Heinrich von Kleist
Die Familie Schroffenstein
Heinrich von Kleist

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Eustache.
– Ja, dieser Haß, der die zwei Stämme trennt,
Stets grundlos schien er mir, und stets bemüht
War ich, die Männer auszusöhnen – doch
Ein neues Mißtraun trennte stets sie wieder
Auf Jahre, wenn so kaum ich sie vereinigt.
– Nun, weiter hat Johann doch nichts bekannt.

Jeronimus.
Auch dieses Wort selbst sprach er nur im Fieber
– Doch wie gesagt, es wär genug.

Eustache.                                               So ist
Er krank?

Jeronimus.       Er phantasiert sehr heftig, spricht
Das Wahre und das Falsche durcheinander.
– Zum Beispiel, im Gebirge sei die Hölle
Für ihn, für Ottokar und Agnes doch
Der Himmel.

Eustache.              Nun, und was bedeutet das?

Jeronimus.
Ei, daß sie sich so treu wie Engel lieben.

Eustache.
Wie? Du erschreckst mich, Ottokar und Agnes?

Jeronimus.
Warum erschrickst du? Denk ich doch, du solltest
Vielmehr dich freun. Denn fast kein Minnesänger
Könnt etwas Besseres ersinnen, leicht
Das Wildverworrene euch aufzulösen,
Das Blutig-angefangne lachend zu
Beenden, und der Stämme Zwietracht ewig
Mit seiner Wurzel auszurotten, als
– Als eine Heirat.

Eustache.                       Ritter, du erweckst
Mir da Gedanken. – Aber wie? Man sagte,
– Wars ein Gerücht nur bloß? – du freitest selbst
Um Agnes?

Jeronimus.          Ja, 's ist wahr. Doch untersucht
Es nicht, ob es viel Edelmut, ob wenig
Beweise, daß ich deinem Sohn sie gönne,
– Denn kurz, das Mädel liebt ihn.

Eustache.                                               Aber sag
Mir nur, wie sie sich kennen lernten? Seit
Drei Monden erst ist Ottokar vom Hofe
Des Kaisers, dessen Edelknab er war,
Zurück. In dieser Zeit hat er das Mädchen,
In meinem Beisein mindstens nicht gesehn.

Jeronimus.
Doch nicht in deinem Beisein um so öfter.
Noch heute waren beid in dem Gebirge.

Eustache.
– Nun freilich, glücklich könnte sichs beschließen,
Sylvester also wär bereit?

Jeronimus.                                 Ich bin
Gewiß, daß er das Mädchen ihm nicht weigert,
Obschon von ihrer Lieb er noch nichts weiß.
– Wenn Rupert nur –

Eustache.                           's ist kaum zu hoffen, kaum,
– Versuchen will ichs. – Horch! Er kommt! Da ist er!

(Rupert und Santing treten auf; Rupert erblickt Jeronimus, erblaßt, kehrt um.)

Rupert (im Abgehen). Santing! (Beide ab.)

Jeronimus.
Was war das?

Eustache.               Hat er dich denn schon gesehen?

Jeronimus.
Absichtlich hab ich ihn vermieden, um
Mit dir vorher mich zu besprechen. – Wie
Es scheint, ist er sehr aufgebracht.

Eustache.                                                 Er ward
Ganz blaß als er dich sah – das ist ein Zeichen
Wie matte Wolkenstreifen stets für mich;
Ich fürchte einen bösen Sturm.

Jeronimus.                                         Weiß er
Denn, daß Johann von meiner Hand gefallen?

Eustache.
Noch wußt ers nicht, doch hat er eben jetzt
Noch einen dritten Wanderer gesprochen.

Jeronimus.
Das ist ein böser Strich durch meinen Plan.

Rupert (tritt auf).
Laß uns allein, Eustache.

Eustache (halblaut zu Jeronimus). Hüte dich,
Um Gotteswillen. (Ab.)

Jeronimus.                    Sei gegrüßet!

Rupert.                                                 Sehr
Neugierig bin ich zu erfahren, was
Zu mir nach Rossitz dich geführt. – Du kommst
Aus Warwand – nicht?

Jeronimus.                             Unmittelbar von Hause,
Doch war ich kürzlich dort.

Rupert.                                         So wirst du wissen,
Wir Vettern sind seit kurzer Zeit ein wenig
Schlimm übern Fuß gespannt. – Vielleicht hast du
Aufträg an mich, kommst im Geschäft des Friedens,
Stellst selbst vielleicht die heilige Person
Des Herolds vor -?

Jeronimus.                     Des Herolds? – Nein. Warum?
– Die Frag ist seltsam. – Als dein Gast komm ich.

Rupert.
Mein Gast – und hättst aus Warwand keinen Auftrag?

Jeronimus.
Zum mindsten keinen andern, dessen ich
Mich nicht als Freund des Hauses im Gespräch
Gelegentlich entledgen könnte.

Rupert.                                               Nun,
Wir brechen die Gelegenheit vom Zaune;
Sag an.

Jeronimus.   – Sylvester will dich sprechen.

Rupert.                                                             Mich;
Mich sprechen?

Jeronimus.                 Freilich seltsam ist die Fordrung,
Ja unerhört fast – dennoch gäbs ein Zeichen,
Ein sichres fast, von seiner Unschuld, wär
Es dieses.

Rupert.            Unschuld?

Jeronimus.                         Ja, mir ists ein Rätsel,
Wie dir, da es die Mörder selbst gestanden.
Zwar ein Geständnis auf der Folter ist
Zweideutig stets – auch war es nur ein Wort,
Das doch im Grunde stets sehr unbestimmt.
Allein, trotz allem, der Verdacht bleibt groß,
Und fast unmöglich scheints – zum wenigsten
Sehr schwer, doch sich davon zu reinigen.

Rupert.
Meinst du?

Jeronimus.         Doch, wie gesagt, er hälts für möglich.
Er glaubt, es steck ein Irrtum wo verborgen.

Rupert.
Ein Irrtum?

Jeronimus.          Den er aufzudecken, nichts
Bedürfe, als nur ein Gespräch mit dir.

Rupert.
– Nun, meinetwegen.

Jeronimus.                           Wirklich? Willst dus tun?

Rupert.
Wenn du ihn jemals wiedersehen solltest. –

Jeronimus.
– Jemals? Ich eile gleich zu ihm.

Rupert.                                                    So sags
Daß ich mit Freuden ihn erwarten würde.

Jeronimus.
O welche segensreiche Stunde hat
Mich hergeführt. – Ich reite gleich nach Warwand,
Und bring ihn her. – Möcht er dich auch so finden,
So freundlich, und so mild, wie ich. – Machs ihm
Nicht schwer, die Sache ist verwickelt, blutig
Ist die Entscheidung stets des Schwerts, und Frieden
Ist die Bedingung doch von allem Glück.
Willst du ihn nur unschuldig finden, wirst
Dus auch. – Ich glaubs, bei meinem Eid, ich glaubs,
Ich war wie du von dem Verdacht empört,
Ein einzger Blick auf sein ehrwürdig Haupt,
Hat schnell das Wahre mich gelehrt. –

Rupert.                                                         Dein Amt
Scheint aus, wenn ich nicht irre.

Jeronimus.                                          Nur noch zur
Berichtigung etwas von zwei Gerüchten,
Die bös verfälscht, wie ich fast fürchte, dir
Zu Ohren kommen möchten. –

Rupert.                                             Nun?

Jeronimus.                                                 Johann
Liegt krank in Warwand.

Rupert.                                     Auf den Tod, ich weiß.

Jeronimus.
Er wird nicht sterben.

Rupert.                               Wie es euch beliebt.

Jeronimus.
Wie?

Rupert.     Weiter – Nun, das andere Gerücht?

Jeronimus.
Ich wollt dir sagen noch, daß zwar Johann
Den Dolch auf Agnes –

Rupert.                                   Ich hatt ihn gedungen.

Jeronimus.
Wie sagst du?

Rupert.                   Könnts mir doch nichts helfen, wenn
Ichs leugnen wollte, da ers ja gestanden.

Jeronimus.
Vielmehr das Gegenteil – aus seiner Rede
Wird klar, daß dir ganz unbewußt die Tat.

Rupert.
Sylvester doch ist überzeugt, wie billig,
Daß ich so gut ein Mörder bin, wie er?

Jeronimus.
Vielmehr das Gegenteil – der Anschein hat
Das ganze Volk getäuscht, doch er bleibt stets
Unwandelbar und nennt dich schuldlos.

Rupert.
O List der Hölle, von dem bösesten
Der Teufel ausgeheckt!

Jeronimus.                             Was ist das? Rupert!

Rupert (faßt sich).
Das war das eine. – Nun, sprich weiter, noch
Ein anderes Gerücht wolltst du berichtgen.

Jeronimus.
Gib mir erst Kraft und Mut, gib mir Vertraun.

Rupert.
Sieh zu, wies geht – sag an.

Jeronimus.                                     Der Herold ist –

Rupert.
Erschlagen, weiß ich – doch Sylvester ist
Unschuldig an dem Blute.

Jeronimus.                                 Wahrlich, ja,
Er lag in Ohnmacht während es geschah.
Es hat ihn tief empört, er bietet jede
Genugtuung dir an, die du nur forderst.

Rupert.
Hat nichts zu sagen. –

Jeronimus.                          Wie?

Rupert.                                         Was ist ein Herold?

Jeronimus.
Du bist entsetzlich. –

Rupert.                                Bist du denn ein Herold? -?

Jeronimus.
Dein Gast bin ich, ich wiederhols. – Und wenn
Der Herold dir nicht heilig ist, so wirds
Der Gast dir sein.

Rupert.                         Mir heilig? Ja. Doch fall
Ich leicht in Ohnmacht.

Jeronimus.                             Lebe wohl. (Schnell ab.)

(Pause; Eustache stürzt aus dem Nebenzimmer herein.)

Eustache.
Um Gotteswillen, rette, rette (Sie öffnet das Fenster.) Alles
Fällt über ihn – Jeronimus! – das Volk
Mit Keulen – rette, rette ihn – sie reißen
Ihn nieder, nieder liegt er schon am Boden –
Um Gotteswillen, komm ans Fenster nur,
Sie töten ihn. – Nein wieder steht er auf,
Er zieht, er kämpft, sie weichen. – Nun, ists Zeit,
O Rupert, ich beschwöre dich. – Sie dringen
Schon wieder ein, er wehrt sich wütend. – Rufe
Ein Wort, um aller Heilgen willen nur
Ein Wort aus diesem Fenster. – – Ah! jetzt fiel
Ein Schlag – – er taumelt, Ah! noch einer. – – Nun
Ists aus. – Nun fällt er um. – Nun ist er tot. – –

(Pause; Eustache tritt vor Rupert.)

O welch entsetzliche Gelassenheit – –
– Es hätte dir ein Wort gekostet, nur
Ein Schritt bis zu dem Fenster, ja, dein bloßes
Gebieterantlitz hätte sie geschreckt. –
– Mög einst in jener bittern Stunde, wenn
Du Hülfe Gottes brauchest, Gott nicht säumen,
Wie du, mit Hülfe vor dir zu erscheinen.

Santing (tritt auf).
's ist abgetan, Herr.

Eustache.                         Abgetan? Wie sagst
Du, Santing – Rupert, abgetan?
(Rupert wendet sich verlegen.) O jetzt
Ists klar. – Ich Törin, die ich dich zur Rettung
Berief! – O pfui! Das ist kein schönes Werk,
Das ist so häßlich, so verächtlich, daß
Selbst ich, dein unterdrücktes Weib, es kühn
Und laut verachte. Pfui! O pfui! Wie du
Jetzt vor mir sitzest und es leiden mußt,
Daß ich in meiner Unschuld hoch mich brüste.
Denn über alles siegt das Rechtgefühl,
Auch über jede Furcht und jede Liebe,
Und nicht der Herr, der Gatte nicht, der Vater
Nicht meiner Kinder ist so heilig mir,
Daß ich den Richterspruch verleugnen sollte,
Du bist ein Mörder.

Rupert (steht auf).           Wer zuerst ihn tödlich
Getroffen hat, der ist des Todes!

Santing.                                                 Herr,
Auf dein Geheiß. –

Rupert.                           Wer sagt das?

Santing.                                                  's ist ein Faustschlag
Mir ins Gesicht.

Rupert.                      Stecks ein.
(Er pfeift; zwei Diener erscheinen.)
                                             Wo sind die Hunde wenn
Ich pfeife? – Ruft den Grafen auf mein Zimmer.

(Der Vorhang fällt.)


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