Heinrich von Kleist
Die Hermannsschlacht
Heinrich von Kleist

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Neunzehnter Auftritt

Astolf und ein Haufen cheruskischer Krieger treten auf.Die Vorigen.

Astolf.
Was gibts, ihr Fraun? Was für ein Jammerruf,
Als ob der Mord entfesselt wäre,
Schallt aus dem Dunkel jener Eichen dort?

Childerich.
Fragt nicht und kommt und helft das Gitter mir zersprengen!

(Die Cherusker stürzen in den Park. Pause. – Bald darauf die Leiche des Ventidius, von den Cheruskern getragen, und Childerich mit der Bärin.)

Astolf (läßt die Leiche vor sich niederlegen).
Ventidius, der Legate Roms! –
Nun, bei den Göttern von Walhalla,
So hab ich einen Spieß an ihm gespart!

Gertrud (aus dem Hintergrund).
Helft mir, ihr Leut, ins Zelt die Fürstin führen!

Astolf.
Helft ihr!

Ein Cherusker.
                Bei allen Göttern, welch ein Vorfall?

Astolf.
Gleichviel! Gleichviel! Auf! Folgt zum Crassus mir,
Ihn, eh er noch die Tat erfuhr,
Ventidius, dem Legaten nachzuschicken!

(Alle ab.)

 

Szene: Teutoburger Wald. Schlachtfeld. Es ist Tag.

Zwanzigster Auftritt

Marbod, von Feldherren umringt, steht auf einem Hügel und schaut in die Ferne. – Komar tritt auf.

Komar.
Sieg! König Marbod! Sieg! Und wieder, Sieg!
Von allen zwei und dreißig Seiten,
Durch die der Wind in Deutschlands Felder bläst!

Marbod (von dem Hügel herabsteigend).
Wie steht die Schlacht, sag an?

Ein Feldherr.                                     Laß hören, Komar,
Und spar die lusterfüllten Worte nicht!

Komar.
Wir rückten, wie du weißt, beim ersten Strahl der Sonne,
Arminius' Plan gemäß, auf die Legionen los;
Doch hier, im Schatten ihrer Adler,
Hier wütete die Zwietracht schon:
Die deutschen Völker hatten sich empört,
Und rissen heulend ihre Kette los.
Dem Varus eben doch, – der schnell, mit allen Waffen,
Dem pfeilverletzten Eber gleich,
Auf ihren Haufen fiel, erliegen wollten sie:
Als Brunold hülfreich schon, mit deinem Heer erschien,
Und ehe Hermann noch den Punkt der Schlacht erreicht,
Die Schlacht der Freiheit völlig schon entschied.
Zerschellt ward nun das ganze Römerheer,
Gleich einem Schiff, gewiegt in Klippen,
Und nur die Scheitern hülflos irren
Noch, auf dem Ozean des Siegs, umher!

Marbod.
So traf mein tapfres Heer der Sueven wirklich
Auf Varus früher ein, als die Cherusker?

Komar.
Sie trafen früher ihn! Arminius selbst,
Er wird gestehn, daß du die Schlacht gewannst!

Marbod.
Auf jetzt, daß ich den Trefflichen begrüße!

(Alle ab.)

Einundzwanzigster Auftritt

Varus (tritt verwundet auf).
Da sinkt die große Weltherrschaft von Rom
Vor eines Wilden Witz zusammen,
Und kommt, die Wahrheit zu gestehn,
Mir wie ein dummer Streich der Knaben vor!
Rom, wenn, gebläht von Glück, du mit drei Würfeln doch,
Nicht neunzehn Augen werfen wolltest!
Die Zeit noch kehrt sich, wie ein Handschuh um,
Und über uns seh ich die Welt regieren,
Jedwede Horde, die der Kitzel treibt. –
Da naht der Derwisch mir, Armin, der Fürst der Uren,
Der diese Sprüche mich gelehrt. –
Der Rhein, wollt ich, wär zwischen mir und ihm!
Ich warf, von Scham erfüllt, dort in dem Schilf des Moors,
Mich in des eignen Schwertes Spitze schon;
Doch meine Ribbe, ihm verbunden,
Beschirmte mich; mein Schwert zerbrach,
Und nun bin ich dem seinen aufgespart. –
Fänd ich ein Pferd nur, das mich rettete.

Zweiundzwanzigster Auftritt

Hermann mit bloßem Schwert, von der einen Seite, Fust, Fürst der Cimbern, und Gueltar, Fürst der Nervier, von der andern, treten hitzig auf. – Varus.

Hermann.
Steh, du Tyrannenknecht, dein Reich ist aus!

Fust.
Steh, Höllenhund!

Gueltar.                         Steh, Wolf vom Tiberstrande,
Hier sind die Jäger, die dich fällen wollen!

(Fust und Gueltar stellen sich auf Hermanns Seite.)

Varus (nimmt ein Schwert auf).
Nun will ich tun, als führt ich zehn Legionen!
Komm her, du dort im Fell des zottgen Löwen,
Und laß mich sehn, ob du Herakles bist!

(Hermann und Varus bereiten sich zum Kampf.)

Fust (sich zwischen sie werfend).
Halt dort, Armin! Du hast des Ruhms genug.

Gueltar (ebenso).
Halt, sag auch ich!

Fust.                               Quintilius Varus
Ist mir, und wenn ich sinke, dem verfallen!

Hermann (betroffen).
Wem! Dir? Euch? – Ha! Sieh da! Mit welchem Recht?

Fust.
Das Recht, bei Mana, wenn du es verlangst,
Mit Blut schreib ichs auf deine schöne Stirn!
Er hat in Schmach und Schande mich gestürzt,
An Deutschland, meinem Vaterlande,
Der Mordknecht, zum Verräter mich gemacht:
Den Schandfleck wasch ich ab in seinem Blute,
Das hab ich heut, das mußt du wissen,
Gestreckt am Boden heulend, mir,
Als mir dein Brief kam, Göttlicher, gelobt!

Hermann.
Gestreckt am Boden heulend! Sei verwünscht,
Gefallner Sohn des Teut, mit deiner Reue!
Soll ich von Schmach dich rein zu waschen,
Den Ruhm, beim Jupiter, entbehren,
Nach dem ich durch zwölf Jahre treu gestrebt?
Komm her, fall aus und triff – und verflucht sei,
Wer jenen Römer ehr berührt,
Als dieser Streit sich zwischen uns gelöst!

(Sie fechten.)

Varus (für sich).
Ward solche Schmach im Weltkreis schon erlebt?
Als wär ich ein gefleckter Hirsch,
Der, mit zwölf Enden durch die Forsten bricht!

Hermann (hält inne).

Gueltar.
Sieg, Fust, halt ein! Das Glück hat dir entschieden.

Fust.
Wem? Mir? – Nein, sprich!

Gueltar.                                         Beim Styx! Er kanns nicht leugnen.
Blut rötet ihm den Arm!

Fust.                                         Was! Traf ich dich?

Hermann (indem er sich den Arm verbindet).
Ich wills zufrieden sein! Dein Schwert fällt gut.
Da nimm ihn hin. Man kann ihn dir vertraun.
(Er geht, mit einem tötenden Blick auf Varus, auf die Seite.)

Varus (wütend).
Zeus, diesen Übermut hilfst du mir strafen!
Du schnöder, pfauenstolzer Schelm,
Der du gesiegt, heran zu mir,
Es soll der Tod sein, den du dir errungen!

Fust.
Der Tod? Nimm dich in acht! Auch noch im Tode
Zapf ich das Blut dir ab, das rein mich wäscht.

(Sie fechten; Varus fällt.)

Varus.
Rom, wenn du fällst, wie ich: was willst du mehr?
(Er stirbt.)

Das Gefolge.
Triumph! Triumph! Germaniens Todfeind stürzt!
Heil, Fust, dir! Heil dir, Fürst der Cimbern!
Der du das Vaterland von ihm befreite

(Pause.)

Fust.
Hermann! Mein Bruderherz! Was hab ich dir getan?
(Er fällt ihm um den Hals.)

Hermann.
Nun, es ist alles gut.

Gueltar (umhalst ihn gleichfalls).
                                  Du bist verwundet

Fust.
Das Blut des besten Deutschen fällt in Staub.

Hermann.
Ja, allerdings.

Fust.                       Daß mir die Hand verdorrte!

Gueltar.
Komm her, soll ich das Blut dir saugen?

Fust.
Mir laß – mir, mir!

Hermann.                         Ich bitt euch, meine Freunde

Fust.
Hermann, du bist mir bös, mein Bruderherz,
Weil ich den Siegskranz schelmisch dir geraubt?!

Hermann.
Du bist nicht klug! Vielmehr, es macht mich lachen!
Laß einen Herold gleich nur kommen,
Der deinen Namen ausposaune:
Und mir schaff einen Arzt, der mich verbindet.
(Er lacht und geht ab.)

Das Gefolge.
Kommt! hebt die Leiche auf und tragt sie fort.

(Alle ab.)

 

Szene: Teutoburg. Platz unter Trümmern.

Dreiundzwanzigster Auftritt

Thusnelda mit ihren Frauen. – Ihr zur Seite Eginhardt und Astolf. – Im Hintergrunde Wolf, Thuiskomar, Dagobert, Selgar. – Hermann tritt auf. Ihm folgen Fust, Gueltar, Winfried, Egbert und andere.

Wolf (usw.).
Heil, Hermann! Heil dir, Sieger der Kohorten!
Germaniens Retter, Schirmer und Befreier!

Hermann.
Willkommen, meine Freunde!

Thusnelda (an seinem Busen).       Mein Geliebter!

Hermann (empfängt sie).
Mein schönes Thuschen! Heldin, grüß ich dich!
Wie groß und prächtig hast du Wort gehalten?

Thusnelda (verwirrt).
Das ist geschehn. Laß sein.

Hermann.                                   Doch scheinst du blaß?
(Er betrachtet sie mit Innigkeit. – Pause.)
Wie stehts, ihr deutschen Herrn! Was bringt ihr mir?

Wolf.
Uns selbst, mit allem jetzt, was wir besitzen!
Hally, die Jungfrau, die geschändete,
Die du, des Vaterlandes grauses Sinnbild,
Zerstückt in alle Stämme hast geschickt,
Hat unsrer Völker Langmut aufgezehrt.
In Waffen siehst du ganz Germanien lodern,
Den Greul zu strafen, der sich ihr verübt:
Wir aber kamen her, dich zu befragen,
Wie du das Heer, das wir ins Feld gestellt,
Im Krieg nun gegen Rom gebrauchen willst?

Hermann.
Harrt einen Augenblick, bis Marbod kömmt,
Der wird bestimmteren Befehl euch geben!

Astolf.
Hier leg ich Crassus' Schwert zu Füßen dir!

Hermann (nimmt es auf).
Dank, Freund, für jetzt! Die Zeit auch kömmt, das weißt du,
Wo ich dich zu belohnen wissen werde!
(Er gibt es weg.)

Eginhardt.
Doch hier, o Herr, schau her! Das sind die Folgen
Des Kampfs, den Astolf mit den Römern kämpfte:
Ganz Teutoburg siehst du in Schutt und Asche!

Hermann.
Mag sein! Wir bauen uns ein schönres auf.

Ein Cherusker (tritt auf).
Marbod, der Fürst der Sueven, naht sich dir!
Du hast geboten, Herr, es dir zu melden.

Hermann.
Auf, Freunde! Laßt uns ihm entgegen eilen!

Letzter Auftritt

Marbod mit Gefolge tritt auf. Hinter ihm, von einer Wache geführt, Aristan, Fürst der Ubier, in Fesseln. Die Vorigen.

Hermann (beugt ein Knie vor ihm).
Heil, Marbod, meinem edelmütgen Freund!
Und wenn Germanien meine Stimme hört:
Heil seinem großen Oberherrn und König!

Marbod.
Steh auf, Arminius, wenn ich reden soll!

Hermann.
Nicht ehr, o Herr, als bis du mir gelobt,
Nun den Tribut, der uns entzweite,
Von meinem Kämmrer huldreich anzunehmen!

Marbod.
Steh auf, ich wiederhols! Wenn ich dein König,
So ist mein erst Gebot an dich: steh auf!

(Hermann steht auf.)

Marbod (beugt ein Knie vor ihm).
Heil, ruf ich, Hermann, dir, dem Retter von Germanien!
Und wenn es meine Stimme hört:
Heil seinem würdgen Oberherrn und König!
Das Vaterland muß einen Herrscher haben,
Und weil die Krone sonst, zur Zeit der grauen Väter,
Bei deinem Stamme rühmlich war:
Auf deine Scheitel falle sie zurück!

Die suevischen Feldherrn.
Heil, Hermann! Heil dir, König von Germanien!
So ruft der Suev, auf König Marbods Wort!

Fust (vortretend).
Heil, ruf auch ich, beim Jupiter!

Gueltar.                                               Und ich!

Wolf und Thuiskomar.
Heil, König Hermann, alle Deutschen dir!

(Marbod steht auf.)

Hermann (umarmt ihn).
Laß diese Sach, beim nächsten Mondlicht, uns,
Wenn die Druiden Wodan opfern,
In der gesamten Fürsten Rat, entscheiden!

Marbod.
Es sei! Man soll im Rat die Stimmen sammeln.
Doch bis dahin, das weigre nicht,
Gebeutst du als Regent und führst das Heer!

Dagobert und Selgar.
So seis! – Beim Opfer soll die Wahl entscheiden.

Marbod (indem er einige Schritte zurückweicht).
Hier übergeb ich, Oberster der Deutschen,
(Er winkt der Wache.)
Den ich in Waffen aufgefangen,
Aristan, Fürsten dir der Ubier!

Hermann (wendet sich ab).
Weh mir! Womit muß ich mein Amt beginnen?

Marbod.
Du wirst nach deiner Weisheit hier verfahren.

Hermann (zu Aristan).
– Du hattest, du Unseliger, vielleicht
Den Ruf, den ich den deutschen Völkern,
Am Tag der Schlacht erlassen, nicht gelesen?

Aristan (keck).
Ich las, mich dünkt, ein Blatt von deiner Hand,
Das für Germanien in den Kampf mich rief!
Jedoch was galt Germanien mir?
Der Fürst bin ich der Ubier,
Beherrscher eines freien Staats,
In Fug und Recht, mich jedem, wer es sei,
Und also auch dem Varus zu verbinden!

Hermann.
Ich weiß, Aristan. Diese Denkart kenn ich.
Du bist imstand und treibst mich in die Enge,
Fragst, wo und wann Germanien gewesen?
Ob in dem Mond? Und zu der Riesen Zeiten?
Und was der Witz sonst an die Hand dir gibt;
Doch jetzo, ich versuchte dich, jetzt wirst du
Mich schnell begreifen, wie ich es gemeint:
Führt ihn hinweg und werft das Haupt ihm nieder!

Aristan (erblaßt).
Wie, du Tyrann! Du scheutest dich so wenig –?

Marbod (halblaut, zu Wolf).
Die Lektion ist gut.

Wolf.                               Das sag ich auch.

Fust.
Was gilts, er weiß jetzt, wo Germanien liegt?

Aristan.
Hört mich, ihr Brüder –!

Hermann.                                 Führet ihn hinweg!
Was kann er sagen, das ich nicht schon weiß?

(Aristan wird abgeführt.)

Ihr aber kommt, ihr wackern Söhne Teuts,
Und laßt, im Hain der stillen Eichen,
Wodan für das Geschenk des Siegs uns danken! –
Uns bleibt der Rhein noch schleunig zu ereilen,
Damit vorerst der Römer keiner
Von der Germania heilgem Grund entschlüpfe:
Und dann – nach Rom selbst mutig aufzubrechen!
Wir oder unsre Enkel, meine Brüder!
Denn eh doch, seh ich ein, erschwingt der Kreis der Welt
Vor dieser Mordbrut keine Ruhe,
Als bis das Raubnest ganz zerstört,
Und nichts, als eine schwarze Fahne,
Von seinem öden Trümmerhaufen weht!


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