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Bremen

Bremen

Vielleicht ist Bremen schon eine von den vier und neunzig germanischen Städten, deren Ptolomäus, der Geograph, unter dem Namen Phabiranum erwähnt, welches Einige wieder von den Worten »Fahr« und »Pramen« (letzteres bedeutet in Niedersachsen an manchen Orten »Fährschiff«) ableiten wollen. Gewiss ist der Ort alt, da er bereits um das Jahr 788, als Karl der Grosse den Entschluss fasste, dort ein Hochstift zu gründen, schon bewohnt war. Um jene Zeit kommt der Name »Bremon« schon in Urkunden vor. 1) Ansichten der freien Hansestadt Bremen und ihrer Umgebungen, von Doctor Storck, 1822, ein höchst interessantes und empfehlungswerthes Werk. 2) Wegweiser durch Bremen und seine Umgebungen. 1839. Die Ost- und Nordsee.

Der erste Bischof Willehad, ein englischer Priester sassischer Abstammung, erbaute hier eine hölzerne Kirche, wo jetzt der Dom steht. Zuerst dem Erzstifte Köln untergeordnet, wurde, da Ludwig der Fromme es für nöthig fand, ein noch nördlicheres Bisthum zu errichten, Bremen im Jahre 858 mit Hamburg zu einem Erzbisthum vereinigt, jedoch blieb es der gewöhnliche Sitz der Prälaten. Hierdurch entstanden zwischen beiden Domkirchen grosse Streitigkeiten, welche erst im Jahre 1223 und zwar zu Gunsten Bremens entschieden wurden, und das Erzstift, welches zu Bremen blieb, hatte nun 2 Kathedralen und 2 Kapitel; jedoch sollten, zur jedesmaligen Wahl, drei Domherren von Hamburg zugezogen werden. Der Erzbischof erhielt indessen vom König Otto I., dass der zu Bremen sitzende kaiserliche Potestat abberufen und keiner wieder eingesetzt wurde, wodurch der Grund zu der bischöflichen Autorität in dieser Stadt, die 934 ihren ersten Magistrat und grosse Privilegien erhielt, gelegt wurde. Doch mussten die Bischöfe die erworbenen kaiserlichen Gerechtsame durch Kastenvögte verwalten und ausüben lassen.

Bremen gedieh unter dem Krummstabe vortrefflich. Der hohe Geist des Erzbischofs Adalbert 1043, seine Prachtliebe, Gastfreundschaft, Freigebigkeit, Freundlichkeit, sein scherzhaftes und herablassendes Wesen, zog aus allen Ländern Fremde heran, welche Bremen natürlich auch einen bedeutenden Handelsverkehr bereiteten. Vorzüglich aus dem fernen Norden, von Island, Grönland, selbst von den orkadischen Inseln, wurden Abgeordnete hier gesehen, welche ihn um Lehrer des Christenthums baten. – Adalbert hatte sich vorgenommen, kein Herzog, kein Graf, noch irgend eine Person solle eine Gerichtsbarkeit in der Stadt haben, auch nannte er, vielleicht in dem Gefühl, den Pabst des Nordens zu spielen, sein Bremen : »parvula Roma« (Klein-Rom).

Die Bremer nahmen eifrigen Antheil an den Kreuzzügen. Als in der langen Belagerung von Accon Krankheiten unter den Kreuzfahrern überhand nahmen, da spannten Bremer und Lübecker gemeinschaftlich ein Segel zum Zelte aus, nahmen Kranke auf, verpflegten sie, und dies war der kleine Anfang des deutschen Ritterordens. Otto von Karpen, der nach des Chronisten Zeugniss, seines Gleichen nicht im gottseligen Wandel hatte, ein Bremer Bürger, war zweiter Ordensmeister. Dreissig Jahre früher, 1158, geschah die Gründung der Stadt Riga, durch Bremer, welchen Umstand noch ein Schlüssel, den Riga, wie Bremen im Wappen führt, bezeugt.

Unter dem Erzbischof Gerhard kam der Stedinger Kreuzzug zu Stande. Die Friesen, welche seit dem zwölften Jahrhundert nicht allein der Bremischen Diöcese unterworfen, sondern auch Unterthanen und Zehntpflichtige waren, wurden von den Burgmännern der benachbarten weltlichen und geistlichen Herren, welche den Vortheil, der im Aufblühen ihrer Unterthanen lag, unweise verkannten, durch Uebermuth und Frechheiten zu Thätlichkeiten gereizt, welche in eine völlige Empörung ausbrachen, als ein Priester, 1230, einer Friesischen Edelfrau den ihm zu gering scheinenden Beichtpfennig in einer Hostie zurückgegeben hatte, deshalb aber von dem Manne der Beleidigten erschlagen war. – Erst nach vierjährigem Kampf mit Bremen und Oldenburg theilten beide Staaten die Beute des besiegten Volks.

Nachdem Bremen 1243 die Freiheit von jeglichem Zoll von dem Grafen von Oldenburg erlangt hatte, trat es 1284 zur Hansa. Allein die Macht der Stadt wurde durch innere Unruhen geschwächt. Diese, sowie die eigenmächtigen Handelsunternehmungen nach Flandern und die Seeräubereien des berüchtigten Bremer Piraten, Hollmann, veranlassten die Ausstossung Bremens aus der Hansa im Jahre 1361. Die Wiederaufnahme geschah jedoch bald. In demselbigen Jahre segelte ein Schiff mit fünfzig Kriegsleuten unter dem Bürgermeister Berend von Dettenhusen mit der hansischen Macht gegen den König von Dänemark. Der Rath hatte seine Leute gleichförmig gekleidet, damit man sie desto besser erkennen könne, vielleicht die erste geschichtliche Spur einer Uniformirung. Graf Heinrich von Holstein, wegen seiner Tapferkeit der Eiserne genannt, der Stadt-Rittmeister, lobte vorzüglich die Tapferkeit dieser Bremer Mannschaft, welche ihrer Stadt vornämlich wieder die frühere Stellung in der Hansa verschaffte.

Die innern Zwistigkeiten dauerten indessen fort; die Anhänger einer Parthei, der sogenannten grande cumpanie, welche hatte unterliegen müssen, vereinigten sich mit dem Erzbischofe, dem sie zur Erlangung von Rechten über die Stadt behülflich zu sein versprachen. An der Spitze dieser Verräther stand der Seeräuber Johann Hollmann und der Bürgermeister Johann von der Tiever. Mehre der gutgesinnten Bürger mussten vor ihnen entfliehen. Sie eilten nach Delmenhorst zu dem Grafen Casten, mit dessen Hülfe sie Bremen wieder einnahmen und sich an den Verräthern rächten. Hollmann wurde getödtet und sein Körper zum Fenster hinausgehangen. Der riesengrosse Leichnam erregte Entsetzen. Bei diesem schrecklichen Anblick sank sein Weib nieder, genas eines Kindes und starb. Der Bürgermeister Johann von der Tiever wurde an seiner eignen Thür, neben der Holzpforte, an einem eisernen Haken aufgehängt (1366).

Den innern Kämpfen folgten alsbald auswärtige Fehden, zuerst gegen die Verdensche und Lüneburgische Ritterschaft, entstanden durch die sonderbare Behauptung, der Erzbischof sei ein Zwitter, sodann gegen die Grafen von Oldenburg und Delmenhorst und eine bedeutendere gegen die Friesen (1418). Die meisten fielen mehr oder weniger günstig für die Bremer aus, welche, kaum dass diese Kriege beendet, schon gegen die Häuptlinge des Budjadingerlandes, und dann wider die Friesen ziehen mussten. Hier erregt das Schicksal der Gebrüder Dedo und Gerold das grösste Interesse.

Die Häuptlinge von Stadtland und Esens hatten gewiss ungern zugeben müssen, dass die Bremer zur Sicherung ihres Handels die Fredeburg baueten. Nur die Noth hatte ihre Einwilligung, so wie das Versprechen, ferner die Schifffahrt der Bremer nicht zu stören, ja sogar zu fördern, erzwungen. Neue Versuche und Bruch des gegebenen Wortes zogen einen Krieg nach sich (1418); diesem folgte eine kurze Ruhe. Aber einige Jahre später vereinigten sich fast alle Friesen, um die Burg zu zerstören. Am Abend S. Cosmä und Domiani naheten sich, ohne die Hauptschaar abzuwarten, des verstorbenen Lubke Onnekens, Häuptlings von Esens, beide Söhne, Dedo und Gerold, mit vier und zwanzig Friesen und zwanzig deutschen Schützen. Es gelang ihnen, die Aussenwerke zu zerstören und den Befehlshaber in der Burg, der zum Fenster hinaus die Seinen ermunterte, zu tödten; sie konnten aber nicht der ganzen Burg Meister werden. Die Besatzung lief aus den Häusern zusammen, schoss aus den Thürmen herab auf die Friesen; die Hülfe kam nicht, Viele waren verwundet; sie benutzten die Dunkelheit der Nacht, um sich zu verstecken.

Als der Morgen kam, rieth der jüngere Bruder zur Rückkehr. »Der nächtliche Ueberfall,« sprach er, »hat uns nicht so weit gebracht, dass wir den Burgfrieden gewonnen hätten. Es ist besser, wir versuchen es ein andermal.« Seine vernünftige Rede fand kein Gehör. Feigheit wurde ihm vorgeworfen. »Gut,« sprach Gerold, »meinen Rath habt ihr gehört. Uebrigens thue ich, was ihr thut.«

Sie begannen wieder zu stürmen. Bald aber sahen die Friesen, dass die deutschen Schützen mit der Besatzung von Uebergabe redeten, dass im selben Augenblick die Wurdener zu Hülfe gezogen, und sich schon der Brücke näherten. Dedo war nach der Brücke gestürzt, gab das Zeichen zum Abzug, aber von Innen wurde den Zuziehenden gerufen, sie möchten eilen. Da war alle Rettung hin. Die Friesen wurden sämmtlich gefangen, und nach Bremen gebracht.

Man führte die Gefangenen alsbald hinaus zum Tode. Dedo, der ältere Bruder, ward zuerst enthauptet. Gerold nahm das Haupt des geliebten Bruders und küsste in innigster Wehmuth den bleichen Mund.

Viele des Raths sahen dies nicht ohne Rührung, es regte sich die Neigung, dem herrlichen trauernden Jüngling das Leben zu schenken. Ihn zum Bürger in Bremen zu gewinnen, wäre vielleicht ein Mittel gewesen, die Streitigkeiten zwischen Bremen und den Friesen zu stillen. »Bleibe bei uns in Bremen,« sprachen sie, »verheirathe Dich unter uns, Du magst Dir eine angesehene Bürgertochter zum Weibe wählen, und ein geehrter Mann unter uns sein.« Der Jüngling hob sein Haupt empor, blickte sie stolz an und sprach: »Ich bin ein edelfreier Friese, Eure Pelzer- und Schuhmachertöchter sind nicht für mich. Wollt Ihr mir aber das Leben schenken, so will ich Euch ein halb Scheffel voll Gulden geben.«

Das stolze Wort gefiel jüngeren Rathleuten, und machte sie geneigt, sein Erbieten anzunehmen; aber Arend Balleer, ein alter Rathmann, sprach: »Nicht so, der wird nimmer den Kuss auf seines Bruders todte Lippen vergessen. Ihr habt nie etwas Gutes von ihm zu gewarten.«

Da ging auch der hochherzige Gerold zum Tode; ihm folgten zwanzig Friesen, die wurden auf's Rad gelegt. Die Deutschen wurden begnadigt um ihres Verraths an den Friesen willen. Der grausame, obwohl kluge Balleer wurde später von einem Friesen erschossen.

Die Haupthelden der Friesen, Ocko Kenen und Focko Ukena, griffen nach beendigter Fehde mit den Bremern sich unter einander an. Der erste, mit Oldenburg, Braunschweig und Bremen verbündet, erlitt 1426 eine furchtbare Niederlage bei Deterden, wobei selbst der Bremische Erzbischof gefangen wurde. Der Bürgermeister Johann Vassmer bewirkte die Auslösung desselben und den ersehnten Frieden. Partheiungen im Innern, wegen deren sie 1427 wieder aus der Hansa gestossen ward, setzten die Stadt in die misslichste Lage. Johann Vassmer, welcher friedliche Aussöhnung des aus der Stadt entwichenen und mit Bundesgenossen anrückenden Rathes mit dem zurückgebliebenen versuchen wollte, ward auf seiner Reise von Stade zum Grafen von Oldenburg am sechsten Juni 1430, in der Nähe von Reckum, von einem Fleischer erkannt, und den Gerichtsboten, die ihm der über sein Bemühen ergrimmte Rath nachgesandt, verrathen. Den andern Morgen um sechs Uhr ward er in die Stadt gebracht, und in ein unterirdisches Criminalgefängniss gesetzt.

Vergebens erschien Rixa, Gräfin von Delmenhorst, Erzbischofs Nicolaus Mutter, eingedenk jenes durch Vassmer ihrem von Focko Ukena gefangenen Sohne erzeigten Dienstes, auf dem Rathhause und bat herzlich um die Loslassung Vassmers. Weder ihr Geschlecht, noch ihr Rang, noch ihr ehrenvolles Alter, noch, dass sie den Erzbischof in ihrem Schoosse getragen, konnte auf die Leidenschaftlichkeit Eindruck machen; der Rath gab nur Vassmers Knecht los. –

Am folgenden Dienstag wurde Vassmer ohne Untersuchung gebunden auf den Markt vor das, durch den erzbischöflichen Vogt und zwei Beisitzer (einer derselben, Johann von Minden, war Vassmers Schwiegersohn) aus dem Rath gehegte Blut- oder Nothgericht geführt, und Klage gegen ihn erhoben, dass er und sein Sohn an der beschwornen Eintracht meineidig geworden. Umsonst versicherte Vassmer seine Unschuld, das silbergelockte Haupt, ergraut unter den Sorgen für das Wohl des Staats, ward durch das Richtschwert von dem Körper getrennt.

Vassmers Gattin wollte zur Ruhe der Seele des unschuldig Gemordeten Vigilien und Seelenmessen feiern lassen. Die auch durch seinen Tod noch nicht versöhnte Wuth des neuen Raths untersagte ihr nicht allein die Erfüllung der frommen Pflicht, sondern zog auch ihr Vermögen ein. Schmerz und Herzeleid zogen sie und ihre Töchter, deren einige schon mit dem Brautkranze geschmückt waren, dem theuern Gatten und Vater bald nach in die Gruft.

Allein die Vergeltung blieb nicht aus. Der Sohn des Ermordeten, Heinrich, zog an Kaiser Siegmunds Hof, klagte den Rath an und forderte Genugthuung. Die Stadt ward in die Acht und Oberacht erklärt, Bremen auch verurtheilt, dem Kläger sein väterliches Vermögen zurückzugeben und alle Unkosten zu vergüten. Dem Andenken seines Vaters wurde ein Altar geweiht und eine ewige Seelenmesse gestiftet und auf Vassmers Leichenstein die in ihrer Einfachheit vielsagende und rührende Inschrift gesetzt: » Hier ligt de unschuldige Vassmer.« Die Acht wurde erst nach grossen Geldopfern wieder aufgehoben.

Ehe noch die Vassmersche Angelegenheit beseitigt war, vertrugen sich der alte und neue Rath – so nannte man beide Partheien, durch Vermittlung des Erzbischofs und benachbarter Fürsten und Städte (1433). Das damals errichtete Grundgesetz der Stadt, die neue Eintracht, ist das noch heut zu Tage gültige. Der Artikel 2 enthält die merkwürdigen Worte: »So denn ein vollmächtiger Rath, wie er von je gewesen, fortan zu ewigen Tagen seyn und bleiben solle.«

Fortwährend beschäftigten indessen nach dieser Zeit noch auswärtige Kriege die Stadt. In einem derselben gegen den Grafen Gerhard von Oldenburg wurden die Bremer, auf einem Zuge durch das Oldenburgische, in's Moor zurückgedrängt, und mussten sich hier sämmtlich ergeben. Sämmtliche Wagen und das Geschütz wurden gefangen, fünftausend Mann getödtet, oder versanken im Morast. Dies war die grösste Niederlage, welche die Bremer je erlitten. Der Platz heisst noch bis auf diesen Tag » die Bremer Taufe.«

Im Jahre 1522 trat Bremen zur protestantischen Kirche über, welches dasselbe in allerhand Fehden verwickelte, es namentlich in eine feindliche Stellung gegen den Erzbischof brachte. Der katholische Gottesdienst im Dom hörte jetzt ganz und für immer auf; wenn auch gleich später das Domkapitel, das indessen grösstentheils protestantisch geworden, zurückkehrte. Inzwischen entstanden manche innere Unruhen in der Stadt. Verringerung der Bremer Bürgerviehweide, welche im Jahr 1032 durch die Gräfin Emma von Leesum der Stadtgemeinde geschenkt worden, ward von der dem Rathe feindlichen Parthei zum Anlass genommen und die zur Schlichtung dieser Angelegenheit gewählte Deputation von 40 Bürgern, nachdem sie noch 64 hiezu gewählt, (die Hundert und vier) stellten, weit entfernt, Ruhe und Ordnung zu verschaffen, sich an die Spitze der Volksparthei. Dies regte die unruhigen Köpfe nur noch mehr auf und riss, den Rath unterdrückend und sogar zur Flucht nach Bederkesa veranlassend, alles Regiment an sich. Die schändliche Ermordung des Rudolph von Bardewisch, Comthur des deutschen Ordens, von dem verbreitet war, dass in seinen Händen die wahre Urkunde sei, welche die Gränzen der Bremer Bürgerviehweide bestimme, bleibt ein Schandfleck in der Geschichte jener Zeit. Johann Kremer stiess ihn auf Verlangen des wahnsinnigen Volkes in dem Thurm zur heiligen Geistkirche, wo sich Rudolph nicht länger vertheidigen konnte, da der Thurm schon von Karthaunen halb zusammengeschossen war, trotz des Anerbietens des um Gnade Flehenden, der Stadt sein ganzes Vermögen zu schenken, unbarmherzig nieder. – Als indessen ihres willkürlichen, ungesetzlichen Schaltens müde, die rechtlichen Bürger von den Hundert und Vier abfielen, gelang es dem Rath, wieder in die Stadt, wo er mit dem grössten Jubel aufgenommen wurde, sowie zu seinen früheren Rechten zu kommen. In Folge der von den Hundert und Vier bewirkten Vertreibung des Domcapitels, ward die Stadt, die zu dem schmalkaldischen Bund übergetreten war, vom Kaiser und Bischof in die Acht erklärt, befehdet und belagert, vor welcher Noth sie aber, da das Ungewitter sich zuerst über Magdeburg entlud, der 1552 von Moritz erzwungene Passauer Vertrag bewahrte. Bremen wurde, gegen einige Opfer, die es bringen musste, von der Reichsacht frei. Die Lehnsherrlichkeit über Esens und Wittmund musste an den Kaiser abgetreten und Mitunterhaltung des kaiserlichen Kammergerichts angelobt werden.

Gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts störten theologische Streitigkeiten, in denen der Prediger Hardenberg, Senior der meistens protestantisch gewordenen Domherren, die bedeutendste Rolle spielte, auf's Neue die Ruhe. Im Jahre 1555 beginnend, nahmen sie bald einen politischen Charakter an. Die Anhänger der Lehre Zwingli's gewannen die Oberhand, und 77 Jahre blieb der Dom geschlossen; erst der letzte Bischof Bremens, ein Sohn des dänischen Königs, Christian's IV., liess denselben wieder öffnen und führte den lutherischen Gottesdienst darin ein. Unter ihm kam das schon secularisirte Erzstift Bremen an Schweden, durch Krieg gewonnen und durch den westphälischen Frieden bestätigt.

Noch war die Stadt nicht als Reichsstadt anerkannt. Zwar wurde sie 1640 zum Reichstage berufen und im westphälischen Frieden ihre Freiheiten und Gerechtigkeiten in geistlichen und weltlichen Sachen mit der völligen Reichsunmittelbarkeit bestätigt. Doch sah sie sich in dem Vergleich mit Schweden zu Habenhausen 1666 zu dem Versprechen genöthigt, ihr Sitz- und Stimmrecht auf dem Reichstage, wenn derselbe zu Ende gegangen sein würde, aufzugeben. Da derselbe indess seitdem permanent blieb, so behielt sie ihren Sitz und ihre Stimme, und 1731 gestand ihr endlich das Haus Braunschweig-Lüneburg, als nunmehriger Besitzer des Herzogthums Bremen, die Reichsfreiheit völlig zu. Ihre übrigen Verhältnisse mit Braunschweig regulirte sie in dem Vertrage von 1741, worin sie das Amt Blumenthal, das Gericht Neuenkirchen und die Meier und Köther auf dem Düvelsmoore abtrat. 1803 wurde ihre Unmittelbarkeit aufrecht erhalten und der Deputationsrecess sicherte ihr alle fremdherrliche Gerichtsbarkeiten in der Stadt, die Güter des Bremer Stifts und die Dörfer Hastedt, Schwachhausen und Wahr zu, auch sollte zu ihren Gunsten der Elsflether Zoll, weshalb sie bereits im Anfange des 17. Jahrhunderts eine langwierige Fehde geführt und sich 1652 sogar die Reichsacht zugezogen hatte, aufgehoben werden.

Im Jahre 1806 wurde Bremen zuerst von den Franzosen besetzt. Aber 1810 schlug sie Napoleon, nachdem derselbe im Anfange des Jahres noch die Unabhängigkeit der Handelsstädte erklärt hatte, zu dem neu errichteten Departement der Wesermündungen, und suchte zwar den Verlust ihrer Unabhängigkeit mit dem Titel einer guten Stadt und der Fixirung der Departementalautoritäten in ihren Mauern zu versüssen, indessen wurde durch diese Maassregel ihr Handel ganz vernichtet und ihr Wohlstand auf das Tiefste erschüttert. Als Napoleon 1812 aus Russland zurückkehrte, äusserte sich bald die Freude darüber in Bremen, von dem der Kaiser selbst sagte: ma bonne ville de Brème est la plus mal intentionnée de tout mon empire. Strenge Maassregeln von Seiten der französischen Behörde waren die nächste Folge. Zum Glück erhielt sich dieser Zustand nur wenige Jahre, schon 1813 befreiete sie die Leipziger Schlacht von der französischen Usurpation, und der Wiener Kongress gab sie 1815 dem deutschen Bunde als freie Stadt zurück. Sie hat sich seitdem bemüht die nöthigen Abänderungen in ihrer Constitution herbeizuführen, und sich ihrem vormaligen Wohlstande durch weise Verfügungen zurückzugeben. Auch ist 1821 die Aufhebung des Elsflether Zolls wirklich erfolgt, und die neue Weserconvention von 1823 verspricht ihrem Handel auf dem Strome eine gesicherte Existenz. –

Die Verfassung dieses Freistaates hat gegenwärtig einen ganz demokratischen Zuschnitt, ist aber noch nicht völlig regulirt; man arbeitet gegenwärtig an einer neuen Constitution, und ist in Folge eines gemeinsamen Beschlusses vom achten Februar 1831 von Rath und Bürgerschaft ein gemeinschaftlicher Ausschuss niedergesetzt, um eine neue Verfassung zu entwerfen. Im Mai 1837 ist ein Entwurf vom Senat im Convent vorgelegt, ohne dass eine definitive Annahme erfolgt wäre. Die gesetzgebende Macht ist bei der Gesammtheit der Bürger, dem sogenannten Bürger-Convente. Diese theilt sich in den Senat (»Rath«) und »die Bürgerschaft«. Jener ist die ausübende und verwaltende Behörde, zusammengesetzt aus vier Bürgermeistern, die halbjährlich im Präsidium wechseln, vier und zwanzig Senatoren, von denen acht Kaufleute, sechszehn Gelehrte sind, und aus zwei Syndiken. Der Senat ist indess nicht allein Administrativ-, sondern auch zugleich die einzige Justiz-Behörde, allerdings ein Uebelstand, der zu manchem Missbrauche Anlass geben kann. Früher ergänzte der Rath sich selbst, zu welcher Zeit indess eine Menge von Verwandtschaftsgraden ausgeschlossen wurden; jetzt, nach freiwilligem Verzichte auf dies Recht von Seiten des Senats, wählt bei einer Vacanz die Bürgerschaft zwölf aus ihrer Mitte, von denen vier durch das Loos bestimmte mit vier Senatoren zusammen drei Candidaten vorschlagen, aus denen der Senat Einen wählt.

Zwischen Rath und Bürgerschaft, in gewisser Weise das Organ dieser, steht das Collegium der Aeltermänner, eine Corporation der angesehensten Kaufleute, die sich selbst ergänzt und zwei Rechtsgelehrte als Syndici hat. Das Collegium hat ein eignes Versammlungshaus, den Schütting und in diesem ein eignes Archiv.

Die herrschende Religion ist die protestantisch-evangelische. Die Zahl der Katholiken ist verhältnissmässig sehr unbedeutend. Juden dürfen in der Stadt gar nicht wohnen, sie leben grösstentheils in dem aus dem Osterthore gelegenen Hastedt, eine halbe Stunde von Bremen. Die Stadt ist in fünf reformirte Kirchspiele eingetheilt, die Vorstädte in zwei. Die Lutheraner haben nur eine specielle Kirche, den Dom, der ohne bestimmte Parochialgränze die ganze lutherische Gemeinde, soweit dieselbe sich nicht zu den einzelnen Pfarrkirchen hält, an denen meistens ein lutherischer Prediger mit zwei reformirten angestellt ist, umfasst. – Was das Gebiet anbetrifft, so bilden die Flecken Vegesack und Bremerhaven jeder ein eignes Amt, in dem der Amtmann die untere Gerichtsbarkeit ausübt. Für die übrigen Dörfer sind als Verwaltungsbehörde zwei Senatoren, die » Landherren«, committirt; ihr Recht müssen die Bauern bei den städtischen Gerichten suchen.

Bremen liegt unter dem 26° 28' 6'' östlicher Länge und 53° 4' 48'' nördlicher Breite, 8 bis 10 Meilen vom Ausflusse der Weser in die Nordsee. Durch die Weser wird die Stadt in zwei Hälften getheilt, wovon die grössere an der rechten Seite des Flusses die » Altstadt«, die an der linken die » Neustadt« genannt wird. Zwischen beiden befindet sich an der östlichen Seite eine Landzunge, »der Theerhof«, welcher die Weser in zwei Arme theilt, in »die grosse« und in »die kleine« Weser. Zwei gleichnamige Brücken, »die grosse«, an der Seite der Altstadt, »die kleine« an der Neustadt, verbinden diese beiden Theile der Stadt, zwischen denen ausserdem noch mehre Fähren zur Communication dienen. Die grosse Weserbrücke ist jetzt abgerissen und wird neu gebaut, der starke Eisgang, welcher sich in den letzten Jahren um Vieles vermehrt hat, erfordert die festesten Grundlagen und die solideste Ausführung. Sachverständige versichern daher, dass das Werk einen Zeitraum von drittehalb Jahren erfordern wird. Man hat unterhalb dieses Platzes eine Nothbrücke geschlagen, welche indessen in dem Augenblicke, da diese Zeilen geschrieben werden, vom Untergange bedroht, und durch Wasser und Eisgang für die Passage der Wagen unfähig gemacht ist. Seit dem Jahre 1827 pflegt die Weser bei rasch eintretendem Thauwetter und namentlich im Frühling, einen aussergewöhnlichen gefahrdrohenden Stand zu erreichen, wovon wahrscheinlich die sehr vervollkommneten Abwässerungsanstalten an der obern Weser die Schuld tragen. Sie leiten das Regenwasser rasch in die Weser, während es früher keinen Zutritt zu derselben hatte, und in den Niederungen langsam verdunstete. Auch die Einengung des Strombettes, um es behufs der Schifffahrt zu vertiefen, mag nicht wenig dazu beitragen, den Ablauf des Wassers zu hemmen und dies um so mehr, wenn gleichzeitige heftige Winde aus Nordwest, oder Springfluthen die Fluthen bis zur Stadt hinauf treiben. – Durch den hohen Stand der Weser entstehen dann oftmals Deichbrüche, durch welche auf der einen oder andern, oder auch beiden Seilen eine grosse Strecke des niedrigen Landes überschwemmt wird.

Die Stadt Bremen hat eine Länge von 6600 Fuss auf der rechten, von 5700 Fuss auf der linken Seite der Weser, und eine Breite von 4200 Fuss. Mit den Vorstädten hat sie über 8000 Häuser und etwa 49,000 Einwohner. Sie hat mit Frankfurt, Lübeck und Hamburg die 17. Stelle auf der Bundesversammlung, im Plenum eine eigne Stimme. – Das Contingent der Stadt besteht aus 485 Mann Infanterie, zur zweiten Division des 10. Armeecorps gehörig. Die Cavallerie ist 60 Mann stark, die Caserne in Hastede, eine halbe Stunde von der Stadt. Die Offiziere werden, wie von den übrigen Hansestädten, aus solchen jungen Portepeefähndrichen ernannt, welche auf der Oldenburger Militairschule gebildet und dort erzogen sind. –

Der Handel Bremens scheint fortwährend im Zunehmen zu sein, namentlich wird sein Tabaksmarkt als der vorzüglichste in Deutschland gepriesen. Das Weingeschäft hat durch die Verbreitung des preussischen Zollverbandes sehr gelitten, wie dasselbe auch durch den hannoverisch-oldenburgischen Zollverein in seiner Thätigkeit sehr gehemmt wird. Die Schiffsrhederei vermehrt sich auf eine auffallende Weise und ist ein sicherer Zeuge für die Ausbreitung des Handels. Am 1. Januar 1841 betrug die gesammte Anzahl der bremischen Seeschiffe 198, worunter 1 Grönlandsfahrer und 4 Südsee-Wallfischfänger, in Summa von 26,890 Lasten, und sind zur Zeit noch 10 Schiffe im Bau begriffen, deren Namen bereits bestimmt, von 1590 Lasten. – Diese 208 Schiffe halten mithin im Ganzen circa 28,500 Lasten.

Wer auf der rheinischen Strasse nach Bremen kommt, betritt hier zuerst die Neustadt. Das Auge ruht hier auf nichts Altem, der ältern Geschichte Angehörigem, weil hier Häuser und Kirchen aus neuerer Zeit herrühren bis die Weserbrücke erreicht wird. Hier entfaltet sich denn der ganze Anblick der alten Hanse- und kaiserlichen Stadt. Weit in die Weser hinab und hinauf drängen sich hohe massive Häuser, zum Theil in alterthümlicher Gestalt dicht an den Fluss, und aus der Häusermasse hervor steigen die Kirchtürme.

Man hat den Bremern oft Philistrosität und Spiessbürgerlichkeit vorgeworfen und namentlich haben sie in neuerer Zeit in ihrem Landsmann »Beurmann« einen erbitterten Feind gefunden, welcher mit vielem Witz die Schwächen derselben persiflirt hat. Die Phrase: »baren tagen (geboren und erzogen) Bremer Kind«, wird nicht ohne Selbstgefälligkeit von ihnen ausgesprochen, wogegen der im übrigen Norden gang und gäbe Ausdruck: »Ick bin keen Bremer«, einen freiwilligen Verzicht auf jene Ehre auszudrücken scheint. Allein Bremen hat auch manche Vorzüge vor den übrigen Deutschen und namentlich vor den Handelsstädten. Rechtschaffenheit, Thätigkeit, Patriotismus, der die meisten Staatsämter, welche zum Theil mit den schwierigsten Arbeiten verbunden sind, unentgeltlich verwaltet, Religiosität und ein fast fabelhafter Wohlthätigkeitssinn, den auch die grosse Menge der Wohlthätigkeitsanstalten und milden Stiftungen bekunden, zeichnen seine Bürger vorteilhaft aus. Junge Kaufleute werden auf den Bremer Comptoiren am gründlichsten gebildet, ihr Betragen wird hier mehr als an andern Handelsplätzen überwacht, wenn gleich der leidige Speculationsgeist aus der Erziehung der Handelsbeflissenen in den letzten Jahren eine gehässige Erwerbsquelle gemacht hat, und die meisten der jungen Leute ihre Lehrjahre theuer bezahlen müssen.

Die Bremer scheuen keine Kosten, um sich die besten Kanzelredner zu verschaffen, doch sind die Streitigkeiten zu beklagen, welche in der neuern Zeit, zum Aergerniss des wahren Christenthums, unter den Geistlichen selbst vorgefallen und durch den Druck vielfältig verbreitet sind. Die lutherischen Domprediger stehen in keiner Verbindung mit den reformirten, auch die Gemeinden bleiben so von einander abgesondert, dass es begreiflich wird, wenn eine junge Dame, auf die Frage, ob sie Dräseke, welcher damals an der reformirten St. Ansgarii-Kirche angestellt war, oft höre? erwiederte: »Verzeihen Sie, wir gehören zum Dom.« So tragen auch die Kinder des lutherischen Waisenhauses andere Aufschläge und Kragen wie die des reformirten, weshalb jene die gelben, diese die rothen genannt werden.

Musik, die Freundin des religiösen Cultus, wird in Bremen hoch in Ehren gehalten, die kirchliche steht unter der Leitung des vortrefflichen Organisten Riem. Dagegen hat die dramatische Kunst bis jetzt wenig Unterstützung gefunden, die meisten Schauspieldirectoren haben sich in Bremen nicht halten können, selbst nicht der vortreffliche Künstler Gerber, der den Bremern das beste Theater hinstellte, was sie je besessen. Indessen scheint auch für die Bühne der Geschmack erwachen zu wollen, und ist der Neubau eines glänzenden Schauspielhauses neuerdings beschlossen.

Bremen ist die Vaterstadt vieler ausgezeichneter Männer. Heeren und der kürzlich verstorbene Astronom Olbers waren Bremer, der jetzige Bürgermeister Smidt ist anerkannt als ein ausgezeichneter Diplomat, der als Mensch und Jurist gleich vorzügliche Doctor Droste, so wie der scharfsichtige Richter Meier verdienen vorzugsweise als Zierden des Senats genannt zu werden. Auch die Namen Heineken und Gröning haben in Bremen einen guten Klang.

Zu den Sehenswürdigkeiten Bremens dürften zu zählen sein:

1) Der Dom, dessen Grund nach dem Muster des Kölner vom Erzbischof Bezelin im Jahre 1043 gelegt ist. Die Länge des Doms beträgt 297 Fuss, seine Breite 124 Fuss, die Höhe 102 bis 105 Fuss. Derselbe ist an äusseren Verzierungen weniger reich als die meisten übrigen Monumente gothischer Baukunst, aber imponirt durch seine edle Einfachheit. Die Gemälde, welche sich in demselben befinden, sind sämmtlich nur mittelmässig. Das neue Altarblatt ist eine Copie nach Raphaels berühmter Kreuztragung Christi: » Lo spasimo di Sicilia«, zu Rom von einem deutschen Künstler Banse in Auftrag eines früheren Bremer Bürgers angefertigt. Der junge Künstler, der es am besten vielleicht beurtheilen konnte, fand das Bild zu dunkel gerathen, und stürzte in Verzweiflung darüber sich in die Tiber. Von dem grossen Votiv-Gemälde an der Orgelseite, das jüngste Gericht von Berichau, auf dem der Teufel blau angelaufen ist, schreibt sich das Bremer Sprichwort her, dass der lutherische Teufel blau sei. – Der Dom liegt südlich an dem Domshofe, an der untern Seite prangen die besuchtesten Gasthöfe, unter denen besonders der » Lindenhof« sich auszeichnet, Schaers Caffeehaus im neuesten französischen Geschmack eingerichtet, das Museum, weiter hinauf die Bremer und Preussische Post, das Stadthaus mit der Hauptwache, gegenüber das Waisenhaus. – Vor demselben ist in dem Pflaster zwischen dem eigentlichen Platze und der Kirche ein blauer Stein mit einem Kreuze darauf eingemauert, zur Bezeichnung der Stelle, auf welcher am 21. April 1831 die Giftmischerin Gesche Margarethe Gottfried, geborne Timm, hingerichtet wurde, welche ausser vielen andern nicht todeswürdigen Verbrechen, überführt und geständig gewesen: ihre beiden Eltern, ihre drei Kinder, ihren ersten und zweiten Mann, ihren Bruder, ihren Bräutigam und sechs andere Personen durch Gift getödtet zu haben. Zu beklagen ist es, dass ihr geistvoller Untersuchungsrichter, der Senator Droste, sich noch nicht veranlasst gefunden hat, diesen höchst merkwürdigen Criminalfall für den Druck zu bearbeiten.

2) Das Rathhaus mit seinem berühmten Keller. Das Auge des Kunstkenners wie des Verehrers des deutschen Mittelalters ruht mit gleichem Wohlgefallen auf diesem schönen Gebäude. Der Bau begann im Jahre 1405 und ward fünf Jahre später beendigt. Die Arkaden so wie die übergebauten drei Giebel nach der Marktseite zu, welche Form dem Rathhause Aehnlichkeit mit dem zu Brüssel giebt, stammen aus viel späterer Zeit, aus dem Jahre 1612, in welchem sie von den Steinmetzen » Lüder von Bentheim« und Johann Stelling angelegt wurden. Im Jahre 1824 wurde das ganze Gebäude restaurirt, wobei man mehrere störende Anhängsel fortschaffte.

Die grossen Statuen an der Südseite des Hauses sind nicht schlecht gearbeitet, besonders gut aber die Postamente derselben. Es sind sieben Kurfürsten und ein Kaiser. Vortrefflich sind die einzelnen kleinen Ausschmückungen der Gallerie bis ins Feinste ausgeführt. Diese Basreliefs sind meist allegorische Figuren. Leicht erkennt man den Handel, die Zeit und die Liebe. Letztere, in dem Felde über dem vorletzten Bogen, unter dem Bilde einer Henne mit ihren Küchlein, ist das Wahrzeichen Bremens für die Handwerksburschen.

Im untern Theile befinden sich die Canzleien, die Untergerichtsstube und das Archiv. Die Wendeltreppe führt zunächst auf die grosse Vorhalle, wo von den neu erwählten Senatoren der Rathseid geleistet und auch Bürgerconvent gehalten wird.

Der Bremer Rathskeller, welcher in den letzten Jahren durch die Bemühungen des verdienten Aeltermanns Bechtel um Vieles verschönert ist, hat, namentlich auch durch Hauff's Phantasieen, einen europäischen Ruf gewonnen. Das grössere allgemeine Zimmer besitzt eine akustische Merkwürdigkeit. Sobald jemand nämlich in der einen Ecke leise redet, hört und versteht man dies ganz genau in der entgegengesetzten, während ein in der Mitte Stehender nichts davon vernimmt. – Die kleinen abgetrennten Kämmerchen (Priölken), etwa für 7 bis 8 Personen eingerichtet, sind sehr traulich.

Der älteste Wein vom Normaljahre 1624 – ist in einem Fasse, »die Rose« genannt, aufbewahrt, und führt seinen Namen von der unter der Decke des Gewölbes gemalten Blume. Diese Rose trägt die Umschrift:

Cur Rosa flos Veneris Bacchi depingitur antro?
Causa, quod absque mero frigeat ipsa Venus.

(Warum pranget in Bacchus Grotte die Rose der Venus?
Nun, weil ohne den Wein ja selber die Liebe erkaltet.)

Ueber der Thüre stehet die Warnung, dass, so wie Amor dem Harpocrates die Rose, die Blume der Venus, geschenkt habe, damit ihr Thun geheim bleibe, so auch in diesem Keller eine Rose abgebildet sei, als Sinnbild, dass ein in demselben in Weinlaune gesagtes Wörtchen nicht ausserhalb müsse weiter erzählt werden. Endlich erklärt ein Doctor Düssing in wohlgesetzten lateinischen Distichen, dass, da die Rose nur alte Weine enthalte, Bacchus selbst auch nur ein alter Gott sei, hier auch nur alten Leuten der Zutritt zu gestatten, junge Leute aber wegzuweisen seien.

Dieser Wein wird nicht verkauft, sondern nur auf Bescheinigung des Arztes an schwache Kranke vergeben, oder vom Senat verschenkt. Man giebt statt dessen den fast eben so alten Wein aus den sogenannten »zwölf Aposteln«, von denen das Fass »Judas Ischarioth« das beste ist. Um in den besondern Keller zu gelangen, in welchem die zwölf Apostel der Rose liegen, und davon zu kosten, bedarf man der Erlaubniss eines der Bürgermeister, welche indessen leicht ertheilt wird. Im Uebrigen hat sich auch in Bremen die Vorliebe für ältere Rheinweine sehr verloren, man zieht jüngere Jahrgänge, die noch mehr Zuckerstoff enthalten, jenen als schmackhafter vor.

Westlich vom Rathhause steht auf dem Markte, welcher ungefähr eine Länge von 200 Fuss und eine Breite von 180 Fuss hat, der steinerne Roland, 18 Fuss 5 Zoll hoch, früher bunt, mit Gold verziert, seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts grau angestrichen, daher man auf seinem Mantel auch den Löwen und Hund, die sich jeder um ein Stück Fleisch streiten, nebst der Inschrift:

»een jeden dat syne«

kaum mehr herausbringt. Dieser Roland, einer der schönsten Norddeutschlands, hält in der Rechten ein Schwert, und in der Linken den Schild mit dem kaiserlichen Wappen und den Reimen:

»Vryheit do ik au openbar,
De Carel unn mannig Vorst vorwahr
Deser Stadt gegeben hat,
Des danket Gode is min rath.«

Der lange Mantel, welcher bis auf die Füsse herabhängt, deutet das Gewand eines Friedensrichters an, die Handschuhe auf Marktfrieden und Marktgerechtigkeit, das blosse Schwert in der Hand zeigt auf die Criminalgerichtsbarkeit, oder das der Stadt anvertraute Recht des kaiserlichen Blutbannes. Zu seinen Füssen liegt zu noch deutlicherem Zeichen ein enthaupteter Missethäter; die eisernen Knielinge waren ein Theil der Rittertracht; der geschorne Bart Mode bei den sächsischen Vornehmen; das entblösste Haupt zeigt den Respekt gegen des Kaisers Majestät. – Wahrscheinlich ist schon 1035, zur Zeit Conrad IL, die erste hölzerne Rolandssäule errichtet als Zeichen der Marktfreiheit und des Königsbannes. Daher auch sein Platz auf dem Markte. Zu Hollmann's und Johann von Tiever's Zeiten wurde diese erste hölzerne Statue in der abergläubigen Hoffnung verbrannt, damit die Freiheit der Stadt genommen zu haben. Derselbe Glaube hat sich bis auf die neuesten Zeiten fortgepflanzt und glaubt noch mancher in Bremen, dass in dem Rathskeller ein kleiner Reserve-Roland aufbewahrt sei, damit die Stadt keine 24 Stunden dieses Palladii beraubt sei, von dem die Sage ihre Freiheit abhängig macht. So wurde auch zu den Füssen des Roland der französische Adler vom Volk nach Vertreibung der wälschen Gäste zerschlagen. – Der jetzige Roland ist 435 Jahr alt; im Jahre 1450 für 170 Bremer Mark (600 Thlr. Gold) errichtet.

Doch eine ausführlichere Beschreibung der übrigen Gebäude und öffentlichen Plätze Bremens dürfte das vorgesteckte Ziel dieser Beschreibung überschreiten. Wir verweisen deshalb auf den bereits citirten, von uns mehre Male benutzten ausführlichen Wegweiser durch Bremen, und machen nur noch auf den Wall aufmerksam, wo die früheren Befestigungen der Stadt in wahrhaft reizende Anlagen verwandelt sind, und die angenehmste Promenade bilden. Sie sind aus der schöpferischen Hand des genialen Altmann, welcher später auch den Hamburger Wall angelegt hat, hervorgegangen. Auf das Mannichfaltigste wechseln hier reizende Partien ab, bald Rasen, und bald Blumen und Baumgruppen. Sehr lobenswerth ist die Bremer Pietät, dass die Kinder Florens dem siebenten Gebot empfohlen bleiben und es zu den seltensten Fällen gehört, wenn der Bremer Wall bestohlen wird. – Der Stadtgraben und die Windmühlen erhöhen das Lebendige der Landschaft. – –


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