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Störtebecker
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Er saß in seiner Kammer am offenen Fenster und sah einem Kranichzug nach, der über die Stadt strich.

Da hörte er dumpfe Schritte die Treppe herauftappen, die vor seiner Tür haltmachten.

Blitzschnell drehte er sich herum, zog sein Dolchmesser und stellte sich hinter die Tür, die nach innen aufging.

Er lachte und warf sein Messer zu Boden.

Töllessen – Bruder – wie hast du mich ausfindig gemacht?

Töllessen standen die Tränen in den Augen wie einem dreizehnjährigen Mädchen, das nach langer Trennung die Mutter wiedersieht.

Störtebecker schüttelte ihn wie ein Bündel Kleider.

Komm, wir gehen in die Schenkstube. Eine Flasche Malvasier soll uns nicht zu schlecht sein für dieses Wiedersehen.

Töllessen schüttelte den Kopf.

Laß, Kapitän. Ich habe mit dir zu sprechen. Ernsthaft zu sprechen.

Störtebecker warf sich auf seine Matratze. Töllessen stand jetzt am Fenster. Die Kraniche waren nur wie Punkte noch zu sehen.

Störtebecker: Sprich, Hans.

Klaus, Töllessen würgte, Klaus, du darfst uns nicht verlassen.

Er fiel vor ihm in die Knie.

Die Schweißhunde sind uns auf den Fersen. Ihr Gebell tönt immer rauher. Und das Triumphgeschrei der Jäger schallt zu uns: Sie haben keinen Führer mehr. Störtebecker ist geflohen. Er hat sie im Stich gelassen.

Störtebecker schloß die Augen. Er sprach ganz leise. Es klang, wie eine Hummel summt:

Hans, du weißt, weshalb ich von euch ging. Die Schlacht gegen die Seehunde kann ich nicht vergessen. Ich habe ehrlich gekämpft: Mann gegen Mann: ich habe niemand den Dolch in den Nacken gestoßen, der mir nicht das gleiche getan hätte, wenn ich nicht flinker war als er. Aber jene Schlacht, jenes Schlachten wehrloser Tiere: ich kann es nicht vergessen, Hans!

Wir hatten acht Wochen kein Gefecht gehabt, Klaus: da kam es über uns. Ich begreife es heute nicht mehr. Mir selbst möchte ich ins Gesicht speien dafür. Glaub mir, Klaus. Verzeih uns! Verzeih mir! Die Mannschaft läßt dich um Vergebung bitten. Wir sind verloren, wenn du uns nicht hilfst. Brandes ist verwirrt und weiß nicht, was er tun soll. Er kreuzt unruhig mit einer Galeone und sechs Karavellen vor Jütland. Wir haben an der Galeone eine neue Galeonsfigur angebracht, Klaus. Der Widderkopf ist uns in einem Gefecht mit den Dänen abgeschossen worden.

Der Widder abgeschossen? Ein böses Zeichen.

Störtebecker hielt noch immer die Augen geschlossen.

Claudius hat eine neue Galeonsfigur geschnitzt: aus einem Stück Fockenmast von einer dänischen Brigg: deinen Kopf, Klaus. Du bist immer bei uns gewesen, Klaus.

Wenn ihr meinen Kopf habt, was braucht ihr da den ganzen Leib? Laßt's euch genügen an dem, was ihr habt.

Klaus: es geht ein Gerücht –

Es gehen viele Gerüchte –

Du habest dich zu unsern Feinden geschlagen.

Er schwieg und sah durch die Wimpern wie durch einen Schleier zu Störtebecker.

Störtebecker öffnete die Augen weit.

Er setzte sich auf den Bettrand und lachte.

Eine sonderbare Methode habt ihr, meine Kameradschaft wiederzugewinnen.

Töllessen: Ich will dir den Grund des Gerüchtes sagen: Sita, die Tochter des Senators Stollenweber, unseres erbittertsten Feindes –

Was ist mit ihr?

Sie ist auf dem Orlogschiff der Hamburger Flotte, die gegen uns ausgeschickt ist. Ja, man sagt, sie, das Weib, führe den Oberbefehl über die Flotte der Hansa. Es ist ein albernes, ein kindisches Gerücht, aber ich erzähle es dir, Klaus, weil es dich interessieren könnte –

Töllessen lauerte.

Störtebecker war mit einem Schritt neben ihm am Fenster. Der Kranichzug war verschwunden. Die Dämmerung stieg wie Nebel aus den Straßen. Er dachte laut: Sie sucht mich.

Sie soll mich nicht umsonst suchen. Dann zu Töllessen: Ich bin der eure, Hans. Topp. Führe mich zu den Meinen.

Töllessen glänzte speckig vor Freude.

Ein Boot wartet an der Außenelbe. Komm, Kapitän.


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