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Sankt Agnes Abend

Sankt Agnes Abend – oh, wie fror die Welt!
Kalt saß der Kauz trotz dickem Federkleide,
Der Hase hinkte matt durchs eisige Feld,
Wollpelzige Schafe bebten in der Heide.
In starren Fingern hing der Rosenkranz
Des Beters, dessen Atem dampfend jagte
Wie gottgefälligen Weihrauchs frommer Tanz
Und um der Jungfrau Bild, das strahlend ragte,
Wie Wolke wehte, während er Gebete sagte.

Demütig betet er, der heilige Mann,
Bis er sein Licht ergreift, um aufzustehen
Und bleich und barfuß sachten Schrittes dann
Durch der Kapelle Chorgang fortzugehen.
Die Totenstatuen geben ihm Geleit,
Die hinter schwarzen Fegefeuergittern
Gefangen beten voll Beredsamkeit:
Er geht vorbei an Damen und an Rittern
Und denkt der Qual, in der wohl deren Seelen zittern.

Er wendet nordwärts sich durch enges Tor,
Da plötzlich singt Musik mit goldnen Zungen –
In Tränen lauscht der arme Greis empor,
Doch nein – ihm hat sein Glöckchen schon geklungen:
All seines Lebens Freuden sind verhallt,
Ihn will Sankt Agnes Abend büßend sehen!
Fort eilt er, sitzt in rauher Asche bald,
Um nachtdurchwachend Gnade zu erflehen,
Um Sünders Lohn durch Leid und Reue zu entgehen.

Ein sanft Präludium hatte er erlauscht;
Und das kam so: auf standen Tür und Schranken
Für eiligen Dienst. Bald kam herabgerauscht
Der silbernen Trompeten helles Zanken.
Die ebnen Hallen harrten voller Stolz
Und glühten, tausend Gäste zu empfangen;
Geschnitzte Engel spähten starr vom Holz,
Das rückgewehte Haar umfaßt von Spangen,
Die Flügel kreuzweis unter kindlich runden Wangen.

Dann brach herein die laute Lustbarkeit
Mit Feder, Tiara und mit buntem Glanze,
Zahlreich, wie Schatten zahlreich sind im Leid,
Und so voll Prunk wie höfische Romanze –
Die alle denkt euch fort, und wollt euch still
Und andachtsvoll zu einem Fräulein kehren,
Die heut Sankt Agnes' Huld erflehen will,
Um tiefen süßen Liebestraum zu mehren,
Gut eingedenk der alten Frauen weisen Lehren.

Sie sagten, daß den Jungfraun Agnes' Nacht
Entzückende Visionen oft bereite,
Daß in der honiglichen Mitternacht
Der Liebste huldigend ans Lager gleite,
Falls sie nur recht erfüllten das Geheiß:
Sie müßten ohne Nachtmahl schlafen gehen,
Sich rücklings betten und um keinen Preis
Zur Rechten oder Linken um sich sehen,
Nur mit erhobnem Blick um Wunschgewährung flehen.

Und Magdalen sann diesem Märchen nach,
Empfand nicht der Musik verzücktes Tönen,
Die wie mit Göttermund in Seufzern sprach;
Ihr Mädchenblick, gesenkt, sah mancher Schönen
Prunkschleppe gleiten – doch sie achtet's nicht.
Manch Kavalier, der zarten Gruß ihr sagte,
Trat still zurück – sie aber blickte nicht,
Da ihre Seele nach ganz andrem fragte,
Um Agnes' Traum, den süßesten des Jahres, zagte.

Mit fernverlornem Blick schritt sie daher,
Ihr Atem flog, die Lippen bebten trunken,
Die heilige Frist war nah. Sie seufzte schwer,
Inmitten all des Lärmens traumversunken.
Und Flüstern, Lachen, Spott und Liebesschwur
Und Trommelbraus und Blick voll Dank und Strafe
Schien Traum zu sein: sie dachte wachend nur
An Agnes, ihre ungeschornen Schafe
Und was an Seligkeit sie finden sollt im Schlafe.

Sie sehnte sich, nun bald allein zu sein –
Und blieb doch noch. Indes war über Moore
Jung Porphyro, gequält von Liebespein
Um Magdalen herbeigeeilt. Am Tore,
Im Pfeilerschatten harrt er und beschwört
Die Heiligen, sein Warten zu entgelten
Mit günstigem Augenblick, der ihm gehört:
Nur schaun, nur knien vor ihren seligen Welten!
Und sprechen – fühlen – küssen! – Tat man dies so selten?

Er schleicht hinein. O schlummre nun, Verrat,
Kein Auge spähe! Sonst, sein Herz zu morden,
Sein liebefiebernd Herz, wär wild genaht
Ein Heer von Schwertern, denn barbarische Horden,
Zornheiße Feindesbrut enthielt dies Schloß;
Die Hunde würden selbst mit rauher Kehle
Ihm Flüche heulen, ihm und seinem Troß.
Ein Weib nur trotzte diesem Haßbefehle,
Ein alles Mütterchen, das siech an Leib und Seele.

Ah, Zufallsglück! Das alte Weibchen kam
Am Krückstock hinkend langsam hergeschlichen,
Und da sie ihre Schritte dorthin nahm,
Wo er, der Fackel und den feierlichen
Gesängen fern, im Säulenschatten stand,
Schrak sie zurück mit angstverwirrtem Lallen.
Doch sie erkannte ihn, nahm seine Hand:
»Oh Porphyro! Hinweg aus diesen Hallen,
Die ganze Sippe wird dich wütend überfallen!

Hinweg! Hinweg! Hier ist dir alles feind!
Zwerg Hildebrand verfluchte dich im Fieber,
Und selten war ein Fluch so ernst gemeint.
Und auch Held Moritz säh dich wahrlich lieber
Tot als lebendig! – Weh, oh weh mir! Flieh!«
»Ach, Freundin! Niemand wird uns hier entdecken,
Nimm Platz auf dieser Bank und sag mir, wie –«
»Ihr Heiligen! Man wird dich niederstrecken!
Komm, folge mir! Sonst wird dein Blut den Boden flecken.«

Durch niedre Bogengänge folgte er,
Die hohe Feder grau von Spinngeweben.
Mit Weh und Seufzen schlich die Alle her –
Dann sah er sich von kleinem Raum umgeben,
Der kühl und schweigend voller Mondschein schwamm.
»Sag, wo ist Magdalen?« sprach er; »ich flehe
Bei Agnes' Webstuhl, der so wundersam
Nur heiliger Schar erlaubt, daß sie ihn sehe,
Nur heiliger Schwesternschar, daß sie den Faden drehe.«

»Sankt Agnes! Ah, es ist Sankt Agnes Nacht!
Doch Menschen morden auch an heiligen Tagen.
Du hast wohl über Feen und Elfen Macht
Und kannst in Hexensieben Wasser tragen,
Daß du so kühn bist? Wahrlich, Porphyro,
Du wunderst mich! – Sankt Agnes Abend heute!
Die junge Herrin wartet glaubensfroh,
Daß Agnes ihr zukünftige Freuden deute.
Ach, lachen muß ich über solche jungen Leute!«

Sie kicherte im matten Mondenschein,
Und Porphyro betrachtet sie mit Staunen,
Wie wohl ein Kind ein altes Mütterlein,
Das ihm von Wichteln spricht und von Alraunen.
Bald aber leuchtete sein Auge auf,
Als seiner Dame Absicht sie berichtet,
Sehnsüchtige Tränen stiegen in ihm auf:
O junge Seele, die sich gläubig richtet
Nach all dem Spuk, den kaltes Alter ihr erdichtet!

Da kam ihm ein Gedanke, der wie Blühn
Von roter Rose ihm die Stirn betaute
Und Aufruhr warf ins Herz; der Plan war kühn,
Den er dem armen Weiblein nun vertraute.
»Oh!« rief sie, »wie du schlecht und gottlos bist!
Willst du der Herrin kindlich frommes Walten,
Gebet und Traum mit unverschämter List
Und frevlerischem Tun zum Narren halten?
Geh, geh! Du bist nicht der, für den ich dich gehalten!«

»Bei Gott! Ich schwör's, ihr soll kein Leid geschehn!«
Sprach Porphyro. »O mögen keine Gnaden
Dereinst an meinem Sterbebette stehn,
Käm nur ein Haar auf ihrem Haupt zu Schaden
Und säh ich roh in Leidenschaft sie an.
Sieh, diese Tränen sind ein Wahrheitszeichen!
Doch willst du, Treuste, mir nicht glauben, dann
Ruf ich jetzt selbst dem Feind und seinen Streichen,
Mag diese Meute auch den wilden Wölfen gleichen.«

»Ach! Was erschreckst du eine Seele so,
Die schwach, gelähmt, dem Grabe schon verfallen,
Die nur noch eines kann, mein Porphyro:
Von früh bis spät für dich Gebete lallen.« –
Ihr Klagen rührte ihn, und er begann
Sein stürmend Herz in sanftres Wort zu zwingen,
Sodaß sein Leid ihr Mitgefühl gewann
Und sie versprach, in diesen Liebesdingen
Ihm beizustehen – sollt es ihr auch Unheil bringen.

Sein Wunsch war der: in aller Heimlichkeit
Soll sie in Magdalens Gemach ihn führen,
Versteckt dort will er die geliebte Maid
Nur sehn, nur seiner Dame Nähe spüren,
Nur lauschen, was den Feen sie vertraut,
Die bleicher Zauber ihr ums Lager malte –
Vielleicht, vielleicht gewinnen eine Braut! –
Niemals Verliebten solche Nacht erstrahlte,
Seit Merlin seinem Dämon höchste Schuld bezahlte.

»So sei es, wie du wünschst,« sprach Angela,
»Ich will dorthin die Festgeschenke bringen,
Wie's alter Brauch; das Lautenspiel lehnt nah
Bei ihrem Nähplatz. Soll der Plan gelingen,
So muß ich eilen – ach, die Zeit vergeht,
Mein alter Kopf ist schwach und angstbeklommen!
Nun warte, Sohn, und kniee im Gebet –
Wohl, wohl – du sollst zur Ehe sie bekommen,
Ich helfe dir – und wär's auch nicht zu unserm Frommen.«

Und eilig, furchtsam humpelte sie fort.
Wie dehnten sich die sehnenden Minuten.
Sie kam zurück mit heisrem Flüsterwort:
»Komm mit!« Ihr Blick schien Späher zu vermuten,
So ängstlich irrte er von Stein zu Stein.
Manch dunklen Gang muß Porphyro durchschreiten,
Dann sah er sich in keuschem Raum allein
Und barg sich gut in Schattendunkelheiten
Und fühlte dieses Zimmers reine Seligkeiten.

Die Alte ging und griff mit schwacher Hand
Im Dunkel nach der Treppenbalustrade,
Als plötzlich wie ein Engel vor ihr stand
Jung Magdalen, die heut in Agnes' Gnade.
Mit hellem Kerzenlicht und Sorgsamkeit
Half sie dem Mütterchen zur Halle nieder.
Nun Porphyro, nun halte dich bereit,
Blick hin zum Bett, schon kehrt die Taube wieder:
Wie ist ihr Blick so mild, so strahlend ihr Gefieder!

Das Licht erlosch, als sie ins Zimmer lief,
Im Mondschein glitt sein kleiner Rauch von dannen.
Sie schloß die Tür, sie atmete so tief,
Nun waren Geister nah und nicht zu bannen.
Kein Laut jetzt – Wehe wär sein Widerhall!
Doch hob ihr Herz die Brust in schweren Wellen,
Als würde zungenlose Nachtigall
Vergeblich ihren Hals zum Singen schwellen
Und herzerstickt hinsterben bei des Tales Quellen.

Dreibogiges Fenster war in diesem Raum,
Üppig umkränzt von Eichenschnitzereien
Mit Blüte, Blatt und Frucht vom Rosenbaum,
Und Scheiben leuchteten in farbigen Reihen
Wie Diamant und bunter Schmetterling.
Und zwischen Heiligen in seligem Sinnen
Und Waffenzier und Kriegstrophäen hing
An Dämmerwand ein Wappenschild darinnen,
Mit Blut befleckt von Königen und Königinnen.

Hier sah der volle Wintermond herein,
Der Magdalen mit rotem Glühen schmückte,
Auf Brust und Hände fiel's wie Rosenschein,
Als sie nun knieend sich herniederbückte;
Ihr silbern Halskreuz war wie Amethyst,
Ihr Haar von mildem Heiligenschein umgeben:
Ein Engel, dem der Himmel offen ist!
So fühlte Porphyro in tiefem Beben.
Sie schien, in Unschuld betend, erdenfern zu schweben.

Wie liefe Ohnmacht hielt es ihn in Bann,
Als sie vom Perlenkranz ihr Haar entblößte,
Den warmen Schmuck vom Halse nahm und dann
Des Kleides angeschmiegte Bänder löste.
Leis knisternd sinkt das Kleid. Ein wacher Traum
Läßt sie in ihrem Bett Sankt Agnes sehen,
Doch voll zurückzuschauen wagt sie kaum,
Sonst würde all das Zauberwerk vergehen
Und all ersehntes Träumen bliebe ungeschehen.

Bald bebte sie im weichen kühlen Nest
Und lag von wacher Ohnmacht ganz benommen,
Bis sie der mohnbekränzte Schlummer fest
– So Leib wie Seele – in den Arm genommen.
Weit floh die Seele nun ins Dunkel fort
Und ruhte fern von Schmerz und Lust, verschlossen,
So wie ein Meßbuch an unheiligem Ort,
Wie Rosenkelch, wenn Regenfluten gossen,
Wie keusche Knospen oder erste Frühlingssprossen.

Und Porphyro sah hin auf's leere Kleid
Und fühlte seiner Pulse wildes Rennen
Und stand und harrte voller Bangigkeit,
Des Schlummers ruhiges Atmen zu erkennen.
Dann kam er zage aus dem Winkel vor,
Geräuschlos wie wohl eines Mädchens Bangen,
Wenn es in dunkler Wildnis sich verlor;
Zum Lager trat er hin mit heißen Wangen
Und hob den Vorhang – o wie lag sie schlafumfangen!

Als sich der Mond verbarg und silberbleich
Ein Zwielicht spann, schob er an Bettes Seite
Leis einen Tisch, warf halb in Angst ein reich
Gewand darauf, drin Rot, Gold, Schwarz sich reihte.
O jetzt ein schläfernd Morpheus-Amulet,
Da plötzlich schrill die Festtrompeten werben,
Die Kesselpauke und die Klarinett!
Die Saaltür fällt zurück – ein jäh Ersterben,
So wie Krystall, das schrill zersprang, verstummt in Scherben.

Doch hielt azurlidriger Schlaf sie fest
In bleichen, duftigen Lavendelkissen;
Indessen er aus wohlverstecktem Nest
Kandirtes Obst und andre Leckerbissen,
Gelees, die linder sind als süßer Rahm,
Und seltne Frucht aus südlichen Geländen,
Die fern von Fez mit Handelsschiffen kam,
Und Spezerein von Syriens Felsenwänden
Geschwind zum Tische trug mit fieberheißen Händen.

Dies alles häufte er in goldne Pracht
Getriebner Schalen und auf Silberplatten,
Und alles duftete in kühle Nacht
Und gleißte seltsam hell aus tiefem Schatten. –
»Und nun, mein Lieb, mein Engel du, wach auf!
Du bist wie über mir des Himmels Blauen,
Und ich, dein Beter, hoffe zu dir auf.
O laß mich deine blauen Augen schauen,
Sonst wird hier neben dir mein Schmerz in Tränen tauen.«

Und kraftlos sank ins Kissen auf ihr Haar
Sein warmer Arm. Umsonst sein leises Sprechen.
Des Traumes Bann, der Mittnachtzauber, war
Unmöglich wie vereister Strom zu brechen.
Der Teller Glanz erstrahlt im Mondenlicht,
Dem Schmuck und Fransen hundert Spiegel liehen,
Doch hinter dunklen Vorhang leuchtet's nicht,
Nichts kann die Herrin ihrem Traum entziehen,
Der Nacht so tief verstrickten Wunderphantasieen.

Er griff zur Laute. Zarte Melodie
Entlockte er in schmeichelnden Akkorden:
Provencer Lied »La belle dame sans mercy,«
Ein altes Lied, das längst schon stumm geworden.
Er schlug das Spiel in ihrer warmen Näh.
Sie stöhnte klagend, wie von Schmerz betroffen.
Er hörte auf – sie keuchte schnell – und jäh
Standen erschreckt die blauen Augen offen.
Er sank auf seine Kniee, bleich in Angst und Hoffen.

Sie blickte offen, und trotzdem sie wach,
Hat ihren Traum sie immer fortgesponnen.
Der aber war verändert, scheuchte, ach,
Des Schlaftraums tiefe und so reine Wonnen,
Was ihr die Tränen aus den Augen trieb
Und banges Weh aus liebendem Gemüte;
Auf ihn jedoch ihr Blick geheftet blieb,
Auf Porphyro, der betend vor ihr kniete,
Reglos und stumm, als sei sie eines Traumes Blüte.

»Ach Porphyro!« sprach sie, »wie war doch nur
Süß zitternd eben noch in meinen Ohren
Dein lieber Klang, des Herzens süßer Schwur.
Und wie ist jetzt dein Blick so leidverloren,
Wie bist du anders: traurig, bleich und kalt!
Du sollst mir alle Wonnen wiedergeben,
Mit deiner Augen himmlischer Gewalt
Empor aus diesem Höllenweh mich heben.
Denn wenn du stirbst, mein Lieb, weiß ich nicht wo zu leben.«

In Liebe über Sterbliche erhöht
Durch solche Laute, hat er sich erhoben:
Ein herzbewegter Stern, der flimmernd steht
In lichter Ruh saphirner Himmel droben.
In ihren Traum schmolz er hinein, wie Duft
Der Rose sich mit Veilchenduft verbindet,
Süß aufgelöst. Es bläst die Winterluft
Der Liebe Ruf, die Fenster sind erblindet
Durch scharfen Hagelschlag; Sankt Agnes' Mond verschwindet.

's ist dunkel! Windgepeitschter Hagel schlägt.
»Dies ist kein Traum, o Magdalen, du Meine!«
's ist dunkel; Sturmwind stößt und Hagel schlägt.
»Kein Traum ach, ach! Und Weh ist all das Meine!
Porphyro läßt mich hier in Harm und Schmerz.
O welch ein Frevel, dich hierher zu bringen!
In deins verloren ist mein ganzes Herz.
Ich fluche nicht dem grausamen Gelingen:
Verlassne Taube ich mit kranken jungen Schwingen!«

»Mein Magdalen? O Traum, o Himmelsbild!
Darf dein Vasall ich ewig sein – gesegnet?
Ich deiner Schönheit herzgeformter Schild?
Vor dir, Altar, ruht aus, wer dir begegnet!
Dem müden Pilger soll ein Wunder licht
Die krankzerquälte Seele nun erneuen.
Ich fand dein Nest, berauben will ich's nicht –
Nur um dein süßes Selbst, wenn ohn Bereuen
Schön Magdalen vertraun will – keinem Ungetreuen.

Horch! 's ist ein Elfensturm aus Feenland,
Sehr teuflisch polternd, doch für uns voll Gnade:
Steh auf – steh auf! Schon glüht der Morgenbrand;
Die vollen Zecher sehn nicht unsre Pfade!
So laß uns eilig fliehn und froh, du Mein!
Denn keiner hört, kein Fuß vermag zu stehen, –
Betrunken sind sie all von Met und Wein:
Wach auf! Steh auf! Und laß uns furchtlos gehen,
Und hinterm Moor sollst du bei mir die Heimat sehen.«

Sie eilt bei seinen Worten – angstbedrückt,
Denn schlafend rings viel gierige Drachen liegen, –
Hellwach vielleicht, den Todesspeer gezückt.
Sie hasteten hinab die Dämmerstiegen.
Im ganzen Hause ist kein Menschenlaut,
Nur Fackeln flackern wild in Eisenringen;
Und über lose Stofftapeten haut
Der Sturm ein Wogenspiel von Geisterschwingen,
Die tobend durch die hohe zugige Halle dringen.

Die beiden gleiten wie Phantome fort,
Durch weiten Gang zum eisernen Portale,
Berauscht und schnarchend lag der Wächter dort,
In seinen Fingern noch die nasse Schale.
Der Bluthund hebt sich, schüttelt Fell und Strick,
Doch sieht und wittert er den Hausgenossen.
Und Bolz und Riegel gleiten leicht zurück,
Der Schlüssel dreht – das Tor ist aufgeschlossen
Und öffnet sich in ächzenden Scharnierkolossen.

Und sie sind fort. Vor langen Jahren flohn
Die Liebenden hinaus ins Ungewitter.
In jener Nachtzeit träumte der Baron
Von manchem Feind, auch waren seine Ritter
Schwer alpbedrückt von Hexe, Wurm und Wicht
Und Höllenspuk und eklen Grabgestalten.
Die Alte starb mit gräßlichem Gesicht. –
Der Beter schlief nach langem Händefalten
In seiner kalten Asche, stets für fremd gehalten.


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