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Von Schafen und etlichen andern Tieren

Die größte australische Industrie ist die Schafzucht. Das Schaf besteht aus Wolle und Hammelbraten, beides bedeutende Ausfuhrartikel.

Die beste Wolle stellt sich bis auf 2 M. das Pfund; die besten Schafe werfen 20 Pfund im Jahre ab – sind 40 M. für das Schaf – eine große Station besitzt ungefähr 100 000 Schafe. Also ergibt sich ein Bruttogewicht von vier Millionen Mark das Jahr, ohne den verkauf von Schlachtschafen einzurechnen.

Dazu wäre zu bemerken, daß es i. J. 1891 106½ Millionen Schafe in Australien gab, und 1899 nur 74 Millionen. Die Differenz heißt Regenmangel, um eine lange, grauenhafte Tragödie stummen Leidens, qualvollen Sterbens, hoffnungslosen Kampfes gegen ein erbarmungsloses Klima in ein Wort zusammenzufassen.

Und Schafe sind manchmal sehr wertvoll. Erst vor kurzem wurde in Tasmanien der Zuchtbock »Admiral« für 29 400 Mark verkauft.

Eine Schafstation sieht einem Viehrancho sehr ähnlich; nur daß sie gewöhnlich aus besseren und größeren Gebäuden besteht und daß das ganze Weideland durch Drahtzäune geteilt ist. Dann bedarf man sehr viel ausgedehnterer Koppeln, Gebäude zum Scheren der Tiere, zum Pressen und Stapeln der Wolle, meilenlange Tröge zur Wässerung der durstigen Schafe in trockener Zeit.

Ein großer Teil des wasserarmen Westens ist übrigens schon besiedelungsfähiger gemacht worden durch artesische Brunnenbohrungen, die, beiläufig gesagt, ein Deutscher, der Konsul Heußler in Brisbane, zuerst einführte. Meilenweit kann man in vielen Gegenden kleine, mit Gras und Schilf umstandene Bäche verfolgen, denen man mit einem Pflug ihren Lauf vorgezeichnet, bis sie endlich im Sande versickern, und die ihren Ursprung haben in den gewaltigen unterirdischen Wasserbecken, die das Innere Australiens unterlagern. 500-4000 Fuß tief sprudeln sie auf, verschieden an Leistungsfähigkeit, oft stark mineralhaltig und siedeheiß.

Selbst in der trockensten Zeit, solange die Feuer nicht das tote Gras vernichtet haben, können sich Schafe halten, wenn sie reichlich zu saufen bekommen. Und solche vom Wetter unabhängige Quelle ist der artesische Brunnen, dessen Wert nicht hoch genug zu schätzen ist. Früher drängten sich die durstenden Tiere herdenweise in die versiegenden Wasserlöcher und blieben rettungslos im Schlamm stecken. Dann kamen die Krähen, die schwarzen Teufel des Busches und hackten ihnen die Augen aus, während der Geschmack des Dingos, des wilden Hundes, mehr zu frischen Lämmerzungen neigt. Und nach tagelanger Marter verenden die elenden Opfer. Ich habe ein solches Wasserloch gesehen, in dem die Gerippe von über 15 000 Schafen lagen, die alle in einer Saison in dieser Weise umkamen.

Das Scheren ist die Hauptarbeit des Jahres. Auf den meisten Stationen wird jetzt mit Maschinen geschoren, und zwar bezahlt der Besitzer 20 Mark für das Hundert. Die Leute kommen haufenweise, wenn die Saison beginnt, und verdienen in der kurzen Zeit verhältnismäßig sehr viel Geld – die geschicktesten bis zu 60 Mark den Tag.

Bild: Heinrich Kley

Eine Plage des Schafzüchters ist das Kaninchen. Irgend ein »Wohltäter« des Landes, ließ sich eines Tages ein paar dieser unschuldigen Langohre kommen und begann zu züchten, heute sind Millionenpreise ausgesetzt für denjenigen, der das Land wieder von der Plage zu befreien imstande ist. Viele haben sich schon versucht, aber immer vergeblich. Einzelne Provinzen haben sich Hunderte von Meilen an ihren Grenzen entlang mit kostspieligem Netzdrahtzaun abgegattert und große Summen Geldes ausgegeben. Aber geholfen hat es garnichts. Und es ist schwer zu verstehen, wie man sich davon einen Erfolg versprechen konnte. Denn wenn irgend jemand mal eine Tür aufläßt, oder den Zaun zerschneidet, weil er die Türe nicht finden kann, oder schließlich aus schierem Mutwillen ein Karnickelpärchen über das Gatter wirft, so ist die Bescherung da.

Das Kaninchen wirft vier- bis sechsmal im Jahr bis 12 Junge, und ist dieses Junge nach zwei bis drei Monaten schon zeugungsfähig. In zwei Jahren würde also das Stammpaar ungefähr 120 Abkömmlinge besitzen, und unter günstigen Umständen stellt sich die Zahl der direkten Nachkommen eines einzigen Kaninchenpaares in vier Jahren auf 1 1/4 Million!

In Australien wird das Kaninchen wenig gegessen – man verabscheut es zu sehr. Aber neuerdings wird es im gefrorenen Zustande in ziemlichen Mengen nach Europa ausgeführt.

*

Dem Jäger bietet Australien im allgemeinen wenig Abwechslung und Sport. Raubtiere gibt es überhaupt nicht – außer Dingos und Moskitos. Und das sonstige Wild ist entweder eine Landplage und wird im großen gemordet (Kaninchen, Füchse, Büffel), oder es ist überhaupt nicht da, was gewöhnlich der Fall ist.

Die Vogelwelt ist etwas reichlicher in gewissen Gegenden vertreten. Trappen und Buschhennen sind schmackhaft und ziemlich häufig, während zu bestimmten Seiten die Lagunen im Innern mit Millionen von Enten bedeckt sind. Ich habe einmal mit einer alten Donnerbüchse, die ich halbvoll mit Schrot und Nägeln gestopft hatte, 31 Enten heruntergeholt auf einen einzigen Schuß, welches ich unter meinem Zeugeneid aussage.

Der Emu dagegen ist ein unangenehmer Vogel, der sich von Kieselsteinen und leeren Blechdosen nährt und furchtbar treten kann, aber zäh wie Sohlenleder ist. Ebenso ist der schwarze Schwan und der würdevolle Ibis gerade kein Genuß; und gar der Pelikan, eine urkomische Karikatur des Schwanes, ist einfach ungenießbar, wenn man auch aus seinem Schnabel ganz gute Tabaksbeutel fabrizieren kann. Der Rest der beflügelten Welt interessierte mich nie, weil ich die Tiere nicht essen konnte.

An Fischen sind die sogenannten Flüsse Australiens sehr reich, – solange überhaupt noch Wasser da ist. Wenn die großen Wasserlöcher langsam eintrocknen, wimmelt es oft von Leben in der trüben Flut. Und da ist eine Dynamitpatrone von vorzüglicher Wirkung, wenn diese Art der Fischerei auch streng verboten ist.

Gingen da einst an einem sehr heißen Tage zwei wohlbeleibte ältere Herren in der Nähe einer kleinen Stadt auf den Fang, in Begleitung eines Wasserhundes. Auf diesen Hund war der Besitzer sehr stolz. Das intelligente Vieh apportierte alles, was ihm vor die Nase kam, von einem Spazierstock bis zu einem jungen Krokodil.

Junges Krokodil schmeckt übrigens gar nicht schlecht. Man weidet es aus, legt es in heiße Asche und füllt den Leib mit glühenden Steinen, bis das Fleisch gar ist, weiß und zart, ältere Krokodile liebe ich weniger, weil man allzuoft Restbestände von einem jüngst verflossenen Mongolen oder Muster ohne Wert von einem größeren Posten verunglückter Kanakas in ihrem Innern vorfindet.

Aber um auf den Hund zurückzukommen – Karo war wirklich ein Prachtexemplar.

»Wenn wir eine Patrone abgefeuert haben«, erklärte der Besitzer, und wischte sich den redlichen Schweiß von der Stirn, »schwimmen die betäubten Fische an der Oberfläche, und dann schicken wir Karo ins Wasser.«

»Wenn wir nur nicht abgefaßt werden. Das kostet 5 Lstrl. 1 Lstrl. = 20 Mark. Strafe!«

»Abgefaßt! Pah!« grunzte der Mann mit dem Hund und befestigte sorgfältig eine lange Zündschnur an der Dynamitpatrone. Dann trat er an den Rand der Lagune, steckte die Schnur an und warf den Sprengstoff im weiten Bogen mitten in die Flut.

Klatsch – sprang der Hund nach und schwamm eifrig in der Richtung des Wurfes.

»Karo! – Hier! Komm her!« schrien die beiden Fischer.

Aber Karo kannte seine Pflicht und Schuldigkeit viel zu genau, um auf diese unzeitgemäßen Zurufe zu achten, während die beiden am Ufer einen erregten Kriegstanz aufführten und wilde Kommandoworte und grelle Pfiffe von sich gaben, tauchte er ruhig unter, erschien einen Augenblick später oben, die Patrone mit der glimmenden Lunte zwischen den Zähnen, und ruderte dem festen Lande zu.

Eine Rufregung bemächtigte sich der beiden Männer. Mit einem schauerlichen Hilfegebrüll wandten sie sich zur Flucht. Und nun begann eine Jagd ums Leben.

Karo war an Land gesprungen, und ohne sich auch nur Zeit zum Schütteln zu lassen, eilte er freudig seinem Herrn nach, der mit seinem Leidensgenossen der nahen Stadt zu galoppierte.

Wie gesagt, es war heiß, und die beiden Fischer waren ältlich und fett. Man hätte ihnen wirklich nicht die gymnasiastischen Leistungen zugetraut, die sie ausführten. Mit gesträubtem Haar, hochrotem Gesicht und verstörten Augen stürmten sie dahin, und Karo immer hinterher, immer näher.

Schon war er auf 50 Meter herangekommen, da erreichten die Flüchtigen das Polizeigebäude, warfen sich kopfüber durchs Fenster in das Bureau und heulten um Gnade.

»Was zum Teufel ist denn los?« rief der entsetzte Schutzmann.

»Da draußen – der Hund – Dynamit –« vermochten die Geretteten nur atemlos zu stammeln.

»Wo – was für ein Hund?« Und der Mann der Ordnung öffnete die Türe.

»Um Himmels willen – Tür zu – Tür zu!«

Aber ehe das erschrockene Paar das Zimmer noch verrammeln konnte, ertönte draußen plötzlich ein mächtiger Krach und dann regnete es längere Zeit Kies und toten Hund auf das Dach und die Veranda. Karo war nicht mehr.

Erleichtert aber atmeten die Fischer auf.

Am nächsten Tage hatten sie allerdings je 5 Lstrl. Strafe zu zahlen für Übertretung der Fischereiordnung. Dafür wurden sie aber auch als Ehrenmitglieder in den athletischen Klub der Stadt ausgenommen für hervorragende Leistungen im Dauerlauf.


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