine Liebschaft in dieser Gegend zu unterhalten, eitler Narr!«

»Hahaha,« lachte der Mönch laut, »sehr gut das! Allerdings sagte er mir auch Ähnliches, dann aber war er überzeugt, daß er nur geträumt habe.«

»Er hat nicht geträumt.«

»Beweise das!«

»Was sollen hier Beweise? Du bist überführt.«

»Bist du etwa mein Richter?« sagte Valentin trotzig. »Und wessen soll ich eigentlich überführt sein?«

»Du wußtest um das Vorhandensein dieser Höhle.«

»Oho! Ist mir nicht bewußt.«

»Die Weinflaschen, die du mit August leertest, stammten von jenem Vorrat dort.«

»Leicht möglich! Möchte nur wissen, wer jene Kiste in den Felsenkessel vergraben hat.«

»Du versprachst August, ihn noch mehrmals zu solch einem Gelage mitzunehmen.«

»Das hätte ich auch gekonnt; denn einmal war jene Kiste nicht leer, und dann weiß ich einen Platz, wo noch eine andere Kiste vergraben ist.«

»Du hast sie von hier genommen und dann vergraben.«

»Unsinnige Behauptungen! Beweise will ich haben. Sonst kannst du mich meinetwegen morden lassen, mein unschuldig vergossenes Blut wird dereinst auf dein Haupt kommen.«

»Beweise willst du haben? Dies ist noch einer.«

Reihenfels hatte einige Stücke Hartbrot aufgehoben und hielt sie dem Mönch hin.

»Hartbrot,« sagte Valentin ruhig, »ich kenne das Zeug, habe es oft genug gekaut. Es stammt aus dem Kloster. Es hat wenigstens dasselbe Aussehen. Jene Kisten mögen welches enthalten.«

»Siehst du hier nicht das Kreuz und die Buchstaben D und B? Dasselbe Zeichen tragen die Brote im Kloster, sie sind für dieses gebacken worden.«

»In der Tat, ich entsinne mich. Der Proviantmeister beklagte sich, daß ihm in letzter Zeit viel Hartbrot gestohlen worden wäre.«

»Und du meinst, die Begum hätte es gestohlen?« fragte Reihenfels mit bebender Stimme.

»Es ist nicht anders möglich. Wir haben solches Brot ja hier gefunden.«

»Du bist es gewesen, der es gestohlen und dem Mädchen gebracht hat. Mag Gott wissen, was dich veranlaßt, dich so um die Begum zu kümmern.«

»Ja, Gott mag es wissen,« spottete Valentin, »ich weiß es nicht, weiß überhaupt nicht, was du von mir willst.«

Aufgeregt schritt Reihenfels auf und ab. August ließ den Revolverhahn knacken, und Valentin blieb bewegungslos stehen.

»Valentin,« begann Reihenfels dann mit sanfter Stimme, »ich will dir alles verzeihen, wenn du die Wahrheit sagst!« »Ich spreche immer die Wahrheit.«

»Dann sage sie auch jetzt; denn Leugnen würde dir doch nichts nützen. Bei mir und bei meinem Freunde ist es vollständig erwiesen, daß du von dieser Höhle wußtest, und daß dir auch bekannt war, daß sich in derselben die Begum von Dschansi aufhielt oder noch aufhält.

Du hast die hier aufgestapelten Vorräte für dich selbst verwendet – das geht mich nichts an – der dir gegebene Spiegel ist hier gefunden worden, desgleichen Hartbrot, wie du es auf deine Jagdausflüge mitzunehmen pflegst. Du hast von einem schönen Mädchen gesprochen, mit welchem in einem Verhältnis zu stehen du dich rühmtest. Als wir in die Höhle drangen, riefst du so laut wie du konntest. ›Vorsicht!‹ Das war eine Warnung für die Bewohnerin der Höhle, sie ist auch geflohen. Nun beschwöre ich dich, Valentin, weißt du, ob sie wieder hierher zurückkommt? Weißt du, wohin sie geflohen ist?«

»Ich weiß gar nichts,« entgegnete der verstockte Sünder, »ich weiß überhaupt nicht, was du von mir willst. Deine Fragen sind ganz unsinnig.«

»Valentin, es ist meine Braut, die ich suche.«

»Dann gratuliere ich dir zu solch einer Braut, die vor dir in eine Höhle flieht, hahaha!«

Drohend richtete sich Reihenfels auf.

»Bube, dein Leben liegt in meiner Hand!«

»So nimm es!«

»Ich will mich nicht mit deinem Blute besudeln. Aber vernimm etwas anderes: Wenn du nicht geständig bist, so melde ich diesen Vorfall deinem Prior.«

»Und dann?«

»Dann wird er wohl Mittel finden, aus dir ein Geständnis herauszulocken.«

»Ich habe nichts zu gestehen.«

»Auch nicht, daß du dich in Wein berauscht hast? Daß du vor deinem Prior ein Geheimnis bewahrt hast? Ich brauche dir wohl nicht erst zu sagen, was deiner wartet.«

»Und was wäre das?«

»Die Geißel, wenn nicht noch Schlimmeres.«

»Du irrst,« entgegnete Valentin so spöttisch, daß Reihenfels stutzig wurde. »Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter.«

»Oho, August kann es bezeugen, wir anderen auch.«

»Ihr? Ihr Ketzer? Ihr meint, eure Aussage gilt bei dem Prior etwas? Narren, die ihr seid! Geht hin zu ihm, erzählt ihm alles, was euch der Wahnsinn eingibt, dann werdet ihr sehen, ob er mehr mir, der die wilden Tiere vom Kloster fernhält, oder mehr euch Ketzern glaubt.

Hahaha, versucht es doch!«

Morrison hatte etwas Ähnliches erwartet; Reihenfels knirschte mit den Zähnen. Gegen eine solche Hartnäckigkeit war er ohnmächtig. Noch einmal wollte er es in Güte versuchen.

»Sage mir, Valentin, ob die Begum hierher zurückkommt, vielleicht auf dein Zeichen hin, oder wo sie sich versteckt hält, und ich verspreche dir folgendes: Ich weiß, wem diese Waren, bestehend in Wein und Konserven, gehören – einer Londoner Firma; dies alles, alles schenke ich dir, niemand soll etwas davon erfahren, und ich darf es verschenken, denn ich werde die Londoner Firma dafür bezahlen; aber du mußt mir meine Fragen beantworten.«

Die Augen des Mönchs hatten aufgeleuchtet. Er überlegte lange.

»Sehr gütig von dir,« sagte er dann spöttisch, »aber ich kann nicht antworten, denn ich weiß nichts.«

Sollte Reihenfels zu gewaltsamen Mitteln greifen? Er glaubte, diesem Manne, der von einer teuflischen Leidenschaft, der Trunksucht, besessen wurde, doch nichts entlocken zu können.

»Wohlan, ich werde deinem Prior Anzeige erstatten und dafür sorgen, daß er mir glaubt.

Du willst mir nicht behilflich sein, das Mädchen zu suchen?«

»Ich weiß von keinem Mädchen.« »So überlasse ich dich deinem Schicksale.«

»Bindet den Hund und züchtigt ihn, bis er gesteht,« sagte da Morrison.

»Es wäre vergebens. August, gib acht, daß er keinen Mordanschlag auf uns macht. Dem Schurken ist alles zuzutrauen.«

Er untersuchte mit Morrison die Höhle. Alles verriet, daß sie erst vor kurzem von der Bewohnerin verlassen worden war. Mit tiefer Wehmut betrachtete Reihenfels die armseligen Gegenstände, welche zum Gebrauch seiner Braut gedient hatten.

»Warum machen Sie mit dem Heuchler nicht kurzen Prozeß?« fragte ihn der Missionar.

»Beim Prior können Sie doch nichts gegen ihn ausrichten.«

»Ich weiß auch, daß ich überhaupt nichts aus ihm herausbekommen kann, und dann, Herr Doktor, vergessen Sie nicht: noch ist die Zeit nicht gekommen, da ich Bega begegnen soll. Es geschieht in freier Gegend, im Walde, und der Amerikaner muß dabeisein, nicht aber der Mönch in der Kutte.«

»Um Gottes willen, Freund, geben Sie sich nicht ganz dem Glauben an ein Verhängnis hin!«

»Nein, ich will tun, was ich für das beste halte. Gehen Sie mit dem Mönche nach dem Kloster, erstatten Sie Anzeige von dem Vorgefallenen – gleichgültig, ob der Prior Ihnen glaubt oder nicht – bestehen Sie aber unbedingt darauf, daß Valentin in sicheren Gewahrsam genommen wird, drohen Sie sonst mit Bekanntmachung beim englischen Gouvernement.

Leise, daß Valentin nichts davon hört! Der Bursche fühlt sich zwar sicher, denn es kann ihm wirklich nichts anderes bewiesen werden, als daß er Wein getrunken und sein Geheimnis nicht gebeichtet hat; aber er hat ganz recht, seine Aussagen gelten mehr als die unseren.«

»Und was wollen Sie tun?«

»Ich untersuche etwas die Umgegend. Erblickt sie mich, so wird sie nicht fliehen. Dann kehre ich hierher zurück und warte, ob sie wiederkommt, und sollte es Tage dauern. Geben Sie acht auf den Burschen, daß er Ihnen nicht von hinten einen Schuß beibringt, oder lassen Sie das Gewehr lieber durch August tragen.«

Sie gingen zu dem Mönch zurück.

»Du gestehst nicht, wir können nichts dagegen machen,« sagte Reihenfels zu ihm, »so werden wir uns ohne dich zu behelfen wissen.«

»Meinetwegen denke, was du willst, meinetwegen zeige mich auch beim Prior an. Dann wirst du ja erfahren, wem er mehr glaubt, mir oder einem Ketzer!«

»Ich weiß noch nicht, ob ich das tue. Jetzt wirst du uns nach dem Kloster begleiten.«

»Ich wäre sowieso dorthin gegangen,« knurrte Valentin; »ich will dem Prior schon erzählen, was für saubere Gäste er aufgenommen hat. Ich hoffe, wenn ich mich jetzt umdrehe, wird mir der rothaarige Kerl, der von bösen Träumen geplagt wird, nicht in den Rücken knallen.«

August trat zurück, aber der Mönch verlangte vergeblich sein Gewehr.

»Meinetwegen,« sagte er, »ihr sollt schon sehen, was für eine Suppe ihr euch eingebrockt habt. Man nimmt einem Dominikaner nicht ungestraft die Sachen, die ihm gehören.«

Er schritt dem Ausgange zu, aber jenem, welcher nach dem Abhange führte. Die anderen folgten ihm.

Man sah, welch gefährlichen Abstieg man vor sich hatte, da aber Valentin ihn sorglos begann, so kletterten auch die anderen vorsichtig über die Steine.

Valentin tat, als bereitete ihm diese Kletterei die äußersten Schwierigkeiten. Er stöhnte, setzte Schritt vor Schritt, sah sich angstvoll um, klammerte sich an jeden Halt krampfhaft an, und da er sich rückwärts hinab bewegte, so blieb er bald zurück.

Morrison war den anderen weit, weit voraus, fast hatte er den Talgrund schon erreicht.

Reihenfels mißtraute dem Mönch, er beobachtete ihn und hielt sich in seiner Nähe auf. Da plötzlich machte Valentin einige Sätze wie ein Steinbock bergauf, verschwand hinter einem Felsblocke, und im nächsten Augenblicke kam dieser ins Rollen, seine ganze Umgebung mit sich reißend.

Gellend schrie Reihenfels auf. Nur seiner Gewandtheit gelang es, dem rollenden Felsen, der auf ihn loskam, durch einen Sprung auszuweichen. Dann hatte er schon die herabsausende Lawine unter sich. Wohl sah er den Mönch aufwärts fliehen, ein Schuß hätte den Frevler bestraft, aber Reihenfels' Augen richteten sich jetzt nur auf die Freunde, welche verloren sein mußten.

August tat das Törichtste, was er hätte tun können, er versteckte sich hinter einem großen Stein. Donnernd prasselten die mächtigen Blöcke dagegen, aber siehe da, ob der Stein mit dem Untergrund in fester Verbindung stand, oder ob ihn sonst eine Kraft festhielt, kurz, der im Gegensatz zu den herabpolternden Stücken kleine Stein hielt dem Riesen stand; auch August hatte die Lawine hinter sich.

Morrisons Schicksal schien jedoch besiegelt zu sein. Er stand an der Seite des Abhangs; nur ein einziger, mächtiger Felsblock sauste auf ihn zu, aber diesem konnte er nicht entgehen, von diesem mußte er zu Brei zerquetscht werden.

Morrison war in die Knie gesunken. Er sah seinen Tod kommen und sprach das letzte Gebet.

Da kam der Block durch eine Unebenheit des Bodens ins Springen, immer höher wurden die Sätze, und auch über Morrison sprang er in großem Bogen hinweg, ihm noch mit der Kante den Hut vom Kopfe reißend.

Die Hand Gottes hatte die drei wunderbar erhalten.

Reihenfels dachte jetzt noch nicht an den schurkischen Mönch, der den Entdeckern seines Geheimnisses den Tod schicken wollte, er blickte den Abhang hinab, welcher jetzt eine glatte, schräge Fläche war, mit Ausnahme des großen Steins, hinter welchem August noch immer halb betäubt lag, er sah die unten aufgehäuften Felsmassen, den noch knienden Missionar, und er dankte Gott für seine Hilfe.

Nachdem sie sich gegenseitig überzeugt, daß sie unverletzt waren, begaben sich Morrison und August nach dem Kloster, mit dem Entschluß, den Prior über den Charakter des Klosterjägers aufzuklären.

Reihenfels aber schlich sich, die Büchse zum Schusse bereit und seinen Augen nichts entgehen lassend, was sich oben auf dem Felsgrate zeigen würde, wieder hinauf. Er war jedoch keinem neuen Mordversuch ausgesetzt. Weder, als er den Grat betrat, noch als er, um in die Höhle zu gelangen um die Ecke bog, blitzte ihm das Messer des Mönchs entgegen.

Auch in der Höhle war er nicht zu finden. Valentin hatte es für das beste gehalten, zu verschwinden, wozu er den anderen Ausgang benutzte. Er wußte, daß seine Absicht mißglückt war; nun war alles verloren, er wagte sich auch nicht mehr ins Kloster zurück; sein Geheimnis, seine unselige Leidenschaft waren entdeckt worden.

Als er einst als Wilddieb einen Förster erschossen hatte und steckbrieflich verfolgt wurde, war er, um der Strafe zu entgehen, Dominikaner geworden. Jetzt, da ihm das Kloster keine Zuflucht mehr bot, beschloß er, ein Räuber und Mörder zu werden.

Indien hatte Raum für Abenteurer, welche sich durch Raub bereichern wollten. Als die Nacht anbrach, beschloß der sich während des Tages versteckt haltende Mönch, erst einmal dem Amerikaner einen Besuch abzustatten. Er hoffte, daß dieser noch auf dem Baume neben der Falle hockte.

Leicht konnte er dem Ahnungslosen das Gewehr abnehmen, ihn unschädlich machen und berauben. Er wußte, daß Mister Bulwer viel Geld bei sich trug.

Reihenfels hatte unterdes die Umgegend ausgekundschaftet, ohne eine Spur von Bega zu finden. Dann kehrte er nach der Höhle zurück, hier abwartend, ob sie vielleicht die alte Wohnung wieder aussuche. Er wartete vergebens einige Tage; Bega kam nicht zurück. – – Fluchend schritt der Amerikaner in seiner Falle auf und ab. Als er gesehen, daß er sich nicht selbst befreien konnte, war über den so phlegmatischen Mann doch etwas wie Verzweiflung gekommen, besonders, als sich bei ihm ein heftiger Durst fühlbar machte. Dann begann er zu fluchen über sein Mißgeschick, und dieses Fluchen erleichterte ihn, er vergaß dabei den Durst.

Schließlich setzte er sich hin, lehnte sich an das Gitter und gedachte ruhig die Nacht abzuwarten. Am nächsten Morgen mußte doch jemand aus dem Kloster kommen, um zu sehen, ob er die Schlange gefangen habe. So brauchte er nur eine Nacht in solch trauriger Lage zu verbringen. Eine Scham bei dem Gedanken, daß man ihn selbst in der Falle gefangen finden würde, empfand er nicht. Mister Bulwer war über Scham und Gewissensbisse erhaben.

Er sah die Antilopen und Gazellen an den Wassertümpel kommen. Mehr neugierig als furchtsam äugten sie nach dem gefangenen Menschen, als wüßten sie, daß er jene todbringende Waffe nicht erreichen konnte, welche dort am Baume lehnte.

Dann aber flohen diese Tiere davon; lautes Brüllen hatte ihnen verraten, daß jetzt die Raubtiere sich der Tränke näherten. Bulwer hörte, wie auch diese das Wasser plätschernd einsogen und er konnte nichts anderes als fluchen. Er saß da mit trockener Zunge und brennender Kehle, nur wenige Meter von ihm entfernt stillten die Tiere ihren Durst. Hätte er das Gewehr bei sich gehabt, dann hätte er wenigstens aus seinem sicheren Käfig nach dem furchtbarsten Tiger ruhig schießen und die Wirkung des Schusses beobachten können.

Eine Gelegenheit gab es noch, seinen Unmut auszulassen. Der verstümmelte Affe zeterte nach wie vor, es war ein ohrenzerreißendes Gekreisch. Mister Bulwer zog unter seinem Mantel ein Bowiemesser von acht Zoll Länge hervor und brachte dem Affen einen Stich bei, der ihn augenblicklich verstummen machte.

Ach, hatte er doch noch etwas anderes gehabt, an dem er seinen Zorn auslassen konnte! Sein liebstes Vergnügen wäre es jetzt gewesen, einen Menschen zu Tode zu martern. Die Qualen des Gemarterten hätten ihm gutgetan.

Der Mond beleuchtete den Amerikaner, der das blutige Messer an der Stiefelsohle abwischte und dann damit ein Stück Kautabak abschnitt – ein vorzügliches Mittel gegen den Durst.

Bewegte sich dort nicht etwas über die Grasfläche? Diese aufgerichtete Gestalt gehörte keinem Tiere an, es war ein Mensch.

Mister Bulwer konnte einen Jubelruf nicht unterdrücken, er hatte Valentin erkannt.

»Was, Teufel, ich denke, du sitzt auf dem Baume, und steckst in der Falle?«

Valentin hatte schnell die Lage erkannt, der Amerikaner hatte sich selbst gefangen. Sonst wäre wohl der schadenfrohe Mönch in ein unauslöschliches Gelächter ausgebrochen, jetzt stieg nur eine grimmige Freude in ihm auf, daß er so leichtes Spiel mit seinem Opfer habe.

Mit kurzen Worten erzählte Bulwer ihm, was ihm passiert sei; die Schrauben könne er nicht lösen, ebensowenig Valentin, er sollte also schnell nach dem Kloster laufen und das Handwerkszeug holen, welches er, Valentin, dummerweise auf dem Wagen wieder mit fortgenommen habe.

»Du hast dich wie ein unbeholfenes Kind angestellt,« sagte Valentin mit erzwungenem Lachen. »Hast du denn keinen Revolver bei dir?«

»No, und uas soll ick mit dem Revolver?«

»Wie, du gehst auf die Schlangenjagd und hast nicht einmal einen Revolver?«

»No, und uie soll ick damit kommen hierheraus?«

»Also keinen Revolver, dann ist's gut!«

Valentin blieb die Antwort schuldig, was ihn zu der sonderbaren Frage veranlaßt hatte. Er ging an den Baum, schnallte sich den über dem Gewehr hängenden Patronengürtel um, nahm das Gewehr selbst, untersuchte es und trat wieder an den Käfig. »Nun will ich dir etwas sagen, Narr elender!« begann Valentin vielverheißend. »Vor allen Dingen erfahre, daß die Riesenschlange bereits heute nachmittag von den Engländern getötet worden ist.«

»Goddam!«

»Ja, fluche nur, du wirst noch mehr fluchen. Daß du dich selbst in deiner Falle gefangen hast, freut mich ungemein; so können wir gemütlicher plaudern. Nach dem Kloster zu laufen und Hilfe herbeizuholen, dazu habe ich nicht die geringste Lust.«

»No? Uarum nicht?«

»Der Weg ist mir zu weit.«

»Ick uerde bezahlen.«

»Das läßt sich schon hören. Umsonst ist der Tod, für Geld tue ich aber alles. Wieviel gibst du mir?«

»Einen Dollar.«

»Bah, ich bin kein Laufbursche.«

»Fünf Dollar.«

»Sagen wir fünfzig Dollar.«

»Well, fünfzig Dollar!«

»Hast du sie bei dir?«

»Yes,« sagte der Amerikaner und zog eine Brieftasche hervor.

»Du scheinst eine ansehnliche Summe bei dir zu führen.«

Der Yankee antwortete nicht, er zählte grüne Scheine. Ein drohender Ruf ließ ihn aufblicken.

Dort stand Valentin, die Büchse im Anschlag auf den Gefangenen gerichtet.

»Ich denke, wir machen die Sache einfacher,« lachte er heiser, »du wirst die Güte haben und mir sofort deine Brieftasche geben, überhaupt alles, was du bei dir hast. Dafür verspreche ich dir zwar nicht, dir vom Kloster Hilfe zu holen, wohl aber verspreche ich, dir keine blaue Bohne durch den Kopf zu jagen. Also mach's kurz, ja oder nein, willst du mir dein Geld geben oder nicht?«

»Goddam, Sie sein ein Räuber,« sagte der Amerikaner, mehr überrascht als erschrocken, und riß seine kleinen Augen weit auf.

»Not kennt kein Gebot, ich brauche Geld.«

»Sie sein ein Mönck, und Möncks brauchen nix Geld.«

»Manchmal mehr als andere Menschen; frag nur den Papst. Also her damit, oder du bist eine Leiche! Ich könnte dich ja gleich niederschießen, dann hätte ich aber die Arbeit, erst das Gitter aufzubrechen.

»Sie sein ein unverschämter Mensch.«

»Her mit dem Gelde! Eins – zwei –«

»Stop! Sie sollen haben das Geld. Uas aber geben Sie mir für eine Garantie, daß Sie mich nix schießen tot, uenn ick Ihnen habe gegeben das Geld?«

»Das will ich dir sagen. Ich werde dich leben lassen, damit du später im Kloster erzählen kannst, was für ein Kerl ich eigentlich bin. Die Gesichter der Pfaffen möchte ich sehen, wenn sie hören, daß der fromme Valentin mit der blauen Nase aus einem Mönch ein Raubmörder geworden ist, hahaha!«

»Well, hier haben Sie die Brieftasche!«

Hätte Valentin nicht schon den phlegmatischen Charakter des Amerikaners gekannt, er würde gestutzt haben, als ihm dieser so gleichgültig die Hand mit der Brieftasche entgegenstreckte.

»Das sein ein köstlicher Spaß.« sagte auch noch Mister Bulwer, »das uerde ick schreiben morgen an den New-Yorker Herald, und man uird mich bewundern.« Begierig griff Valentin nach der Brieftasche. Da aber ließ Bulwer diese fallen, blitzschnell legten sich die Finger wie ein Schraubstock um das Handgelenk des Mönchs, ein Ruck, Valentin wurde mit unwiderstehlicher Gewalt an das Gitter gerissen, seine Nase schlug sich an den Eisenstäben breit, und vor seinen Augen blitzte das lange Messer des Amerikaners.

Valentin konnte sich nicht rühren, sich nicht von dem eisernen Griffe befreien, wie er auch zog und riß. Bulwer hatte den Arm des Schurken in den Käfig hereingezerrt und preßte den Mönch so fest an das Gitter, daß dieser auch den anderen Arm nicht bewegen konnte.

»Sie sein ein Schuft,« sagte Mister Bulwer, und ein grimmiges Lächeln umspielte seinen Mund. »Sie uollten mich berauben, aber ick uerde mir es nicht lassen gefallen.«

Mit Entsetzen sah der zitternde Mönch, wie der Amerikaner das Bowiemesser hob; eine Todesahnung durchschauerte ihn. Er hatte nicht lange Zeit, über seine Lage nachzudenken; denn mit einer Ruhe, wie er vorhin den Affen getötet hatte, stieß der grausame Yankee seinem Opfer das Messer bis ans Heft ins Herz.

Nur ein schwaches Röcheln stieß Valentin aus, dann brach er zusammen. Er hatte geendet.

Mister Bulwer kümmerte sich nicht mehr um ihn. Er schnallte ihm nur den Patronengürtel ab, holte das Gewehr in den Käfig, brachte sich wieder in den Besitz der Geldtasche und beschäftigte sich dann mit der größten Seelenruhe damit, den aus den Dschungeln tretenden Raubtieren aufzulauern. Ließen sich zwei leuchtende Augen sehen, so schoß er danach, und das schmerzliche Gebrüll verriet ihm oft genug, daß er sein Ziel nicht verfehlt, der Todesschrei, daß er ein Raubtier niedergestreckt habe.

Für den toten Mönch, der in seinem Blute neben dem Käfig lag, hatte er keinen Blick übrig.

So fanden ihn auch am andern Morgen Morrison und August, wie er noch immer mit seinen Kugeln alles Lebendige bedrohte, um sich die Zeit zu vertreiben.

Schaudernd erkannten sie in dem blutigen Leichnam Valentin, noch mehr schauderten sie, als ihnen der Amerikaner mit trockenen Worten erzählte, wie er sich nicht habe ausrauben lassen wollen, sondern dem Räuber, der ihm das Leben bedrohte, zuvorgekommen sei.

Mister Bulwer hörte nicht auf die Warnung, das Kloster lieber jetzt nicht zu betreten. Er ging doch sofort hin, um den versäumten Schlaf nachzuholen, nachdem man ihn befreit hatte.

Der Prior hatte unterdessen schon erfahren, was für einen Wolf das Kloster beherbergt hatte. Er mußte es glauben; Morrison war ein Engländer, stand in englischen Diensten, und Indien befand sich unter englischer Oberhoheit. Mit Entsetzen hörten der Prior und die Mönche nun auch von dem Tode des Verruchten, der auf seiner neuen Verbrecherlaufbahn nicht weit gekommen war.

Man verschloß dem Amerikaner das Tor nicht, aber scheu wich man ihm aus. An seinen Händen klebte Blut.

Die Mönche dachten nicht daran, ihren gemordeten Bruder zu begraben, war er doch ohne Beichte und Absolution gestorben. Morrison und August verrichteten diesen letzten Dienst, den man einem Toten erweisen kann.


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