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Viertes Kapitel.
Die ikarischen Gemeinden.

1. Die Entstehung von Ikaria.

Zu den interessantesten Abschnitten der Geschichte des amerikanischen Kommunismus gehören die ikarischen Experimente. Die Berichte von den geduldig ertragenen Leiden, der heldenhaften Aufopferung und den bitteren Streitigkeiten dieser Kolonien erstrecken sich nahezu über ein halbes Jahrhundert; sie sind voll Pathos und Belehrung und der Gegenstand zahlreicher Monographien, Broschüren und Zeitungsartikel gewesen.

Etienne Cabet, der Gründer und geistige Vater der ikarischen Gemeinden, wurde zu Dijon in Frankreich im Jahre 1788 geboren. Er genoß eine ausgezeichnete Erziehung, studierte Medizin und Rechtswissenschaft und übte den letzteren Beruf in seiner Geburtsstadt mit bedeutendem Erfolge aus. In jungen Jahren ließ er sich in Paris nieder, woselbst er mit den geheimen revolutionären Gesellschaften in Verbindung trat, deren es zu jener Zeit in der französischen Hauptstadt eine Überfülle gab.

An der Revolution im Jahre 1830 nahm er in führender Stellung als Mitglied des »Insurrektionskomitees« teil und wurde nach der Thronbesteigung Ludwig Philipps zum Generalprokurator für Korsika ernannt. Diese Ernennung war ein kluger Schachzug der Regierung, um den gefährlichen Demokraten unter dem Vorwand, ihn für seine Dienste während der Revolution zu belohnen, aus der revolutionären Pariser Atmosphäre zu verbannen. Die Ratgeber des Bürgerkönigs hatten jedoch nicht mit Cabets aufrechter Natur gerechnet. Kaum hatte der neue Generalprokurator sein Amt aus Korsika angetreten, so finden wir ihn auch schon aggressiv tätig in den Reihen der radikalen, die Verwaltung bekämpfenden Partei. Wie zu erwarten war, wurde er mit gebührender Eile aus dem Amte entfernt. Im Jahre 1834 erwählten ihn seine Mitbürger von Dijon zu ihrem Abgeordneten in das Unterhaus. Seine standhafte Opposition gegen die Verwaltung und seine revolutionäre Haltung in der Kammer lenkten neuerdings den Zorn der Regierung auf ihn. Nachdem er wegen Majestätsbeleidigung vor Gericht gestellt worden war, wurde er vor die Wahl zwischen zwei Jahren Gefängnis und fünf Jahren Verbannung gestellt.

Cabet wählte das letztere und wanderte nach England aus. Hier fand der vielbeschäftigte Politiker zum erstenmal Muße zum Studium und Nachdenken, deren Frucht ein dem Owenschen sehr ähnliches kommunistisches System war.

Als Cabet 1839 nach Frankreich zurückkehrte, veröffentlichte er seine Ansichten in dem Werke » Voyage en Icarie« (»Reise nach Ikarien«). Die Veröffentlichung dieses Buches bezeichnete einen Wendepunkt in seiner gesamten Laufbahn. Die »Reise nach Ikarien« ist in der Form eines Romans verfaßt, dessen äußerst einfache Handlung, kurz zusammengefaßt, folgende ist: Lord Carisdall, ein junger englischer Edelmann, hat durch Zufall von dem Vorhandensein eines fernen, isoliert gelegenen Landes mit dem Namen Ikaria erfahren. Die Ungewöhnlichkeit der Lebensweise, der Sitten und der Regierungsform der Ikarier erregen die Neugier Seiner Lordschaft, und er beschließt, das Land zu besuchen. Die »Reise nach Ikarien« gibt vor, ein Tagebuch zu sein, in dem unser Reisender seine bemerkenswerten Erfahrungen und Entdeckungen in dem sonderbaren Lande aufgezeichnet hat.

Der erste Teil des Buches enthält eine glühende Schilderung von den Segnungen des kooperativen Wirtschaftssystems der Ikarier, ihrer verschiedenartigen Berufe und Fertigkeiten, ihrer behaglichen Lebensweise, ihres bewundernswerten Erziehungssystems, ihrer hohen Sittlichkeit, ihrer politischen Freiheit, der Gleichheit der Geschlechter und des allgemeinen bei ihnen herrschenden Glückes. Der zweite Teil gibt eine Geschichte Ikariens. Die Gesellschaftsordnung dieses Landes war, wie sich zeigt, der in dem übrigen Teil der Welt herrschenden ähnlich, bis im Jahre 1782 der große Nationalheld Ikar nach einer gelungenen Revolution das System des Kommunismus begründete.

Diese Erzählung gibt Cabet Gelegenheit, aufs schärfste die Mißstände des gegenwärtigen Gesellschaftsaufbaues zu kritisieren und zugleich die Maßnahmen zu skizzieren, die er für den Übergang von dem heutigen System zu dem neuen Regime vorschlägt.

Unter diesen Maßnahmen stehen in erster Linie die progressive Einkommensteuer, die Abschaffung des Erbrechts, die staatliche Regelung der Löhne, die Einrichtung von nationalen Werkstätten und von Ackerbaukolonien und vor allem ein gründliches und liberales Erziehungssystem. Der letzte Teil des Buches enthält einen Überblick über die Entwicklung des kommunistischen Gedankens und eine zusammenfassende Darstellung der Ansichten fast aller bekannten Schriftsteller von Plato bis zu den berühmten Utopisten am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, die diesen Gegenstand behandelt haben. Der Plan des Romans unterscheidet sich nicht wesentlich von Mores »Utopia« oder Morellys »Basiliade«, die beide vor Cabets Werk erschienen, oder von den utopischen Romanen Bellamys, Howells oder Hertzkas, die nach ihm veröffentlicht wurden. Der Erfolg des Buches war außergewöhnlich.

Zwischen den Revolutionen von 1830 und 1848 befanden sich in Frankreich die Massen ständig im Zustande unbestimmter Unzufriedenheit, die nach einer bestimmten Formulierung suchte. Cabets Werk mit seinem volkstümlichen Stil, der heftigen Anklage gegen die bestehende Gesellschaftsordnung und den farbenprächtigen Bildern einer glückbringenden Verbrüderung der Menschen wurde von ihnen als ein neues Evangelium begrüßt. Eine Auflage des Buches folgte der anderen, und es gab nur wenige Arbeiter Frankreich, die es nicht gelesen hatten.

Ermutigt durch die glänzende Aufnahme der »Reise nach Ikarien« widmete sich Cabet gänzlich der Propaganda seiner kommunistischen Ideen und veröffentlichte zu diesem Zwecke zwischen 1840 und 1847 den » Populaire« und den »Ikarischen Almanach«.

Durch diese periodischen Schriften, durch seine »Reise« und durch andere Werke gewann er einen gewaltigen Einfluß auf die französischen Arbeiter; er soll im Jahre 1847 nicht weniger als 400 000 Anhänger unter ihnen gehabt haben.

Als Cabet seine »Reise nach Ikarien« schrieb, beabsichtigte er sehr wahrscheinlich nur, im allgemeinen seine Ansichten über soziale Probleme darzustellen, die auf jedes zivilisierte Land angewendet werden konnten, und dachte nicht daran, sie zum Gegenstand eines sofort zu unternehmenden sozialen Experiments zu machen. Als aber die Agitation für den »Ikarianismus« zunahm und zu sehr hitzigen Kontroversen mit den Gegnern dieser Bewegung Anlaß gab, da drängten ihn seine begeisterten Anhänger, eine ikarische Kolonie zu gründen, um die Wahrheit seiner Theorien durch einen praktischen Beweis zu rechtfertigen. Dementsprechend erließ Cabet im Mai des Jahres 1847 einen Aufruf an die französischen Arbeiter unter der Überschrift » Allons en Icarie« (»Auf nach Ikaria«).

Diese Proklamation ist in dem für Cabet charakteristischen Stile triumphierender Begeisterung gehalten.

Indem sie die Leiden und Verfolgungen aufzählt, denen die Ikarier in Frankreich unterworfen waren, und erklärt, daß selbst eine erfolgreiche Revolution in ihrem Vaterland der Arbeiterklasse nicht helfen würde, öffnet sie einen großartigen Ausblick auf die Zukunft der ikarischen Siedlung. Cabet glaubte, daß sofort nicht weniger als zehn- bis zwanzigtausend Arbeiter seinem Aufruf Nachkommen würden und daß ihnen in kurzer Zeit eine Million gelernter Arbeiter und Handwerker folgen würde. Mit einer solchen Armee hoffte er ungeheuere Städte und Dörfer mit bedeutenden Industrien, Schulen, Theater usw. auf der Grundlage des Kommunismus zu erbauen, kurz ein wahres Paradies auf Erden mit einer glücklichen Bevölkerung von Gleichberechtigten zu errichten. Das Schriftstück schloß mit einer beredten Beschreibung des herrlichen Klimas und des fruchtbaren Bodens in »Amerika«.

Die Proklamation übte auf die Ikarier eine zauberhafte Wirkung. Cabet erhielt von seinen begeisterten Schülern Tausende von Briefen, die Gaben für die zukünftige Gemeinde anboten. Diese Angebote erstreckten sich auf Hauseinrichtungsgegenstände, Werkzeuge, Kleider, Gemälde, Gewehre, Samen, Bibliotheken, Juwelen, Geld – alles, was man sich nur vorstellen kann, natürlich auch eine Anzahl höchst wertvoller Erfindungen aller Art, die in der neuen Kolonie erprobt werden sollten. Einige Wochen nach dem Erlaß der Proklamation kündigte Cabet im » Populaire« an, er hoffe, mehr als eine Million Teilnehmer für sein Unternehmen zusammenbringen zu können.

Es wurde nunmehr notwendig, eine bestimmtere Örtlichkeit für die beabsichtigte Siedlung auszuwählen, als das sehr vage »Amerika«. Im September 1847 ging Cabet daher nach London, um den Rat Robert Owens hierüber einzuholen. Owen empfahl Texas. Texas war gerade damals in die Union aufgenommen worden und suchte eifrig sein gewaltiges, unbewohntes Gebiet zu bevölkern. Große Landstrecken wurden von dem neuen Staate privaten Unternehmungen unter der Bedingung verwilligt, daß sie Ansiedler herbeischafften. Der Vertreter einer solchen Unternehmung – der Peters-Kompanie – war im Januar 1848 zufällig in London. Als Cabet davon erfuhr, kam er sofort wieder nach London und schloß am 3. Januar 1848 einen Kontrakt mit der Peters-Kompanie, wonach sich diese bereit erklärte, ihm eine Million Acres Land in Texas unter der Bedingung zu überlassen, daß die Kolonie vor dem 1. Juli 1848 davon Besitz ergreife.

Cabet war glücklich und verkündete sofort in den Spalten seines Blattes » Populaire«, daß er »nach sorgfältiger Prüfung aller passenden Länder« einen schönen und fruchtbaren Landstrich in Texas für die geplante Kolonie gewählt habe.

Die erste »Avantgarde«, bestehend aus neunundsechzig Personen, segelte im Februar 1848 von Havre ab. Vor ihrer Abreise fand eine sehr eindrucksvolle Zeremonie auf dem Hafendamm statt. Die Pioniere unterzeichneten feierlich einen »Gesellschaftsvertrag«, in dem sie sich auf die Grundsätze des Kommunismus verpflichteten; Cabet hielt eine ergreifende Ansprache über die Ziele und die Zukunft der Bewegung und schrieb nach der Heimkehr im » Populaire«: »Beim Anblick von Männern, wie die der Avantgarde, kann ich nicht an der Regeneration des Menschengeschlechtes zweifeln ... Der 3. Februar 1848 wird ein epochemachender Tag sein, denn an diesem Tage geschah eine der großartigsten Taten in der Geschichte des Menschengeschlechtes: die Avantgarde hat sich aus dem Schiff »Rom« nach Ikarien eingeschifft ... Mögen Wind und Wogen euch günstig sein, ihr Soldaten der Menschheit! und wir Ikarier, die wir zurückbleiben, wir wollen ohne Säumen uns vorbereiten, uns mit unseren Freunden und Brüdern zu vereinen!«

2. Texas.

Die »Avantgarde« der Ikarier kam am 27. März 1848 in New Orleans an. Sofort begannen die Enttäuschungen für sie. Es zeigte sich, daß Cabet den gerissenen Geschäftsmethoden der amerikanischen Landagenten nicht gewachsen gewesen war, und daß er die Angaben des Vertreters der Peters-Kompanie zu buchstäblich genommen hatte. Man hatte den Ikariern vorgeschwindelt, daß das Land der Peters-Kompanie vom Roten Flusse berührt würde und zu Wasser erreichbar sei. Als man aber die Landkarte zu Rate zog, zeigte es sich, daß »Ikaria« durch eine pfadlose Wildnis von mehr als 250 Meilen vom Roten Fluß getrennt war.

Eine andere, nicht weniger schwere Enttäuschung brachte den Pionieren die eigentümliche Zuteilung von Land. Der Staat Texas hatte sein unbewohntes Gebiet in quadratische Abschnitte von je 640 Acres (eine Quadratmeile) geteilt, und der Peters-Kompanie jeden zweiten Abschnitt eines bestimmten Gebietes verwilligt. Die Peters-Kompanie ihrerseits teilte ihre Abschnitte in Hälften von 320 Acres und überließ den Ikariern jede zweite Hälfte. Um dem Leser eine deutliche Vorstellung von der Lage des Landes der ikarischen Siedler zu geben, bringen wir hier die von Dr. Albert Shaw in seiner »Ikaria« veröffentlichte Illustration zum Abdruck.

 

Siehe Bildunterschrift

Verteilung der ikarischen Ländereien in Texas.

 

In dieser Zeichnung bedeuten die weißen Abschnitte das vom Staate Texas reservierte Land, die weißen Halbabschnitte das von der Peters-Kompanie zurückbehaltene Land, und die schraffierten Halbabschnitte das von Cabet erworbene Land.

Die Torheit, eine kommunistische Kolonie mit zentraler Verwaltung und kooperativem System in Industrie und Ackerbau auf vielen zerstreuten und zusammenhängenden Landstücken gründen zu wollen, ist so begreiflich, daß sie keiner Darlegung bedarf.

Auch das war noch nicht alles. Der » Populaire« hatte die Ikarier versichert, daß eine Million Acres Land von Cabet erworben worden seien. Wie sich aber bei genauerer Prüfung zeigte, stipulierte der Kontrakt der Peters-Kompanie ausdrücklich, daß 3125 Personen oder Familien je 320 Acres Land erhalten sollten, falls sie es wirklich in Besitz nehmen, das heißt wenigstens ein Blockhaus auf ihren betreffenden Landstücken vor dem 1. Juli 1848 bauen würden. Da die kleine Avantgarde vor dem 1. Juli 1848 kaum mehr als etwa dreißig Blockhütten zu errichten vermochte, konnte sie auch nicht mehr als ungefähr 10 000 Acres oder den hundertsten Teil der versprochenen Million sichern.

Diese Enttäuschungen schreckten jedoch die entschlossene Schar nicht von ihrer Fahrt ab. In Shreveport angekommen, verschafften sie sich einige Ochsengespanne und einen Wagen und machten sich auf den Weg nach Ikaria. Die Beschwerden dieser mühseligen Wanderung lassen sich kaum schildern. Der einzige Wagen zerbrach, die Vorräte gingen aus, und Krankheit brach herein. Endlich kamen sie in das versprochene Land, eine kranke und müde Schar.

Aber mit der für den Pionier charakteristischen Energie und gutes Mutes machten sie sich ohne Säumen an die Arbeit. Sie bauten ein kleines Blockhaus und einige Schuppen und begannen die Prärie zu pflügen. Inzwischen war der Juli herangekommen, und mit ihm das Malariafieber. Die geschwächten und überarbeiteten Ikarier wurden eine leichte Beute der Krankheit; vier von ihnen starben, ihr einziger Arzt wurde unheilbar wahnsinnig, und jedermann in der Siedlung war krank.

So lagen die Verhältnisse im September, als ein Teil der zweiten Avantgarde der Ikarier, ungefähr zehn Personen (die zweite Avantgarde bestand aus neunzehn Mann, statt der versprochenen 1500, und ein Teil von ihnen kam nicht bis nach Ikaria, da sie unterwegs erkrankt waren), zu ihnen stieß. Unter diesen Umständen beschlossen die Pioniere, Texas zu verlassen. Um den Rückweg zu erleichtern, teilten sie sich in Gruppen von zwei bis vier Mann und versahen jeden einzelnen mit ungefähr sechs Dollar; mehr war ihnen nicht geblieben. Nach vielen Leiden kam die müde Gesellschaft im Winter 1848 in New Orleans an. Hier trafen sie mehrere neue Abteilungen ikarischer Emigranten aus Frankreich, darunter Cabet selbst.

Inzwischen hatte in Frankreich die ikarische Bewegung viel Kraft verloren. Die Februarrevolution des Jahres 1848 stürzte das Königtum Louis Philipps und schuf die zweite Republik. Das »Recht auf Arbeit« wurde verkündet, die »Nationalwerkstätten« wurden eröffnet. Die Arbeiter Frankreichs waren voll Hoffnung auf eine soziale Wiedergeburt ihres Landes, und eine Bewegung, die die Gründung eines kommunistischen Staates im Ausland zum Ziel hatte, fand bei ihnen nur wenig Anklang.

Die von Cabet gegen Ende des Jahres 1847 erwartete Million Ikarier schmolz auf weniger als 500 zusammen, die sich im Dezember 1848 und im Januar 1849 um ihn in New Orleans sammelten.

Die Kapitalien der Ikarier beliefen sich zu dieser Zeit auf ungefähr 17 000 Dollar.

Eine neue Auswanderung nach Texas mit so beschränkten Mitteln und nach den entmutigenden Erfahrungen der ersten Avantgarde zu unternehmen, kam nicht in Frage. Die Ikarier ergaben sich also darein, zunächst in New Orleans zu bleiben, bis ein geeigneter Platz gefunden war.

Inzwischen entstanden Meinungsverschiedenheiten unter den Ikariern, infolge deren ungefähr 200 sich von ihnen trennten. Der Rest, 280 an Zahl, entschloß sich endlich für Nauvoo im Staate Illinois als Siedlungsort und erreichte diese Stadt Mitte März 1849, nachdem sie auf der Reise zwanzig Mann als Opfer der Cholera verloren hatten.

3. Nauvoo.

Die Stadt Nauvoo im Kreise Hancock, Illinois, wurde von Mormonen unter der Führung von Joseph Smith erbaut. Im Jahre 1845, als die Bevölkerung von Chicago ungefähr 8000 zählte, hatte Nauvoo 15 000 Einwohner und war die wohlhabendste und blühendste Stadt im Staate.

Die Verfolgung der Mormonen verschärfte sich; Joseph Smith wurde getötet, und sein Nachfolger, Brigham Young, organisierte eine allgemeine Wanderung seiner Jünger nach Utah.

Im Jahre 1849 war Nauvoo mit seinen weiten Strecken kultivierten Landes und seinen zahlreichen Gebäuden tatsächlich verlassen. Nur ein mormonischer Beauftragter war zurückgeblieben, der über den Besitz zu wachen hatte und sehnsüchtig nach Käufern oder Pächtern Ausschau hielt.

Diese gute Gelegenheit schien den Ikariern fast eine Schickung der Vorsehung zu sein; sie zögerten daher nicht, von ihr Gebrauch zu machen.

Sie pachteten ungefähr 800 Acres Land, kauften eine Mühle, eine Brennerei und einige Häuser; zum erstenmal schien ihnen das Glück zu lächeln.

Die nächsten sechs oder sieben Jahre waren eine Zeit allgemeinen Gedeihens in der Geschichte Ikariens. Das Hauptgebäude, das ungefähr 150 Fuß lang war, wurde als gemeinsame Speisehalle, Versammlungslokal usw. benützt. Außerdem hatten sie ein Schulhaus, Werkstätten, ein Wohnhaus mit vierzig Zimmern und eine Anzahl kleinerer Häuser.

Sie bebauten 1000 Acres gepachteten Landes, betrieben eine Mahlmühle, eine Sägemühle und eine Branntweinbrennerei, und hatten einige Schneider-, Schuhmacher- und Zimmermannswerkstätten; ihr Eigentum wurde auf ungefähr 75 000 Dollar geschätzt. Auch die intellektuelle und ethische Seite des Lebens wurde nicht vernachlässigt. In ihren Schulen wurden die Kinder in zahlreichen Fächern unterwiesen und sorgsam in den Grundsätzen der ikarischen Philosophie erzogen.

Zwecks der Propaganda ihrer Ideen gaben sie Zeitungen, Broschüren und Bücher in englischer, französischer und deutscher Sprache heraus; sie unterhielten eine Bibliothek von über 5000 Bänden und gaben sich oft den Vergnügungen des Theaters, der Musik und des Tanzes hin.

Ihre Mitgliedschaft hatte sich im Laufe dieser Zeit fast verdoppelt, und Ikariens Zukunft schien heiter und verheißungsvoll.

Schon bereiteten sich aber unter der glatten Oberfläche die inneren Unruhen vor. Im Februar 1850 nahmen die Ikarier eine Verfassung an, durch welche die Verwaltung ihrer Angelegenheiten einem Ausschuß von sechs Direktoren übertragen wurde. Der erste dieser Direktoren war der Präsident der Gemeinde; die anderen fünf standen je einer der folgenden Abteilungen vor:

1. Finanzwesen und Verpflegung;

2. Bekleidung und Wohnung;

3. Erziehung, Gesundheitswesen und Vergnügungen;

4. Industrie und Ackerbau;

5. Druckerei.

Die Beschlüsse des Direktorenausschusses unterlagen jedoch der Genehmigung durch die Generalversammlung, die aus allen mehr als zwanzig Jahre alten männlichen Mitgliedern bestand.

Unter der Herrschaft dieser Konstitution wurde Cabet jahraus jahrein zum Präsidenten gewählt. Anfänglich machte er von seiner Macht sehr besonnenen Gebrauch. Im Laufe der Jahre wurde aber der Gründer von Ikarien älter, engherziger und willkürlicher, und sein Vorgehen gab häufig zu unliebsamen Reibungen Anlaß.

Bei diesen Streitigkeiten, die immer erbitterter wurden, stellten sich die Mitglieder der Verwaltung auf die Seite Cabets, während die Opposition in der Generalversammlung die Oberhand hatte.

Die bald offenen, bald heimlichen Feindseligkeiten zwischen den beiden Parteien dauerten mit mehr oder weniger Heftigkeit bis zum 3. August 1856, wo der endgültige Bruch erfolgte. Den unmittelbaren Anlaß zum Bruche gab die halbjährliche Wahl der Direktoren. Die drei neugewählten Direktoren waren Cabets Gegner. Dieser und seine Anhänger weigerten sich daher, sie anzuerkennen.

In Ikaria herrschte nun das Chaos und war die Hölle los. Laut klagten die kriegführenden Parteien einander an; Manifeste, Proklamationen, Aufrufe und Schmähschriften wurden eifrig veröffentlicht; Gewalttaten wurden etwas Alltägliches, bis die Zivilbehörden von Nauvoo einschritten und die neugewählten Direktoren gewaltsam in ihr Amt einsetzten. Cabet und seine Partei waren nicht geneigt, sich mit guter Miene in ihre Niederlage zu schicken. Sie hörten zu arbeiten auf, mieteten für ihre Partei ein besonderes Gebäude und taten ihr Äußerstes, um die Auflösung der Gemeinde herbeizuführen, wobei sie so weit gingen, an die gesetzgebende Versammlung des Staates ein Gesuch um Zurücknahme der Stiftungsurkunde Ikarias zu richten.

Im Oktober 1856 wurde Cabet förmlich aus der Gemeinde ausgeschlossen. Anfang November verließ er mit der ihm treugebliebenen Minderheit von ungefähr 180 Personen Nauvoo und begab sich nach St. Louis.

Eine Woche später lebte Etienne Cabet nicht mehr.

Der Vater Ikariens, der Urheber einer der stärksten Volksbewegungen Frankreichs in der Mitte des letzten Jahrhunderts, erlag am 8. November 1856 einem plötzlichen Schlaganfall in St. Louis. Er starb fern von seinem Vaterlande, das er so sehr geliebt hatte, und verbannt von der Gemeinde, die in seinen letzten Lebensjahren der Mittelpunkt all seiner Gedanken und Interessen gewesen war.

4. Cheltenham.

Die getreue Schar der 180, die Cabet nach St. Louis gefolgt war, befand sich nun in einer beklagenswerten Lage. Ihres Führers beraubt, ohne nennenswerte Mittel, den unfreundlichen Winter vor sich, konnten sie nicht daran denken, gerade jetzt eine neue Kolonie zu gründen.

So suchten sich die Männer, die fast alle den einen oder anderen Beruf gelernt hatten, Arbeit zu verschaffen, und blieben bis zum Mai 1858 in St. Louis. Der größere Teil von ihnen, ungefähr 150 an der Zahl, wanderte dann nach Cheltenham, um das unterbrochene kommunistische Leben wieder aufzunehmen.

Cheltenham war ein Besitztum von 28 Acres, das ungefähr sechs Meilen westlich von St. Louis gelegen war. Es umfaßte ein großes steinernes Gebäude und sechs kleine Blockhäuser und lag ganz nahe bei der Stadt. Unglücklicherweise wurden diese Vorteile durch ungünstige Eigenschaften des Gutes mehr als ausgewogen; der Ort war geradezu eine Brutstätte für Fieber; der Kaufpreis von 25 000 Dollar war übertrieben, und da die bare Anzahlung nur klein war, so war dementsprechend die Hypothek sehr groß.

Aber die Ikarier waren guten Mutes. Mit dem Eifer der Begeisterung machten sie sich an die Arbeit, die soziale und industrielle Organisation ihrer Kolonie von neuem aufzubauen. Sie eröffneten zahlreiche Werkstätten, die ziemlich gutbezahlte Arbeit für Kunden in der Umgebung von St. Louis lieferten, gründeten eine Druckerei, Schulen, die unerläßliche Musikkapelle und ein Theater, und sorgten für periodische Vortragskurse und Diskussionen.

Cabets Name verlieh ihnen großes Ansehen bei den Ikariern in Frankreich; von dem Pariser Bureau wurden sie als die einzige echte ikarische Gemeinde anerkannt und erhielten aus der alten Heimat mancherlei finanzielle und moralische Unterstützung. Eine in Paris zu ihren Gunsten eröffnete Subskription brachte ihnen einen Reinertrag von 10 000 Dollar.

Ihr materielles Gedeihen schien im Jahr 1859 gesichert zu sein, als die alte und verhängnisvolle Streitfrage aller ikarischen Gemeinden, die Form der Verwaltung, in ihren Diskussionen wieder auftauchte. Diese Streitfrage schied die Siedler von Cheltenham in zwei feindliche Lager. Die Majorität, die hauptsächlich aus älteren Mitgliedern bestand, waren Anhänger der Diktatur eines einzigen Führers, während die jüngeren Mitglieder für eine demokratische Regierungsform eintraten. Der Streit endete mit einem vollständigen Siege der konservativen Elemente. Die geschlagene Minorität, 42 an Zahl, trat geschlossen aus der Gemeinde aus. Der Verlust so vieler leistungsfähiger Männer war ein Schlag für die junge Gemeinde, von dem sie sich nicht wieder erholte.

Die gewerbliche Tätigkeit Cheltenhams wurde gelähmt, sein gesellschaftliches Leben verlor allen Reiz, fortwährend traten Mitglieder aus, bis im Jahre 1864 die Gemeinde nur aus fünfzehn Erwachsenen beiderlei Geschlechts und einigen Kindern bestand.

Es war ein trauriger Tag, als der letzte Präsident der Gemeinde von Cheltenham, der heldenhafte und opfermutige A. Sauva, diese letzten Mohikaner zu einer Versammlung einberief und unter dem lauten Schluchzen der letzten »Volksversammlung« Cheltenham in aller Form für aufgelöst erklärte.

5. Iowa.

Die erste Spaltung in den Reihen der Ikarier traf die Siedler von Nauvoo kaum weniger schwer, als die Sezessionisten von Cheltenham.

Der Austritt Cabets und seiner großen Anhängerschaft störte ihr gesamtes gewerbliches Leben; ihr Eigentum schwand, während ihre Schulden schnell wuchsen. Um einer sicheren Auflösung zu entgehen, beschlossen sie ihren Wohnsitz von neuem zu wechseln. Die Ikarier hatten Nauvoo immer nur als vorübergehenden Niederlassungsort betrachtet. Das Gebiet war zu klein und für ihre großen sozialen Pläne zu nahe der Zivilisation. Sie beabsichtigten die Errichtung einer unabhängigen und umfassenden kommunistischen Gesellschaft in großem Maßstabe und brauchten für diese Zwecke ein fern von den Bevölkerungszentren des Landes gelegenes ungeheures Gebiet.

Mit diesem Ziel im Auge hatten sie schon im Jahre 1852 über 3000 Acres Land im südlichen Iowa erworben. Dorthin siedelten sie nunmehr über. Sie hätten kaum eine schlechtere Wahl treffen können.

Iowa war damals eine gewaltige Wüste und das von den Ikariern gewählte Land lag in dem abgelegensten Teile des Staates. Die Siedlung liegt 60 Meilen vom Flusse Missouri entfernt. Im Jahre 1860 war die Eisenbahn, die jetzt diesen Landstrich durchquert, noch nicht gebaut; meilenweit nach allen Richtungen bestand das Land aus pfadloser jungfräulicher Prärie, ohne die Spur eines Weilers oder einer menschlichen Wohnung. Die ungeheuren Transportkosten machten den Verkauf ihrer Wirtschaftsprodukte an Außenstehende fast zur Unmöglichkeit. Außerdem war das Land mit Hypotheken schwer belastet; die Hypotheken mußten mit zehn Prozent verzinst werden, und da die Ikarier die Zinsen nicht bezahlen konnten, wuchs die Schuld erschreckend schnell.

Die Mühseligkeiten in der ersten Zeit ihres Pionierlebens in Iowa erwiesen sich als zu groß selbst für viele wackere und ausdauernde Ikarier. Die Mitglieder traten in Massen aus, bis im Jahre 1863 die Zahl der Getreuen auf 35, Männer, Frauen und Kinder einschließlich, zurückgegangen war. Ihre Schulden überstiegen den Betrag von 15 000 Dollar.

Die Gemeinde schien vor dem unvermeidlichen Untergang zu stehen, als der Sezessionskrieg ausbrach. Dieser Krieg brachte der kleinen Ansiedlung zeitweilige Hilfe. Er machte es ihnen möglich, ihren Überschuß an landwirtschaftlichen Produkten zu guten Preisen abzusetzen und genügend Geld für ein Abkommen mit ihren Hypothekargläubigern zu ersparen. Danach erhielten diese 5500 Dollar in bar und 2000 Acres Land an Zahlungs Statt für die Hypothek.

Die nächsten Jahre in der Geschichte der Iowagemeinde sind durch die einförmigen und beharrlichen Anstrengungen der Siedler ausgezeichnet, ihr materielles Wohlergehen zu sichern.

Sie lebten in elenden Hütten, entbehrten oft der nötigsten Nahrungsmittel und Kleider, und arbeiteten geradezu bis zur Bewußtlosigkeit; aber das lichte Traumbild eines großen und schönen Ikarien stand stets vor ihren Augen und lieh ihren geschwächten Körpern neue Kraft und ihren ermüdeten Seelen neue Begeisterung.

Nach und nach arbeiteten sie sich durch. Zu den 20 kleinen Blockhäusern kamen bald eine gemeinsame Speisehalle und ein Versammlungsraum hinzu; sie kauften mehr Land, bauten eine Kornmühle und eine Sägemühle und zogen einen beträchtlichen Viehstand.

Als ihr Wohlstand wuchs, mehrte sich auch die Zahl ihrer Mitglieder und hatte sich im Jahre 1868 beinahe verdoppelt.

Die Vollendung der Eisenbahn Chicago-Burlington-Quincy brachte ihren Industrien einen neuen Aufschwung; es begann für sie eine Zeit bescheidenen Wohlstandes.

Die primitiven Blockhäuser werden durch bequeme Wohnungen ersetzt und eine neue, 60 Fuß breite und zwei Stock hohe Zentralhalle errichtet.

Mit der Rückkehr materiellen Wohlstandes wandte auch die Gemeinde ihre Aufmerksamkeit wiederum der gesellschaftlichen und ästhetischen Seite des Lebens zu. Wie in den Zeiten der Blüte in Nauvoo und Cheltenham wurden theatralische und musikalische Aufführungen, öffentliche Vorlesungen und vor allem öffentliche Diskussionen in dem gemeinsamen Versammlungssaal eine regelmäßige Erscheinung im Leben der Siedler von Iowa.

Und, wie in Nauvoo und Cheltenham, führten die öffentlichen Diskussionen schließlich zur Bildung von Parteien innerhalb der Gemeinde. Die Mühsal des Pionierlebens in der Wildnis von Iowa hatte naturgemäß die alte Generation konservativ gemacht. Sie hatte ihren bescheidenen Wohlstand in heißem und hartnäckigem Kampfe einer feindlichen Umgebung abgerungen; er war das Ergebnis unsäglicher Opfer und Entbehrungen und sie hingen an ihm mit der Zärtlichkeit einer liebenden Mutter. Die stolzen Ideale, die ihre Arbeit in den früheren Perioden ihrer Kämpfe belebt hatten, waren nach und nach in den Hintergrund gerückt; materieller Wohlstand, den sie zunächst nur als Mittel zur Verwirklichung ihrer erhabenen sozialen Theorien betrachtet hatten, wurde bald der Endzweck, und die utopistischen Träumer und Enthusiasten wurden Alltagsfarmer, deren Reste von radikalen Traditionen zu einer leeren Formel geworden waren.

Die jüngeren Mitglieder Ikariens standen in scharfem Gegensatz zu dieser Auffassung. Ein Teil von ihnen war in der Gemeinde aufgewachsen, aber die früheren Kämpfe ihrer Väter bildeten für sie nur eine undeutliche Erinnerung ihrer Kindheit; andere hatten sich erst jüngst angeschlossen und brachten neue Ideen und eine neue Atmosphäre mit sich.

Die sozialistische Bewegung hatte seit der »Reise nach Ikarien« große Veränderungen erlebt. Die utopistischen Träumer der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts hatten dem von Karl Marx begründeten modernen Sozialismus Platz gemacht; die Internationale hatte ein festes Band der Solidarität unter den Sozialisten aller großen Länder Europas geknüpft, die kaum vergangenen Ereignisse der Pariser Kommune hatten den Ausbruch des aktiven Klassenkampfes in Europa zur Genüge bewiesen, während sich in Amerika eine sozialistische Arbeiterbewegung schnell entwickelte.

Mehrere von der »Partei der Jungen« waren Mitglieder der Internationalen gewesen, andere hatten im Jahre 1871 auf den Barrikaden von Paris gekämpft.

Hauptsächlich unter der Führung dieser Männer wurde die junge »fortschrittliche Partei« im Gegensatz zu der »konservativen Partei« der alten Ikarier gebildet.

Der Streit der beiden Parteien war zunächst ganz freundschaftlich, nahm aber nach und nach einen ernsteren und drohenderen Charakter an.

Die jungen Männer forderten eine Anzahl von Reformen in den industriellen und landwirtschaftlichen Betriebsweisen, das Stimmrecht für die Frauen, Propaganda unter den Außenstehenden, unterschiedslose Aufnahme neuer Mitglieder und andere radikale Maßnahmen, wogegen die alten Pioniere allen Neuerungen und Änderungen in ihrer Lebensweise mißtrauisch gegenüberstanden.

Im September 1877 war die Reibung so groß geworden, daß die »Partei der Jungen«, die in der Minorität war, eine förmliche Trennung forderte. Das Verlangen wurde von der Majorität rundweg abgeschlagen, daraufhin erklärte die mißvergnügte Minorität ihrem Gegner den Krieg bis aufs Messer.

Der Streit wurde persönlich und hitzig; keine Seite war in den Mitteln sehr wählerisch, um die Gegner zu überwinden. Schließlich ging die »Partei der Jungen« so weit, bei den Zivilgerichten die Auflösung der Gemeinde zu beantragen, und um dem Antrag die notwendige rechtliche Begründung zu geben, beschuldigten sie, die »Fortschrittlichen«, die ikarische Gemeinde, die als Aktiengesellschaft für den Betrieb von Landwirtschaft eingetragen war, ihre Rechte überschritten und die Bestimmungen ihres Gesellschaftsvertrags durch ihre kommunistischen Gebräuche verletzt zu haben.

Im August 1878 wurde das Privilegium Ikarias von dem Kreisgerichte als verwirkt erklärt; drei Treuhänder wurden gewählt, um die Liquidation durchzuführen.

Die Ikarier erholten sich niemals von den Folgen dieser Spaltung, obwohl jede der beiden Parteien kräftige Anstrengungen machte, um die Gemeinde nach ihrer förmlichen Auflösung wieder herzustellen.

Die »Partei der Jungen« blieb auf Grund einer Abmachung mit den Treuhändern und mit ihren früheren Gegnern in der Gemeinde im Besitz des alten Dorfes und erwarb unter dem Namen »Ikariagemeinde« (» The Icarian Community«) neuerdings Korporationsrechte. Die Gemeinde gedieh aber aus irgend einem Grunde nicht, und im Jahre 1884 siedelten die jungen Ikarier nach Bluxome Ranch bei Cloverdale, Cal., einem Landgute für Gartenbau, über, das vor kurzem von einigen ihrer Freunde angekauft worden war. Die neue Siedlung erhielt den Namen Ikaria Speranza. Sie gedieh niemals und wurde endlich im Jahre 1887 durch gerichtlichen Beschluß aufgelöst.

Inzwischen hatte sich die alte Partei unter dem Namen »Neue Ikariagemeinde« (» The New Icarian Community«) mit Mr. Marchand, einem ikarischen Veteranen, als Präsidenten reorganisiert. Sie erhielt als ihren Anteil an dem Eigentum der früheren Gemeinde den östlichen Teil des alten Grundbesitzes, 1500 Dollar in bar und acht Holzhäuser, die sie so, wie sie waren, von ihrer alten Heimstätte hinüberschafften. Sie bauten eine neue Versammlungshalle und nahmen ihre landwirtschaftlichen Arbeiten wieder auf.

Sie erhielten keinen Zuwachs von außen, ihre eigenen Reihen wurden durch Todesfall oder Austritt von Mitgliedern gelichtet; so kämpften sie fort bis 1895, wo sich die Gemeinde endgültig auflöste.

So endete die große ikarische Bewegung, die vor einem halben Jahrhundert unter solchen Fanfaren und mit dem kühnen Versprechen ins Leben getreten war, das Gesellschafts- und Wirtschaftssystem der Welt schon allein durch den passiven Nachweis von den Segnungen des brüderlichen Lebens in der Gemeinschaft umbilden zu können.


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