Paul de Kock
Edmund und seine Cousine
Paul de Kock

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VI. Ein Antrag

Als die Gesellschaft sich verabschiedet hatte und die Familie Bringuesingue allein war, so wollte das einstimmige Lob Edmunds nicht mehr versiegen; denn außer allen guten Diensten, die er dem Hausherrn geleistet, hatte er es am Piano ausgehalten und am Blindekuhspiel mit so liebenswürdiger Gefälligkeit Theil genommen, daß Mutter und Tochter ihm großen Dank dafür wußten. Man beschloß demgemäß, diesen jungen Mann fleißig einzuladen und kein Diner ohne ihn zu geben.

Inzwischen ging Bringuesingue, der mehr als je die Manie hatte, den großen Herrn zu spielen, viel in Gesellschaft, wo er wegen seiner fünfundzwanzigtausend Franken Renten leicht Zutritt fand. Aber Edmund war nicht immer zugegen, um die Verstöße des Ex-Senffabrikanten zu verbessern, und dann wußte sich dieser, obwohl ihn sein Bedienter auf die Fehler aufmerksam machte, nicht mehr herauszuhelfen.

Endlich beging er bei einem großen Diner im Hause eines Advokaten so viele Mißgriffe, daß Comtois' Nase vor lauter Kratzen ganz aufschwoll. Auf dem Heimwege geriethen Herr und Diener in Streit.

»Ich kann kein Brod mehr schneiden oder Fleischbrühe verlangen,« sagte Bringuesingue zu Comtois, »ohne daß Ihr an die Nase greift ... das stört, verwirrt mich, dann weiß ich nicht mehr, was ich thue.« – »Weil man eben sein Brod nicht selbst abschneidet und keine Fleischbrühe verlangt,« sagte Comtois, »das schickt sich nicht. Sie haben mir befohlen, wenn Sie etwas Ungeschicktes thun, Sie darauf aufmerksam zu machen: ich gehorche, kann aber nicht dafür, daß Ihnen jede Minute etwas Ungeschicktes begegnet.« – »Wäre Herr Edmund da gewesen, so hätte er das so arrangirt, daß sich meine Abgeschmacktheit in etwas sehr Geistreiches verwandelt hätte ... dadurch komme ich wieder in den Takt, werde wieder zuversichtlich, liebenswürdig ... während Ihr mich nur verwirrt, daß ich nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht.« – »Meiner Treu', Herr, mich ergötzt es eben so wenig, Sie so oft auf Ihr linkisches Betragen aufmerksam machen zu müssen! ... Seit ich in Ihrem Dienste bin, ist meine Nase um ein Drittel dicker geworden!« – »Das ist nicht wahr!« – »Ich fordere hundert Thaler Zulage oder bleibe nicht mehr in Ihrem Hause.« – »Ihr habt tausend Franken bei mir, wo Ihr fast nichts zu thun habt, als Euch an der Nase zu kratzen; mir scheint das genug zu sein, selbst wenn im äußersten Falle Eure Nase darauf ginge; ich bewillige keinen Sou mehr.« – »Dann verlasse ich den Herrn.« – »In Gottes Namen.«

Herr Bringuesingue gab seinem Bedienten ohne Bedauern den Laufpaß; seit er gesehen, daß Edmund lobte, was Comtois tadelte, hatte der Diener des Grafen sehr in seinen Augen verloren. Dafür war ihm der junge Guerval unentbehrlich geworden, und fast jeden Tag schickte die Familie Bringuesingue demselben Einladungskarten.

Nach Comtois' Verabschiedung sagte Bringuesingue zu sich: »Wie sehr ich mich auch in gute Manieren eingeschult habe, so fühle ich doch wohl, daß ich in der großen Welt bisweilen in Verlegenheit gerathe. Nur Edmund versteht es, meine geringsten Handlungen in einem vorteilhaften Lichte darzustellen. Wäre dieser junge Mann immer in unserem Hause, so hätte ich immer gute Einfälle und man würde mich für einen ganzen Edelmann halten. Wie soll ich Edmund an uns fesseln? Alle Wetter! indem ich ihn mit meiner Tochter verheirathe. Er hat mir gestanden, daß unglückliche Spekulationen ihm sein Vermögen geraubt; aber er besitzt guten Ton, Weltkenntniß ... er nennt mich immer von Bringuesingue! Ich habe nur eine Tochter, und es ist mir lieber, daß sie einen Mann comme il faut heirathe, dem sie das Glück als Mitgift zubringt, als einen reichen Tölpel, der sich nicht zu benehmen weiß oder mich mit Senf und Gurken hänselt.«

Herr Bringuesingue theilte seiner Frau diesen Plan mit; sie sprang darüber vor Freuden an die Decke; denn bei einem Schwiegersohn, der Contretänze auf dem Piano spielte, hoffte sie alle Tage tanzen zu können.

Sofort theilte man Clodoren den Entwurf mit; sie verneigte sich als gehorsame Tochter und sagte, sie folge mit Vergnügen.

Nur der junge Mann war noch in Kenntniß zu setzen. Herr Bringuesingue, der nicht daran zweifelte, daß Edmund sich durch eine Ehe mit seiner Tochter höchst beglückt finden würde, übernahm es selbst, ihm mitzutheilen, was man für sein Wohlergehen zu thun bezwecke.

Er lud Edmund zu einem Frühstück unter vier Augen ein und drückte ihm bei dem Nachtisch die Hand mit den Worten: »Mein theurer Freund, Sie sind von guter Familie, ich weiß es; Sie haben eine treffliche Erziehung genossen, das sieht man; Sie besitzen Geist, das gilt mir viel; darum will ich, obgleich Sie kein Vermögen mehr haben, Ihr Glück machen ... deßwegen gebe ich Ihnen meine Tochter zur Frau. Sie ist mein einziges Kind; ich habe fünfundzwanzigtausend Franken Rente; sie erhält auf der Stelle die Hälfte; wir leben Alle zusammen, und Sie stehen an der Spitze des Hauswesens.«

Edmund erstaunte über dieses Anerbieten, das er zu erwarten weit entfernt war. Einige Minuten blieb er stumm, unentschlossen; endlich erinnerte er sich an seine Cousine und antwortete: »Mein Herr, ich bin gerührt von Ihrem Vorschlag ... aber ich kann mich nicht verheirathen ...« – »Sie können sich nicht verheirathen? ... Sind Sie es denn schon?« – »Nein, mein Herr!« – »Dann sehe ich nicht ein, was Sie an der Heirath mit meiner Tochter verhindern könnte ...« – »Mein Herr, nur mit großem Bedauern verzieh ...« – »Nicht doch, theurer Freund! ... Fräulein Clodora Bringuesingue ist eine vorzügliche Partie!« – »Eben darum ...« – »O! ich verstehe, aus Zartgefühl von Ihrer Seite; Sie möchten gleichfalls reich sein, Ihrer Gattin nicht Alles verdanken. Aber ich wiederhole Ihnen, darauf sehen wir gar nicht. Auf Geld sehen ... pfui! das mögen Emporkömmlinge thun! Ein nobles Aeußere, Weltkenntniß ... darauf halte ich. Sie taugen mir; ich habe Comtois entlassen ... ich will nur noch Ihren Rathschlägen folgen ... Fortan betrachten Sie sich als zur Familie gehörig ... O! ich will nichts weiter hören; überlegen Sie es, und Sie werden finden, daß Sie meine Tochter nicht ausschlagen können.«

Edmund verließ Bringuesingue, und der Vorschlag, den man ihm eben gethan, wurde in der That Gegenstand seiner unaufhörlichen Betrachtungen.


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