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Die arme Adele

I.
                 

Es schleppen die Farren – ein Spielmann voraus –
Den schwankenden Karren mit Garben nach Haus.
Auf goldenem Korne, auf goldenem Thron
Sitzt eine im Zorne und murmelt voll Hohn:

»Mit allen Prinzessen darf kühnlich mein Leib
An Reizen sich messen. Längst hätt' mich zum Weib
Ein Junker erkoren; doch Gott sei's geklagt,
Bin unfrei geboren, eine hörige Magd.

Hochfliegende Seele, du bleibst bis zur Bahr'
Die arme Adele von Montélimar!«
So grübelt der Dirne ehrgieriger Sinn,
Dann neigt sie die Stirne und träumt vor sich hin: –

Des Schlosses Gebieter kommt heute zum Tanz,
Sie reicht ihm der Schnitter bebänderten Kranz.
Er grüßt sie mit Neigen, er bietet galant,
Der Bäu'rin zum Reigen die gräfliche Hand.

Der Wirbel wird heißer, die Schleier zerweh'n,
Der Nacken glänzt weißer als blühende Schleh'n,
Das Blondhaar so edel wie güld'ner Brokat
Umflattert das Mädel wie ein Krönungsornat.

Des Jungherren Sinne berückt diese Pracht,
Die Zauberin Minne umstrickt ihn mit Macht.
Hoch schwingt er den Körper der Schönen empor,
Er jauchzt wie die Dörper, er raunt ihr ins Ohr.

Aufatmen die Springer. Da streift sich mit Hast
Ein Ringlein vom Finger der ad'lige Gast
Und beut es der züchtig Verschämten zur Stund'
Und küßt ihr sehnsüchtig den kirschroten Mund.

Sie bebt und errötet, der Spielmann bläst Tusch,
Ein Hochzeitslied flötet Waldvöglein im Busch,
mit jubelnder Kehle grüßt ringsum die Schar
Die Gräfin Adele von Montélimar. – –

 
II.
Es sprengt durch die Halde mit reisigem Troß
Die Herrin zu Walde; dort steigt sie vom Roß.
Wildbienlein umsummen die Waldfahrerin,
Sie sinkt in die Blumen und träumt vor sich hin: –

Die Weltlust, die stolze, schoß draußen mich wund,
Krank zieh' ich zu Holze, werd' nimmer gesund.
Glück sucht' ich vermessen – jetzt such' ich arm Kind
Das Kräutlein »Vergessen« im Wald, bis ich's find'.

Von der Grasmaid zur Gräfin! Wie pries ich mein Los;
Doch Hoffart, die Äffin, sie narrte mich bloß.
Ins Wasser geschrieben ist Vornehmer Treu' –
Nichts ist mir geblieben als Ekel und Reu'.

Was helfen mir Ehren und Gold und Genuß,
Wenn sehnend entbehren der Liebe ich muß.
Die Liebe schürt Flammen, die Ehren sind Rauch!
Mein Wahn brach zusammen, mein Herz – brich du auch!...

Im Kreuzgang der Nonnen ragt marmorgefügt,
Von Rosen umsponnen, ein Prunkmal. Da liegt,
Am Gürtel Juwele, ein Krönlein im Haar,
Die arme Adele von Montélimar.


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