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Störtebecker
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Sie lagen in der Heide.

Hummeln und Wespen brummten um die violetten Blüten des Heidekrautes.

Calluna vulgaris, sagte Binswanger und bog einen Büschel Blüten zu sich heran. Er schnüffelte wie ein Hund. Er erinnerte sich seiner botanischen Studien auf der hohen Schule von Helmstedt. Niedrige, verästelte und sehr gesellig wachsende Sträucher mit anliegenden, fast schuppenförmigen Blättern, winkel- oder an kurzen Zweigen endständigen Blüten, deren Kelch länger als die Blumenkrone ist, und vierfächeriger Kapsel.

Da weißt du was Rechtes.

Anke blinzelte wie ein träger Vogel, der ein heißes Sandbad nimmt, in die Sonne. Die andern lagen da und dort: die grünen, roten, gelben Wämse hoben sich aus der graugrünen Fläche wie riesige Blumen. Störtebecker lag auf einem Heidegrab und sah auf sie hernieder. Die Köpfe hatten sie tief im Heidekraut vergraben.

Ihr seht wie Geköpfte aus. Fühlt mal an euren Hals, ob ihr euren Kopf noch habt.

Töllessen in seinem roten Wams warf sich mit einem Ruck herum.

Sei so gut, ja.

Brandes lag auf dem Bauch, fraß Erde, spuckte sie wieder aus.

Binswanger: Ich brauch' die Erde gar nicht erst in den Mund zu nehmen: ich weiß, daß sie stark quarzhaltig ist. Ich weiß. Es kommt auf das Wissen an.

Brandes rollte sich wie eine schlecht geteerte Tonne zu ihm heran. Er stank. Er zog sein Messer und setzte es ihm an den zarten mädchenhaften Hals:

Darauf kommt es an. Auf das Können.

Ohne daß die andern es bemerkten, war Anke wie eine braune Eidechse zu Störtebecker auf den Hügel geschlichen. Er riß sie an ihren Zöpfen zu sich heran.

Sie lagen stumm.

Die Sonne brannte.

Die Hummeln und Bienen sangen.

Hier unten liegt ein Toter, sagte Anke, und wir lieben uns.

Ja, sagte Störtebecker, darauf kommt es an: auf das Sein.

Sein oder Nichtsein, das ist mir gleich, wenn ich nur mit dir bin, wenn du bist, und wenn ich mit dir nicht bin, wenn du nicht bist.

Sie schwiegen und versanken im Heidekraut. Störtebecker spielte mit einem Zweig.

Die Leute machen Besen aus diesen Zweigen und Ästen. Ich werde mir einen sauberen Besen in dieser Heide schneiden und das feiste Gesindel in Hamburg aus den Toren herauspeitschen.

Anke glühte:

Ja, das wirst du tun! Peitsche sie! Peitsche sie! Du mußt sie nackt aus der Stadt herauspeitschen: die zarten Herrchen und die feinen Fräulein, die so viel Kinder vor der Zeit aus ihrem Leibe trieben, daß sie keine Brüste mehr haben, nur Lappen, und die wie Säue alle vierzehn Tage bluten. Komm, ich helfe dir den Besen schneiden!

Sie strich sich das Haar aus der Stirn und warf die Zöpfe über die Schulter. Dann sprang sie auf.

Die Sonne schwebte dicht über dem Horizont. Der Heidenebel stieg, und sie sah wie eine rote Laterne aus.

Störtebecker hörte ein Knurren aus der Kute unterhalb seines Hügels.

Ein Wolf! sagte Töllessen.

Sie umstellten die Kute.

Da brach das Tier auch schon aus dem Gehölz, sprang Binswanger mit einem mächtigen Satz an, daß er umfiel, und war in der Heide verschwunden.

Lupus in fabula, sagte Binswanger.

Anke lachte, daß ihr die Tränen herunterliefen.

Störtebecker lächelte:

Ein Schäferhund! Da können die Schafe nicht allzuweit sein, zu deren Schur wir bestellt sind. Vorwärts!

Die Lichter von Lüneburg glänzten durch die Nacht.

Ich freue mich, mal wieder ein Wasser zu sehen, und wenn's auch die Ilmenau ist, grinste Töllessen.

Wie ist das mit dem Lüneburger Silberschatz, Klaus? Anke hängte sich an ihn wie ein Schwertgehenk. Sind auch Ketten darunter, um den Hals zu tragen?

Störtebecker brummte:

Halt dein Maul. Du bist schön genug, so wie du bist. Ja: es sind auch Ketten unter dem Silberschatz. Und wir tun gut, uns vorzusehn, daß man uns nicht darein schlägt, in diese Ketten, die wir zerbrechen wollen.

Brandes fluchte:

Ich habe einen gottverdammten Hunger.

Störtebecker:

Wart bis Lüneburg. Kannst dich an Lüneburger Brinken satt fressen.


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