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In den Bergen

Die ganze Küstenkette vom Golf von Carpentaria bis zum Südmeer ist reich an Mineralschätzen: Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Kohle, Arsenik, Eisen usw. Die alluvialen Ablagerungen von Gold haben ja eine Weltberühmtheit erworben. Aber wie bei allen Schurffeldern ist der Höhepunkt bald überschritten, und nach einer kurzen Lebenszeit sinkt das eben noch mit Tausenden von Zelten bestandene Flußtal in die frühere Buscheinsamkeit zurück. Nur einige wenige Überreste der großen Menschenwelle, die sich vorbeigewälzt hat, bleiben zurück und leben weiter von den Überresten des reichen Mahles. Und hinter dem Ansturm der goldgierigen Menge folgt als Aasgeier der Chinese, der die gewaschenen Sandhaufen noch einmal verarbeitet und das feine Gold, das darin zurückgeblieben, gewinnt, oder hier und da ein Stückchen unversehrten Bodens entdeckt.

Als Hargreaves vor etwa 50 Jahren Gold in Viktoria entdeckte, lagen australischer Handel und Landwirtschaft darnieder. Die Bevölkerung bestand aus zwei Klassen, den Beamten und Besitzern, und den Sträflingen oder ihren Nachkommen. Nach der kurzen, wüsten Anfangsgeschichte, die in blutigen Striemen auf den zerrissenen Rücken Deportierter geschnitten worden ist, nach Abschaffung der östlichen Verbrecherkolonie fing der Kontinent wieder an, in Vergessenheit zu geraten. Ein paar vernachlässigte Herden weideten nahe der Küste; ein paar schlechtbezahlte Hirten hüteten sie; ein paar gleichgültige Farmer zogen etwas lebensmüden Wirsingkohl, und die einzige Unterbrechung in dem grauen Einerlei bildeten hie und da ein Überfall der hungernden Neger und die unerbittlich darauf folgende Rache der Weißen.

Da erklang der große Auferstehungsruf: Gold!

Aus der ersten, ungeregelten Schurfarbeit entwickelte sich in kurzer Zeit eine wissenschaftliche Industrie, die heutzutage ihresgleichen sucht. Die Bergbauschule in Ballarat steht schon auf der Höhe des hervorragendsten Instituts dieser Art in Freiberg. Bendigo, Mt. Morgan, Charters Towers u.a. gehören zu den bedeutendsten Goldfeldern der Welt. Broken Hill (Silber), Cobar (Kupfer), Mt. Lyell, Mt. Bischoff (Zinn) und Newcastle (Kohle) sind jedem Fachmann bekannt. Der Bergbau ist eine Stapelindustrie Australiens geworden und wird es noch recht lange bleiben. Bis jetzt sind bereits Metalle und Mineralien im Werte von weit über zehn Milliarden Mark zutage gefördert worden, während jährlich über hundert Tonnen reinen Goldes gewonnen werden. Und stetig wächst die Produktion, vor allem, da die reichen Lager von Kohle und Eisen, die ersteren nur in geringem Maßstabe, die letzteren noch gar nicht berührt worden sind. Fast alle Metalle des Handels sind reichlich vertreten – Platin, Silber, Gold, Zinn, Zink, Kupfer, Antimon, Eisen, Wolfram, Bismut, sowie Diamanten und ganz herrliche Opale, an denen besonders West-Queensland reich ist. Und alles dies in 50 Jahren, neben anderen großen Industrien und Handelsunternehmungen, bei einer Bevölkerung von etwa der Hälfte der einen Stadt London! –

*

Meine ersten bergwerklichen Erfahrungen machte ich auf dem Stromzinn-Felde von Kangoroo Hills, südwestlich von Ingham. Und da Schurfarbeiten sich alle ähnlich sind, ob es sich nun um Gold, Zinn oder Wolfram handelt, so dürfte eine kurze Beschreibung der landläufigen Methoden zur Gewinnung der alluvialen Niederschläge hier angebracht sein.

Stromzinn (ebenso wie Stromgold) ist durch Wasserwirkung aus den Quarzadern herausgewaschen, oft Meilen weit fortgerollt und schließlich an irgend einer Stelle, wo eine Stauung eintrat, angesetzt worden. Die bedeutendsten Ablagerungen findet man daher in Flußbetten und zwar trifft man es gewöhnlich am allerreichsten in uralten, »toten«, oft mit metertiefen Humus- und Geröllschichten überdeckten Betten, durch die Jahrtausende schon kein Wasser mehr gelaufen. In diesem Falle muß man Schächte graben und den metallhaltigen Kies an die Oberfläche befördern und dort waschen.

In einem »lebendigen« Flußbett, wenn genügend Strömung vorhanden ist, verfährt man einfacher, je nach dem Gelände. Kann man das Wasser über eine Schicht Kies leiten, so braucht man nur den Boden niederzubrechen, die Steine mit einer vielzinkigen Forke herauszugabeln; das Wasser tut das übrige, indem es den leichten Sand fortschwemmt und das gewichtige Zinn am Boden zurückläßt.

Diese Methode ist jedoch nur angängig, wo der Strom ein bedeutendes Gefälle hat. Ist dieses nicht vorhanden (und Metall sammelt sich gewöhnlich nur auf ebenen Strecken), so benutzt man den Waschkasten, eine lange offene sargähnliche Kiste, etwas abfallend gestellt, durch die das Wasser läuft. Oben in den »Kopf« schaufelt man den Sand, und dasselbe Verfahren wie zuvor wiederholt sich im kleinen. Statt des Kastens kann man auch einen einfachen Graben gebrauchen, wenn genügendes Gefälle vorhanden ist. Ist jedoch, wie das häufig vorkommt, nicht ein Zoll dieser wertvollen Liegenschaft zu finden, so ist man auf Handpumpen oder Eimer angewiesen.

Dazu bedarf es natürlich zweier Arbeiter, – der echte Digger Metallsucher. aber haßt jeden Kameraden. Er wünscht allein zu bleiben – abgesehen von seinem Hunde, wenn er ein Bedürfnis nach Gesellschaft fühlt, unterhält er sich mit dem Tiere, oder er steckt seinen Spaten in den Sand, stülpt seinen Hut darüber und hält mit diesem ein längeres Zwiegespräch. Manche lieben es auch, gewisse Bäume anzureden; aber im allgemeinen sind Bäume, wie mir von einem Kenner versichert wurde, etwas faselig und schwer von Begriff, und bei windigem Wetter lassen sie gewöhnlich keinen Menschen zu Wort kommen.

Der Digger weiß natürlich aus Erfahrung, wo er nach Metallen suchen muß, wo das Gelände eine Ablagerung am wahrscheinlichsten erwarten läßt. Dann nimmt er eine Stichprobe und wäscht sie in einer Blechschüssel, die wie eine Milchsatte oder ein flaches Waschbecken geformt ist, und beurteilt nach dem übrig bleibenden Metall den Wert des Sandes. Dieser hängt natürlich von vielen Nebenumständen ab, unter anderem dem Preise des Metalls und der Lebensmittel, der Entfernung von der Küste, den fließenden Wassermengen, der Schwierigkeit der Umarbeitung usw. Zinn wechselt z. B. sehr im Preise, von 1200 M. die Tonne bis 4000 M. für 80proz. Metall, während Gold wieder seiner Reinheit nach verschieden bewertet wird, von 10 M. bis über 80 M. die Unze Unze = etwa 30 gr.. Stromgold ist merkwürdigerweise fast immer hochwertig.

Das Zinn wird getrocknet und, in Zentnersäcke verpackt, auf Pferden (2 Zentner) oder Mauleseln (3 Zentner), an die Küste gesandt. Die Säcke haben ein gewisses Maß und man kann nach dem Gewicht die Reinheit des Inhalts beurteilen. Beimischung von Stromeisen, das fast wie Zinn aussieht, aber ein kleineres spezifisches Gewicht hat und gar keinen Handelswert besitzt, läßt sich daher nur unter Schwierigkeiten bewerkstelligen, aber bewerkstelligen läßt es sich doch. Ein beliebtes Verfahren besteht darin, eine Ofenröhre in den Sack zu schieben, den Raum zwischen Tuch und Röhre mit gutem Zinn auszufüllen, dann in die Röhre hinein Eisen zu stopfen und sehr fest zu stampfen. Darauf wird die Röhre herausgezogen, ein wenig Zinn oben darübergestreut und der Sack zugenäht. Wo man ihn nun auch anzapft, wird man stets auf reines Zinn stoßen, und das feste Rammen hat das Gewicht gut gemacht.

In allen Läden und Kneipen, die mit Diggern zu tun haben, wird Rohgold als Barzahlung angenommen. Aber ich habe sogar Zinn als Scheidemünze benutzt gesehen.

Ich muß noch einer neueren Art der Strom-Metallgewinnung gedenken. Viele Flüsse in Australien enthalten Gold oder Zinn, aber für die gewöhnliche Art der Gewinnung in nicht genügender Menge. Nun hat man große schwimmende Baggermaschinen gebaut, die viele Hunderte und selbst Tausende Tonnen Sandes täglich zutage fördern und an Deck durch Rotationsapparate waschen. Auf diese Weise bezahlt sich die Bearbeitung von sehr armen Fundstellen, auf denen selbst ein einäugiger Chinese mit krummen Beinen verhungern würde. Das Anlagekapital ist allerdings ein bedeutendes, und in vielen Fällen hat man sich sehr verspekuliert, so daß Baggermaschinen bald billig zu haben sein werden. Aber im großen und ganzen lohnt sich diese Methode, die jetzt auch in Südamerika und Sibirien angewendet wird, ausgezeichnet; denn die Betriebsunkosten sind nur geringe.

Natürlich vorausgesetzt – daß in den betreffenden Flüssen nicht nur Gold, sondern auch Wasser ist.

Die alten Einsiedler auf einem der vielen ausgearbeiteten und vergessenen Goldfelder Australiens sind meist sehr interessante Figuren. Auf jedem Feld sind sie gewesen, seit Gold in Australien entdeckt wurde und die ganze Abenteurerwelt der vier Erdteile nach dem neuen Glücksland strömte. Viele von ihnen haben mehrere Vermögen gefunden und wieder durchgebracht. Sie sind in allen Ländern gewesen, wohin die Goldgerüchte sie zogen. Ihr ganzes Leben ist ein Kaleidoskop von guten und schlechten Tagen, heute bettelarm und morgen wieder reich.

Und sie haben sich ihre Unabhängigkeit, ihre Selbständigkeit gewahrt. Sie beugen sich vor keinem Menschen, und wenn Alter und Gebrechen ihnen den Weg verlegen, dann fallen sie nicht etwa Verwandten oder dem Staat zur Last, sondern ziehen sich in die Einsamkeit des Busches zurück, wie ein krankes Tier, und sterben in Verstecken wie Kangoroo Hills. Von allem Umgang mit der Welt abgeschnitten, ohne Zerstreuungen oder Laster, stumpf und gleichgültig, leben sie dann dahin, bis der Tod sie ruft.

*

Auf der großen Wasserfläche finden sich hie und da Strecken, wo der eigentliche Busch von dichtem dschungelartigen Urwald abgelöst wird. In diesen Bezirken fehlt es nicht an Regen, und die kleinsten Bäche fließen fast das ganze Jahr hindurch. Die Sonne dringt nie durch das dichte, von schlanken, astlosen Baumsäulen getragene Blätterdach. Auch hier ist die Tierwelt nur spärlich vertreten, und das melancholische Tröpfeln des Regens von Blatt zu Blatt macht die Stille nur fühlbarer. Körper und Seele leiden durch einen längeren Aufenthalt in diesen weinenden Wäldern; die Seele an Schwermut, und der Körper an Flöhen, Blutegeln, Moskitos und einer erschrecklichen Hautkrankheit, die ein ewiges, unerträgliches Jucken erzeugt.

Das jagdbare Wild besteht aus obengenannten Raubtieren, einigen Buschhennen und Tauben, und unzähligen Ratten. Manche Leute essen die letzteren; aber ich selber habe sie nicht versucht. Trotzdem aber habe ich mit Leidenschaft dem Sport des Rattenfanges gefrönt. Die Vorrichtungen dazu sind einfach und billig und bestehen aus einem Stück Käse älterer Auflage, einem Knüppel und einiger Geduld. Man setzt sich auf den Boden mit gespreizten Beinen, legt den Käse dazwischen, hebt einen Stock und wartet. Auf diese sinnvolle Art habe ich einmal 17 der zutraulichen Nagetiere in einer halben Stunde erschlagen. Aber, wie gesagt, gegessen habe ich sie nicht.

In diesen Urwäldern, zwischen dem Wurzelgewirr in der sonnenlosen Nässe läßt sich nicht leicht Sinn oder Gold suchen. Dichte Humusschichten verdecken alle Anzeichen, die dem Digger einen Anhalt zur Suche bieten könnten. Malaria und Rheumatismus bedrohen den an den warmen, trockenen Busch gewohnten Mann. Um sein Zelt aufstellen zu können, muß er erst eine Öffnung in den Dschungel schlagen. Solch ein kleiner gelichteter Platz, auf allen Seiten von den Baumriesen mit ihren verhältnismäßig winzigen Kronen umdrängt, sieht einem offenen Grabe unangenehm ähnlich. Und Pferde kann man natürlich nicht mitnehmen, weil kein Halm Gras in dem Halbdunkel wächst, während Hunde von einer Art Laus leiden, von denen eine einzige das Tier zu töten imstande ist.

Kurzum, im Urwald ist es nicht gerade schön. Und man atmet erleichtert auf, wenn man plötzlich, ohne Übergang, in das helle Sonnenbad der Buschlandschaft wieder hinaustritt und sich die Egel von den Beinen zupfen kann. Die Flöhe wird man nicht so schnell los. –

Die Digger sind ohne Zweifel der wertvollste Teil der Bevölkerung Australiens. Die Eingeborenen leben in den Bergwerksbezirken lediglich von der Bettelei, hier und da fischen und jagen sie noch ein wenig, aber im allgemeinen liegen sie auf der Bärenhaut (des eingeborenen Wombat) und wissen durch kleine Dienstleistungen, Lohngänge oder Feuerholzspalten, sich das Wohlwollen der gutmütigen Digger zu erhalten; andernfalls stehlen sie einfach. Und wenn ein Einsiedler den ganzen Tag von seiner Hütte entfernt arbeitet, so ist es das beste, durch freiwilligen Tribut sein Eigentum vor Räubereien zu schützen. Obwohl die Neger den Wert des Geldes ziemlich kennen, bleibt der amerikanische Stangentabak doch die Hauptverkehrsmünze.

Im Norden Australiens sind die Ureinwohner noch am häufigsten vertreten. In Viktoria gibt es nur noch 500 Vollblütige und in Tasmanien sind sie überhaupt ausgestorben. Die Gesamtziffer dürfte sich, soweit ein Anschlag möglich ist, auf nur 100 000 belaufen, und diese sterben stetig und in erschreckender Weise ab. In den einzelnen Staaten haben die Regierungen sich allerdings mit dem Schutze der Unglücklichen beschäftigt, aber sehr lau, und das gänzliche Erlöschen der Rasse ist nur eine Frage der Zeit.

Der Schwarze von heute zeichnet sich durch viele Laster und eine unglaubliche Faulheit aus. Den Speer oder den Bumerang zu werfen hat er mit wenigen Ausnahmen längst verlernt. Die Pfadfindekunst, die ihm so nachgerühmt wird, der eine Reihe seiner Stammesgenossen ihre Stellung als Mitglieder der Buschpolizei verdanken, besteht meist nur in der Einbildung des Europäers. Ich habe gefunden, daß der im Busch groß gewordene Weiße dem Australneger jederzeit in dieser Richtung überlegen ist.

Einmal jedoch traf ich einen sehr aufgeweckten »Jungen«, der mit den einfachsten Mitteln ganz in der Art des Indianer-Schauerromans Fußspuren und Wechsel von Mensch und Tier nachahmte. Er zeigte seine Kunst an einem Haufen kalter Asche. Durch den Eindruck der geballten Faust und fünf leichte Tupfen stellte er eine täuschend ähnliche Rinderspur dar, mit der Peitschenschnur den Wechsel einer Schlange usw.

Endlich dachte ich ihn in Verlegenheit zu bringen und bat, mir einmal die Fußstapfe eines Kamels nachzumachen. Einen Augenblick starrte er mich verblüfft an. Dann lachte er, hob sein einziges Kleidungsstück hinten in die Höhe, setzte sich fest auf die Asche, und die Spur war fertig.

Im Busch zurecht finden kann er sich natürlich besser als der unerfahrene Weiße, zumal weil er viele genießbare Wurzeln und Früchte kennt und leichter Wasser findet als die Hunderte, die nur dieser Unkenntnis halber zugrunde gegangen sind. Aber als Führer ist er auch nicht ganz zuverlässig, weil Zeit- und Maßbegriffe für ihn kaum vorhanden sind.

Zu meinem Zelte kam eines Morgens ein Schwarzer, der in einer Missionsschule erzogen war und rechnen und schreiben konnte. »Unten am Fluß sind eine furchtbare Menge Trappen!« rief er mir schon von weitem in höchster Aufregung zu. »Mindestens eine Million!«

Ich lachte ungläubig. »Ganz gewiß!« schwor er beleidigt. »Oder doch wenigstens 100 000.«

»Na, na!«

»Herr, ich sage Ihnen, ich lasse meinen Kopf, wenn da nicht 500 Trappen stehen.«

Ich wurde ärgerlich und fuhr ihn an: »Lüge nicht so dumm! Besinne dich und sage mir genau, wieviele da sind!«

Ganz unwirsch antwortete er: »Jedenfalls wenigstens – zwei!«

Wenn der Australneger mit seiner Familie reist, geht er gewöhnlich majestätisch voran mit zwei Speeren und einem Beil in der Hand, und hinter ihm drein keuchen die Frauen mit den Habseligkeiten und Babys belastet. Dann folgen die flüggen Kinder und schließlich ungefähr vierzig der scheußlichsten Köter, die ich je gesehen habe. Die letzteren liebt er jedoch über alle Maßen, und während man früher irgendwelche Diebstähle oder Ausschreitungen mit der Kugel bestrafte, genügt es im allgemeinen heutzutage, einige Hunde zu vergiften, um die Sünder sofort zur Einsicht ihrer Freveltaten zu bringen.

In West- und Nord-Australien allerdings sind die Zustände noch schlimm, und dort ist der Australneger zum jämmerlichen Sklaven oder gehetzten Wild gemacht worden. Ein System der rohesten Knechtung und Sklaverei blüht dort noch immer fröhlich weiter.

In den dortigen wenig besiedelten Gegenden ist der Ranchbesitzer zugleich Friedensrichter, und seiner Rechtsprechung unterstehen die lokalen Nigger, wenn er daher Arbeiter braucht, ohne für die Arbeit bezahlen zu wollen, so fängt er sich einfach ein paar dieser Nomaden ein und verurteilt sie wegen Übertretung der Polizeiverordnung betreffend die Sonntagsruhe zu einem halben Jahr Zwangsarbeit. Solches System bezahlt sich ausgezeichnet. Denn man braucht die Leute nicht während der toten Saison zu ernähren, sondern, sobald nichts mehr für sie zu tun ist, »begnadigt« man sie, jagt sie in den Busch zurück und läßt sie für sich selber sorgen oder Hungers sterben, wie sie es eben vorziehen.

Gewöhnlich erträgt der Wilde diese Art Behandlung mit großer Ruhe als etwas Unabwendbares. Es fällt überhaupt schwer, auf ihn einen Eindruck zu machen. Nichts scheint ihm zu imponieren, eine Erscheinung, die auf seiner geringen geistigen Entwickelung beruht. Man sollte annehmen, der erste Anblick eines Dampfers, einer Büchse, eines Eisenbahnzuges, eines Luftballons würde ihn in Staunen oder Furcht versetzen. Nicht im mindesten! Für ihn sind die großen Wunder der Zivilisation so selbstverständlich, wie für uns die Wunder des Sternenhimmels oder der gewaltigsten Naturerscheinungen. Ebensowenig wie er über das Aufgehen des Mondes staunt, erregt ein Wagen, der sich ohne Pferde fortbewegt, seine Verwunderung. Solche Erfindungen stehen so überwältigend hoch über seinem Begriffsvermögen, daß er sie als gegeben hinnimmt.

Aber einfachere Werk- und Spielzeuge, deren Verwendung oder Einrichtung er begreifen kann, bereiten ihm oft gewaltiges Vergnügen. Er ist wie ein Kind. Ein Dampfpflug läßt ihn kalt, aber ein Stehaufmännchen versetzt ihn in Begeisterung.

Manchmal jedoch rafft er sich auf zu einer genialen Lösung der technischen Geheimnisse. In einem entlegenen Buschstädtchen erschien eines Tages ein italienischer Leierkastenmann. Der Italiano wurde sofort mit Beschlag belegt, um einen in der Nähe gelagerten Eingeborenenstamm mit seiner tonreichen Truhe zu überraschen. Die Nigger hörten den Vortrag geduldig an, aber wollten sich nicht überreden lassen, daß es eine überirdische Bewandtnis mit der verstimmten Tonquelle habe.

Der alte Häuptling grinste, suchte sich einen hohlen Baumstamm, quetschte einen seiner unzähligen Köter in die Röhre, zog den Schwanz durch ein kleines Astloch und begann eifrig und mit Gefühl zu drehen. Natürlich hub das Tier ein schauerliches Heulkonzert im Innern des Baumes an, und triumphierend wandte sich der alte Herr an die verblüfften Europäer: »Seht her! Genau wie der Kasten da!«

Als beißende Satire auf Leierkasten im allgemeinen und das anwesende Marterinstrument im besonderen erfreute sich die einfache Erfindung des Naturmenschen eines durchschlagenden Erfolges.

Der Australneger ist jedoch nicht gänzlich ohne Spukglauben und Geisterfurcht. Der Bunyip, ein drachenähnliches Ungeheuer, das in tiefen Lagunen und Binnenseen haust und nachts auftaucht, um die Männer und Kinder zu rauben, spielt in seinen Legenden und Tanzgesängen eine hervorragende Rolle. Natürlich gibt es auch Weiße, die dieses Tier gesehen haben wollen. In ihm finden die Inlandzeitungen Australiens ihren Ersatz für die Seeschlange.


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