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Zweite Abtheilung.

 

Einleitung

Wohl Niemand wird in Abrede stellen können, dass bei der vorliegenden Eintheilung unseres deutschen Vaterlandes in zehn malerische und romantische Sectionen, offenbar dem die schwierigste Aufgabe zugefallen sei, der die sparsam und in weiten Zwischenräumen von Gottes Hand ausgesäeten malerischen und romantischen Schönheiten der weiten Ostseeküste in den engen Rahmen von sieben bis acht Druckbogen zusammenfassen soll. Und wenn ich nun dennoch aus aufrichtiger Liebe zum Meeres- und Heimathstrande keck die Hand an dieses schwierige Wagniss lege, so sei es mir erlaubt, mit wenigen Worten grossen Erwartungen, wie sie durch frühere reichhaltigere und mannichfaltigere Sectionen dieses Werkes erweckt sein möchten, bescheiden vorzubeugen.

Der Charakter der deutschen Ostseeküste, deren Grenzen, beiläufig gesagt, schwer zu bestimmen sein möchten, ist im Allgemeinen weder malerisch, noch romantisch. Meist flach und eintönig, kalt und rauh, kahl und sandig, hält dies Land keinen Vergleich aus mit dem warmen und farbenreichen Süden unseres Vaterlandes. Es kann sich weder im Reichthum an Naturschönheiten, noch an grossen historischen Erinnerungen mit dem Rhein, mit Schwaben, mit Thüringen oder mit dem Harze messen. Eine Quadratmeile ist dort reicher, als hier eine ganze Provinz. Arm, wie alle flachen Länder, an originellen poetischen Sagen der Vorzeit, beginnt auch die Geschichte hier erst mit dem zweiten Jahrtausend, mit der Einführung des Christenthums; und die Geschichte wird erst zuverlässig mit dem Emporblühen der Städte, mit der Gründung der Hansa. Was diese Gegend Grosses, aber auch einzig Grosses, zugleich Niederbeugendes und göttlich Aufrichtendes besitzt, ist das Meer. Im Meer und hart am Meer liegen die wenigen malerischen Naturschönheiten des Landes. Im Meere liegt Rügen, das liebliche Eiland, mit seiner reizend räthselhaften heidnischen Vorzeit. Meist nur auf dem Meer und hart am Meer, zumal in den einst mächtigen und von Königen gefürchteten Städten, geschah, was Grosses und Ruhmwürdiges aus der Vorzeit dieses Landes auf die Nachwelt gekommen ist. Das Meer, das ewige Anschauen, das Bekämpfen und Bemeistern dieses majestätischen und wunderreichen Elementes ist es, was hauptsächlich den in Gottergebenheit muthigen, ruhigen, offen und frei gesinnten Charakter der Küstenbewohner durch alle Jahrhunderte bildete. Und dieses Volk der Küstenbewohner, das unter seiner rauhen Schale einen so gesunden Kern in sich trägt, ist es hauptsächlich, was das Reisen, zumal die Wanderung, an dieser weiten Küste lohnt und interessant macht. Daher erwarte der Leser mehr eine Schilderung des originell und scharf ausgeprägten, wenn auch durch Cultur noch weniger polirten Menschenschlags, als eine topographisch-statistische Beschreibung des meist alltäglichen Landes; mehr eine Profilzeichnung, als ein ausgemaltes Bild; mehr einen Abriss der hellen lebendigen Gegenwart, als der dunklen abgestorbenen Vergangenheit. Nur mit dem flüchtig skizzirenden Crayon des Landschaftsmalers und nicht mit dem ausführenden, verschönernden und deckenden Pinsel kann und will ich mich befassen. Der Heimath mit ganzer Seele zugethan, bin ich niemals blind gewesen für die Vorzüge anderer Gegenden Deutschlands, und ich werde niemals von Pommern im Superlative reden, wenn der Positiv vollkommen genügt. Das weite, hier tausendfach gespaltene Feld der Geschichte nach Gebühr würdigend, werde und muss ich mich des engen Raumes wegen auf das beschränken, was sich mit dem Charakteristischen des Volks, mit dem Malerischen und Romantischen des Landes in ungezwungene Verbindung bringen lässt, und wird sich bei Städten wie Königsberg, Lübeck, Danzig, Stralsund und Colberg gewiss Gelegenheit genug zu interessanten historischen Rückblicken finden. Schweigen, weniger sagen als man weiss, ist ohnehin schwieriger als Wortmacherei, und dieser Tugend des Schweigens muss ich mich hier befleissigen.

Möchte sich doch, zum Lohn für mich, nur ein schwacher Abglanz jener Fröhlichkeit und Jugendfrische in diesen Blättern spiegeln, die bisher auf gar mannichfaltigen Wanderungen mir immer treue Gefährten waren!


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