Heinrich von Kleist
Die Hermannsschlacht
Heinrich von Kleist

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Neunter Auftritt

Aristan, Fürst der Ubier, tritt eilig auf. Die Vorigen.

Aristan.
Verräterei! Verräterei!
Marbod und Hermann stehn im Bund, Quintilius!
Den Teutoburger Wald umringen sie,
Mit deinem ganzen Heere dich
In der Moräste Tiefen zu ersticken!

Varus.
Daß du zur Eule werden müßtest,
Mit deinem mitternächtlichen Geschrei!
– Woher kommt dir die Nachricht?

Aristan.                                                     Mir die Nachricht? –
Hier lies den Brief, bei allen Römergöttern,
Den er mit Pfeilen eben jetzt
Ließ in die Feu'r der Deutschen schießen,
Die deinem Heereszug hierher gefolgt!
(Er gibt ihm einen Zettel.)
Er spricht von Freiheit, Vaterland und Rache,
Ruft uns – ich bitte dich! der giftge Meuter, auf,
Uns mutig seinen Scharen anzuschließen,
Die Stunde hätte deinem Heer geschlagen,
Und droht, jedwedes Haupt, das er in Waffen
Erschauen wird, die Sache Roms verfechtend,
Mit einem Beil, vom Rumpf herab, zum Kuß
Auf der Germania heilgen Grund zu nötgen!

Varus (nachdem er gelesen).
Was sagten die germanschen Herrn dazu?

Aristan.
Was sie dazu gesagt? Die gleißnerischen Gauner!
Sie fallen alle von dir ab!
Fust rief zuerst, der Cimbern Fürst,
Die andern gleich, auf dieses Blatt, zusammen;
Und, unter einer Fichte eng
Die Häupter aneinander drückend,
Stand, einer Glucke gleich, die Rotte der Rebellen,
Und brütete, die Waffen plusternd,
Gott weiß, welch eine Untat aus,
Mordvolle Blick auf mich zur Seite werfend,
Der aus der Ferne sie in Aufsicht nahm!

Varus (scharf).
Und du, Verräter, folgst dem Aufruf nicht?

Aristan.
Wer? Ich? Dem Ruf Armins? – Zeus' Donnerkeil
Soll mich hier gleich zur Erde schmettern,
Wenn der Gedank auch nur mein Herz beschlich!

Varus.
Gewiß? Gewiß? – Daß mir der Schlechtste just,
Von allen deutschen Fürsten, bleiben muß!
Doch, kann es anders sein? – – O Hermann! Hermann!
So kann man blondes Haar und blaue Augen haben,
Und doch so falsch sein, wie ein Punier?
Auf! Noch ist alles nicht verloren. –
Publius Sextus!

Zweiter Feldherr.
                          Was gebeut mein Feldherr?

Varus.
Nimm die Kohorten, die den Schweif mir bilden,
Und wirf die deutsche Hülfsschar gleich,
Die meinem Zug hierher gefolgt, zusammen!
Zur Hölle, mitleidlos, eh sie sich noch entschlossen,
Die ganze Meuterbrut, herab;
Es fehlt mir hier an Stricken, sie zu binden!
(Er nimmt Schild und Spieß aus der Hand eines Römers.)
Ihr aber – folgt mir zu den Legionen!
Arminius, der Verräter, wähnt,
Mich durch den Anblick der Gefahr zu schrecken;
Laß sehn, wie er sich fassen wird,
Wenn ich, die Waffen in der Hand,
Gleich einem Eber, jetzt hinein mich stürze!

(Alle ab.)

 
Szene: Eingang des Teutoburger Walds.

Zehnter Auftritt

Egbert mit mehreren Feldherrn und Hauptleuten stehen versammelt. Fackeln. Im Hintergrunde das Cheruskerheer.

Egbert.
Hier, meine Freunde! Sammelt euch um mich!
Ich will das Wort euch mutig führen!
Denkt, daß die Sueven Deutsche sind, wie ihr:
Und wie sich seine Red auch wendet,
Verharrt bei eurem Entschluß nicht zu fechten!

Erster Feldherr.
Hier kommt er schon.

Ein Hauptmann.                 Doch rat ich Vorsicht an!

Eilfter Auftritt

Hermann und Winfried treten auf. Die Vorigen.

Hermann (in die Ferne schauend).
Siehst du die Feuer dort?

Winfried.                                 Das ist der Marbod! –
Er gibt das Zeichen dir zum Angriff schon.

Hermann.
Rasch! – Daß ich keinen Augenblick verliere.
(Er tritt in die Versammlung.)
Kommt her, ihr Feldherrn der Cherusker!
Ich hab euch etwas Wichtges zu entdecken.

Egbert (indem er vortritt).
Mein Fürst und Herr, eh du das Wort ergreifst,
Vergönnst, auf einen Augenblick,
In deiner Gnade, du die Rede mir!

Hermann.
Dir? – Rede!

Egbert.                 Wir folgten deinem Ruf
Ins Feld des Tods, du weißt, vor wenig Wochen,
Im Wahn, den du geschickt erregt,
Es gelte Rom und die Tyrannenmacht,
Die unser heilges Vaterland zertritt.
Des Tages neueste, unselige Geschichte
Belehrt uns doch, daß wir uns schwer geirrt:
Dem August hast du dich, dem Feind des Reichs, verbunden,
Und rückst, um eines nichtgen Streits,
Marbod, dem deutschen Völkerherrn entgegen.
Cherusker, hättst du wissen können,
Leihn, wie die Ubier sich, und Äduer, nicht,
Die Sklavenkette, die der Römer bringt,
Den deutschen Brüdern um den Hals zu legen.
Und kurz, daß ichs, o Herr, mit einem Wort dir melde:
Dein Heer verweigert mutig dir den Dienst;
Es folgt zum Sturm nach Rom dir wenn du willst,
Doch in des wackern Marbod Lager nicht.

Hermann (sieht ihn an).
Was! hört ich recht?

Winfried.                           Ihr Götter des Olymps!

Hermann.
Ihr weigert, ihr Verräter, mir den Dienst?

Winfried (ironisch).
Sie weigern dir den Dienst, du hörst! Sie wollen
Nur gegen Varus' Legionen fechten!

Hermann (indem er sich den Helm in die Augen drückt).
Nun denn, bei Wodans erznem Donnerwagen,
So soll ein grimmig Beispiel doch
Solch eine schlechte Regung in dir strafen!
– Gib deine Hand mir her!
(Er streckt ihm die Hand hin.)

Egbert.                                         Wie, mein Gebieter.

Hermann.
Mir deine Hand, sag ich! Du sollst, du Römerfeind,
Noch heut, auf ihrer Adler einen,
Im dichtesten Gedräng des Kampfs mir treffen!
Noch eh die Sonn entwich, das merk dir wohl,
Legst du ihn hier zu Füßen mir darnieder!

Egbert.
Auf wen, mein Fürst? Vergib, daß ich erstaune!
Ists Marbod nicht, dem deine Rüstung –?

Hermann.                                                         Marbod?
Meinst du, daß Hermann minder deutsch gesinnt,
Als du? – Der ist hier diesem Schwert verfallen,
Der seinem greisen Haupt ein Haar nur krümmt! –
Auf meinen Ruf, ihr Brüder, müßt ihr wissen,
Steht er auf jenen Höhn, durch eine Botschaft
Mir, vor vier Tagen, heimlich schon verbunden!
Und kurz, daß ich mich gleichfalls rund erkläre:
Auf, ihr Cherusker zu den Waffen!
Doch ihm nicht, Marbod, meinem Freunde,
Germaniens Henkersknecht, Quintilius Varus gilts!

Winfried.
Das wars, was Hermann euch zu sagen hatte.

Egbert (freudig).
Ihr Götter!

Die Feldherrn und Hauptleute (durcheinander).
                  Tag des Jubels und der Freude!

Das Cheruskerheer (jauchzend).
Heil, Hermann, Heil dir! Heil, Sohn Siegmars, dir!
Daß Wodan dir den Sieg verleihen mög!

Zwölfter Auftritt

Ein Cherusker tritt auf. Die Vorigen.

Der Cherusker.
Septimius Nerva kommt, den du gerufen!

Hermann.
Still, Freunde, still! Das ist der Halsring von der Kette,
Die der Cheruska angetan;
Jetzt muß das Werk der Freiheit gleich beginnen.

Winfried.
Wo war er?

Hermann.           Bei dem Brand in Arkon, nicht?
Beschäftiget zu retten und zu helfen?

Der Cherusker.
In Arkon, ja, mein Fürst; bei einer Hütte,
Die durch den Römerzug, in Feuer aufgegangen.
Er schüttete gerührt dem Eigner
Zwei volle Säckel Geldes aus!
Bei Gott! der ist zum reichen Mann geworden,
Und wünscht noch oft ein gleiches Unheil sich.

Hermann.
Das gute Herz!

Winfried.                 Wo stahl er doch die Säckel?

Hermann.
Dem Nachbar auf der Rechten oder Linken?

Winfried.
Er preßt mir Tränen aus.

Hermann.                                 Doch still! Da kömmt er.

Dreizehnter Auftritt

Septimius tritt auf. Die Vorigen.

Hermann (kalt).
Dein Schwert, Septimius Nerva, du mußt sterben.

Septimius.
– Mit wem sprech ich?

Hermann.                             Mit Hermann, dem Cherusker,
Germaniens Retter und Befreier
Von Roms Tyrannenjoch!

Septimius.                                 Mit dem Armin? –
Seit wann führt der so stolze Titel?

Hermann.
Seit August sich so niedre zugelegt.

Septimius.
So ist es wahr? Arminius spielte falsch?
Verriet die Freunde, die ihn schützen wollten?

Hermann.
Verriet euch, ja; was soll ich mit dir streiten?
Wir sind verknüpft, Marbod und ich,
Und werden, wenn der Morgen tagt,
Den Varus, hier im Walde, überfallen.

Septimius.
Die Götter werden ihre Söhne schützen!
– Hier ist mein Schwert!

Hermann (indem er das Schwert wieder weggibt).
                                          Führt ihn hinweg,
Und laßt sein Blut, das erste, gleich
Des Vaterlandes dürren Boden trinken!

(Zwei Cherusker ergreifen ihn.)

Septimius.
Wie, du Barbar! Mein Blut? Das wirst du nicht –!

Hermann.
Warum nicht?

Septimius (mit Würde).
                        – Weil ich dein Gefangner bin!
An deine Siegerpflicht erinnr' ich dich!

Hermann (auf sein Schwert gestützt).
An Pflicht und Recht! Sieh da, so wahr ich lebe!
Er hat das Buch vom Cicero gelesen.
Was müßt ich tun, sag an, nach diesem Werk?

Septimius.
Nach diesem Werk? Armsel'ger Spötter, du!
Mein Haupt, das wehrlos vor dir steht,
Soll deiner Rache heilig sein;
Also gebeut dir das Gefühl des Rechts,
In deines Busens Blättern aufgeschrieben!

Hermann (indem er auf ihn einschreitet).
Du weißt was Recht ist, du verfluchter Bube,
Und kamst nach Deutschland, unbeleidigt,
Um uns zu unterdrücken?
Nehmt eine Keule doppelten Gewichts,
Und schlagt ihn tot!

Septimius.
Führt mich hinweg! – hier unterlieg ich,
Weil ich mit Helden würdig nicht zu tun!
Der das Geschlecht der königlichen Menschen
Besiegt, in Ost und West, der ward
Von Hunden in Germanien zerrissen:
Das wird die Inschrift meines Grabmals sein!

(Er geht ab; Wache folgt ihm.)

Das Heer (in der Ferne).
Hurrah! Hurrah! Der Nornentag bricht an!


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