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Helgoland

Helgoland

Diese merkwürdige Felseninsel der Nordsee, welche hoch emporragend seit Jahrtausenden den Kampf mit den Wellen besteht, wird uns schon in sehr frühen Nachrichten genannt. Ein alter nordfriesischer Schriftsteller, Peter Saxe, glaubt sogar, der Dichter Virgil habe an dem Hofe des Kaisers Augustus von dem Meerwunder gehört und Gelegenheit genommen, die Insel in seinem Gedichte (Aeneide I. v. 159) zu beschreiben. Dass Tacitus Helgoland gemeint habe, als er von der Insel Hertha redet, wird durch spätere Zeugnisse fast zur Gewissheit erhoben. Er redet von dem Dienste der Göttin im Ocean, zu welchem sich sieben Suevische Völkerschaften, unter diesen die Angeln und Variner, verbunden hätten. Man hatte diese Insel vorzüglich deshalb in der Ostsee gesucht, weil man sich nicht berechtigt gehalten hat, die Sitze der Angeln bis zur Nordsee zu erstrecken. Allein neuere Untersuchungen, niedergelegt in Michelsen's und Asmussen's Archiv, haben gezeigt, wie das Volk der Angeln weit ausgebreiteter gewesen, als man bis dahin angenommen hatte.

Die ersten Heidenbekehrer, Willibrod und Lüdger, machen im achten Jahrhundert eine Beschreibung von dem Götzendienst und dem Zustand Helgolands, welche ganz mit dem, was Tacitus von seiner Insel erwähnt, übereinstimmt. Wir finden hier wieder die geweihten Thiere, welche im Umkreise des Tempels weideten und die Niemand berühren, und die heilige Quelle – aus der man nur schweigend Wasser schöpfen durfte. Diese Quelle, das einzige süsse Wasser der Insel, findet sich auf dem Vorlande und wird in der Brennerei eines Einwohners, Jasper Bufe, verwendet.

Woher der Name der Insel abzuleiten sein dürfte, ist streitig. Als die Heidenbekehrer kamen, soll sie nach einem hier verehrten Götzen » Fosetisland« benannt sein. An den Namen Helgoland knüpfen sich mehrere Sagen, namentlich eine der merkwürdigsten des skandinavischen Alterthums. Der König von Lethra, Helgo, war im sechsten Jahrhundert an der sächsischen Küste gelandet, wo die streitbare und stolze Fürstin Olufa herrschte. Sie entzog sich den Bewerbungen des Königs, als dieser aber mit Gewalttätigkeiten drohte, wich sie scheinbar der Uebermacht. Sie gab ihre Einwilligung und stellte die Hochzeitsfeier an, an dem festlichen Tage aber sorgte sie dafür, dass Helgo berauscht und darauf sein Kopf geschoren, mit Pech und Theer bestrichen, er aber dann in einem Sack auf sein Schiff gebracht wurde. Als er erwachte und sich seinen Leuten in solcher Gestalt zeigte, erschien auch die Fürstin mit einem so ansehnlichen Heere, dass Helgo die Ausbrüche seiner Rache zurückhalten musste. Beschämt zog er sich zurück, nach einiger Zeit aber erschien er wieder an der Küste. Er vergrub einige Kostbarkeiten in einem Walde und bestach einen Knecht der Olufa, seine Herrin von diesem Schatze zu unterrichten. Sie folgte der Lockung, liess sich verleiten in den Wald zu gehen, wo Helgo sie auffing, sie auf sein Schiff nahm und sie nicht eher entliess, bis er ihrer überdrüssig geworden. Olufa gebar eine Tochter, Ursa, welche sie insgeheim bei einem Bauern am Strande erziehen liess. Helgo besuchte oft diese Küste; er traf hier das liebliche Mädchen; als sie kaum ihr zwölftes Jahr erreicht hatte, nahm er sie mit sich und heirathete sie. Als sie ihm schon einen Sohn, den nachmals so berühmt gewordenen Rolf Krake, geboren hatte, sah Olufa das Werk ihrer Rache vollführt; sie unterrichtete ihre Tochter von dem Verhältnisse, in welchem sie lebte, nöthigte sie Helgo zu verlassen und verheirathete sie wieder an einen König von Schweden. Als Helgo sein Unglück erfuhr, soll er sich selbst erstochen haben. Von diesem Könige nun leiten Einige den Namen Helgoland ab.

Nicht ohne Zusammenhang mit der Sage von Olufens Tochter Ursa steht die Ueberlieferung, Helgoland sei nach einem dort befindlich gewesenen Nonnenkloster, St. Ursula, benannt. Die heilige Ursula soll hier mit ihren 11,000 Amazonen gelandet sein als es noch ein grosses schönes Land war, die Leute aber so gottlos gewesen sein, dass wegen ihres Betragens gegen die Jungfrau das Land versunken, abgerissen und alles versteinert sei. Dem Ritter Bertram Rogewisch wurden sogar noch die Fusstapfen der tanzenden Jungfrauen gezeigt.

Helgoland war lange ein Hauptsitz friesischer Seeräuber. Hier hausete der wilde König Radbod; Jahrhunderte nach ihm soll ein Seeräuber, Namens Eilbert, von seiner Lebensweise abgelassen haben, völlig bekehrt und endlich sogar Bischof geworden sein, das Christenthum auf der Insel hergestellt und hier ein Kloster gegründet haben. Vom Kloster Rabodsburg, von Hainen und Tempeln ist keine Spur mehr, und mögen sie einst gestanden haben, längst sind sie versunken in die Tiefen des Meeres. Helgoland halte einst einen weit grösseren Umfang und hing wahrscheinlich, in einer Zeit, die der cimbrischen Fluth voranging, mit dem festen Lande zusammen. Der Statthalter Heinrich Ranzau erzählt, Helgoland habe früher sieben Kirchen gezählt, von denen in seiner Zeit nur noch eine vorhanden. Das Verzeichniss der Harden und Kirchen in Nordfriesland von 1240 führt noch drei Kirchspiele, ein Kloster und die Spuren dreier heidnischer Tempel an. Gegenwärtig besteht Helgoland nur aus der Klippe von Keuper-Mergel und einer Sandinsel. Die Fluth durchbrach im Jahre 1720 die schmale Erdenge und machte die nur eine Viertelmeile vom Felsen liegende Düne zur Insel. Seit 1653 hat Helgoland immer mehr abgenommen; damals ward der Umfang noch zu einer kleinen Meile angegeben, im Jahre 1720 betrug er nur 9200 Fuss.

Zufolge der Sammlungen, welche ein Amtmann in Jever, Römer Sedichius, der im siebzehnten Jahrhundert lebte, hinterlassen haben soll, hätte Kaiser Heinrich III. zu Utrecht im Jahre 1050 Helgoland, »das Sassen Eiland« Aellum, dem Grafen Johann von Oldenburg geschenkt Es ist diese Angabe jedoch weder beglaubigt noch wahrscheinlich, und man kann wohl annehmen, dass Helgoland später das Schicksal des übrigen Nordfrieslands getheilt hat, demnach einen Bestandteil des Herzogthums Schleswig ausmachte. Im Jahre 1808 nahmen die Engländer die Insel ein; sie ward 1814 im Kieler Frieden an England abgetreten.

Auf Helgoland gilt das jütsche Low, aber nur in Erbfällen, nach welchem, wenn die Eltern ohne Testament verstorben sind, die Töchter nur halb so viel erben wie die Söhne. Die Ehegatten leben in Gütergemeinschaft; nach dem Tode des einen kann der überlebende Theil gezwungen werden, mit den Kindern zu theilen, erhält dann aber, ausser der Hälfte, noch Best-Kindes, Sohnes Theil. Die Erbtheilung ist indessen seit Menschengedenken nur im Jahre 1828 verlangt, und zwar von einer auf Helgoland verwittweten Engländerin, welche eine üble Wirthschafterin gewesen sein soll.

Die Söhne werden mit dem fünfundzwanzigsten, die Töchter mit dem einundzwanzigsten Jahre grossjährig. Eine frühere Volljährigkeitserklärung ( venia aetatis) kommt selten vor, und hat den Rath, welcher sie aus eigner Machtvollkommenheit verfügt hatte, vor einigen Jahren in grosse Verlegenheit gesetzt. Den Müttern gebührt ohne Weiteres die gesetzliche Tutel, und kann ihnen nur aus sehr bewegenden Ursachen genommen werden.

Die Helgolander haben keine stillschweigenden Hypotheken, dagegen ein Schuld- und Pfandprotokoll, in welchem die eingetragenen Forderungen nach ihrer Priorität gelten. Auffallend ist es, dass bei einer Bevölkerung von 2800 Einwohnern, die noch dazu in sehr dürftigen Umständen leben, so wenige Concurse erkannt werden. Diese pflegen erst nach dem Tode des Schuldners auszubrechen, dem man bis an sein Lebensende Nachsicht angedeihen zu lassen pflegt. Pfändungen werden nur zur Beitreibung von Predigergefällen vollzogen. Advokaten giebt es auf der Insel überall nicht.

Der Rath besteht aus sechs Mitgliedern, von denen Einer das Protokoll führt. Die Rathmänner entscheiden in allen Sachen erster Instanz, bilden auch das Polizei- und Kriminalgericht, können aber, vermöge der schlechten Beschaffenheit ihres Gefängnisses, nicht höher als auf fünftägigen Arrest erkennen. Einen Helgolander, der einem Mädchen Gewalt angethan, haben sie vor etwa dreissig Jahren mit ewiger Verbannung bestraft, aus der eine Rückkehr nach Helgoland freilich wohl unmöglich ist. Uebrigens ist der letzte Todtschlag hier im Jahre 1719 von einer Frau an einer andern begangen. Damals ist das Urtheil in Kopenhagen ermittelt, und auch hier unfern der Kirche auf dem Hengstplatze vollzogen. Auch Diebstähle sind hier unerhört, sie beschränken sich lediglich auf die Entwendung einiger hölzerner Latten, die Kälte und Armuth im strengsten Winter veranlassen. Die jährliche Einnahme jeglichen Rathmannes beträgt etwa 460 Mark, doch behauptet man, dass dem Rathmann Block, auf dem hauptsächlich die Last aller Geschäfte ruht, eine besondere Gratifikation von England zu Theil wird. Von Ueberschuss der Revenuen, welche die Pupillen beziehen, begleicht ihnen der geringe Antheil von ein Sechstel Procent, welcher aber bis jetzt noch nicht eingefordert ist. Die Haupteinnahme der Helgolander Obrigkeit hängt davon ab, ob Gott den Strand segnet, da diese Behörde alsdann die Vertheilung des Bergelohns leitet und dafür ihre Quote berechnet.

Zwei Male im Jahre wird Gericht gehalten, in welchem jeder Bescheid fünf Mark Hamburger Geld kostet. Die Gebühr für jede ausserordentliche Session beträgt zehn Mark. Von dem unstudirten, aber mit den Rechten wohl bekannten Rath wendet sich das Rechtsmittel der Appellation an den Gouverneur, der, weil er der deutschen Sprache unkundig, im Jahr 1839 noch in englischer Sprache entschied, gewöhnlich aber konfirmatorisch erkannte. Von hier geht die weitere Berufung nach England, an die Königin oder vielmehr an das Kolonialamt und an dessen präsidirenden Minister.

Die Helgolander bilden ein originelles, imposantes Völkchen. So viele Köpfe man auf der weiten Insel erblickt, so viele Männer im moralischen Sinne des Wortes sieht man auch. In jeden ist ein fester Charakter eingegraben, ein tiefer Lebensernst liegt auf aller Gesicht; sie kommen Einem zuweilen vor wie politisch religiöse Flüchtlinge, ihre körperlichen Bewegungen, die Art und Weise sich auszudrücken, sind die eines würdevoll vornehmen, durch manches Unglück gebeugten Mannes. Oft erschienen sie mir wie Königssöhne, welche von einer grossen Insel ausgezogen sind, und Fürstentöchter entfernter Länder sich geholt haben, die aber, zurückgekehrt, den grössten Theil ihrer unermesslichen Insel durch einen bösen Geist weggezaubert sehen, und nun mit ihren schönen Weibern auf dem übriggebliebenen Felsblock zu plebejischer Arbeit und plebejischem Mangel verurtheilt sind. Da hilft kein süsses Schmeicheln der Frauen, welche willig die Last des Tages tragen; bei seinem Anbruch verlässt der Helgolander sein Lager und starrt bis zur einbrechenden Nacht in das weite Meer, als ob er den Moment erwarte, wo der Zauberer die geraubte Insel wieder emportauchen lässt, damit auch er seiner Frau einen würdigen königlichen Sitz, das Erbtheil der Väter, bieten könne.

In der That treiben die Helgolander ein solches dolce far niente, wie dies die Italiäner nur immer unter ihrem milden Himmel thun mögen. Wenn sie nicht mit ihrem Fischfange und ihrem Lootsengeschäft zu thun haben, starren sie den ganzen Tag in das weite Meer hinein und dulden es mit orientalischer Ruhe, dass ihre armen Weiber und Kinder, namentlich auch die kleinen Mädchen, alle häuslichen Arbeiten, ja sogar die Tagelöhnerdienste, ausschliesslich verrichten, und auf diese Weise selbst den Unterhalt der Männer erwerben. So schleppen die armen Frauen jetzt sämmtliche Mauersteine, welche zu einem Bau unfern des Leuchtthurms verwandt werden sollen, hinauf. Acht dieser Backsteine ist eine gewöhnliche Tracht, doch werden die kleinen Mädchen sogar angelernt, wenigstens einen zu tragen.

Uebrigens finden die Helgolanderinnen ein solches Joch billig und gerecht. »Unsere Männer,« pflegen sie zu sagen, »wagen Leib und Leben auf der See für uns, es ist daher billig, »dass wir die Zeit, da sie auf der Insel leben, für ihre Ruhestunden »ansehen, in denen ja jeder Moment sie zu ihrem grossartigen und lebensgefährlichen Beruf wieder entbieten kann.« Die Helgolanderinnen sind von seltener Schönheit und trotz der Arbeit, welche sie in den zartesten Kinderjahren zu beschäftigen anfängt, von zierlicher, ich möchte sagen, vornehmer Bildung. Da es nur wenig vermögende, aber auch wenig unverheirathete unter ihnen giebt, so kann man sicher annehmen, dass nirgends mehr Ehen aus reiner Liebe geschlossen werden als hier. Jede Neigung der Helgolanderinnen trägt den Charakter von Egmonts Klärchen oder des Käthchens von Heilbronn. Die früh geschlossene Ehe verändert nicht die schwärmerische Verehrung, die unbedingte Hingebung der freudig gehorchenden Braut. Gleichwohl will es mir vorkommen, als ob diese Liebe der Helgolanderinnen von ihren Gatten nicht in demselben Maasse erwiedert werde; mag dies zum Theil in dem egoistischen Charakter der Männer, welche durch eine unbedingte Klärchenliebe zu leicht ermüdet weiden, oder auch in dem baldigen Verblühen der jungen Frauen liegen. Diese traurige Metamorphose hat wenig Ausnahmen und es ist in der That auffallend, wie schnell, fast wie in einer Raimundschen Zauberoper, sich meistens diese Verwandlung zeigt. Indessen konkurriren hiefür mehrere Gründe; schnell auf einander folgende Wochenbetten der neu Vermählten, die schwere Männerarbeit, welche auf ihre zarten Schultern gelegt wird, die unzureichende Nahrung, welche gewöhnlich nur aus getrockneten Fischen und Kartoffeln besteht, vor allen Dingen aber die Herzensangst, welche die jungen Frauen ergreift, wenn ihre Männer im Wellengebraus mit dem menschenmörderischen Sturm kämpfen. Alle diese Umstände tragen gewiss das Ihrige dazu bei, um so früh die Blüthen der Schönheit von den rosigen Helgolanderinnen abzustreifen.

Helgoland

Helgoland ist von Hamburg in gerader Richtung 20 1/3 geographische Meilen, von Cuxhaven 7 2/3 Meilen entfernt. Durch die Krümmungen des Fahrwassers wird diese Entfernung an 4 – 5 Meilen vergrössert. Der nächste Punkt der Küste am Ausfluss der Eider ist 7 Meilen, die Insel Neuwerk und Wangerog 6 Meilen und Norderney 8 Meilen von Helgoland entfernt. – Die Reise von Hamburg dorthin und wieder zurück wird gewöhnlich auf den Dampfschiffen in zwölf Stunden zurückgelegt, und wird diese Tour häufig als Lustreise von Hamburgern am Sonnabend unternommen, welche sich am Sonntag auf Helgoland erlustiren und am Montag nach Hamburg zurückkehren. Das ganze Fährgeld hin und zurück beträgt nur 15 Mck. Hamburger Courant.

Die Insel ist jetzt ¼ Meile lang, hat einen Umkreis von 13,800 Fuss und 1/12 Meile in der grössesten Breite. Vor dem nordöstlichen Rande der Klippe liegt ein flaches Vorland, aus röthlichem Thone und Rollsteinen bestehend, von der Gestalt eines Dreieckes, dessen längste, dem Felsen zugewandte Seite ungefähr 1000 Fuss lang, gegen den niedrigsten Theil des Felsens 15 Fuss ansteigt, und am nordöstlichen Strande durch ein Pfahlwerk gegen Abspülungen geschützt ist. Dieses Vorland wird auch » Unterland« genannt, während der Felsen das » Oberland« heisst. Das Unterland ist mit dem Oberlande durch eine vortreffliche Treppe von 173 Stufen, auf Kosten der englischen Regierung, verbunden, die wegen Steilheit des Felsens den einzigen Weg zu demselben darstellt. Der grössere Theil des Städtchens liegt mit der Nicolauskirche auf dem nordöstlichen Vorgebirge am niedrigsten Theile des Felsens und nimmt sich mit seinen rothen Dächern recht hübsch aus.

Oestlich von dem Unterlande liegt, etwa 300 Ruthen von demselben entfernt, in der Richtung von Norden nach Süden, eine Düne oder Sandinsel, etwa 20 Fuss über der Meeresfläche. Hier ist auch der Badestrand.

Höchst interessant ist die Fernsicht auf dem Oberhände, nicht nur dem Schiffer, sondern auch dem Meteorologen, welchem das fernste Meer der Spiegel des Firmaments wird. Oft erscheint der Himmel gleichförmig bedeckt und ist es doch nur für den Standpunkt des Beobachters, für den die Wolkenschichten wie Soffiten auf der Bühne sich decken, und doch von einander getrennt sind. Diese Oeffnungen des Himmels spiegeln sich nun auf dem Meere ab, und des Meeres Blinken, wie es die Schiffer bezeichnend nennen, an der Nordkante oder an einer andern verkündet eine Aufheiterung in jener Himmelsgegend, die sonst am Firmamente noch nicht sichtbar ist. Der Sternhimmel überrascht den Bewohner des südlichen Deutschland, wenn er ihn lehrt, wie er so viel nördlicher gekommen ist, und weil beschwerlicher das Haupt nach hinten beugen muss, um den Polaris zu sehen, wenn die nördlichen Gestirne sich auffallend über den Horizont erheben, während die südlichen verschwinden; wie niedrig steht Saturn im Scorpion, und Jupiter mit Mars in der Jungfrau, während er hier die Capella wieder findet, die ihm im Süden schon entschwunden war. Doch ist der Himmel über dem Meere dunstiger und lässt nur die grössten Sterne und Sternschnuppen sehen, so wie er am Tage nur graublau erscheinen kann.

Das nächste Meer gewährt noch durch Farbe und Brandung eine Uebersicht des seichten Meeresgrundes, dessen höhere Theile jetzt abgespült, einst die grössere Ausdehnung der heutigen Insel ausmachten. Diese ist auch historisch unleugbar, und nur über das Maass derselben in den verschiedenen Jahrhunderten, so wie über die Bevölkerung wird gestritten. Noch bis zum Jahre 1720 war das Land – de lun – mit der Düne – de halm – und der Wittkliff (weissen Klippe) verbunden; damals wurden sie durch einen Sturm getrennt, und seitdem die Wittkliff dem Meeresboden gleich gemacht. Des Geographen Meyer Helgoland von 1649 hatte eine grössere Ausdehnung, wenn gleich die Masse der heutigen widerspricht; der Flamberg oder Flaggenberg auf dem höchsten nordwestlichen Punkte, der Kirchhof und die Radbodsburg an der östlichen Seite sind hinweggerissen, so ist auch die Südspitze mit Wachhaus und älterem Mönch weggespült; denn nur der Kusberg bei der Sapskuhle, der Bredtberg mit dem von den Hamburgern 1763 erbauten Feuerthurme und der Moderberg mit dem Pulverhäuschen sind noch vorhanden, und nahe genug ist ihnen der Rand des Felsens gerückt. Nagen Sturm und Wellen, Frost und Thauwetter das ganze Jahr sichtbar an dem mürben Felsen, und bedrängen ringsum seine senkrechten Wände bis auf die östliche Seite, wo, wie bereits erwähnt, eine Schutthalde das Gestade des Unterlandes bildet, so ist diese allmählige Zerstörung auch seit Erhebung des Gebirges über die Meeresfläche thätig gewesen. Jetzt ist der Felsen auf der nordwestlichen Seite noch 200 Fuss hoch. Gerade gegen diese und die Westseite muss die Insel aber eine grössere Ausdehnung gehabt haben und auch noch höher gewesen sein, denn hier war seit Jahrtausenden der Angriff von Wind und Wellen am thätigsten und wirksamsten. Das Streichen der Felsmasse geht nämlich in einem Bogen gegen Nordwest, die ehemals horizontal abgesetzten Schichten erhielten durch das hebende Urgebirge im Fallen von Westen nach Osten einen Winkel von etwa 25 Grad. Diese starke Abdachung begünstigte auf der östlichen Seite die Bildung einer Schutthalde, das jetzige Vor- und Unterland, und jener gegenüberliegenden Düne; auf der westlichen Seite dagegen, wo die Schichten den Wellen entgegen sich aufrichten, jene fortdauernde Zerstörung ihres Fusses und das Nachstürzen der obern Massen, deren Schutt stets aufgelöst und weggespült wurde. Nach der Meyerschen Karte ist die hypothetische Ausdehnung der Insel am grössten gegen Osten, und wäre also in dieser Richtung am frühsten das Meer über grosse Strecken herrschend geworden; da doch die Zerstörung des Meeres von Westen her am grössten ist. Mau muss also annehmen, dass entweder eine solche Ausdehnung der Insel nach Osten nie Statt gefunden hat, oder dass sie nur in einem Flachlande bestanden, das bei abnehmendem Schutze durch die westlichen rothen Felsen auch viel rascher vom Meere verschlungen wurde. Die westliche Ausdehnung, wo der Fels auch noch höher war, nahm ab, Süd- und Nordwesthorn näherten sich durch die verminderte Längenausdehnung, der Schutz des Vorlandes und der Dünenbildung verlor sich mehr und mehr, bis endlich beide getrennt wurden, und jetzt ein Kanal zwischen beiden liegt, der in der Nähe der Insel durch das Vorland in einen » Norder-« und » Süderhafen«, letzterer für die Fischerboote, und Schaluppen, abgetheilt wird. Rechts oder nördlich von der Treppe befindet sich eine Einsenkung der Schichten. Von der Nordwestspitze bis zur Südspitze zählt man auf der westlichen Seite 22 Einschnitte oder Buchten und 25 Hörner. Hier bildeten sich durch das Ausspülen weicher Massen Höhlen und Felsenthore (Junggatt, Mörmersgatt), deren äussere Theile sie waren. Am merkwürdigsten unter ihnen ist der sogenannte Hengst, nämlich die gleichfalls freistehende Nordspitze, deren Fuss wieder zu mehreren Pfeilern ausgespült ist, wie die Füsse eines kolossalen Elephanten, wozu eine kindliche Phantasie die Felsmasse ausbilden kann. Zur Zeit der Ebbe ist es auch möglich eine Wanderung zu Fusse um die Insel zu machen, mithin ragen dann noch mehr Schichtenköpfe der früher abgespülten Massen aus dem Meere und geben dem Grunde das Ansehen eines frisch gepflügten Feldes, das aber schon mit Algen und Tangen bewachsen ist. Die Möglichkeit des Herabfallens der Felsstücke, des Ausgleitens auf den immer trocknenden Steinen, oder der Ueberraschung durch die Fluth macht indessen eine solche Wanderung gefährlich. Gerade dieser Umstand zieht aber junge Damen, die auf dieser Wunderinsel mit Gefahren zu spielen bald interessant genug finden, an, die Wanderung zu machen und sollten auch hie und da Strümpfe und Schuhe ausgezogen werden müssen.

Nirgends wird es deutlicher, was bunter Sandstein sei, als hier bei dem Anblick dieses ringsum abgefressenen rothen Felsens des eigentlichen Helgolands mit seinen gelblich oder grünlich weissen Schichten eines schiefrigen Thones, der sich so leicht zerbröckelt und auflöst. Gegen Osten und Nordost folgen auf den bunten Sandstein und die Klippen des rothen Wassers mit gleichen Strichen von Süden nach Nordwesten, Klippen eines Keupersandsteins (grau mit Malachit und Kupfergrün), auch gediegenem Kupfer, dann jene des Lias oder grauen Mergelschiefers, in welchem über 14 Arten von Ammoniten in Schwefelkies verwandelt, gefunden werden, meistens A. Maeandrus, dessen Glieder oder Wirbel auch einzeln vorkommen und von der dortigen Jugend Katzenpfoten genannt werden. Die von Schwefelkies durchdrungene Kohle gehört auch dieser Klippenabtheilung an, eben so die Gryphiten. Im Uebergang von dieser zur Kreide liegen die Gypsstücke, von denen der vorkommende Fasergyps herrührt. Echiniten ( Spatangus), Belemniten und halb durchscheinender Kalkspath gehören der östlichen und mächtigsten Schichte der Wittkliff (weissen Klippe) an, die aus Kreidekalk besteht. Von dieser rühren die meisten Geschiebe und Trümmer auf der Düne her, die fast ohne Ausnahme von Pholaden durchbohrt sind, deren Schalen sieh noch im Innern befinden; eben so die braunen Feuersteinknollen, aber auch der jaspisartige rothe Feuerstein. Der Sand der Düne bedeckt wohl die Fortsetzung der nördlichen Kreidefelsen, die mit Tangen und Algen bewachsen, zur Zeit der Fluth dem Meere eine violette Färbung geben, zur Zeit der Ebbe aber hie und da über dem Meeresspiegel hervortreten und eine reichliche Ausbeute von Korallen, Patellen ( P. pellucida), Seesternen und Taschenkrebsen ( C. Pagurus, rothbraun, C. Maenas, grün) gewähren. Granit giebt es häufig als Geschiebe auf der Düne und dem Unterlande; auf dem Plateau des Felsens, in der Nähe des alten Feuerthurms liegt selbst ein grösserer Granitblock, wie sich solche in der Oldenburgischen und Hannoverschen Haide finden, mit dem er auch gleichen Ursprung zu haben scheint, auf welchen sich am Ende auch die Granite im Kanal zurückführen lassen. Weiss ist der Sand der Düne und erhebt sich in mehreren Hügeln auf 60 bis 70 Fuss über das Meer, zwischen denen an einer Stelle selbst eine Wassersammlung in einer Brunnenfassung vorkommt. Sie erstreckt sich wohl 1600 Schritte in die Länge und 400 in die Breite. Das westliche Gestade ist das flachere und ohne Rinnen und Löcher, weit hinaus sich sanft vertiefend, der beste Badestrand, der sich wünschen lässt. Weit genug ist der nördliche Theil, den die Damen benutzen, von dem südlichen der Herren entfernt. Die Hügel sind bedeckt mit einigen Sandgräsern, worunter Psamma arenaria das gewöhnliche ist; am Strande wächst die lilaroth blühende Schötchenpflanze ( Kakile maritima) mit ihren salzig saftigen gelbgrünen Blättern, und Salsola kali.

Und wie steht es denn auf der eigentlichen Insel mit den Kindern Florens, wenn man von den zahlreichen Arten der Tangen und Algen, die auf den Klippen, unter der Oberfläche wachsen, absieht, und wovon die Fluth am Strande einen Wall anhäuft, der meist aus Laminaria digitata besteht und nicht den angenehmsten, wenn auch heilkräftigen Geruch verbreitet? Einheimische Bäume giebt es auf dem sonst fruchtbaren Boden des Helgolander Felsenplateau's keine, längst sind der Hain des Fosetes und andere Waldungen mit ihrem Felsengrund in das Meer versunken und nur ein höchster Punkt, der wegen des mächtigen ungehinderten Windes gewiss von jeher kahl war, ist am längsten übrig geblieben. Ihn bedeckt ein kurzes Gras mit den gewöhnlichen, dort sehr zerstreut liegenden Blümchen des gelben Labkrauts, der Schafgarbe, des Löwenzahns, der Massliebe, des weissen Klees, Hahnenfusses, dreier Arten von Wegerich, auffallend darunter der kleine Strandwegerich ( Plantago maritima) und das sogenannte Seegras ( Acmeria vulgaris). oder er ist angebaut mit Kartoffeln, selten mit Hafer oder Gerste, und hinter den Häusern zu Gärten benutzt. Am Rande der Kartoffeläcker und auf den brach liegenden finden sich die gewöhnlichen Unkräuter und die gelben Blumen eines Hederichs, an den Wegen auch Erdrauch, zwei Arten Disteln, Klettenkraut ( Arctium), Käsepappel, Wolfsmilch, in den Sapskuhlen auch Sumpfbinsen und Gänserich ( Potentilla reptans), in den Spalten des Felsens unter den genannten auch Küchenkohl ( Brassica oleracea) und Kamillen; in den Gärten blühen Rosen, Georginen und auch viele andere Zierpflanzen, stehen am häufigsten Hollunderpflanzen ( Sambucus nigra), dann auch im Garten des ersten Predigers, Herrn Langenheim, ein Maulbeerbaum, ein Aprikosenbaum, häufiger sieht man junge Pappeln und Akazien, auch den Blasenstrauch ( Colutea arborescens), Johannisbeeren und Stachelbeeren; es wachsen sehr gedeihlich alle Arten Kohl, Bohnen, Möhren, diese und Bärenklau ( Heracleum spondylium) auch wild, Zwiebeln, Lauche und Salat. An Wänden und Lauben klettert die wilde Rebe ( Hedera quinquefolia) hinauf.

Ist die Pflanzenwelt einfach, so ist es die Thierwelt noch mehr. Fliegen sind häufig in den Wohnungen, Bienen selten, stechende Mücken giebt es keine; Luft und Wohnungen sind rein und ohne quälende Insekten; einige Tagfalter, die gewöhnlichen rothen und weissen, der Rostkäfer, einige Laufkäfer ( Carabus), selbst auf der Düne zwei Arten Marienkäfer ( Cocinella), keine Reptilien, kein Sperling, keine Schwalbe, doch alle Arten Möven und Strichvögel. Die Bewohner der See sind nicht aufzuzählen, weil die Nordsee nicht allein Helgoland angehört; Mäuse, Ratten, Hunde und Katzen habe ich keine gesehen; auch braucht man hier keine Pferde und die Stelle der lasttragenden Esel versehen die Helgolanderinnen. Zwei Kühe und etwa hundert magere Schafe müssen, an einen Nagel angebunden, im Freien das Gras immer kurz erhalten; der Mangel lehrt letztere auch Kartoffelkraut, Gemüseabfälle und selbst vorgeworfene Fischreste verzehren. Sie versehen die Insulaner mit Milch. Dass Nahrung und Luft, Temperatur und Feuchtigkeit dem Menschen sehr zuträglich sind, bezeugt das kräftige Aussehen der Helgolander und ihrer von allen Fremden rühmlich genannten Mädchen. Das Klima ist jenes der Nordsee in dieser nicht beträchtlichen Entfernung von der Küste. Südwest- und Nordwestwinde sind vorherrschend und bedingen mit der wenig unter 13 Grad und wenig darüber temperirten See, massige Wärme im Sommer und mässige Kälte im Winter. Ist die Sommerhitze auf dem Continent gegen Osten und Süden gross, dann sind die westlichen Strömungen über die See auch heftig und geben der Insel einen kühlen regnerischen Sommer. Erst im September, wenn der Sommer zu Ende geht und die nördlichen Winde wegen der längeren Tage im Norden noch nicht tief genug gegen Süden vorgedrungen sind, ist das Wetter beständiger und die Heiterkeit bei massiger Wärme von 12° mittlerer Temperatur anhaltender. Herbst und Winter sind meist nebelig und trübe, selten giebt es anhaltend heitere Kälte, die übrigens immer geringer ist als jene auf dem nahen Continent und Schnee und Eis wenig dauerhaft macht; also ist der Winter mild, Schnee bleibt nicht liegen und Eis kennen die Helgolander nur als Treibeis aus der Mündung der Elbe und Weser; darum ist auch das Grün des Landes unvergänglich, das ganze Jahr gilt: » Grön is dat Land, Rohd is de Kant, Witt is de Sand.« Gewitter sind selten und sie bringt meist der Süd- und Südwestwind. Starke Regengüsse verursacht der Kampf des Nordostwindes mit dem Südwestwinde. Die mittlere Temperatur ist nahe an 7 Grad Reaumur. In der That entgeht man hier dem heissen Sommer des Continents und empfindet regnerische rauhe Witterung im August in Hamburg weit mehr, als ähnliche auf Helgoland, wo das Meer die Lufttemperatur mildert. Wem trockne Hitze und Kälte wehe thun, der ziehe nach Helgoland und athme die kräftige, salzige Luft, die keine grosse Temperaturdifferenzen kennt, er wird sich wohl und leicht fühlen, doch ist sie für eigentliche Lungenkranke zu rauh, die es aber auch hier nicht giebt. Die Helgolander selbst wissen wenig von Krankheit und würden es noch weniger wissen, wenn sie sich nicht bloss von Fischen und Kartoffeln nährten.

Der englischen Regierung gereicht zur besondern Ehre, was sie für die im Ganzen höchst dürftigen Insulaner thut. Nicht genug, dass sie vor einigen Jahren eine neue Treppe, welche Oberland und Unterland verbindet, zu dem Preise von tausend Pfund Sterling, und einen Leuchtthurm gebaut hat, welcher viele tausend Pfund gekostet haben soll; in diesem Jahre ist abermals der Bau eines neuen Schulhauses und zweier Predigerwohnungen ausverdungen, welcher unter Leitung eines englischen Ingenieurs beschafft werden soll, und ohne die Materialien, welche England auch noch hergiebt, zu 41,250 Mark veranschlagt ist. Victoria hat keinen Sechsling von Helgoland, und doch verziert sie es wie einen Tambourmajor des Meeres, oder sie behandelt das Eiland wie einen Delinquenten, der seinem Tode entgegengeht, dem sie die Henkermahlzeiten der letzten drei Jahrhunderte angedeihen lässt. Die Anlage eines Hafens mit Steinwällen aber, die Helgoland vielleicht vor einem Untergange schützen könnten, dürfte indessen selbst für die englischen Finanzen eine zu grosse Aufgabe sein.

Der Badearzt der Insel, der Doctor von Aschen, ist ein sehr unterrichteter und erfahrner Arzt, welcher auf an ihn ergehende Anfragen sehr gerne Bescheid ertheilt. Die Seebadeanstalt ist erst seit 1820 eingerichtet und hat einen sehr guten Fortgang. Der Genuss der Seeluft ist hier reiner und kräftiger als auf den übrigen Inseln, welche Badeanstalten haben, keine Etiquette genirt die Gäste, welche sich dafür auch selten zu grösseren Versammlungen im Conversationshause reuniren, sondern sich gewöhnlich in kleinere Zirkel scheiden. Im Conversationshause, wo ein Fortepiano steht, wird gewöhnlich den ganzen Morgen musicirt. In mehreren Häusern der Insel ist table d'hôte, welche im Durchschnitt bescheidenen Ansprüchen entspricht. Das Fleisch bekommen die Helgolander grösstentheils von der schleswigschen Küste und vornämlich von Husum. Am theuersten sind die Bäder, welche (die Ueberfahrt nach der Düne mit eingeschlossen) auf Ein Mark zu stehen kommen. – Indessen kann man für sechs Mark täglich alle anständigen Bedürfnisse als Badegast bestreiten.

In der Saison wird hauptsächlich der Dorsch gefischt, der Hummer häutet sich alsdann und darf vom 14. Juli bis zum 14. September nicht gefangen werden. Makrelen werden häufig auf den Tisch gesetzt, der Schellfisch wird aber weiter entfernt, in der See, gewöhnlich nur im Frühjahr, gefischt. Der Dorsch ist hier übrigens viel kleiner als in der Ostsee. Ueberhaupt stimmen die Namen der Fische hier nicht mit denen in den Compendien der Naturgeschichte. Man isst hier » Haifische« und » Störe«, die letztern sind nur halb so klein wie ein Heering. Der Fischfang trägt den Helgolandern übrigens kaum das trockene Brod für ihre Lebensnothdurft ein, da sie mit den an der Elbe, also Hamburg und Altona näher wohnenden Fischern, vornämlich mit den gewandten Blankenesern, concurriren, und oft, bei contrairem Winde, ganz faul gewordene Ladungen über Bord werfen müssen. Wenn einst bei Hamburg eine Eisenbahn mündet und die Seefische durch ganz Deutschland versandt werden können, wird dieser Nahrungszweig der Insel freilich einen bedeutenden Aufschwung erhalten.

Zwei Umstände sind es vor allen, ein physischer und ein moralischer, die in Helgoland hervortreten. – Die vom Continent entfernte Lage mitten im Meere und die grossartige Erscheinung dieses Felseneilandes, der Reichthum an Form und Farbe, der stets neue Bilder vor das entzückte Auge führt und der dadurch hervorgerufene Einfluss auf das Gemüth.

Dass der Seeluft, dem Seebad andere Kräfte einwohnen, als der Luft des festen Landes, den Bädern im süssen Wasser, das wussten schon die Alten und die Neuen sind eben daran, den Kreis ihrer Erfahrungen hierüber bedeutend zu erweitern. Jene Kräfte müssen um so entschiedener hervortreten, je reiner und unverfälschter sie sind. An der Küste sind die Kräfte gemischt und getheilt. Mutter Erde und Gott Neptun liegen im Kampfe. Nicht alle Winde bringen dort Seeluft und wer weiss, welchen Einfluss die süssen Wasser der Küste und der Landwolken auf die Salzfluthen ausüben! Wie ungetrübt ist dies Alles auf Helgoland! Der Wind mag kommen, woher er will, er fühlt Seeluft herbei, eine weite Fläche trennt das Eiland von der nächsten Küste, die das Auge nicht mehr erreichen kann. Der Felsen selbst erzeugt keine tellurischen Kräfte, ein Schiff mit Hochbord liegt er mitten im Meere, auf den der Wechsel der irdischen Atmosphäre nicht herüberdrängt. Sie bewahrt hier die ihr eigentümliche Gleichmässigkeit in Temperatur und Feuchtigkeit viel constanter.

Sodann welchen Reiz bietet Helgoland einem für Naturschönheit offenen Gemüthe! Statt der einförmigen Dünenküste erhebt sich der bunte Sandstein mit der grünen Decke schroff aus der See und drüben schimmert die Düne herüber, eines dem andern zur Zierde und jedes in anderer Beleuchtung immer wieder anders, dazu das Kommen und Gehen der Schiffe, die Helgolander Lootsen und ihr lustig Gewerbe. Eine andere Welt ist dem Bewohner des Festlandes aufgeschlossen, tausendfältig wird das Gemüth angeregt. Jeder Sonnenaufgang im Meere ist eine neue Schöpfung, jeder Sonnenuntergang schliesst dort ein ganzes Drama voll erhabener und erhebender Gefühle ein, und davon sollte der Leib unberührt bleiben? Alltäglich sehen wir, wie die Freude das Antlitz verkläret, wie der Neid so widerlich sich ausprägt, wie die Schamröthe in tausend kleine Gelasse das Blut treibt und eine ganze Kette voll der gewaltigsten Eindrücke sollte spurlos am Körper vorübergehen! Mögen das Philister glauben, deren Herz zu ist, die mit sehenden Augen blind sind, Helgoland schafft durch seine stillen Wunder. Wem aus der Mutter Erde, aus dem Alltagsleben die Dämonen erwachsen, die seine Ruhe stören, der fliehe vor ihnen nach dem Felseneiland. Ein kräftiger Herkules hebt es den geplagten Erdensohn über die Region des tellurischen Spukgeister hinauf.

Beide adjuvantia sind in allen Krankheitsfällen von Werth, und würden die Helgolander Seebäder überall, wo sie angezeigt sind, kräftig unterstützen. Bald kommt dabei mehr die reine Seeluft in Betracht, wie in Drüsenleiden, bei Affectionen der Schleimhäute und langwieriger Heiserkeit, bald mehr der physische Eindruck, wie in zahllosen Nervenleiden, für welche Helgoland so recht eigentlich geschaffen scheint. Gegen die Zustände gereizter Nervenschwäche mit erethischem Blutsysteme, die vielfachen hypochondrischen und hysterischen Uebel, die mannigfachen von den Nerven ausgehenden Schmerzen und Lähmungen, die Verstimmungen des Gemüthes, überhaupt die sogenannten dynamischen Störungen, in denen es weniger auf materielle Ausscheidungen ankommt, gegen diese leistet Helgoland Grosses.

Es muss noch eine dritte Classe von Krankheiten namentlich aufgeführt werden, die freilich zum grossen Theil unter die zweite zu subsumiren ist, nämlich so viele aus der dunkeln Region der Ganglien stammende Leiden, die bald mehr als Hämorrhoidalleiden, als plethora abdominalis, bald mehr als rein nervöse Formen auftreten, Schlaf und Heiterkeit rauben und die, zumal beim weiblichen Geschlecht, so manches zum Frohsinn geschaffene Leben unterwühlen. Alles vereinigt sich in Helgoland, um erfolgreich dagegen anzukämpfen und gewiss helfen hierzu, ausser der unmittelbaren Wirkung des Seebades, der Aufenthalt in der reinen Seeluft und die wohlthuenden physischen Einflüsse mit. Das weibliche Gemüth ist empfänglicher dafür und wirkt auch wohl kräftiger auf den Körper zurück. Die ungewöhnlich grosse Zahl Damen, welche hier Hülfe suchten und finden, liefert den kräftigen Beweis, was Helgoland in diesen Fällen leistet. Sie sind es, die an den erhabenen Naturscenen sich am meisten erfreuen; die, wenn die Boote schaukeln, mit ihrem Muthe manchen Herrn beschämen; ihnen wird dafür eine vorzugsweise segensreiche Wirkung zu Theil.

Als Lootsen haben die Helgolander einen grossen Ruf, da sie kühn, zuversichtlich und nüchtern sind. Das Lootsenwesen ist auf Helgoland förmlich organisirt. Jeder, der Zutritt zu der Gesellschaft finden will, muss 24 Jahre alt sein und sich einem Examen unterwerfen, das freilich grösstentheils nur das Auswendigwissen eines Lootsenkatechismus in Helgolander Sprache erfordert. Nach dessen Bestehung erhält er eine Medaille oder den sogenannten Lootsenpfennig. Sobald ein fremdes Schiff die Hülfe der Lootsen erheischt, entscheidet das Loos. Die zur Fahrt Berufenen erwählen einen Offizier, dem unbedingt Folge geleistet werden muss. Der Erwerb wird von allen Lootsen getheilt, mithin wird dem einzelnen Theilnehmer der grössten Gefahren oft nur sehr mittelmässig vergolten.

Ein gewisser Herr Siems, nicht der, dessen Wienbarg in seiner vortrefflichen Schrift, beiläufig gesagt, der besten, welche über Helgoland geschrieben ist, gedacht hat, sondern ein Vetter desselben, ein gescheuter und liebenswürdiger Mann, welcher sich einer hohen Achtung auf der Insel erfreut, hat mir erzählt, wie bei heftigen Stürmen die Weiber der auf der See umher schaukelnden Lootsen, rasenden Mänaden gleich, zu ihm kommen, Trost und Beruhigung, ja selbst ihre Männer von ihm fordernd. Da giebt es denn freilich manche Bürger'sche Leonore, die auf ihren im nassen Element verschwundenen Wilhelm umsonst harret, und, wenn er nicht wiederkehrt, aus Liebe und Verzweiflung des Leibes ledig wird. Diese Erzählung veranlasste mich, gemeinschaftlich mit dem einzigsten Helgolander Dichter, dem ehemaligen Schiffskapitain Hans Frank Heykens, eine Idylle zu komponiren, welche die Gefahren eines Seesturms für die rettenden Helgolander darstellt. Sie mag hier ihren Platz mit ihrer Uebersetzung finden, und bemerke ich nur, dass sie, wie mehrere andere meiner Notizen über Helgoland, meinen Briefen über diese Insel, nebst poetischen und prosaischen Versuchen in der dortigen Mundart, Bremen 1840, Verlag von Wilhelm Kaiser, mit Bewilligung des Herrn Verlegers entnommen ist. Sie ist am besten geeignet, um die dritte Zeichnung » Helgoland im Seesturm« zu versinnlichen.

Helgoland

En Tweskenspröek änner en Sköel Luatsen uhn dü Harrews bi Üppassen wanner Skeppen uhn Secht köhm.

Ein Gespräch zwischen einer Anzahl Lootsen im Herbst, beim Aufpassen, ob Schiffe zu Gesicht kommen.

A (es Offziar). Dü Locht socht ütt es wan dü Harrewsstürmer nig füre sen.

A (als Offizier). Die Luft sieht aus, als ob die Herbststürme nicht ferne sind.

B. Dät latt so, dät skin, es wenn wie Julang dät Wedder nig ha skell watt et nä es, dü Locht wart tjock en fochtig.

B. Das lässt so, es scheint, als wenn wir am Abend nicht das jetzige Wetter haben werden, die Luft wird dick und feucht.

C. Dät ohleng Stäck, wat alle Harrews war kiart.

C. Das alte Stück, so alle Herbst wiederkehrt.

D. Doch mannigmal met Ännerskeet.

D. Doch manchmal mit Unterschied.

E. Iwen es vergingen Juar, da hidd wi bet Uttgungen October gudd Wedder.

E. Eben wie im vorigen Jahr, da hatten wir bis Ausgang Octotober gutes Wetter.

F. En vör tau Juar, watt hidd wi da?

F. Und vor zwei Jahren, was hatten wir da?

G. Oh! da wiar, nog iar dü October ütt wiar, Skeppen en Mensken nuggen verlässen.

G. O, da waren, noch ehe der October zu Ende war, Schiffe und Menschen genug verloren.

A. Ha swuart wäret üp dät Weeter!

A. Wie schwarz wird es auf dem Wasser!

B. Dät wart en swahr Kääk.

B. Das wird ein schweres Schauer.

C. Nä mutt dü Skeppen herm Trallwerk all wegg.

C. Nun müssen alle Nebensegel des Schiffs fort.

D. Diar bleft et nigg bi, dü Reffen mutt uhn dü Mastsayels.

D. Dabei bleibt es nicht, die Mastsegel müssen noch gerefft werden.

E. Nagerad muar Winn, det skell well üpp en Sturm üttlop.

E. Nach gerade mehr Wind, das soll wohl auf einen Sturm auslaufen.

F. De Locht bräckt jam uhn dü nohrelk Kant, diar kom en Blink von Dach, velucht wen wie en Sturm ütt Nohren.

F. Die Luft bricht sich an der Nordseite, da kommt ein Schein zu Tage, vielleicht bekommen wir einen Sturm aus Norden.

G. A! dü halt nig lahng uhn, stronn Heeren rechte nig lahng.

G. Bah! der hält nicht lange an, gestrenge Herrn regieren nicht lange.

A. Ja, wan Alles tu Grünn en Buddem layt, welk stahnt dan wär ab?

A. Ja, wenn alles zu Grund und Boden liegt, wer steht dann wieder auf?

B. Diar jahnmal duad es, dü hatt er weesen.

B. Wer einmal todt ist, der ist da gewesen.

C. Es dog Skad om Skepp en Gudd, en vör all om Menskenleben.

C. Es ist doch Schade um Schiff und Gut, und vor Allen um Menschenleben.

D. En Skepp uhn Secht, uhn dü Nordkant van di Blink! (Dü Uhren altomahl likakker:)

En Skepp, en Skepp!

D. Ein Schiff in Sicht! an der Nordseite, aus der Helle! (Die Andern allzumal zugleich :)

Ein Schiff! ein Schiff!

A. Maak hast met Lottsmitten dat dät Skepp Help went!

A. Macht schnell mit dem Loosen, damit das Schiff Hülfe erhält.

B. En Sieler off en Rudder?

B. Ein Segel- oder Ruderboot?

A. En Rudder. Met en Sieler kann wi vör acht Reffen nig tunn.

A. Ein Ruderboot. Mit einem Segelboot kann man vor acht Reffen nicht stehn.

B. Denn mut wi gau wees iar dät Skepp uhn dü Barleng ihn komt.

B. Dann müssen wir schnell sein, ehe das Schiff in die Brandung kommt.

A. Es alle Man hier? dann ley dü Riahmen turecht.

A. Sind alle Leute zur Hand? die Ruderstangen zurecht.

B. Wi senn hir all sästein.

B. Wir sind hier alle sechszehn.

A. Dann uhn Gotts Nahmen förwuass.

A. Dann in Gottes Namen vorwärts.

B. Dat Skepp sien Flagg wayt.

B. Des Schiffes Flagge weht.

A. Ick low, he wayt verkiart. Wenn die Flagge verkehrt weht, so ist dies ein Zeichen der Noth. Der Jüngste von allen sitzt auf der vordersten Ruderbank.

A. Ich glaube, sie weht verkehrt.

B. O hey! dann es ho uhn Nüad.

B. O weh! dann ist es in Noth.

A. Dann ru tu, Manntjes! hahl ütt, om Skepp en Gudd, en Mensken tu bergen!

A. Dann rudert zu, Leutchen! holt aus, damit Ihr Schiff und Gut und Menschen bergt.

C. Dät Skepp es uhn dü Barleng, dät skell harr hol diar där tu köhmen.

C. Das Schiff ist in der Brandung, es wird hart halten, da durch zu kommen.

A. Diar komt en holl Tidd jüm uhn, – liat ley wör.

A. Da kommt eine hohle Brandung gegen an. Lasst liegen vorne.

H. Ley es.

H. Es liegt.

A. Liat dü diar Stärtsee nog awer gung, dann mutt wi där dü Barleng hen statt.

(Alltumahl:)

Uhn Gotts Namen.

A. Lasst die letzte Sturzwelle noch vorüber, dann müssen wir durch die Brandung hinsetzen.

(Allzusammen:)

In Gottes Namen.

A. Nä es et en siecht Tidd, Manntjes! Hura! där dü Barleng hen!

(Alltumahl:)

Hura! Om en gudd Vertienst

A. Nun ist eine schwache Brandung, Leutchen! Hurrah! durch die Brandung hin!

(Allzusammen:)

Hurrah! auf guten Verdienst!

B. Dät Skepp sien Mastsayel slayt en Stücken.

B. Die Mastsegel des Schiffes zerschlagen in Stücke!

C. Dü Maskwuat es Sprüngen.

C. Die Mastschote ist gesprungen.

D. He hett kehn Skepps Macht muar.

D. Das Schiff hat keine Macht mehr.

 

B. (tu A). Watt fange wi uhn?

B. (zu A). Was fangen wir an?

A. Uhn Burr, je ar je liewer, wie mutt ny en siecht Tidd passe om uhn Bürr tu köhmen.

A. An Bord, je eher je lieber, wir müssen auf eine schwache Brandung achten, um an Bord zu kommen.

B. Dan mutt wi dü hier bös Tidd awergung liat, dü See es allmächtig gröw, dät skell swöhr hol uhn Burr tu köhmen.

B. Dann müssen wir hier die starke Welle übergehen lassen, die See geht allmächtig stark, es wird schwer halten, an Bord zu kommen.

C. Wi mutt en skell uhn Burr, dät Skepp es uhn Sinken, si jüm nig, dat all dät Wulk uhn dü Pump es?

C. Wir müssen und sollen an Bord, das Schiff ist im Sinken, seht Ihr nicht, dass alle Mannschaft an der Pumpe ist?

A. Stopp vor, skone Mastbeenk. Passe üp et Vörlog. Ru to, allerweegen.

A. Stark rudern vorne, halt an Mastbank. Pass' auf's Vortau. Rudert zu. Von allen Seiten.

A. (Recht but Skepp rabt A tu dü Captain,) Die nunmehrigen Anreden und Antworten geschehen (bis zu den drei Sternen) in einem Küstenplattdeutsch, dessen die meisten Schiffer kundig sind. Wo kummt de Reis von dann?

A. (Dicht beim Schiff ruft A dem Capitain zu.) Wo führt Euch die Reise her?

Capitain. Von Brasilien.

Captain. Von Brasilien.

A. Wo geith de Reis na to?

A. Wohin geht Eure Reise?

Capt. Na Hamborg.

Capit. Nach Hamburg.

A. Is hee ock unner Karantähn? oder häit hee ehnen reinen Gesundheitspass?

A. Steht Ihr auch unter Quarantaine? Oder habt Ihr einen reinen Gesundheitspass?

Capt. Mien Papieren sind rein, ick heff keen Karantähn.

Capit. Meine Papiere sind rein, ich habe keine Quarantaine.

A. Worin besteit de Ladung?

A. Worin besteht die Ladung?

Capit. In Koffe und Zucker.

Capit. Aus Kaffee und Zucker.

A. Will Hee Lootsen hebben, oder is nog besonders Help von Nöden?

A. Wollt Ihr Lootsen haben, oder ist noch besondere Hülfe vonnöthen?

Capit. Dat se'et Jih wull, datt ick nog besonders Help hebben mot, da min Volk von lange anholende Arbeit aff is, un ick dessfalls nig allehn Lootsen, sondern ohk Arbeitslüd' benödigt bin.

Capit. Das seht Ihr ja wohl, dass ich noch besondere Hülfe haben muss, da meine Mannschaft von langer anhaltender Arbeit entkräftet ist, und ich desfalls nicht allein Lootsen, sondern auch Arbeitsleute benöthigt bin.

A. Hätt He' sien Anker un Tauen nog vullständig?

A. Habt Ihr Anker und Taue noch vollständig?

Capit. Nä, ick helf man ehn mehr an, mine best Anker un Tau heff ick opp de Nordküst verlahren un darto is min Schipp schwahr leck.

Capit. Nein, ich habe nur eins noch, meine besten Anker und Taue habe ich an der Nordküste verloren und dazu ist mein Schiff schwer leck.

A. Vorlangt Hee denn, dat wi mit alle Mann bi Em blievt?

A. Verlangt Ihr denn, dass wir mit der ganzen Mannschaft bei Euch bleiben?

Capit. As Jih mien Schipp un God retten könnt, ja wull.

Capit. Wenn Ihr mein Gut und mein Schiff retten könnt, »jawohl.«

A. Na, denn betalt Hee, falls wie Sien Schipp und God glücklich in en seekern Hafen bringt, uns, vör söstein Persohnen un de Schluppe, fifdusend Mark Kurant.

A. Na, dann bezahlt Ihr, falls wir Euer Schiff und Gut glücklich in den Hafen bringen, uns, für sechszehn Personen und die Schaluppe, fünftausend Mark Courant.

Capit. Gott bewahr, dat is fähl Geld.

Capit. Gott bewahre, das ist viel Geld.

A. Nich to fähl, wi wagen ock us Leben un laaten uns von Fro un Kinner afköpen,

A. Nicht zu viel, wir wagen auch unser Leben und lassen uns von Frau und Kind abkaufen, um Sien Schipp un God un Minschen to bargen.

Capit. Na, ick will betalen, wat recht is.

Capit. Nun, ich will bezahlen, was recht ist.

A. Stell, hohl dü Mütt.

A. Still, halt das Maul.

C. Wat is recht? Wenn Hee mit Sien Schipp erst glücklich binnen is, denn kriegt de Schiffmaklers Em faht, denn is da nicks wäsen as moye Wedder un klare Luft, un ehn ohle Fro har Em binnen bringen kunnt.

C. Was ist recht? Wenn Ihr erst glücklich mit Eurem Schiffe binnen seid, dann kriegen die Schiffsmäkler Euch zu fassen. Dann ist da nichts gewesen, als schönes Wetter und klare Luft, und eine alte Frau hätte Euch binnen bringen gekonnt.

Capit. Laat et denn opp gode Männer ankahmen, wat de utspräcken, schall uns beidersiedig recht sihn; um de Wahrheit to seggen, kann ick min Journal ja vörwiesen.

Capit. Lasst es denn auf gute Männer ankommen, was die aussprechen, soll uns beiderseitig recht sein; um die Wahrheit zu sagen, kann ich mein Journal ja vorweisen.

A. Obglik wi sehr oft karglich von gode Männer Utsprahk betahlt worden sind, so wöllt wi düttmal nog wedder uhs Leben bi Em wagen. Sehr hart un schmartfull is et uns aber, dalt Jih uhs Land im Sommer nig kennt, un wi in Harfst un Winter nicks als Nothhelpers sien möht.

A. Obgleich wir sehr oft kärglich durch guter Männer Ausspruch bezahlt worden sind, so wollen wir diesmal doch wieder unser Leben für Euch wagen. Sehr hart und schmerzvoll ist es uns aber, dass Ihr unser Land im Sommer nicht kennt, und wir im Herbst und im Winter nichts als Nothhelfer sein müssen.

Capit. Dat liggt buten mien Kraft, genog, Jih hebbt nu öwer mien Schipp un God to befehlen. Maakt, dat Jih glücklich damit binnen kahmt.

Capit. Das liegt ausser meiner Kraft, genug, Ihr habt über mein Schiff und Gut zu befehlen. Macht, dass Ihr glücklich damit binnen kommt.

A *** (tu sien Manskap). De Halleften uhn de Pump, un de Halleften rechte Sayels ab, wuar um Euer Schiff und Gut und Menschen zu bergen, ja am Basten passe, dan wat nog önner Raa es, det is terreven. Du uhnt Ruhr stühre Südwest, om jäpp Weeter to wenne, dan mut wi Natthowen ihn, en dar dü Wahl Siele twesken det Lunn en dü Hallem dör.

A (zu seiner Mannschaft). Die Hälfte an die Pumpe, und die Hälfte richtet Segel auf, wo sie am Besten passen, denn was noch unter dem Raa ist, das ist zerrissen. Der Mann am Ruder steure Südwest, um ein tiefes Wasser zu finden, dann müssen wir in den Nordhafen, und durch die Meerenge zwischen Land und Düne.

B. Wat teenkst dü denn, skell wi uhn Südhowen tu Anker gung en nem en Anker en Tayw muar vant Lun uhn Burr?

B. Was meinst Du denn, sollen wir im Südhafen zu Anker gehn? und einen Anker und ein Tau von Helgoland an Bord nehmen?

A. Nähn, de Winn es Nohren, wi mütt met iahns na de Ellew tu lense am binnen tu köhmen.

A. Nein, der Wind ist Nord, wir müssen eilig nach der Elbe zu lenzen, um binnen zu kommen.

B. Dan awerfalt üs dü Nagt iar wi en Howen wenn.

B. Dann überfällt uns die Nacht, bevor wir den Hafen finden.

A. Dätt mutt diar üp uff, datt dü Locht heno met Sännenänergang omklahrt, en dü Führen där köhm, dät Luad mutt aber konterwierig gung.

A. Das muss darauf hin, dass die Luft sich mit Sonnenuntergang aufklärt, und die Leuchtfeuer durchkommen. Das Loth muss aber immerwährend gehn.

B. Wan dät aber so junk bleft, en wü si us twungen uhn dü Ellew tu ankern, wat dan? wi han man iahn Anker en Tag, en dät bü Sturmwedder.

B. Wenn das aber so dick bleibt, und wir uns gezwungen sehen in der Elbe zu ankern, was dann? wir haben nur einen Anker und ein Tau, und das bei Sturmwetter.

A. A! watt? wan dü Hemmel deelfallt, ley wi diar all änner.

A. Ei was? wenn der Himmel niederfällt, liegen wir Alle darunter.

B. Nä, dann uhn Gotts Nahmen.

B. Nun denn, in Gottes Namen!

A.Stühre Süd-Süd-Ost! Lick twesken dät Lun en dem Hallem dör.

A. Steure Süd-Süd-Ost! gerade zwischen Insel und Düne durch.

E. Fräsk Vulk bü dü Pump!

E. Frische Mannschaft an die Pumpe!

D. Well, Maath!

D. Wohl, Kamerad.

A. Spöre Jüm ock datt dät Weeter männert?

A. Spürt Ihr, dass das Wasser sich mindert?

E. Nähn, det is noch All det Sallewske, diar es nog immer tree en huallew Futt Weeter uhnt Skepp.

E. Nein, das ist noch immer das Nämliche, da ist noch immer drei und ein halb Fuss Wasser im Schiff.

A (tu dü Mann uhnt Ruhr). Stühre Süden, om dü Stört von dü Ahd Ahd, die Südspitze der Sandinsel, welche Helgoland gegenüber liegt. Eine Sturzwelle zertrümmert hier einen Dreimaster. tu mieden.

A (zum Mann am Ruder). Steure Süd, um die Sturzwelle der Ahd zu meiden.

B. Sönn er gudd Tagen fast uhn dü Rudder?

B. Sind die Tauen gut fest im Ruderboot.

C. Ihrenfast.

C. Eisenfest.

B. Well, det es ock nödig, dann wann dat Skepp störrt, mütt dü Rudder uhs Liffberger wees.

B. Nun, das ist auch nöthig, denn wenn das Schiff stürzt, muss das Ruderboot unser Lebensretter werden.

A (tu dü Mann uhnt Ruhr). Stühre Süd-Ost en Süden, lick tu, es dü noyst Woy na de Ellew.

A (zu dem Mann am Ruder) Steure Süd-Ost und Süd. Gerade zu ist der nächste Weg in die Elbe.

B. Na, wi skell Day nugg tu korrt köhmt.

B. Ja, wir werden Tageslicht genug zu kurz kommen.

A. Dät es nigg tu ännern, wi mutt et nem es et kommt.

A. Das ist nicht zu ändern, wir müssen es nehmen, wie es kommt.

B. Dät Lun bejunket uhn de Kääk. Wi mutt üp fiev Glees »Glees«, halbe Stunde. luade.

B. Helgoland wird vom Wetter verdunkelt. Wir müssen bei dem fünften Glase sondiren.

A. Ja, uhnt sösst Glees senn wü vör dü Grünn.

A. Ja, bei dem sechsten Glase sind wir an der Untiefe.

B. En dann es et Nagt.

B. Und dann ist es Nacht.

A. Liat üs man iarst diar iahu üp nem, dan wen wi muar Mudd.

A. Lass uns nur erst einen darauf nehmen, dann kriegen wir mehr Muth.

B (tu all de Uhren). Prost üp moy Wehr en klar Hemmel!

(Alltomal.)

Dat jiehw Gott!

B (zu allen Andern). Prosit, auf gutes Wetter und klaren Himmel!

(Allzusammen.)

Das gebe Gott!


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