Heinrich von Kleist
Die Hermannsschlacht
Heinrich von Kleist

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Dritter Akt

Szene: Platz vor einem Hügel, auf welchem das Zelt Hermanns steht. Zur Seite eine Eiche, unter welcher ein großes Polster liegt, mit prächtigen Tigerfellen überdeckt. Im Hintergrunde siebt man die Wohnungen der Horde.

Erster Auftritt

Hermann, Eginhardt, zwei Ältesten der Horde und andere stehen vor dem Zelt und schauen in die Ferne.

Hermann.
Das ist Thuiskon, was jetzt Feuer griff?

Erster Ältester.
Vergib mir, Herthakon.

Hermann.                             Ja, dort zur Linken.
Der Ort, der brannte längst. Zur Rechten, mein ich.

Erster Ältester.
Zur Rechten, meinst du. Das ist Helakon.
Thuiskon kann man hier vom Platz nicht sehn.

Hermann.
Was! Helakon! Das liegt in Asche schon.
Ich meine, was jetzt eben Feuer griff?

Erster Ältester.
Ganz recht! Das ist Thuiskon, mein Gebieter!
Die Flamme schlägt jetzt übern Wald empor.

(Pause.)

Hermann.
Auf diesem Weg rückt, dünkt mich, Varus an?

Erster Ältester.
Varus? Vergib. Von deinem Jagdhaus Orla.
Das ist der Ort, wo heut er übernachtet.

Hermann.
Ja, Varus in Person. Doch die drei Haufen,
Die er ins Land mir führt –?

Zweiter Ältester (vortretend).   Die ziehn, mein König,
Durch Thuiskon, Helakon und Herthakon.

(Pause.)

Hermann (indem er vom Hügel herabschreitet).
Man soll aufs beste, will ich, sie empfangen.
An Nahrung weder, reichlicher,
Wie der Italier sie gewohnt, soll mans
Noch auch an Met, an Fellen für die Nacht,
Noch irgend sonst, wie sie auch heiße,
An einer Höflichkeit gebrechen lassen.
Denn meine guten Freunde sinds,
Von August mir gesandt, Cheruska zu beschirmen,
Und das Gesetz der Dankbarkeit erfordert,
Nichts, was sie mir verbinden kann, zu sparen.

Erster Ältester.
Was dein getreuer Lagerplatz besitzt,
Das zweifle nicht, wird er den Römern geben.

Zweiter Ältester.
Warum auch soll er warten, bis mans nimmt?

Zweiter Auftritt

Drei Hauptleute treten eilig nach einander auf. Die Vorigen.

Der erste Hauptmann (indem er auftritt).
Mein Fürst, die ungeheueren
Unordnungen, die sich dies Römerheer erlaubt,
Beim Himmel! übersteigen allen Glauben.
Drei deiner blühndsten Plätze sind geplündert,
Entflohn die Horden, alle Hütten und Gezelte –
Die unerhörte Tat! – den Flammen preisgegeben!

Hermann (heimlich und freudig).
Geh, geh, Siegrest! Spreng aus, es wären sieben!

Der erste Hauptmann.
Was? – Was gebeut mein König?

Eginhardt.                                             Hermann sagt –
(Er nimmt ihn beiseite.)

Der erste Älteste.
Dort kommt ein neuer Unglücksbote schon!

Der zweite Hauptmann (tritt auf).
Mein Fürst, man schickt von Herthakon mich her,
Dir eine gräßliche Begebenheit zu melden!
Ein Römer ist, in diesem armen Ort,
Mit einer Wöchnerin in Streit geraten,
Und hat, da sie den Vater rufen wollte,
Das Kind, das sie am Busen trug, ergriffen,
Des Kindes Schädel, die Hyäne, rasend
An seiner Mutter Schädel eingeschlagen.
Die Feldherrn, denen man die Greueltat gemeldet,
Die Achseln haben sie gezuckt, die Leichen
In eine Grube heimlich werfen lassen.

Hermann (ebenso).
Geh! Fleuch! Verbreit es in dem Platz, Govin!
Versichere von mir, den Vater hätten sie
Lebendig, weil er zürnte, nachgeworfen!

Der zweite Hauptmann.
Wie? Mein erlauchter Herr!

Eginhardt (nimmt ihn beim Arm). Ich will dir sagen –
(Er spricht heimlich mit ihm.)

Erster Ältester.
Beim Himmel! Da erscheint der dritte schon!

Der dritte Hauptmann (tritt auf).
Mein Fürst, du mußt, wenn du die Gnade haben willst,
Verzuglos dich nach Helakon verfügen.
Die Römer fällten dort, man sagt mir, aus Versehen,
Der tausendjährgen Eichen eine,
Dem Wodan, in dem Hain der Zukunft, heilig.
Ganz Helakon hierauf, Thuiskon, Herthakon,
Und alles, was den Kreis bewohnt,
Mit Spieß und Schwert stand auf, die Götter zu verteidgen.
Den Aufruhr rasch zu dämpfen, steckten
Die Römer plötzlich alle Läger an:
Das Volk, so schwer bestraft, zerstreute jammernd sich,
Und heult jetzt um die Asche seiner Hütten. –
Komm, bitt ich dich, und steure der Verwirrung.

Hermann.
Gleich, gleich! – Man hat mir hier gesagt,
Die Römer hätten die Gefangenen gezwungen,
Zeus, ihrem Greulgott, in den Staub zu knien?

Der dritte Hauptmann.
Nein, mein Gebieter, davon weiß ich nichts.

Hermann.
Nicht? Nicht? – Ich hab es von dir selbst gehört!

Der dritte Hauptmann.
Wie? Was?

Hermann (in den Bart).
                    Wie! Was! Die deutschen Uren!
– Bedeut ihm, was die List sei, Eginhardt.

Eginhardt.
Versteh, Freund Ottokar! Der König meint –
(Er nimmt ihn beim Arm und spricht heimlich mit ihm.)

Erster Ältester.
Nun solche Zügellosigkeit, beim hohen Himmel,
In Freundes Land noch obenein,
Ward doch, seitdem die Welt steht, nicht erlebt!

Zweiter Ältester.
Schickt Männer aus, zu löschen!

Hermann (der wieder in die Ferne gesehn).
                                                    Hör, Eginhardt!
Was ich dir sagen wollte –

Eginhardt.                                   Mein Gebieter!

Hermann (heimlich).
Hast du ein Häuflein wackrer Leute wohl,
Die man zu einer List gebrauchen könnte?

Eginhardt.
Mein Fürst, die War' ist selten, wie du weißt.
– Was wünschest du, sag an?

Hermann.                                       Was? Hast du sie?
Nun hör, schick sie dem Varus, Freund,
Wenn er zur Weser morgen weiter rückt,
Schick sie in Römerkleidern doch vermummt ihm nach.
Laß sie, ich bitte dich, auf allen Straßen,
Die sie durchwandern, sengen, brennen, plündern:
Wenn sies geschickt vollziehn, will ich sie lohnen!

Eginhardt.
Du sollst die Leute haben. Laß mich machen.
(Er mischt sich unter die Hauptleute.)

Dritter Auftritt

Thusnelda tritt aus dem Zelt. – Die Vorigen.

Hermann (heiter).
Ei, Thuschen! Sieh! Mein Stern! Was bringst du mir?
(Er sieht wieder, mit vorgeschützter Hand, in die Ferne hinaus.)

Thusnelda.
Ei nun! Die Römer, sagt man, ziehen ein;
Die muß Arminius' Frau doch auch begrüßen.

Hermann.
Gewiß, gewiß! So wills die Artigkeit.
Doch weit sind sie im Felde noch;
Komm her und laß den Zug heran uns plaudern!
(Er winkt ihr, sich unter der Eiche niederzulassen.)

Thusnelda (den Sitz betrachtend).
Der Sybarit! Sieh da! Mit seinen Polstern!
Schämst du dich nicht? – Wer traf die Anstalt hier?
(Sie setzt sich nieder.)

Hermann.
Ja, Kind! Die Zeiten, weißt du, sind entartet.
Holla, schafft Wein mir her, ihr Knaben,
Damit der Perserschach vollkommen sei!
(Er läßt sich an Thusneldens Seite nieder und umarmt sie.)
Nun, Herzchen, sprich, wie gehts dir, mein Planet?
Was macht Ventidius, dein Mond? Du sahst ihn?

(Es kommen Knaben und bedienen ihn mit Wein.)

Thusnelda.
Ventidius? Der grüßt dich.

Hermann.                                   So! Du sahst ihn?

Thusnelda.
Aus meinem Zimmer eben ging er fort!
– Sieh mich mal an!

Hermann.                         Nun?

Thusnelda.                                 Siehst du nichts?

Hermann.                                                               Nein, Thuschen.

Thusnelda.
Nichts? Gar nichts? Nicht das Mindeste?

Hermann.
Nein, in der Tat! Was soll ich sehn?

Thusnelda.                                                 Nun wahrlich,
Wenn Varus auch so blind, wie du,
Der Feldherr Roms, den wir erwarten,
So war die ganze Mühe doch verschwendet.

Hermann (indem er dem Knaben, der ihn bedient, den Becher zurückgibt).
Ja, so! Du hast, auf meinen Wunsch, den Anzug
Heut mehr gewählt, als sonst –

Thusnelda.                                         So! Mehr gewählt!
Geschmückt bin ich, beim hohen Himmel,
Daß ich die Straßen Roms durchschreiten könnte!

Hermann.
Potz! Bei der großen Hertha! Schau! – Hör, du!
Wenn ihr den Adler seht, so ruft ihr mich.

(Der Knabe, der ihn bedient, nickt mit dem Kopf.)

Thusnelda.
Was?

Hermann.
          Und Ventidius war bei dir?

Thusnelda.
Ja, allerdings. Und zeigte mir am Putztisch,
Wie man, in Rom, das Haar sich ordnet,
Den Gürtel legt, das Kleid in Falten wirft.

Hermann.
Schau, wie er göttlich dir den Kopf besorgt!
Der Kopf, beim Styx, von einer Juno!
Bis auf das Diadem sogar,
Das dir vom Scheitel blitzend niederstrahlt!

Thusnelda.
Das ist das schöne Prachtgeschenk,
Das du aus Rom mir jüngsthin mitgebracht.

Hermann.
So? Der geschnittne Stein, gefaßt mit Perlen?
Ein Pferd war, dünkt mich, drauf?

Thusnelda.                                             Ein wildes, ja,
Das seinen Reiter abwirft. –

(Er betrachtet das Diadem.)

Hermann.                                       Aber, Thuschen! Thuschen!
Wie wirst du aussehn, liebste Frau,
Wenn du mit einem kahlen Kopf wirst gehn?

Thusnelda.
Wer? Ich?

Hermann. Du, ja! – Wenn Marbod erst geschlagen ist,
So läuft kein Mond ins Land, beim Himmel!
Sie scheren dich so kahl wie eine Ratze.

Thusnelda.
Ich glaub, du träumst, du schwärmst! Wer wird den Kopf mir –?

Hermann.
Wer? Ei, Quintilius Varus und die Römer,
Mit denen ich alsdann verbunden bin.

Thusnelda.
Die Römer! Was!

Hermann.                     Ja, was zum Henker, denkst du?
– Die römschen Damen müssen doch,
Wenn sie sich schmücken, hübsche Haare haben?

Thusnelda.
Nun haben denn die römschen Damen keine?

Hermann.
Nein, sag ich! Schwarze! Schwarz und fett, wie Hexen!
Nicht hübsche, trockne, goldne, so wie du!

Thusnelda.
Wohlan! So mögen sie! Der triftge Grund!
Wenn sie mit hübschen nicht begabt,
So mögen sie mit schmutzgen sich behelfen.

Hermann. So! In der Tat! Da sollen die Kohorten
Umsonst wohl übern Rhein gekommen sein?

Thusnelda.
Wer? Die Kohorten?

Hermann.                           Ja, die Varus führt.

Thusnelda (lacht).
Das muß ich sagen! Der wird doch
Um meiner Haare nicht gekommen sein?

Hermann.
Was? Allerdings! Bei unsrer großen Hertha!
Hat dir Ventidius das noch nicht gesagt?

Thusnelda.
Ach, geh! Du bist ein Affe.

Hermann.                                   Nun, ich schwörs dir. –
Wer war es schon, der jüngst beim Mahl erzählte,
Was einer Frau in Ubien begegnet?

Thusnelda.
Wem? Einer Ubierin?

Hermann.                           Das weißt du nicht mehr?

Thusnelda.
Nein, Lieber! – Daß drei Römer sie, meinst du,
In Staub gelegt urplötzlich und gebunden –?

Hermann.
Nun ja! Und ihr nicht bloß, vom Haupt hinweg,
Das Haar, das goldene, die Zähne auch,
Die elfenbeinernen, mit einem Werkzeug,
Auf offner Straße, aus dem Mund genommen?

Thusnelda.
Ach, geh! Laß mich zufrieden.

Hermann.                                         Das glaubst du nicht?

Thusnelda.
Ach, was! Ventidius hat mir gesagt,
Das wär ein Märchen.

Hermann.                             Ein Märchen! So!
Ventidius hat ganz recht, wahrhaftig,
Sein Schäfchen, für die Schurzeit, sich zu kirren.

Thusnelda.
Nun, der wird doch den Kopf mir selber nicht –?

Hermann.
Ventidius? Hm! Ich steh für nichts, mein Kind.

Thusnelda (lacht).
Was? Er? Er, mir? Nun, das muß ich gestehn –!

Hermann.
Du lachst. Es sei. Die Folge wird es lehren.

(Pause.)

Thusnelda (ernsthaft).
Was denn, in aller Welt, was machen sie
In Rom, mit diesen Haaren, diesen Zähnen?

Hermann.
Was du für Fragen tust, so wahr ich lebe!

Thusnelda.
Nun ja! Wie nutzen sie, bei allen Nornen!
Auf welche Art gebrauchen sie die Dinge?
Sie können doch die fremden Locken nicht
An ihre eignen knüpfen, nicht die Zähne
Aus ihrem eignen Schädel wachsen machen?

Hermann.
Aus ihrem eignen Schädel wachsen machen!

Thusnelda.
Nun also! Wie verfahren sie? So sprich!

Hermann (mit Laune).
Die schmutzgen Haare schneiden sie sich ab,
Und hängen unsre trocknen um die Platte!
Die Zähne reißen sie, die schwarzen, aus,
Und stecken unsre weißen in die Lücken!

Thusnelda.
Was!

Hermann.
        In der Tat! Ein Schelm, wenn ich dir lüge. –

Thusnelda (glühend).
Bei allen Rachegöttern! Allen Furien!
Bei allem, was die Hölle finster macht!
Mit welchem Recht, wenn dem so ist,
Vom Kopf uns aber nehmen sie sie weg?

Hermann.
Ich weiß nicht, Thuschen, wie du heut dich stellst.
Steht August nicht, mit den Kohorten,
In allen Ländern siegreich aufgepflanzt?
Für wen erschaffen ward die Welt, als Rom?
Nimmt August nicht dem Elefanten
Das Elfenbein, das Öl der Bisamkatze,
Dem Panthertier das Fell, dem Wurm die Seide?
Was soll der Deutsche hier zum voraus haben?

Thusnelda (sieht ihn an).
Was wir zum voraus sollen –?

Hermann.                                         Allerdings.

Thusnelda.
Daß du verderben müßtest, mit Vernünfteln!
Das sind ja Tiere, Querkopf, der du bist,
Und keine Menschen!

Hermann.                           Menschen! ja, mein Thuschen,
Was ist der Deutsche in der Römer Augen?

Thusnelda.
Nun, doch kein Tier, hoff ich –?

Hermann.                                           Was? – Eine Bestie,
Die auf vier Füßen in den Wäldern läuft!
Ein Tier, das, wo der Jäger es erschaut,
Just einen Pfeilschuß wert, mehr nicht,
Und ausgeweidet und gepelzt dann wird!

Thusnelda.
Ei, die verwünschte Menschenjägerei!
Ei, der Dämonenstolz! Der Hohn der Hölle!

Hermann (lacht).
Nun wird ihr bang, um ihre Zähn und Haare.

Thusnelda.
Ei, daß wir, wie die grimmgen Eber, doch
Uns über diese Schützen werfen könnten!

Hermann (ebenso).
Wie sie nur aussehn wird! Wie'n Totenkopf!

Thusnelda.
Und diese Römer nimmst du bei dir auf?

Hermann.
Ja, Thuschen! Liebste Frau, was soll ich machen?
Soll ich, um deiner gelben Haare,
Mit Land und Leut in Kriegsgefahr mich stürzen?

Thusnelda.
Um meiner Haare! Was? Gilt es sonst nichts?
Meinst du, wenn Varus so gestimmt, er werde
Das Fell dir um die nackten Schultern lassen?

Hermann.
Sehr wahr, beim Himmel! Das bedacht ich nicht.
Es sei! Ich will die Sach mir überlegen.

Thusnelda.
Dir überlegen! – Er rücket ja schon ein!

Hermann.
Je nun, mein Kind. Man schlägt ihn wieder 'naus.

(Sie sieht ihn an.)

Thusnelda.
Ach, geh! Ein Geck bist du, ich sehs, und äffst mich!
Nicht, nicht? Gestehs mir nur: du scherztest bloß?

Hermann (küßt sie).
Ja. – Mit der Wahrheit, wie ein Abderit.
– Warum soll sich, von seiner Not,
Der Mensch, auf muntre Art, nicht unterhalten? –
Die Sach ist zehnmal schlimmer, als ichs machte,
Und doch auch, wieder so betrachtet,
Bei weitem nicht so schlimm. – Beruhge dich.

(Pause.)

Thusnelda.
Nun, meine goldnen Locken kriegt er nicht!
Die Hand, die in den Mund mir käme,
Wie jener Frau, um meiner Zähne:
Ich weiß nicht, Hermann, was ich mit ihr machte.

Hermann (lacht).
Ja, liebste Frau, da hast du recht! Beiß zu!
Danach wird weder Hund noch Katze krähen. –

Thusnelda.
Doch sieh! Wer fleucht so eilig dort heran?


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