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Manche Bewohner Lübecks werden sich des alten Kapitäns, von dem die folgenden Aufzeichnungen handeln sollen, noch erinnern. Er wohnte einst als Schiffer-Altester in dem bekannten Schifferhause, welches damals jedoch noch kein öffentliches Wirtschaftslokal war.
Nichtsdestoweniger pflegten sich aber zum kühlen oder stärkenden Trunke bei der Pfeife Tabak oder der glimmenden Zigarre auf den harten Bänken und an den langen, rohen Tischen der mit alten Gemälden, Schiffsmodellen, Heiligenbildern und sonstigen Raritäten geschmückten Halle abendlich Gäste aus dem Schiffer- und Kaufmannsstande einzufinden, um sich über Schiffahrts- und Handelssachen zu unterhalten. Mancher breitschulterige Graubart, dem man es ansah, daß er auf den Meeren während eines langen Lebens etwas durchgemacht hatte, erzählte von seinen Erlebnissen, heitern und traurigen. Das Hauptinteresse aber erregte stets unser Alter, welcher denn auch gar oft der an ihn ergehenden Aufforderung entsprach:
»Schümann, vertellen Se Ähre Korsarengeschichte!«
»Dat will ick dohn,« antwortete er dann. »Man, ji dräft mi nich unnerbräken und ook nich den olen Snicksnack wedder vorbringen. Sunsten scheide ick ut, und ji könt denn ja nalesen, wat ick Anno 1818 in den ›Hamborger Korrespondenten‹ hebbe drucken laaten. Seht, Kinners, ick hebbe dat to'r Tid mit den Spruch holen: Help di sulbens, denn Helpt di Gott! Ick konn datomal nich darup luren, of man ens for us wat dohn woll, und ick weer ja ook Russisch und hadd nicks nich na Lübeck to fragen.«
Er deutete damit auf Vorwürfe hin, die man ihm gemacht hatte, weil er durch forsches Vorgehen die hanseatische Diplomatie wegen der zum Zweck der Auslösung gefangener Seeleute aus den Klauen algierscher Korsaren bestehende Sklavenkasse in Verlegenheit gebracht haben sollte.
Da man ihm freundlich zutrank und versicherte, daß man ihn ganz wohl verstehe und zu würdigen wisse, begann er zu erzählen, so frisch und lebendig, daß jeder Hörer davon einen dauernden Eindruck behielt.
Ich wiederhole in freier Weise seine anschauliche Schilderung.
* * *
Es war am 3. Juli des Jahres 1817.
Die russische Galliot »Industrie«, von Riga nach Carril, dem Hafen von San Yago di Compostella, mit einer Ladung Flachs bestimmt, befand sich nach verhältnismäßig kurzer und günstiger Reise auf der Höhe von Kap Finisterre.
Da man bei der steifen Brise hoffen konnte, schon am nächsten Tage den Bestimmungshafen zu erreichen, so waltete an Bord Heiterkeit ob, die sich im Singen fröhlicher Lieder kundgab.
Kapitän Johann Jochen Schümann war aus Lübeck gebürtig, wie auch vier der Matrosen. Nur drei Russen befanden sich unter der im ganzen elf Köpfe zählenden Besatzung, die ihren »Alten«, einen entschlossenen, großen und kräftigen Mann, der zwar ein tüchtiges Stück Arbeit von jedem verlangte, aber freundlich und gerecht handelte, hoch verehrte und für und mit ihm sozusagen den Teufel aus der Hölle gejagt hätte.
Das nur leicht beladene Schiff lief gute Fahrt. Auf Deck beschäftigte sich die Mannschaft mit Färben der Reling und des Roofs, damit die »Industrie« in möglichst tadelloser Toilette in Carril einlaufe. Als man um Mittag loggte, schmunzelte Schümann vergnügt und äußerte:
»Acht Milen! Se loppt sick sülbens vörbi! Dat Schipp, wat ähr wat wisen kann, mutt noch ersten bugt warden, Orlogsschäpen und Kapers natürlich utnahmen. Na, von dat verdohmte Korsarenpack, wat de Mittlandsche See unsäker makt, hebben wi woll nicks nich to furchten. Wi willen usen Koors man fudderseilen. Mann an't Roer, holt goden Strich!«
Der Kapitän ging in die Kajüte, um seine Bücher und Rechnungen in Ordnung zu bringen. Er ließ den Befehl zurück, ihn sofort zu rufen, falls sich irgend etwas Außergewöhnliches ereignen sollte.
Trotz der lustigen und übermütigen Streiche, welche die Matrosen unbeschadet des regelmäßigen Fortgangs ihrer Arbeit verübten, wurde von dem Manne vorn auf der Back, welcher nur hin und wieder in helles Lachen über die tollen Späße seiner Kameraden ausbrach, ein scharfer Ausguck gehalten. Er bemerkte nichts sonderlich Beachtenswertes. Vögel, welche die Nähe der Küste verkündeten, strichen über die weite, von mäßigen Wellen bewegte Wasserfläche hin, aus welcher zuzeiten Scharen sich tummelnder Delphine auftauchten. Kein Segel war zu sehen.
»Steffen,« rief ihm der Zimmermann zu, »kiek di man de Ogen nich ut'n Kopp! Wenn du alle halwe Stunne eenmal de Kimming afsöken deist, denn heft du äwerleidig genog dahn. – Ick will di wat seggen, min Jung! Griep di nich to hart an. Dar kummt nicks nich rut as Pien und Flimmern vor de Ogen. Wenn se de Rundreise maken schölt, denn bedeene di man den Kieker hier. Ick segge di, Steffen, dat is en feinet Glas. Där en Stuck Ekenholt kannst du dar mit sehen, wenn« …
»Wenn ick en goden Bohr to 'r Hand hebbe,« versetzte Steffen lachend.
Der Zimmermann überreichte ihm ein gewaltig langes Fernrohr, welches letzterer sogleich auseinanderzog, es augengemäß stellte und dann, mit einer Hand es stützend und an den Fockstag lehnend, den Horizont bestreichen ließ. Nach einigen Minuten legte er das Rohr hin und rief: »Timmann, dat Glas is en Leeseil for de Ogen. To sehn is twarstens nicks as Water und Luft, und dat kann ick ook so wahrnehmen. De lange Flauten to holen, makt Arme und Hänne bewerig. Nehmt dat Undiert man wedder an jo!«
»Gewohnheit tut den Fehler schön machen, Steffen! Laat di de Sake nich verdreeten. Wenn du mal ens Stürmann oder Kaptein bist, denn darfst du dat Glas bi Nacht und Dage nich ut 'r Hand laaten. Spendeer di man na 'ne Wile noch so lütte Mäude darmit.«
Obgleich Steffen, gelegentlich seine Augen rundum schweifen lassend, nichts Neues entdeckte, so griff er doch aus Pflichtgefühl wieder zum Fernrohr und benutzte es in der eben beschriebenen Weise. Plötzlich hielt er es auf einen bestimmten Punkt hingerichtet, ließ es dann sinken, um gleich wieder hindurchzustarren, gewissermaßen, als ob er sich über irgend etwas Sicherheit verschaffen wollte. Er schüttelte den Kopf und legte das Rohr abermals hin, um es nach wenigen Sekunden aufs neue zu benutzen.
»Donnerwär, dar is doch wat to sehn,« murmelte er. »Wenn mi nich allens drögen deit, is dar in SW. en Schipp in Sicht …. Timmann, kamt ens mal up de Back! Darnäwer,« bedeutete er den neben ihm Stehenden, als er ihm das Glas übergab.
»De Bramseils von 'ne Brigg,« sagte der Zimmermann. »Wenn se up dissen Koors liggen blifft, kumt se uns for de Boog. Dat ähr doch dat gläunige Donnerwär! … Dat is doch nich?« … sprach er vor sich hin. »Na, wi willen dat Beste hapen. Indessen doch mutt de Ole woll Bescheed kriegen. Wahr du man dinen Posten, Steffen, und laat dat Fahrtüg nich ut de Ogen.«
Der Zimmermann verfügte sich in die Kajüte und ersuchte den Kapitän, an Deck zu kommen und auf der Back nach dem auftauchenden Segel zu sehen.
Schümann folgte und blickte lange durch das Glas, sagte aber gar nichts und veränderte auch kaum eine Miene. Als er aber mit dem Fernrohr unter dem Arm auf die Focksaling stieg und dort scharf auslugte, da richteten sich aller Blicke auf ihn. Der eben noch so lustige Sang verstummte. Nur noch flüsternd verkehrte einer mit dem andern. Als man zu gewahren meinte, daß der »Alte« nach wiederholter Beobachtung ein sehr ernstes Gesicht aufsetzte, da bemächtige sich der sonst so leichtsinnigen Leute Furcht und Besorgnis. Ihre Unruhe steigerte sich, als Schümann, wieder auf Deck erscheinend, äußerte:
»De Brig dargunnen – ji könt ähr all dütlich sehen – kummt mi nich ganz ächt vor. Wi möten aberst usen Koors wahren und de Sake aftöwen. De Racker seilt as en Strahl. Ut'n Wege könt wi ähr nich kamen. Neeger an de Wall dräft wi nich holen, wenn wi nich Schipp und Ladung riskeeren willen. Na, Kinners, man ruhig Blood! Et mag woll allens god gahn. Und for den slimmsten Fall verlett de leewe Gott kinen goden Dütschen nich, und wenn he ook unner fromde Flagge, as wi hier an Bord, seilen deit. Töwt et in Geduld af und doht joe Arbeit und Plicht, as ji 't schuldig west. Is dat wurklich een von de verdohmten algierschen Korsaren, denn mutt he us doch woll lopen laaten, denn mit use Russisch Kaiserliche Majestät ward he sick nich inlaaten willen. Dar hett so'n Keerl denn doch Angst, wenn ook kinen Respekt, for.«
Die Segel und Masten der Brigg stiegen inzwischen immer deutlicher am Horizont empor. Bald vermochte Kapitän Schümann mittels des Fernrohrs auch über die Gestalt des Schiffskörpers sich zu unterrichten. Die Geschichte gefiel ihm nicht. Er war in Versuchung, den Kopf zu schütteln, doch besann er sich und unterließ es der Mannschaft wegen. Er war bereits der festen Überzeugung, daß die »Industrie« mit einem Korsaren in Berührung kommen werde. Die Kerle pflegten sich den Kuckuck um Verträge und Flagge zu scheren.
Die Brigg näherte sich mit unheimlicher Schnelligkeit und zeigte sich bald in voller Gestalt. Der langgestreckte, schwarze, niedrige, mit einem schlanken, weit ausladenden Gallion versehene Rumpf trug eine ungewöhnlich hohe Bemastung. Die Segel standen untadelhaft. Einen Kauffahrer hatte man nicht vor sich, so viel war sicher. In Kanonenschußweite von der »Industrie« drehete die Brigg, an deren Gaffel die englische Flagge emporstieg, bei. Ein scharfer Schuß beorderte die Galiot, welche die russische Trikolore zeigte, das gleiche zu tun. Kapitän Schümann, die bezüglichen Befehle gebend, denen sogleich Folge geleistet wurde, brummte vor sich hin: »Mag de Düwel di Hallunken halen! En Engelsmann bist du nich! Dat makst du so 'n Waterrotte as mi nich wies! … Wat is to dohn? Mit liker Munze kann ick di leider nich betalen, denn Kanonen hebbe ick nich an Bord … Jungens,« redete er die Manschaft an, »laat jo nich verbluffen! Sind wi dar vör, kamt wi'r ook woll dör. Süh mal süh, dat Pack sett't all en Boot af. Nu wurden wi gliks to hören kriegen, wat de Geschichte to bedüden hett.«
Das stark mit Bewaffneten bemannte Boot legte auf Seite der »Industrie« an. Ein Dutzend Korsaren – denn das waren sie und nichts anderes – stieg mit blanken Säbeln und gespannten Pistolen und Flinten an Bord. Ihr Offizier forderte den Käpitän auf, ihm sofort nach der Brigg zu folgen, um seine Papiere zu zeigen. Da Schümann keine andere Wahl hatte, so wich er der Übermacht und folgte, seine Dokumentenkapsel in der Hand, begleitet von zweien seiner Leute, in das Boot, welches nach der Brigg zurückruderte. Eine genügende Mannschaft ließen die Korsaren zur Bewachung der Galiot zurück.
Auf Deck der Brigg, welche eine ungewöhnlich starke und gut bewaffnete Besatzung und ein halbes Dutzend blanker Geschütze an Bord hatte, wurde Kapitän Schümann von dem Kommandanten, einem Afrikaner, dem die äußerste Entschlossenheit an der Stirn geschrieben stand, höflich empfangen und in gebrochenem Englisch nach seinen Papieren und besonders nach dem türkischen Paß gefragt. Kapitän Schümann antwortete artig, aber entschieden, daß er letzteren nicht besitze und desselben auch nicht bedürfe, weil er kaiserlich russischer Untertan und das Schiff russisches Eigentum sei. Er legte zum Beweise seine sämtlichen Papiere vor, sich der Hoffnung hingebend, daß unter solchen Umständen er vielleicht ohne weiteres seinen Kurs würde fortsetzen dürfen. Er suchte in englischer Sprache dem Kommandanten seine Meinung zu verdeutlichen und setzte auf Plattdeutsch leise hinzu: »Gott schall di verdammen und de Düwel di mitsamt dine ole Brigg und dat ganze Räuberpack den Koors na de Hölle stüren!«
» I do not understand,« erwiderte lächelnd der Korsar und sagte darauf mit höhnischer Miene dem ehrlichen Schümann, daß er durchaus nicht gewillt sei, auf dessen Auseinandersetzungen und die Schiffspapiere die mindeste Rücksicht zu nehmen; er erkläre vielmehr die »Industrie« für eine gute Prise und ihn selbst, den Kapitän, und die ganze Mannschaft der Sklaverei verfallen.
Kapitän Schümann protestierte mit Leib und Seele im Namen des Völkerrechts und der bestehenden Verträge, jedoch vergeblich. Der Korsar blickte ihn grinsend an und verwies, übrigens in höflicher Form, auf die Bewaffnung der Brigg und die wilde beutegierige Besatzung, welche ihn umgab.
»Macht geit for Recht,« dachte der deutsche Schiffer. »Wat schall ick maken? Et is hart, Schipp und Ladung to verleeren und mit Jan und Allemann as Sklave na Algier to möten. Wer weet, wo lange wi dar bmmmen könt! Denn eher dar achter in Rußland en Hahn na us kreiht, dar könt wi lange up töwen … Ick will aberst an Gottes Hulpe und mine Slauheit und Kraft nich gliks verzagen … Keem mi doch en kloken Infall!« …
Schümann schloß seine Papiere mit aller Gemächlichkeit und Ruhe wieder in die Blechkapsel und sagte dann dem Korsaren, daß er der Gewalt weichen müsse, weil ihm keine Mittel der Abwehr zu Gebote ständen. Er protestiere jedoch hiermit feierlich, behalte sich seine Rechte vor und mache ihn, den Kommandanten, für die Folgen verantwortlich.
»Und denn will ick doch mal sehn, of dat nich gahen deit und ick di nich dennoch en X for en U make! So kam ick am Enne doch noch free und smiete dat Pack, wat mi de Keerl as Prisenmannschaft mitgewen deit, äwer Bord,« brummte er in den Bart. Er hatte einen Plan gefaßt.
» Please!! dont understand your bad English. You better speak plain,« herrschte ihn der Korsar an und stieß drohend mit dem Säbel auf die Decksplanken.
Schümann nahm all sein bißchen Englisch zusammen und setzte dem Kommandanten auseinander, daß es wohl am besten sein würde, wenn er selbst, Kapitän Schümann, an Bord der »Industrie« bliebe und selbige nach Algier unter der Aufsicht der Prisenmannschaft bringe.
» My mate is a drunk fellow – suppt as en Swien, wenn 't nochtern is,« erklärte er ihm. Mit dem Kerl sei gar nichts anzufangen. Der könne weder mit der Mannschaft noch mit dem Schiffe, welches schlecht segle und schwer steure, fertig werden. Es könne ihm, dem Kommandanten der Brigg, doch nur daran liegen, daß die »Industrie« so rasch wie möglich nach Algier gelange, damit das Geschäft, welches er machen wolle, perfekt werde.
Der Korsar dachte einige Minuten lang nach und nickte dann einverstanden. Er befahl einen verschmitzt und sehr beherzt aussehenden Kerl zu sich, der offenbar die Rolle eines Oberoffiziers spielen sollte. Dann teilte er zehn kräftige Gesellen von der Besatzung ab, die, mit Waffen und Munition wohl versehen, Kapitän Schümann und seine beiden Leute nach der Galiot eskortierten, Besitz von derselben ergriffen, vorn, am Kajütsroof und am Steuerruder sich verteilten und die an Bord gebliebene Mannschaft zwangen, das Schiff wieder unter Segel zu bringen. Der Steuermann, zwei Matrosen und zwei Jungens, die ihr schreckliches Los vor Augen sahen, aber mit dem Worte: »Denn helpt dat nich! De leewe Gott ward us nich verlaaten,« schieden, wurden mit dem zurückkehrenden Boot an Bord der Brigg gebracht, welche dann gleich unter vollen Segeln einen nördlichen Kurs einschlug und rasch außer Sicht kam.
Steffen, der die Korsaren zuerst entdeckt hatte, ein sehr mutiger und kräftiger Lübecker Junge mit gewaltigen Fäusten und nervigen Armen, war auf der »Industrie« geblieben. Kapitän Schümann schätzte ihn sehr und hatte ihn schon mehrfach in sein Vertrauen gezogen. Jetzt befahl er ihn zum Dienst in die Kajüte.
Nachdem die Kaper die russische Flagge von der Gaffel geholt und die Räuberflagge Algiers gesetzt hatten, machten sie sich über die Effekten des Kapitäns in der Kajüte her und nahmen alles irgend Wertvolle an sich. Dann stürmten sie in das Volkslogis, öffneten die Schiffskisten der Leute und plünderten sie aus; ja, sogar damit begnügten sie sich nicht: sie unterzogen die Wehrlosen einer körperlichen und peinlichen Untersuchung und beraubten sie ihrer Uhren, Gelder, Goldsachen und einzelner Kleidungsstücke. Jan Maat murrte und ballte die Fäuste. Am liebsten hätte man dreinschlagen mögen. Aber die Vernunft siegte. Man mußte sich ja sagen, daß jeder Versuch eines tätlichen Widerstandes zum sofortigen Verderben ausschlagen könne.
Kapitän Schümann wandte sich an den als Prisenmeister fungierenden Korsaren und bat ihn um die Erlaubnis, der übriggebliebenen Mannschaft, die er als eine träge und ungehorsame Bande, auf die wenig Verlaß sei, die nur durch harte Worte und Prügel zur Arbeit zu zwingen sei, den Standpunkt durch eine Anrede klar machen zu dürfen, was ihm zugestanden wurde. Er versammelte die Leute um sich und redete sie im Beisein der Korsaren mit Stentorstimme, rauh und polternd, folgendermaßen an:
»Jungens, Lüde! Wi sittet in 'n Dreck und möt'r wedder rut! Dat gläunige Donnerwär schall jo regeeren, wenn ji nich uppassen doht. Dat Packgood um us her hett leider dat Regeer an Bord. Dat Schipp is futsch, de Ladung darto, und wi alle schälen verkofft wurden as Joseph na Ägypten! Willen wi us dat gefallen laaten? Tum Henker, nie und nimmer mehr! Äwer Bord smieten willen wi de Hallunken heel oder stückwise, as sick dat grade passen deit. Hört nippe to! Ik will jo wat seggen, ji Düwelsjungens: Wi möten jem säker maken. West so obsternatsch gegen mi, as dat man jichtens geit, doht und fatet nicks nich godwillig an. Dar draf kin Hü und ken Hott sin. De dar« – er deutete mit den Augen auf den Offizier – »mutt glöwen, dat ji Hasenföte und Bangeboxen sind, von de se nicks to befurchten hebben; insläpern möten wi jem. Ick denke for jo, for us alle, na und will use Sake all an't rechte Enne anfaten. Gott ward us bistahn. Steffen, du Däskopp, schallst jem Bescheed gewen, wat to dohn is. Und nu, ji Donnerwärsgod, laat't jo von mi en Duchtigen achter de Ohren gefallen, und gaht hen mit Hapnung in'n Harten und Wedderwörde up de Tungen!«
Schümann trieb seine murrenden und widersprechenden fünf Mann mit Ohrfeigen auseinander; wie begossene Pudel verfügten sie sich auf ihre Posten. Steffen stand brummend, heulend, ja flennend, in der Kajüte und nahm unter dem fortwährenden Schelten Schümanns eine nach der geschehenen Plünderung höchst notwendige Einräumung der Kisten und Schränke vor.
Die »Industrie« segelte, so lässig wie möglich bedient und geführt, ihren südwärts gerichteten Kurs am 3. und 4. Juli weiter. Die Kaper verstanden, wie sich bald herausstellte, nicht eben viel von Matrosenarbeit, Navigation und dergleichen und wurden, da sie immer mehr einsahen, daß Kapitän und Mannschaft auf dem schlechtesten Fuße miteinander standen und des Kapitäns Autorität sehr wenig respektiert ward, von Stunde zu Stunde lässiger in ihrem der Bewachung der Galiote gewidmeten Dienste. Schümanns Berechnung erwies sich somit als richtig. Er baute darauf seinen Plan, sich der lästigen Gesellen durch einen Handstreich mit Gewalt zu entledigen. Steffen zog er in sein Vertrauen und beauftragte ihn, den Leuten das Einzelne des beabsichtigten Anschlages so vorsichtig wie möglich mitzuteilen. Siegen oder sterben! war die Parole, welche der Kapitän ausgab – und die anfangs besorgten und ängstlichen Leute stimmten bei, im Vertrauen auf Gottes Hilfe, des Kapitäns Umsicht und ihre starken Fäuste. Blieb ihnen doch auch keine andere Wahl, wenn sie dem Elend der Sklaverei entgehen wollten. – … …. »Steffen,« flüsterte Schümann, als er ihn in der Kajüte am Abend des 4. Juli traf, »haal de Luke in'r Piek mal up!«
Steffen gehorchte. Schümann legte sich auf den Fußboden und holte aus dem Behälter etwas hervor, das, als er es gegen das kleine Kajütsfenster hielt, wie blankes Metall blitzte.
»Dat is de Biel! Haarscharp! Verstick se in dine Koje, Steffen, aberst so, dat se god to'r Hand is. De Offz[???] schall'r an glöwen, wenn ick em man erst morgen hier unnen hebbe. – Du läßt dat Isen up sinen Hals dalsusen,[???] wenn ick di mit de Ogen toplinkere. Hebben wi den Keerl tum Düwel spedeert, dann warden wie mit dat annere Donnerwärsgod bald klar. Ick nehm sinen Degen und eene von sine Pistolen, wenn he kolt is, du de annere. Du nimmst den Korsaren, de an't Roer sick uphollt, up't Korn und ick den Mann, de vor't Roof schildern deit. – Steffen, segg nu de Lüde vorn, dat se up den ersten Schuß, so gaue as se könt, na achter kamen und sick achter dat Roof verstäken. Dat annere ward sick finden. Steffen! Dat wi de Hallunken aberst ja de Pistolen afnehmt! Jedeen hett twee und so kamt wi to Wehr und Waffen.«
»Kaptein,« antwortete Steffen, und seine Stimme zitterte, »ick hebbe verstahn. Dat – ward – ja – en – Slachterarbeit!«
»Steffen, dat helpt nu mal nich. Et mutt sin, dar geit kin Weg vörbi. Darum forsch drup los! De leewe Gott gew dar sinen Segen to und stärke di Hart und Arme und mi und uns alle ook. Wi Lübschen Lüde könt doch mit Räuber und Torken woll noch klar warden, wenn wi ook man en Handvull sind. Wi sind Hanseaten! Wo wie hefft tosamenstahn, hett us numms noch wat dahn. Steffen! Kolt Blood und Slauigkeit, dat dat Rackertüg kine Lunte ruken deit!«
»West ahne Sorg, Kaptein Schümann!«
* * *
Am 5. Juli, morgens, befand sich die »Industrie« nach dem Besteck des Kapitäns in der Nähe von Lissabon bei leichter Brise, welche ein Einlaufen in den Tajo begünstigte.
Obgleich die Korsaren beim Roof und am Steuerruder noch immer Wache hielten, so hatte sich doch eine Art freundlichen Verhältnisses mit den Leuten, welche den Anordnungen ihres Kapitäns gegenüber im höchsten Grade widerspenstig sich bezeigten, hergestellt. Schümann fuhr fort, sie in den härtesten Ausdrücken, mit internationalen Flüchen gespickt, zu schimpfen und versuchte gelegentlich sogar, tätlich zu werden, so daß die Korsaren ihn beorohten, und die Matrosen in Schutz nahmen, die sich, als von Furcht und Haß gegen ihn erfüllt, gebärdeten.
Nichtsdestoweniger hatte Steffen der Mannschaft die Einzelheiten des von ihrem Kapitän beabsichtigten Anschlages gegen die Kaper insgeheim mitgeteilt und ihnen die genauesten Verhaltungsmaßregeln gegeben.
Da man für die Beköstigung der Seeräuber sorgen mußte, so befahl Kapitän Schümann, Heringssalat zu bereiten, den die Kerle sehr liebten. Das gab gute Gelegenheit, sie zum Trinken zu verleiten. Er ließ daher auch Pfeffer und Salz nicht sparen. Den eigenen Leuten wurde durch Steffen die möglichste Enthaltsamkeit zur Pflicht gemacht, unter Beobachtung aller Vorsicht, damit kein Argwohn aufkommen könne.
Hei, wie ließen sich die Kaper den leckeren, öligen Salat schmecken! Der Appetit wuchs mit dem Essen, der von Schümann gewünschte Durst stellte sich in vollem Maße ein, und für Löschung desselben aus dem Branntweinfaß trug man Sorge. Den Kommandanten nahm Schümann selbst auf sich. Er schmunzelte befriedigt. Dann befahl er Ian Maat, wieder unter Fluchen und Schelten und mit den härtesten ihm zu Gebote stehenden Worten, Leesegel zu setzen. Er wolle, wie er dem Prisenmeister sagte, den günstigen Wind nach Kräften ausnutzen, um schnell nach Algier zu gelangen. Seinen Befehlen wurde aber kaum irgendwie Folge geleistet, und was die Mannschaft anfaßte, tat sie so ungeschickt, daß ihm die Galle überlief. Scheinbar außer sich vor Wut wandte er sich an den Prisenmeister, machte nicht allein ihn auf die Widerwilligkeit der Leute, sondern auch auf die zur Bewältigung der Arbeit offenbar ungenügenden Kräfte derselben aufmerksam und ersuchte ihn, in Rücksicht darauf, daß die Brigg der »Industrie« ihre besten Matrosen entführt[???] habe, sechs von seinen Leuten zur Hilfe nach vorn zu gehen. Der Prisenmeister, welcher das Verlangen des Kapitäns billig zu finden schien, erließ die nötigen Befehle, denen sechs Korsaren sogleich gehorchten.
»De Sake kummt in de Riege,« brummte Schümann vor sich hin. »Wenn ick nu den verfluchten langen Keerl sulbens man up den richtigen Drei kreeg!«
Er sandte ein stilles Stoßgebet zum Himmel, dessen unmittelbare Erhörung er zu erfahren glaubte, als der Korsar herrisch von ihm zu trinken forderte.
»Nu is 't Tid!« rief Schümann dem unten in der Kajüte beschäftigten Steffen zu. »Hool di parat, und sett Rum und Water up den Disch!«
Er lud den Korsaren ein, mit ihm in der Kajüte ein gemütliches Glas zu leeren. Der Kerl folgte, nachdem er noch einige Worte mit der an der Tür des Roofs stehenden Wache gesprochen hatte. Er setzte sich dem Kapitän gegenüber auf die Bank, jedoch rittlings, so daß er zu gleicher Zeit diesen und den in einer Ecke beschäftigten Steffen zu beobachten vermochte. Dann sprach er dem ihm vorgesetzten Rum und Wasser tapfer zu und wurde ganz gesprächig. Schümann, dem das Herz gar gewaltig schlug, bemühte sich, ihm zu antworten. Eine Verständigung mit Steffen bot die größesten Schwierigkeiten. Nur während eines einzigen Augenblickes, als der Prisenmeister nicht aufschaute, konnte er die Schultern wie verneinend in die Höhe ziehen. Der Kerl verfolgte unausgesetzt ihn und Steffen mit seinen Blicken. Guter Rat war teuer. Was tun? Jetzt oder nie, hieß es. Die Gelegenheit sollte und durfte nicht unbenutzt vorübergehen.
Plötzlich fuhr Schümann ein Gedanke durch den Kopf. So mußte es gehen!
Er begann mit dem Korsaren über den Kurs und den gegenwärtigen Ort des Schiffes zu reden, über welche Punkte eine Meinungsverschiedenheit entstand. Beide disputierten eine Weile lebhaft miteinander, ohne in Übereinstimmung zu kommen. Dann erhob sich Schümann. Er wollte, sagte er, die Seekarte holen, um auf ihr den Beweis für die Richtigkeit seiner Ansicht zu liefern.
Steffen, der die Lampe putzend, noch in seiner Ecke stand, schob er unsanft und unter scheinbar harten Worten zurück, die auf gut Plattdeutsch jedoch lauteten:
»Du Donnerslag, nu paß up! De Keerl is lewert . . .. Hest du de Biel to'r Hand?« flüsterte er im Vorbeigehen ihm zu. »Kolt Blood un forschen Slag! Mit Gott un richtige Äwerleggung!«
Er nahm die Karte aus dem Schrank, entrollte, breitete sie auf dem Tische aus und fuhr mit dem Finger auf dem Papier hin und her.
» Here Cape Finisterre, Sir!« rief er. » Here Lisbon! And, look here, – Algiers! Algiers!«
Schümannn wiederholte das Wort noch einige Male und drückte seinen braunen Zeigefinger auf einen bestimmten Punkt.
Da wendet sich der Korsar zu ihm hin, bückt sich, die Arme auf den Tisch stützend, nieder, um genau sehen zu können und im selbigen Momente winkt Schümann mit den Augen. Steffen ergreift das Zimmermannsbeil und schlägt das scharfe Eisen mit solcher Gewalt dem Korsaren in den entblößten Nacken, daß der Stiel zersplittert. Lautlos stürzt der Mann zusammen. Schümann gibt ihm mit einem schnell ergriffenen Stockdegen einen Stich durch das Herz. Mit starren Augen liegt er in seinem Blute entseelt auf dem Boden.
Bleich vor Entsetzen steht Steffen da, am ganzen Körper zitternd.
»Um Gottes willen, Steffen,« flüstert Schümann. »Mak di stark, und segg kin Woord.«
Nun nimmt er dem Toten den Säbel und die beiden geladenen Pistolen ab, deren eine er an Steffen, der sich inzwischen gefaßt hat, gibt. Beide öffnen leise die Kajütskappe, ziehen die Pistolen hervor und feuern sie ab, der Kapitän auf den Posten am Roof und Steffen auf den in der Nähe der Ruderpinne liegenden Korsaren. Sie haben gut gezielt. Die auf das Korn Genommenen stürzen tot zusammen. Sie reißen ihnen die geladenen Pistolen aus dem Gürtel und rufen Hurra.
Mittlerweile haben sich die vorn auf dem Schiffe arbeitenden Matrosen schleunigst nach dem Hinterschiffe begeben. Zwei besetzten die Gänge zu beiden Seiten des Roofs, welches als Deckung dienen muß.
Die noch übrigen acht Korsaren sind dermaßen überrascht und erschrocken, daß sie sich kaum zu besinnen vermögen. Den für ihr Leben und ihre Freiheit ringenden Leuten von der »Industrie« gelingt es, einige von ihnen im ersten Anlauf unschädlich zu machen. Die noch übrigen aber nehmen den Kampf auf und feuern ihre Pistolen und Flinten ab. Zum Glück richten die Kugeln kaum Unheil an, – die wenigen Verwundungen sind unbedeutend.
Der Roof trennt die Kämpfenden, da die Korsaren nicht wagen, in seine Nähe zu rücken.
»Jungens,« ruft Kapitän Schümann, den erbeuteten Säbel des Prisenmeisters schwingend, »wie möt'r up los! Se dröft nich von frischen laden. Brukt joe Füste und haut wacker to, et geit for't Lewen! Hurra hoch! Mit Gott! Hurra!
Jetzt entsteht ein entsetzliches Handgemenge. Die erbitterten Leute schlagen sich wie Rasende, und geben keinen Pardon. Der Schwächste der Matrosen wird überwältigt und wälzt sich mit einem Pi5raten auf dem Decke des Roofs herum, in der augenscheinlichsten Lebensgefahr. Da stürzt Schümann hinzu und haut dem obliegenden Feinde den oberen Teil des Schädels ab, daß das Blut hochaufspritzt und das Großsegel färbt.
»Schade um das Seil,« brummt er.
Voll Grauen und Entsetzen springt einer der Korsaren über Bord.
Schümann läßt die von der furchtbaren Blutarbeit erschöpften Leute einen Augenblick sich verschnaufen und befiehlt dann, anstatt der zerhauenen eine neue Rudertalje einzuscheren, damit das hin und her schlingernde Schiff wieder vor den Wind gebracht werden kann.
Dann soll das von Blut triefende Deck gereinigt und von den umherliegenden Leichnamen gesäubert werden. Kein Korsar ist mehr am Leben.
Die Leute greifen die befohlene Arbeit an. Da öffnet sich plötzlich die Rooftür, und ein Kerl, der sich versteckt hatte, kommt an Deck, seine Blunderbüchse auf den Kapitän anlegend. Eiligst springt Schümann zur Seite. Der Schuß geht los. Eine streifende Kugel verwundete ihn leicht am Kopf. Er rannte in die Mitte des Schiffes. Der Korsar folgte ihm, in jeder Hand eine geladene Pistole haltend, die er zu gleicher Zeit losdrückte. Sie versagen. Nun stürzt sich der Kapitän, den Säbel in der Faust, auf den Wehrlosen und sticht ihn nieder. Er wälzt sich in seinem Blute auf den Planken. Die Matrosen, außer sich vor Wut, hauen den Menschen fast in Stücke und stehen erst dann von ihm ab, als sich sein Mund, der die gottlosesten Verwünschungen noch im Sterben ausstößt, für immer geschlossen hat.
»Gott loff! dat weer de Letzte,« ruft Schümann ganz erschöpft aus. »So, Kinners, nu schält ji Dank hebben. Ji hefft jo schlagen als Dütsche und lübsche Mannen. Steffen, du bist en resolveerten Keerl, du bist de beste Mann west. Dine erste Arbeit weer die Hauptsake. – Laat't us nu reinen Kram maken, Jungens, darmit wi und use ole Galiot wedder in den richtigen Verfaat kamen. Disse Arbeit ist man flecht, aberst se mutt sin.«
Und nun wirft man die Leichen über die Reling und entdeckt dabei, daß noch einer der Seeräuber (der über Bord gesprungene) zur Seite des Schiffes an einem Tau, welches er krampfhaft festhält, schwimmt. Er fleht kläglich um Pardon. Die erbosten Leute aber kappen ohne Gnade und Barmherzigkeit das Tau und überlassen ihn seinem Schicksale. Er versinkt nach wenigen Augenblicken in den Wellen.
… Das Deck ist bald von den schrecklichen Spuren des Kampfes gesäubert, der gerade eine Stunde, von 11–12 Uhr, gedauert hatte. Das Schiff, wieder unter russischer Flagge, segelte mit günstigem Winde der Mündung des Tajo zu.
… »Wi willen Gott de Ehre gewen!« rief Kapitän Schümann, als er mit verbundenem Kopfe und in frischem Zeuge nach einer Weile aus der Kajüte an Deck kam. »Laat't us jeder still for sick bäen und den Herrn danken!«
Alle knieten nieder bis auf den Mann am Ruder, der aber auch in das Amen einstimmte, welches der Kapitän Schümann am Schlusse eines gemeinsamen Vaterunsers sprach.
Steffen, der wieder vorn auf der Back mit dem Fernrohr ausschaute, lief plötzlich zu dem Kapitän und sagte:
»Dat is ja en snakschet Fahrtüg dar gunnen! Is dat en Loots?«
Schümann sah lange durch das Glas. Dann legte er es hin und erwiderte:
»De Loots is vörut. Dat dar m't Süden is wedder en von de verfluchten Kapers. He kummt aberst grade en Stunne to laate, um mit us antobinnen. Na, wi hadden em ook woll noch gehörig verpuhlt! Indessen doch is et bäter so!«
Die Räuber-Schebecke kam außer und das Lotsenboot in Sicht.
Am 6. Juli mittags ging die »Industrie« in Lissabon vor Anker.
… Das Heldenstück, wie sich Kapitän Schümann und seine fünf Mann der elf Korsaren erwehrten und sie überwunden hatten, erregte allgemeine Bewunderung.
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Das ist die Geschichte, welche Kapitän Schümann erzählte.
Die Schicksale, welche den von der Korsarenbrigg entführten Teil der Mannschaft betroffen hatten, berührte er nur kurz. Seine im Eingange erwähnte Schrift sagt darüber das Folgende:
»Die Leute wurden befreit durch Vermittelung des schwedischen Generalkonsuls. Sie befanden sich auf seinem Landsitz, als ein Sekretär eines anderen Konsuls die Unvorsichtigkeit beging, dem Bey von Algier eine europäische Zeitung mitzuteilen, worin die Anzeige enthalten war, daß ich mit meinem Schiffe ›Industrie‹ in Lissabon angelegt, und was seinem Raubgesindel widerfahren sei. Meine unschuldigen Leute sind sofort wieder arretiert und abermals in die Sklaverei geführt worden und später daraus, wahrscheinlich auf Befehl des großen Kaisers Alexander, ohne Zahlung eines Lösegeldes, dem Herrn schwedischen Generalkonsul wieder übergeben worden.
15000 Piaster hatte man für sie verlangt! England, Amerika und Rußland zahlen solch schändlichen Tribut an die Barbaren nicht! … Und möchte solchen Beispielen,« schließt er seine Schrift, »doch auch mein geliebtes Vaterland oder die ganze deutsche Nation, welche ja in jedem Fache auch einsichtsvolle und brauchbare Männer hat, in der Abwehr und Züchtigung jenes erbärmlichen, nur durch bisherige Ungestraftheit so dreisten Raubgesindels bald folgen!« … »Ick hebbe to'r Tid dat Minige dahn,« pflegte er, dröhnend seine derbe Hand auf den Tisch schlagend, seine Erzählung zu schließen. »Und dat deit mi nich leed und ward mi in alle Ewigkeit nich leed dohn!«
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Ja, Kapitän Johann Jochen Schümann, du hast das Deinige getan!
Und solange der Säbel des Prisenmeisters und die erbeutete Flinte des Korsaren in dem Glaskasten über deinem einstigen Sitze im alten Schifferhause zu Lübeck hängen, wirb man deiner nicht vergessen. Hat man dir einst Vorwürfe gemacht, so wirst du dich, wie schon so mancher, mit dem Worte an den Pfeilern des Schifferhauses getröstet haben:
» Allen zu gefallen ist unmöglich!«
Du hast die alte lübische Ehre gewahrt.
Deine Schläge waren lübische von der alten, guten, deutschen Art, bie, wenn's darauf ankommt, deine Nachfahren gegen alle Feinde zu Wasser auch anwenden werden, wie sie's zum Erstaunen der Welt, zu Deutschlands Ruhm und Heile, zu Lande 1870 und 1871 getan haben.