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Penang

Die Vegetation der malayischen Halbinsel beeindruckt mich, als sähe ich ihresgleichen zum erstenmal. Voll Entzücken betrachte ich die naive Selbstsicherheit der Schößlinge, die kluge Geschmeidigkeit der Schlingpflanzen, das sanftausdauernde Werben der Blätter um einen Platz am Licht – jenes wundersame tropische Vegetieren, das in der Stille den Eindruck größerer Bewegtheit macht, als die Unrast einer Menschenmenge. Wohl fehlen, dank der überstarken Belichtung, die Farben- und Formnuancen, von dem die Schönheit eines Waldes im Norden abhängen würde; nur mit Mühe gelingt es, aus dem Grün eine Einzelgestalt herauszulösen. Aber gerade deshalb lebt das Ganze desto mehr; im Ganzen geht alles Einzeldasein auf. Wie tausend Bächlein zusammen einen Strom ergeben, so spürt man in den Tropen die Natur als unteilbare grandiose Lebenseinheit. Diese Flora ist unwahrscheinlich reich, üppiger noch als die von Ceylon. Und schöner ist sie insofern, als hier hochragende Stämme wieder und wieder das Wirrsal des Dschungels durchsetzen, so daß das zügellose Wuchern der Gewächse als Füllung einer klaren Umrißzeichnung wirkt. Zumal das lichte Grau der abgestorbenen Baumriesen hilft dem Auge das Grün übersehen. Hier hat der Tod gleichsam die Taktstriche eingezeichnet in eine sonst allzu verwobene Partitur.

Welch wundersamen Zauber besitzt die Pflanzenwelt! Die stille, wie unvermeidliche Vollendung, das selbstverständlich-harmonische Zusammenbestehen, die bewußtlose Schönheit der Gewächse, ja ihr problemloses Dasein als solches, welches trotzdem das Lebensproblem vollkommen löst, wirkt auf mich allemal wie die Versicherung, daß auch ich meinem Ziele nicht mehr fern bin. Ich selber wurzele ja tief im Pflanzenleben, so kann ich es verstehen; es ist der beharrende Unterbau meiner Bewegtheit. Und je mehr ich mir dessen bewußt bin, desto geborgener fühle ich mich. Hier nun hüllen mich die freundlichen Gewächse beinahe stürmisch in ihre Wesensluft ein. Sie reden mir zu, daß ich die Gewißheit schon habe, nach der ich blind kämpfend noch immer suche, daß ich ja schon am Ziele bin, daß alles zum besten steht. – Wie sollte gerade der tätige Mann an der Pflanze nicht seine liebste Ergänzung finden? Fürst Bismarck weilte nirgends so gern, wie im friedvollen Sachsenwald. Man redet von trotzigen Eichen, hehren Fichten: solche Bezeichnungen sind nicht gegenständlich. Das für uns Wesentliche an der Pflanze ist gerade, daß kein Wort noch Begriff aus dem tätigen Mannesleben auf sie übertragen werden kann. Aber dem Frauenleben ist sie vergleichbar, oder genauer gesagt: das Leben der Frau hat mit dem der Pflanze Ähnlichkeit; es ist ein gleiches Motiv, das den kämpfenden Mann zur stillen Frau und zur gleichmütigen Pflanze zieht. In beiden tritt die Modalität des Lebens zutage, die von vornherein am Ziele ist; die ist es, nach der seine rastlose Seele sich sehnt. So haben wir Männer denn auch, solange wir zu bestimmen hatten, das Vegetative bei der Frau akzentuiert. Des aktiven energisch-tätigen Weibes bedürfen wir nicht.

Dieser Planet muß wonnig gewesen sein dazumal, als die Pflanzenwelt auf ihm noch dominierte. War es nötig, daß das Leben überhaupt den schweren Gang tätigen Werdens antrat? Dem Sinne nach weiter als die Rose wird kein Übermensch jemals gelangen. Wozu die beschwerliche Spirale? Diese Frage, die ich so oft verstimmt gestellt, wenn ich von der Spitze eines endlich erstiegenen Turms auf die verflachte Landschaft niederschaute, ich stelle sie heute voll Wehmut. Ich weiß es: der Aufstieg ist unser Schicksal; ich selber würde verzweifeln, wenn ich rasten sollte. Aber wenn ich an die Aussicht zurückdenke, die sich auf den frühesten Stufen vor mir entrollte, an die Freuden, die mir das Leben damals bot, dann bedauere ich es doch, daß ich habe aufsteigen müssen.

 


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