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An die Hoffnung

Wenn ich in meinem Zimmer einsam bin
Und häßliche Gedanken mich umdunkeln,
Wenn keine Traumlust schmeichelt meinem Sinn,
Aus kahlem Leben keine Blüten funkeln,
Dann, süße Hoffnung, schenke Balsam du,
Mit Silberschwingen fächle mich in Ruh.

Und wenn ich wandre zu Beginn der Nacht
Durch Dickichte, die keinen Mondglanz kennen,
Und wenn Verzagtheit mich bekümmert macht
Und gut versteht, von Frohsinn mich zu trennen,
Dann lug durchs Laubendach als lichter Stern
Und halt den Teufel Kleinmut von mir fern.

Und sollt Verdruß, der Verzweiflung liebt,
Für sie nach meinem jungen Herzen krallen,
Die durch die Luft gleich schwarzer Wolke schiebt
Und immer lauert, auf mich herzufallen,
Dann, süße Hoffnung, strahle deine Pracht
Und scheuche ihn, wie Morgen scheucht die Nacht!

Spricht je das Schicksal jener, die mir nah,
Zu meinem Herzen von betrübten Sorgen,
O Hoffnung, heiliges Auge, lächle da,
Laß deine süßen Tröstungen mich borgen,
Himmlisches Leuchten, Hoffnung, schenke du,
Mit Silberschwingen fächle mich in Ruh!

Wenn je unglücklich Lieben an mir zehrt
Zu einer grausam unbarmherzigen Schönen,
So laß mich denken, daß es doch von Wert,
Sonette in die Mitternacht zu stöhnen!
O süße Hoffnung, schenke Balsam du,
Mit Silberschwingen fächle mich in Ruh!

Im langen Lauf der Jahre, die da gehn,
Gib mir, daß unser Land der Ehre diene,
Und laß mich wieder seine Seele sehn:
Die Freiheit – nicht nur freiheitliche Miene.
Besondern Glanz, o Hoffnung, schenke du –
Und gib mir unter kühlen Schwingen Ruh!

Die große Freiheit, weiß und ungeschmückt,
Um deren Reinheit Patrioten sterben,
Laß mich nicht sehn, wie sie der Purpur drückt
Und sie sich beugt und bietet dem Verderben;
Doch laß mich deine Silberschwingen sehn,
Die glitzernd breit in dunklen Himmeln stehn.

Und wie wohl eines Sternes kleines Licht
Verheißungsvoll in schwarzen Höhen funkelt
Und milden Strahls durch finstre Wolken bricht,
So, süße Hoffnung, wenn mein Sinn umdunkelt
Von trübem Ahnen, dann erscheine du,
Mit Silberschwingen fächle mich in Ruh!


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