Heinrich von Kleist
Die Hermannsschlacht
Heinrich von Kleist

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Vierter Auftritt

Ein Cherusker tritt auf. Die Vorigen.

Der Cherusker.
Varus kömmt!

Hermann (erhebt sich).
                        Was! Der Feldherr Roms! Unmöglich!
Wer wars, der mir von seinem Einzug
In Teutoburg die Nachricht geben wollte?

Fünfter Auftritt

Varus tritt auf. Ihm folgen Ventidius, der Legat; Crassus und Septimius, zwei römische Hauptleute; und die deutschen Fürsten Fust, Gueltar und Aristan. – Die Vorigen.

Hermann (indem er ihm entgegengeht).
Vergib, Quintilius Varus, mir,
Daß deine Hoheit mich hier suchen muß!
Mein Wille war, dich ehrfurchtsvoll
In meines Lagers Tore einzuführen,
Oktav August in dir, den großen Kaiser Roms,
Und meinen hochverehrten Freund, zu grüßen.

Varus.
Mein Fürst, du bist sehr gütig, in der Tat.
Ich hab von außerordentlichen
Unordnungen gehört, die die Kohorten sich
In Helakon und Herthakon erlaubt;
Von einer Wodanseiche unvorsichtiger
Verletzung – Feuer, Raub und Mord,
Die dieser Tat unsel'ge Folgen waren,
Von einer Aufführung, mit einem Wort,
Nicht eben, leider! sehr geschickt,
Den Römer in Cheruska zu empfehlen.
Sei überzeugt, ich selbst befand mich in Person
Bei keinem der drei Heereshaufen,
Die von der Lippe her ins Land dir rücken.
Die Eiche, sagt man zwar, ward nicht aus Hohn verletzt,
Der Unverstand nur achtlos warf sie um;
Gleichwohl ist ein Gericht bereits bestellt,
Die Täter aufzufahn, und morgen wirst du sie,
Zur Sühne deinem Volk, enthaupten sehn.

Hermann.
Quintilius! Dein erhabnes Wort beschämt mich!
Ich muß dich für die allzuraschen
Cherusker dringend um Verzeihung bitten,
Die eine Tat sogleich , aus Unbedacht geschehn,
Mit Rebellion fanatisch strafen wollten.
Mißgriffe, wie die vorgefallnen, sind
Auf einem Heereszuge unvermeidlich.
Laß diesen Irrtum, ich beschwöre dich,
Das Fest nicht stören, das mein Volk,
Zur Feier deines Einzugs, vorbereitet.
Gönn mir ein Wort zu Gunsten der Bedrängten,
Die deine Rache treffen soll:
Und weil sie bloß aus Unverstand gefehlt,
So schenk das Leben ihnen, laß sie frei!

Varus (reicht ihm die Hand).
Nun, Freund Armin; beim Jupiter, es gilt!
Nimm diese Hand, die ich dir reiche,
Auf immer hast du dir mein Herz gewonnen! –
Die Frevler, bis auf einen, sprech ich frei!
Man wird den Namen ihres Retters ihnen nennen,
Und hier im Staube sollen sie,
Das Leben dir, das mir verwirkt war, danken.
Den einen nur behalt ich mir bevor,
Der, dem ausdrücklichen Ermahnungswort zuwider,
Den ersten Schlag der Eiche zugefügt;
Der Herold hat es mehr denn zehnmal ausgerufen,
Daß diese Eichen heilig sind,
Und das Gesetz verurteilt ihn des Kriegs,
Das kein Gesuch entwaffnen kann, nicht ich.

Hermann.
– Wann du auf immer jeden Anlaß willst,
Der eine Zwistigkeit entflammen könnte,
Aus des Cheruskers treuer Brust entfernen,
So bitt ich, würdge diese Eichen,
Quintilius, würdge einger Sorgfalt sie.
Von ihnen her rinnt einzig fast die Quelle
Des Übels, das uns zu entzweien droht.
Laß irgend, was es sei, ein Zeichenbild zur Warnung,
Wenn du dein Lager wählst, bei diesen Stämmen pflanzen:
So hast du, glaub es mir, für immer
Den wackern Eingebornen dir verbunden.

Varus.
Wohlan! – Woran erkennt man diese Eichen?

Hermann.
An ihrem Alter und dem Schmuck der Waffen,
In ihres Wipfels Wölbung aufgehängt.

Varus.
Septimius Nerva!

Septimius (tritt vor).   Was gebeut mein Feldherr?

Varus.
Laß eine Schar von Römern gleich
Sich in den Wald zerstreun, der diese Niederlassung,
Cheruskas Hauptplatz Teutoburg umgibt.
Bei jeder Eiche grauen Alters,
In deren Wipfel Waffen aufgehängt,
Soll eine Wache von zwei Kriegern halten,
Und jeden, der vorübergeht, belehren,
Daß Wodan in der Nähe sei.
Denn Wodan ist, daß ihrs nur wißt, ihr Römer,
Der Zeus der Deutschen, Herr des Blitzes
Diesseits der Alpen, so wie jenseits der;
Er ist der Gott, dem sich mein Knie sogleich,
Beim ersten Eintritt in dies Land, gebeugt;
Und kurz, Quintilius, euer Feldherr, will
Mit Ehrfurcht und mit Scheu, im Tempel dieser Wälder,
Wie den Olympier selbst, geehrt ihn wissen.

Septimius.
Man wird dein Wort, o Herr, genau vollziehn.

Varus (zu Hermann).
Bist du zufrieden, Freund?

Hermann.                                   Du überfleuchst,
Quintilius, die Wünsche deines Knechts.

Varus (nimmt ein Kissen, auf welchem Geschenke liegen, aus der Hand eines Sklaven, und bringt sie der Thusnelda).
Hier, meine Fürstin, überreich ich dir,
Von August, meinem hohen Herrn,
Was er für dich mir jüngsthin zugesandt,
Es sind Gesteine, Perlen, Federn, Öle –
Ein kleines Rüstzeug, schreibt er, Kupidos.
August, erlauchte Frau, bewaffnet deine Schönheit,
Damit du Hermanns großes Herz,
Stets in der Freundschaft Banden ihm erhaltest.

Thusnelda (empfängt das Kissen und betrachtet die Geschenke).
Quintilius! Dein Kaiser macht mich stolz.
Thusnelda nimmt die Waffen an,
Mit dem Versprechen, Tag und Nacht,
Damit geschirrt, für ihn zu Feld zu ziehn.
(Sie übergibt das Kissen ihren Frauen.)

Varus (zu Hermann).
Hier stell ich Gueltar , Fust dir und Aristan,
Die tapfern Fürsten Deutschlands vor,
Die meinem Heereszug sich angeschlossen.
(Er tritt zurück und spricht mit Ventidius.)

Hermann (indem er sich dem Fürsten der Cimbern nähert).
Wir kennen uns, wenn ich nicht irre, Fust,
Aus Gallien, von der Schlacht des Ariovist.

Fust.
Mein Prinz, ich kämpfte dort an deiner Seite.

Hermann (lebhaft).
Ein schöner Tag, beim hohen Himmel,
An den dein Helmbusch lebhaft mich erinnert!
– Der Tag, an dem Germanien zwar
Dem Cäsar sank, doch der zuerst
Den Cäsar die Germanier schätzen lehrte.

Fust (niedergeschlagen).
Mir kam er teuer, wie du weißt, zu stehn.
Der Cimbern Thron, nicht mehr, nicht minder,
Den ich nur Augusts Gnade jetzt verdanke.

Hermann (indem er sich zu dem Fürsten der Nervier wendet).
Dich, Gueltar, auch sah ich an diesem Tag?

Gueltar.
Auf einen Augenblick. Ich kam sehr spät.
Mich kostet' er, wie dir bekannt sein wird,
Den Thron von Nervien; doch August hat
Mich durch den Thron von Äduen entschädigt.

Hermann (indem er sich zu dem Fürsten der Ubier wendet).
Wo war Aristan an dem Tag der Schlacht?

Aristan (kalt und scharf).
Aristan war in Ubien,
Diesseits des Rheines, wo er hingehörte.
Aristan hat das Schwert niemals
Den Cäsarn Roms gezückt, und er darf kühnlich sagen:
Er war ihr Freund, sobald sie sich
Nur an der Schwelle von Germania zeigten.

Hermann (mit einer Verbeugung).
Arminius bewundert seine Weisheit.
– Ihr Herrn, wir werden uns noch weiter sprechen.

(Ein Marsch in der Ferne.)

Sechster Auftritt

Ein Herold tritt auf, Bald darauf das Römerheer. Die Vorigen.

Der Herold (zum Volk das zusammengelaufen).
Platz hier, beliebts euch, ihr Cherusker!
Varus', des Feldherrn Roms, Liktoren
Nahn festlich an des Heeres Spitze sich!

Thusnelda.
Was gibts?

Septimius (nähert sich ihr).
                    Es ist das Römerheer,
Das seinen Einzug hält in Teutoburg!

Hermann (zerstreut).
Das Römerheer?
(Er beobachtet Varus und Ventidius, welche heimlich mit einander sprechen.)

Thusnelda.                   Wer sind die ersten dort?

Crassus.
Varus' Liktoren, königliche Frau,
Die des Gesetzes heilges Richtbeil tragen.

Thusnelda.
Das Beil? Wem! Uns?

Septimius.                           Vergib! Dem Heere,
Dem sie ins Lager feierlich voranziehn.

(Das Römerheer zieht in voller Pracht vorüber.)

Varus (zu Ventidius).
Was also, sag mir an, was hab ich
Von jenem Hermann dort mir zu versehn?

Ventidius.
Quintilius! Das faß ich in zwei Worten!
Er ist ein Deutscher.
In einem Hämmling ist, der an der Tiber graset,
Mehr Lug und Trug, muß ich dir sagen,
Als in dem ganzen Volk, dem er gehört. –

Varus.
So kann ich, meinst du, dreist der Sueven Fürsten
Entgegenrücken? Habe nichts von diesem,
Bleibt er in meinem Rücken, zu befürchten?

Ventidius.
So wenig, wiederhol ich dir,
Als hier von diesem Dolch in meinem Gurt.

Varus.
Ich werde doch den Platz, in dem Cheruskerland,
Beschaun, nach des Augusts Gebot,
Auf welchem ein Kastell erbaut soll werden.
– Marbod ist mächtig, und nicht weiß ich,
Wie sich am Weserstrom das Glück entscheiden wird.
(Er sieht ihn fragend an.)

Ventidius.
Das lob ich sehr. Solch eine Anstalt
Wird stets, auch wenn du siegst, zu brauchen sein.

Varus.
Wieso? Meinst du vielleicht, die Absicht sei, Cheruska
Als ein erobertes Gebiet –?

Ventidius.                                     Quintilius,
Die Absicht, dünkt mich, läßt sich fast erraten.

Varus.
– Ward dir etwa bestimmte Kund hierüber?

Ventidius.
Nicht, nicht! Mißhör mich nicht! Ich teile bloß,
Was sich in dieser Brust prophetisch regt, dir mit,
Und Freunde mir aus Rom bestätigen.

Varus.
Seis! Was bekümmerts mich? Es ist nicht meines Amtes
Den Willen meines Kaisers zu erspähn.
Er sagt ihn, wenn er ihn vollführt will wissen. –
Wahr ists, Rom wird auf seinen sieben Hügeln,
Vor diesen Horden nimmer sicher sein,
Bis ihrer kecken Fürsten Hand
Auf immerdar der Szepterstab entwunden.

Ventidius.
So denkt August, so denket der Senat.

Varus.
Laß uns in ihre Mitte wieder treten.

(Sie treten wieder zu Hermann und Thusnelda, welche, von Feldherrn und Fürsten umringt, dem Zuge des Heers zusehen.)

Thusnelda.
Septimius! Was bedeutet dieser Adler?

Septimius.
Das ist ein Kriegspanier, erhabne Frau!
Jedweder der drei Legionen
Fleucht solch metallnes Adlerbild voran.

Thusnelda.
So, so! Ein Kriegspanier! Sein Anblick hält
Die Scharen in der Nacht des Kampfs zusammen?

Septimius.
Du trafsts. Er führet sie den Pfad des Siegs. –

Thusnelda.
Wie jedes Land doch seine Sitte hat!
– Bei uns tut es der Chorgesang der Barden.

(Pause. Der Zug schließen die Musik schweigt.)

Hermann (indem er sich zu dem Feldherrn Roms wendet).
Willst du dich in das Zelt verfügen, Varus?
Ein Mahl ist, nach Cheruskersitte,
Für dich und dein Gefolge drin bereitet.

Varus.
Ich werde kurz jedoch mich fassen müssen.
(Er nimmt ihn vertraulich bei der Hand.)
Ventidius hat dir gesagt,
Wie ich den Plan für diesen Krieg entworfen?

Hermann.
Ich weiß um jeden seiner weisen Punkte.

Varus.
Ich breche morgen mit dem Römerheer
Aus diesem Lager auf, und übermorgen
Rückst du mit dem Cheruskervolk mir nach.
Jenseits der Weser, in des Feindes Antlitz,
Hörst du das Weitre. – Wünschest du vielleicht,
Daß ein geschickter Römerfeldherr,
Für diesen Feldzug, sich in dein Gefolge mische?
Sags dreist mir an. Du hast nur zu befehlen.

Hermann.
Quintilius, in der Tat, du wirst
Durch eine solche Wahl mich glücklich machen.

Varus.
Wohlan, Septimius, schick dich an,
Dem Kriegsbefehl des Königs zu gehorchen –
(Er wendet sich zu Crassus.)
Und daß die Teutoburg gesichert sei,
Indessen wir entfernt sind, laß ich, Crassus,
Mit drei Kohorten, dich darin zurück.
– Weißt du noch sonst was anzumerken, Freund?

Hermann.
Nichts, Feldherr Roms! Dir übergab ich alles,
So sei die Sorge auch, es zu beschützen, dein.

Varus (zu Thusnelda).
Nun, schöne Frau, so bitt ich – Eure Hand!
(Er führt die Fürstin ins Zelt.)

Hermann.
Holla, die Hörner! Dieser Tag
Soll für Cheruska stets ein Festtag sein!

(Hörnermusik. Alle ab.)


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