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Drittes Kapitel.
Die fourieristische Periode.

1. Charles Fourier, sein Leben und seine Theorien.

Charles Fourier wurde am 7. Februar 1772 in Besançon in Frankreich geboren.

Schon in frühem Alter zeigte er eine große Neigung zum Beobachten und Studieren. Seine Lieblingsgegenstände waren Geographie, Astronomie, Chemie und Physik.

Als Sohn eines reichen Kaufmanns war er für die kaufmännische Laufbahn bestimmt, aber der Jüngling hatte keine Neigung zum Handel. Die Kniffe und Pfiffe des Handels widerstanden seiner geraden Natur; er hatte nur geringe Erfolge in der »edlen Kunst zu lügen oder der Geschicklichkeit zu verkaufen«, wie er den Handel nannte. Obwohl er seine Stellung in früher Jugend wiederholt wechselte, das Urteil seiner Dienstherren blieb unveränderlich dasselbe: »Ein ehrlicher junger Mann, aber unfähig fürs Geschäft.« Im Alter von achtzehn Jahren machte Fourier für seinen Dienstherrn eine ausgedehnte Reise durch Frankreich, Deutschland, Holland und Belgien und benützte die Gelegenheit, das Klima dieser Länder, die Bauweise ihrer Hauptstädte und vor allem die Industrien, den sozialen Zustand, die Lebensweise und den Charakter ihrer Bewohner zu studieren.

Im Jahre 1781 starb der alte Fourier und hinterließ ein Vermögen von ungefähr 200 000 Frank, wovon Charles zwei Fünftel erhielt. Erst nach dem Tode des schweigsamen Philosophen erfuhren seine Freunde, daß er sein Erbteil während der Belagerung von Lyon im Jahre 1793 verloren hatte.

Im Jahre 1812 erhielt Fourier ein kleines Vermächtnis von seiner Mutter, das ihm ein jährliches Einkommen von 900 Frank abwarf. Er ergänzte seine kleine Rente durch gelegentliche Einnahmen als Winkelmakler, gab im übrigen seine Handelsgeschäfte auf und widmete sich gänzlich dem Studium sozialer Probleme.

Das erste bekannte Produkt seiner Feder war ein Aufsatz, der im Jahre 1803 in dem » Bulletin de Lyon« unter dem Titel » Triumvirat continental et paix perpetuelle sous trente ans« (»Das kontinentale Triumvirat und der ewige Friede in den nächsten dreißig Jahren«) erschien. In diesem Aufsatz entwickelte Fourier den Gedanken, daß im Interesse dauernden Friedens ein Universalreich in Europa aufgerichtet werden müsse. Die vier europäischen Mächte, die für ein solches Reich in Betracht kämen, waren nach seiner Meinung Frankreich, Rußland, Österreich und Preußen, von denen jedoch das letztere in einer einzigen Schlacht überwunden werden würde. Danach wären das Triumvirat und ein dauernder Friede möglich. Sollten aber die drei Kaiserreiche nicht einig werden, so würde Österreich bald verschlungen werden. Frankreich und Rußland hätten dann um die Universalherrschaft miteinander zu kämpfen, wobei die Siegesaussichten für das letztere größer wären. Der Artikel soll die Aufmerksamkeit Napoleons erregt haben, der die Verleger warnte, derartige Ansichten in Zukunft abzudrucken.

1808 veröffentlichte er sein erstes großes Werk unter dem Titel »Die Theorie der vier Bewegungen und der allgemeinen Bestimmungen«; ihm folgten die »Abhandlung über häusliche und landwirtschaftliche Assoziation oder Theorie der universellen Harmonie« im Jahre 1822, die »Neue industrielle Welt« 1829 und zwei Bände des Buches »Falsche Industrie und ihr Gegenmittel, die natürliche, anziehende Industrie«, veröffentlicht 1835 und 1836.

Das erste dieser Werke enthielt einen allgemeinen Umriß seines sozialen Systems, die anderen hatten die Aufgabe, die einzelnen Punkte und Teile desselben fester zu begründen.

Das soziale System von Fourier ist der geistreichste und sorgsam ausgearbeitetste Entwurf, den je ein Utopist der Öffentlichkeit vorgelegt hat. Man kann unmöglich die Bewegung, die es in zwei Weltteilen auslöste, richtig würdigen, ohne die wichtigsten Züge dieses Systems zu kennen.

Fourier ist der Apostel der sozialen Harmonie. Sein Ausgangspunkt bei der Kritik der gegenwärtigen Ordnung der Dinge ist nicht, wie bei den meisten Utopisten, die ungerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums oder das Leiden der Armen, sondern die Anarchie und die Vergeudung der modernen Produktion und die abschreckende Lage der Arbeiterschaft. Er wendet sich nicht an das Gefühl der Menschen, sondern an ihre materiellen Interessen. Sein Schlachtruf ist nicht »Gerechtigkeit«, sondern »Ordnung«, und das allgemeine Gedeihen und Glück der Menschheit ist nur eine Begleiterscheinung der universellen Harmonie seines Systems, nicht dessen erstes Ziel.

Gott schuf das All nach einem einheitlichen und harmonischen Plane, meint Fourier, daher gibt es einen harmonischen Zusammenhang zwischen allem, was besteht; zwischen organischem und unorganischem Stoff, zwischen Menschen und Gott, zwischen Menschen und Erdball, zwischen Erdball und Universum. Als Gott den Menschen mit gewissen Trieben und Leidenschaften ausstattete, hatte er die freie und ungehemmte Ausübung dieser Triebe und Leidenschaften im Auge und nicht ihre Unterdrückung. Daher sind alle menschlichen Leidenschaften berechtigt und nützlich, und ideal ist derjenige Zustand der Gesellschaft, der ihren Mitgliedern ungehinderte Gelegenheit zu ihrer Befriedigung bietet.

Darauf wendet sich Fourier zur Analyse der menschlichen Leidenschaften, deren er zwölf findet. Sie sind in der folgenden aus Brisbanes »Soziale Bestimmung« »Social Destiny of Man, or Association and Reorganization of Industry«, von Albert Brisbane, 1840.entnommenen Tabelle aufgezählt:

    Ziele:  
Fünf sensitive Leidenschaften
( passions)
Gesicht
Gehör
Geruch
Geschmack
Gefühl
Schönheit, Reichtum u. materielle Har monien Kollektive Tendenz.
Vier affektive Leidenschaften Freundschaft
Liebe
Ehrgeiz
Familiensinn
Gruppen und
»passionelle« Harmonien
Uniteismus, Tendenz zu
universeller Einheit.
Drei distributive
oder leitende Leidenschaften
Cabaliste (Intrigentrieb)
Papillonne (Abwechslungstrieb)
Composite (Einigungstrieb)
Serien und
Einheit der Massen

Von diesen sind die fünf ersten, wenn angemessen gebraucht, auf Schönheit, Verfeinerung, Pflege aller schönen Künste, sowie auf physische Gesundheit und Freude gerichtet.

Die vier »Leidenschaften« der zweiten Gruppe sind darauf gerichtet, wohlabgewogene und harmonische soziale Beziehungen zwischen Menschen und Menschen herzustellen, und sind daher als soziale »Leidenschaften« bezeichnet.

Die drei »Leidenschaften« der dritten Gruppe sind Fouriers Schöpfung und bedürfen einer Erläuterung. Die zehnte, der Geist des Wetteifers, von Fourier »Cabaliste« genannt, ist der Geist der Parteilichkeit, der Intrige oder Rivalität. In rechtmäßiger Weise geübt, wie in dem Wetteifer der Gruppen um die Vortrefflichkeit ihrer Produkte, ist er eine Quelle großer industrieller Verbesserungen und Erfindungen. Die elfte, der Abwechslungstrieb, in der technischen Sprache des Fourierismus »Papillonne« genannt, ist das Verlangen nach Abwechslung und Mannigfaltigkeit in allen Beschäftigungen. Auf die Industrie angewendet würde sie die Eintönigkeit der gegenwärtigen Arbeitsmethoden aufheben und die Arbeit angenehm und anziehend machen. Die zwölfte Leidenschaft, der Einigungstrieb, ist der Geist des Enthusiasmus, der aus der Verbindung zweier Leidenschaften verschiedener Gruppen entsteht, wie zum Beispiel das Anhören einer vortrefflichen Musik in Gesellschaft lieber Freunde, das den Gehörsinn und den Freundschaftssinn befriedigt. Auf die Industrie angewendet, bedeutet sie die Verbindung geistesverwandter Personen zur Durchführung einer angenehmen und anziehenden Arbeit.

Das freie Spiel dieser Leidenschaften führt zur Bildung von Gruppen und Serien.

Eine Gruppe ist »eine Verbindung von Personen – drei, sieben, zwölf oder mehr –, die sich frei zu einem Zwecke, sei es Geschäft oder Vergnügen, vereinigen. Nach der strengen Theorie verstehen wir aber unter einer Gruppe eine Anzahl von Personen, die sich auf Grund gleichen Geschmackes zur Ausübung irgend einer Industrie, Wissenschaft oder Kunst zusammenschließen«. Die Stelle ist ein Zitat aus Brisbane.

Eine vollständige Gruppe soll aus wenigstens sieben Personen bestehen, so daß sie drei Untergruppen bilden kann, drei im Zentrum und je zwei auf jedem Flügel. Die beiden Flügel jeder Gruppe repräsentieren zwei entgegengesetzte Extreme des Geschmackes und der Neigungen, während das Zentrum das Gleichgewicht hält und deshalb an Zahl stärker sein muß.

Eine Anzahl von Gruppen, wenigstens fünf, vereinigen sich zu einer Serie. Die Serie ist nach demselben Prinzip aus Gruppen zusammengestellt, nach welchem diese sich aus Individuen bilden.

Zum Beispiel eine Rindvieh züchtende Serie teilt sich in so viele Gruppen, als sie Rindvieharten züchtet, und jede Gruppe ist in Untergruppen geteilt, je eine für jede Spielart innerhalb der Rindviehart, welche die Gruppe züchtet.

Es ist zu beachten, daß diese Serien und Gruppen nicht willkürlich von einem Aufseher oder Inspektor gebildet werden, sondern durch freie Wahl der Mitglieder entstehen, ferner, daß sie keineswegs feste Organisationen sind, vielmehr jedes Mitglied von Gruppe zu Gruppe, von Serie zu Serie gehen kann, wie es ihm seine Neigungen gebieten.

Die großen Vorteile, die Fourier in dieser Arbeitsweise sieht, sind die Wahl und der Wechsel der Beschäftigungen und die kurze Dauer einer jeden, die Wahl gleichgesinnter Mitarbeiter, die Arbeitsteilung und der Wettbewerb unter den verschiedenen Gruppen und Reihen.

Zu diesen natürlichen Vorteilen fügt Fourier noch einige künstliche Anziehungsmittel, so zum Beispiel die Zierlichkeit und Schönheit aller in der Industrie angewandten äußeren Gegenstände, ehrende Auszeichnungen, wie Rang, Titel und Abzeichen, ferner den Antrieb der Musik, der Uniformen und Embleme.

Um ein hinreichend weites Feld zu schaffen, das jedem einzelnen gestattet, in nützlicher Arbeit seinen verschiedenen Neigungen in den Gruppen und Serien nachzugehen, muß sich eine größere Anzahl von Individuen, am besten 1800 bis 2000, vereinigen.

Diese Vereinigung, Phalanx genannt, ist die soziale Einheit in Fouriers System; sie ist der Eckstein seiner Theorie, und ihre Tätigkeit beschreibt er bis ins einzelne mit großer Genauigkeit. Das Gebiet einer Phalanx umfaßt eine Fläche von nahezu drei Quadratmeilen; das Hauptgebäude ist der Palast. Er besteht aus einer doppelten Reihe zusammenhängender Gebäude ungefähr 2200 Fuß lang und drei Stock hoch; gleich den Gruppen und Serien besteht er aus einem Zentralbau und zwei Flügeln. Das Zentrum ist ruhigen Beschäftigungen vorbehalten; es enthält die Speisesäle, Beratungsräume, Bibliothek usw. In dem einen Flügel sind alle geräuschvollen Werkstätten untergebracht, der andere enthält das Hotel mit Zimmern und Restaurants für Fremde. Die Magazine, Speicher und Ställe liegen gegenüber dem Palast, und der Raum zwischen beiden bildet einen gewaltigen Platz, wo Paraden und Festlichkeiten abgehalten werden. Rund um das Innere des gesamten Gebäudes zieht sich eine geräumige Galerie, welche gewissermaßen die Verkehrsstraße der Phalanx ist. Sie bildet eine elegante, gedeckte Avenue, von welcher Treppen nach jedem Teile des Gebäudes führen. »Die Bewohner des Palastes«, ruft Fourier mit Begeisterung aus, »können im strengsten Winter mit den Werkstätten, Ställen, Kaufläden und Ballsälen verkehren, ohne zu wissen, ob es regnet oder stürmt, ob es warm oder kalt ist.«

Hinter dem Palast befinden sich die Gärten und Felder der Phalanx, die mit der gebührenden Rücksicht auf die Bodenbeschaffenheit und auf den Schönheitssinn angelegt sind.

In der Phalanx gibt es keine Schmarotzer, wie Bediente, Soldaten, Finanzbeamte, Faulenzer usw. Die Frauen sind von ihren eintönigen und verdummenden Haushaltungspflichten befreit, und leisten nützliche Arbeit in einer Anzahl von Berufszweigen, für die sie sich besonders gut eignen.

Alle Mitglieder arbeiten und alle Arbeit wird nach kooperativen Grundsätzen verrichtet, daher die ungeheueren Ersparnisse und der gewaltige Wohlstand der Phalangen. Nehmen wir an, ein Phalanx bestehe aus 400 Familien. Jede für sich lebende Familie hätte eine besondere Küche zu führen. Damit würde fast die ganze Zeit von 400 Hausfrauen in Anspruch genommen, und die Speisen würden in den meisten Fällen ziemlich schlecht sein. In der Phalanx wird die ganze Kocherei in einer gewaltigen Küche mit drei oder vier Herden besorgt, auf denen Speisen für verschiedene Tische zu verschiedenen Preisen bereitet werden; zehn erfahrene Köche besorgen die ganze Arbeit, und die Mahlzeiten sind unendlich viel besser. Dasselbe gilt wie für alle anderen Haushaltungsarbeiten auch für den Ackerbau und die industriellen Beschäftigungen. Hundert Milchausträger, die hundert Tage in der Stadt verlieren, werden durch einen oder zwei ersetzt, die mit zweckentsprechend gebauten Wagen ihre Arbeit besorgen. Anstatt hundert kleine Bauerngüter zu bewirtschaften, wird ein großes Gut geschickt und nach wissenschaftlichen Grundsätzen bewirtschaftet; ein gewaltiger Speicher mit allen Vorzügen, wie Trockenheit, Ventilation, günstige Lage ersetzt hundert unbequeme kleine Speicher usw.

Die Erziehung der Kinder ist ein Gegenstand größter Sorge für die Phalanx. Alle Kinder erhalten die gleiche Erziehung in den gemeinsamen Kindergärten und Schulen. Getreu der Theorie von der Nützlichkeit aller menschlichen Triebe, betrachtet es die Phalanx als die Hauptpflicht der Lehrer, jede Neigung und jede Anlage des Kindes zu entdecken, zu entwickeln und zum Guten zu lenken.

Die Klassifikation der Kinder nach ihrem Charakter und Geschmack beginnt sofort nach der Geburt. Die Säuglinge werden in drei Klassen eingeteilt: die Ruhigen oder Gutgearteten, die Unruhigen oder Lärmenden, die Ungestümen oder Unbändigen. Für jede Klasse sind besondere Räume eingerichtet. Die Kinderstuben sind schöne, große Räume; die Pflege wird von Frauen besorgt, die eine Vorliebe hierfür haben. Mütter können ihre Kinder selbst warten, wenn sie dies wünschen.

Die Kinder werden nach ihrem Alter in sieben Klassen geteilt. Die Erziehung und die Beschäftigungen jeder Klasse werden durch die Neigungen bestimmt, die die verschiedenen Altersstufen an den Tag legen.

Im Alter von drei Jahren wird das Kind in leichte und unterhaltende industrielle Arbeit eingeführt, wie zum Beispiel Aushilfe in der Küche, und so wird die von den Kindern gewöhnlich in Spiel und Unfug verschwendete Energie durch die Phalanx nützlich verwertet, während das Kind sich frühzeitig an fleißige Arbeit gewöhnt.

Wenn das Kind älter wird und eine höhere Stufe der körperlichen Entwicklung und geistigen Bildung erreicht, wird der Umfang seiner nutzbringenden Tätigkeit vergrößert. Besonders bemerkenswert in dieser Hinsicht ist die Einrichtung der Kleinen Horden.

Diese Kleinen Horden bestehen aus Kindern im Alter von zehn bis zwölf Jahren, welche die Ausführung aller schmutzigen und unangenehmen Arbeiten auf sich nehmen, wie zum Beispiel die Reinigung von Ausgüssen und Kanälen, die Düngungsarbeiten usw.

Diese Arbeit wird von Fourier den Kindern dieses Alters deshalb zugewiesen, weil sie, wie er bemerkt, eine ausgesprochene Leidenschaft für Schmutz und Kot zeigen; diese Leidenschaft ist ihnen, wie jede andere, zu einem nützlichen Zwecke verliehen, der am besten durch Einrichtung der Kleinen Horden erfüllt werden kann. Die Kleinen Horden nehmen im Dienste der industriellen Einheit den Rang einer »Miliz Gottes« ein; sie haben den ersten Platz bei Paraden inne und erhalten den Salut, der der höchsten Gewalt zukommt.

Trotz alledem ist jedoch die Phalanx keine kommunistische Organisation. Sieben Achtel der Mitglieder einer Phalanx sind Bauern und Handwerker; der Rest besteht aus Kapitalisten, Männern der Wissenschaft und Künstlern. Das Eigentum der Phalanx wird durch Anteilscheine repräsentiert, aber nicht jedes Mitglied muß notwendigerweise einen Anteil besitzen, noch ein Anteilbesitzer Mitglied sein. Die Phalanx führt für jedes Mitglied laufende Rechnung und gibt ihm auf seine Dienstleistungen in dem vom Rate festgesetzten Verhältnis Kredit, wobei seine Leistungsfähigkeit und die Art seiner Dienste gebührende Berücksichtigung finden. Am Ende des Jahres wird eine Inventur aufgenommen, und die Profite folgendermaßen verteilt:

Fünf Zwölftel der Arbeit,
Vier Zwölftel dem Kapital,
Drei Zwölftel dem Geschick oder Talent.

Durch die Verteilung der Profite werden weder Eifersucht noch Gegensätze geschaffen, da es keine bestimmten Klassen in der Phalanx gibt. Ein und dasselbe Mitglied besitzt einen oder mehrere Anteilscheine in der Phalanx, arbeitet in einer oder mehreren Gruppen, entwickelt in einem oder mehreren Gewerbszweigen eine besondere Gewandtheit und nimmt so an allen drei Profitklassen Anteil. Anderseits ist der Kapitalist entweder mit den Dividenden für seine Einlage allein zufrieden, oder er vermehrt sie durch das Einkommen, das er durch Anwendung seiner Arbeitskraft oder seines Talents zu einem nützlichen Zwecke erwirbt, während der arme Mann mehr oder weniger arbeitet und verdient, je nachdem er die Muße oder den Genuß vorzieht.

Die Phalanx enthält Prunkräume und bescheidene Wohnzimmer; sie liefert sowohl kunstvolle Diners, als auch einfache Mahlzeiten; sie legt keine Beschränkungen bezüglich der Kleidung oder der Vergnügungen auf, und jedes Mitglied kann sein Leben nach seinen Mitteln und Neigungen einrichten.

Das ist in groben Umrissen die positive Seite des Fourierschen Systems. Sein Erfinder erwartete, daß es schrittweise die gegenwärtige Ordnung der Dinge verdrängen werde. Sobald die erste Phalanx errichtet sei, würden andere in rascher Folge nachkommen, bis die ganze Erde damit bedeckt ist; und Fourier rechnet mit seiner gewohnten, mathematischen Genauigkeit aus, daß die Erde genau zwei Millionen Phalangen fassen würde.

Gleich vielen Utopisten vor und nach ihm wird Fourier durch die Schönheiten und Möglichkeiten seiner eigenen sozialen Theorien fortgerissen und krönt er sein System mit einem phantasiereichen Aufbau. Das System der Phalangen wird, so versichert er, schließlich die ganze Menschenrasse zu einer Bruderschaft vereinigen, mit einer einheitlichen Zivilisation und Lebensweise und einer Universalsprache. Konstantinopel wird die Hauptstadt der Erde und die Residenz des Omniarchen, der höchsten Exekutivinstanz der Welt, sein. Dem Omniarchen werden bei der Verwaltung der Erde 3 Augusten, 12 Cäsarinnen, 48 Kaiserinnen, 144 Kalifen, 576 Sultane usw. zur Seite stehen, obwohl nirgends gezeigt ist, welche nützliche Verrichtungen diese gekrönte Schar leisten soll.

Der phantastischste Teil des Systems Fouriers ist aber seine kosmogonische Theorie. Jeder Planet, erklärt er, hat, wie der Mensch, seine Jugendzeit, seine Entwicklungsperiode, seine Verfallzeit und seinen Tod. Das durchschnittliche Lebensalter eines Planeten beträgt 80 000 Jahre, wovon 5000 Jahre auf die Kindheitsperiode, je 35 000 Jahre auf die Zeit der aufsteigenden und absteigenden Entwicklung, und 5000 Jahre auf das Greisenalter entfallen. Im Laufe dieser Zeit durchläuft die menschliche Rasse zweiunddreißig Perioden. Wir befinden uns jetzt in der fünften, der Periode der Zivilisation. Die achte Periode, die der Harmonie, wird allgemeine Glückseligkeit bringen. Dann wird die Polarkrone ( Couronne boreal) entstehen und die physikalischen Verhältnisse der Erde gänzlich umgestalten; das gleiche Klima wird auf der ganzen Welt herrschen, die wilden Tiere werden verschwinden und neue dem Menschen nützliche Geschöpfe werden an ihre Stelle treten; das Meerwasser wird einen Limonadegeschmack bekommen und die Welt ein Riesenparadies sein.

Fourier war, wie wir oben zeigten, kein Kommunist. »Eigentumsgemeinschaft kann in der Phalanx nicht bestehen«, so erklärte er ausdrücklich, und stets von neuem wiederholt er, daß Verschiedenheit des Vermögens und der Genüsse für die universale Harmonie unerläßlich seien. Von seinem Zeitgenossen Owen pflegte Fourier nur mit Verachtung zu sprechen, weil er die Grundsätze der Assoziation nicht verstände. Sein System ist ein Kompromiß, ein Entwurf der Harmonie zwischen Kapital und Arbeit.

Fourier selbst betrachtet sein System als absolut unfehlbar und vergleicht seine »Entdeckung der sozialen Anziehungen« mit Newtons Entdeckung der physikalischen Anziehung. Er klammert sich an jede Einzelheit seines Systems mit der Zähigkeit, dem Glauben und der Begeisterung eines Propheten, um einen glücklichen Vergleich Bebels in seiner glänzenden Studie über Fouriers Leben und Theorien zu gebrauchen. »Charles Fourier, sein Leben und seine Theorien«, von A. Bebel, Stuttgart 1890.

Daß die Entdeckung nicht schon früher gemacht wurde, daran war, seiner Ansicht nach, nur der Umstand schuld, daß sich die ganze frühere Wissenschaft ebenso wie die gesamte frühere Zivilisation auf falschen Bahnen bewegten.

Fouriers Glaube an die schließliche Verwirklichung seines Systems wurde nie erschüttert; er unterbreitete seine Pläne einer Musterphalanx Dutzenden von Prinzen und Bankiers und wurde nie durch ihre Zweifel oder ihren Spott entmutigt. In einem seiner letzten Werke erließ er einen Aufruf, in dem er zur Beschaffung der Mittel für die Errichtung einer Versuchsphalanx aufforderte, und während der letzten zehn Jahre vor seinem Tode ging er mittags mit der Pünktlichkeit eines Uhrwerkes nach Hause, um auf die Ankunft eines philanthropischen Millionärs zu warten, der seinem Aufruf Folge leisten würde.

Fourier erlebte die kurze Zeit nicht mehr, in der seine Theorien volkstümlich waren. Er starb in Paris am 10. Oktober 1837, umgeben von einem sehr kleinen Kreise begeisterter Schüler. Sein Grabstein trägt die Inschrift:

»Hier liegen die Überreste von Charles Fourier. Die Serien verteilen die Harmonien. Die Anziehungen entsprechen ihren Bestimmungen.«

2. Der Fourierismus in den Vereinigten Staaten.

Der Fourierismus wurde durch Albert Brisbane nach den Vereinigten Staaten gebracht.

Brisbane wurde im Jahre 1809 als der einzige Sohn eines wohlhabenden Grundbesitzers in Batavia, N. Y., geboren. Er genoß eine gründliche und vielseitige Erziehung und verbrachte seine ersten Mannesjahre auf Reisen in den wichtigsten Ländern Europas und Asiens. Er studierte Philosophie in Paris bei Cousin und in Berlin bei Hegel, und machte in beiden Städten die Bekanntschaft vieler in der Politik und in den Wissenschaften hervorragender Männer und Frauen.

Von großem Einfluß auf die Bildung seines Charakters und seiner Ansichten scheint der erlesene Kreis der Berliner Geistesaristokratie gewesen zu sein, welche sich in dem Salon der glänzenden Frau Varnhagen von Ense versammelte.

Ein scharfer analytischer Verstand und seine umfassenden und tiefen Sympathien führten Brisbane frühzeitig den humanitären Systemen der damaligen utopistischen Sozialisten zu.

Er schloß sich anfänglich der St. Simonistischen Schule an und opferte einen großen Teil seiner Zeit und seines Geldes der Verbreitung ihrer Grundsätze. Die in mancher Beziehung überspannten Theorien des großen französischen Utopisten genügten ihm aber auf die Dauer nicht, und als sich die Bewegung unter der Leitung der miteinander rivalisierenden Führer Enfantin und Bazard spaltete, brach Brisbane seine Verbindungen mit ihr ab.

Bald nachher fiel ihm ein Exemplar der kürzlich von Fourier veröffentlichten »Abhandlung über hauswirtschaftliche und landwirtschaftliche Assoziation« in die Hand.

Das Buch übte eine zauberische Wirkung auf den jungen Mann aus. Er las es immer wieder, und je mehr er es studierte, um so höher stieg seine Bewunderung für das Werk.

»Jetzt zum erstenmal«, erzählt Brisbane in seiner Selbstbiographie«, » Albert Brisbane, a Mental Biography«, von seiner Frau Redelia Brisbane, Boston 1893. »war ich auf eine Idee gestoßen, der ich früher nie begegnet war – auf die Idee, die menschliche Handarbeit zu ›veredeln‹ und ›anziehend‹ zu machen, die bisher als eine göttliche, dem Menschen auferlegte Strafe betrachtet worden war. In diese Sphäre erniedrigender mühsamer Alltagsarbeit – das öde Los der Massen –, die den Menschen mit ihrem prosaischen, lähmenden, ertötenden Einfluß zu überwältigen schien, den Gedanken der Anziehung einzuführen, diese Art von Arbeit zu erheben, ihr Würde zu verleihen – das war in der Tat eine gewaltige Revolution.«

Im Jahre 1832 ging Brisbane nach Paris, wo er zwei Jahre lang die schwierigeren Kapitel des Fourierschen Systems zum Teil unter der persönlichen Leitung des Meisters studierte und tätigen Anteil an der sich gerade damals entwickelnden fourieristischen Bewegung nahm. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten machte Brisbane für seine sozialen Ideen stille Propaganda, bis er im Jahre 1840 seine »Soziale Bestimmung des Menschen« veröffentlichte. Das Werk ist eine gedrängte Darstellung des Fourierschen Systems. Ungefähr die eine Hälfte besteht aus Auszügen aus Fouriers Werk, während die andere die Erklärungen und Beispiele des Autors umfaßt, die von ihm den amerikanischen Verhältnissen angepaßt wurden. Der Stil des Buches ist volkstümlich, seine Darstellung lichtvoll. Das Buch hatte einen ungeheuren spontanen Erfolg, wurde von Leuten aller Klassen, die sich für soziale Fragen interessierten, gelesen und legte, wie man mit Recht sagen kann, den Grund für die fourieristische Bewegung in Amerika.

Es bekehrte auch den Mann zur Sache Fouriers, der in der Folge ihr beredtester und einflußreichster Apostel werden sollte – Horace Greeley. Von dieser interessanten Episode gibt uns Brisbane folgenden unterhaltenden Bericht:

»Ich stellte Parke Benjamin zur Durchsicht der Korrekturbogen der ›Sozialen Bestimmung des Menschen‹ an, da er ein gewandter Journalist von großer Erfahrung war. Als wir eines Tages über den Gegenstand und die wahrscheinliche Wirkung des Buches auf das Publikum plauderten, rief er plötzlich aus: »Da ist ja Horace Greeley, der ist gerade verteufelt närrisch genug, um solches Zeug zu glauben.« »Wer ist Greeley?« fragte ich. »Ach, das ist der junge Mann oben, der den ›New Yorker‹ herausgibt.« Ich nahm mein Buch unter den Arm und fort ging's zu Greeley. Als ich in sein Zimmer trat, sagte ich: »Sind Sie Mr. Greeley?« »Ja.« »Ich habe hier ein Buch und möchte gern, daß Sie es lesen.« »Ich glaube nicht, daß ich jetzt dazu kommen kann,« antwortete er, »ich bin sehr beschäftigt.« »Es wäre mir lieb, wenn Sie es täten,« drang ich in ihn; »wenn Sie es wünschen, werde ich es hier lassen.« »Gut,« sagte er, »ich reise heute Nacht nach Boston und will es mitnehmen; vielleicht finde ich Zeit.« Greeley nahm das Buch mit und las es. Als er zurückkehrte, war er ein begeisterter Anhänger der industriellen Assoziation.«

Der Wert dieser neuen Erwerbung für die fourieristische Sache in Amerika zeigte sich bald. Zwei Jahre nach dem erzählten Vorfall, als die in der Zwischenzeit von Greeley begründete » Tribune« ein beliebtes und einflußreiches Blatt der Hauptstadt mit einer täglichen Auflage von mehr als 20 000 Exemplaren geworden war – was für die damalige Zeit sehr viel war – öffnete ihr Herausgeber ihre Spalten den Lehren Brisbanes.

Die Abmachung wurde in recht origineller Weise ausgeführt.

An einem Frühlingsmorgen des Jahres 1842 erschien die » Tribune« mit folgender Überschrift, die in auffallendem Drucke am Kopfe einer ihrer Spalten auf der ersten Seite stand:

» Die Assoziation; oder Prinzipien einer richtigen Organisation der Gesellschaft.

Diese Spalte ist von den Vertretern der Assoziation gekauft worden, um ihre Grundsätze dem Publikum darlegen zu können. Ihre Redaktion ist von der der ›Tribune‹ durchaus getrennt.«

Beide Parteien gewannen durch dieses Abkommen; denn während Brisbane eine große, tägliche Zuhörerschaft für die Propaganda seiner Theorien erwarb, gewann die »Tribune« einen weiteren Lesekreis unter den Leuten, die sich für soziale Fragen interessierten. Brisbane redigierte diese Spalte, bis er in: Sommer 1844 wieder nach Europa ging, und nützte die günstige Gelegenheit gründlich aus. Theoretische Artikel über den Fourierismus, praktische Winke über die beste Art und Weise, Assoziationen zu organisieren, zündende Aufrufe an die Leser, polemische Disputationen und Versammlungsberichte füllten Tag für Tag den Brisbane zugewiesenen Raum.

»Zuerst«, so erzählt Parton, I. Parton, » Life of Horace Greely«, Boston 1869. »scheinen sie wenig Aufmerksamkeit und noch weniger Opposition erregt zu haben. Man betrachtete sie (soweit meine Jugenderinnerungen zuverlässig sind) als Artikel zum Überspringen und sie wurden, wie ich glaube, mit der größten Pünktlichkeit und ganz selbstverständlich von den meisten städtischen Lesern übersprungen. Gelegentlich bezog sich jedoch die Redaktion auf den Gegenstand, und jeder solcher Hinweis war so gefaßt, daß er gelesen wurde. Nach und nach wurde der Fourierismus zum Tagesgespräch. Allmählich entdeckten gewisse Redakteure, daß der Fourierismus unchristlich sei. Schließlich wurde vor ihm wie vor einem ›tollen Hunde‹ gewarnt. Inzwischen aber übten Mr. Brisbanes Artikel ihre Wirkung auf das Volk.«

Die Dienste, die Horace Greeley der Sache des Fourierismus leistete, beschränkten sich nicht darauf, rein passiv in seiner Zeitung ihnen Raum zur Verfügung zu stellen. Er schrieb und sprach über das Thema der Assoziation, wann und wo immer sich Gelegenheit bot; er nahm tätigen und führenden Anteil an den Beratungen und Zusammenkünften der Fourieristen und an den Versuchen, ihre Theorien durch Errichtung von Phalangen zu verwirklichen.

Von dauerndem Interesse ist die berühmte Diskussion über den Fourierismus, die zwischen Horace Greeley und Henry I. Raymond in den Spalten der » Tribune« und des » New York Courier and Enquirer« ausgefochten wurde. Die Debatte wurde mit viel Geist und Geschicklichkeit von beiden Seiten geführt und später als besondere Broschüre veröffentlicht.

Außer Brisbane und Greeley war der bedeutendste Mann in der Bewegung Parke Godwin, Mitredakteur der » Evening Post« und Schwiegersohn des Chefredakteurs derselben, des Poeten William Cullen Bryant. Seine Broschüre »Die Demokratie als Schöpferin und Friedensstifterin«, » Democracy, Constructive and pacific«, by Parke Godwin. (Anmerkung des Übersetzers.) die 1843 erschien, wurde eine der wirksamsten Waffen im literarischen Arsenal des Fourierismus. Die Broschüre umfaßte nur wenig mehr als fünfzig Seiten, übertraf aber durch glänzenden Stil, wirksame Argumente und gesunde Ansichten alles, was im Inlande zur Verteidigung des Fourierismus geschrieben wurde. Parke Godwin war einer der ersten amerikanischen Sozialisten, welche die Tendenzen der kapitalistischen Produktionsweise ahnten, und kam der modernen sozialistischen Auffassung vom Klassenkampfe sehr nahe. Er wandte sich hauptsächlich an die Arbeiter. Godwin veröffentlichte außerdem noch ein Büchlein mit dem Titel »Gemeinverständliche Übersicht über die Lehre Charles Fouriers« (» Popular View of the Doctrines of Charles Fourier«) und ein »Leben Charles Fouriers« (»Life of Charles Fourier«).

Von gleicher Bedeutung, wie diese Hauptwerke des Fourierismus, waren die dieser Sache gewidmeten periodischen Zeitschriften. Im Oktober 1843 gründete Brisbane die » Phalanx«, eine monatlich erscheinende Zeitschrift, die er mit der Unterstützung des fähigen Osborne Macdaniel herausgab. Sie erschien bis Mitte 1845. Als Brook Farm zum Fourierismus bekehrt worden war, stellte die » Phalanx« ihr Erscheinen ein und an ihre Stelle trat der » Harbinger« (»Vorbote«).

Der » Harbinger« war eine Wochenschrift. Er erschien auf Brook Farm und nach der Auflösung dieser Gemeinde in New York.

Die Bekehrung von Brook Farm gewann der Sache des Fourierismus einen neuen Schwarm glänzender Schriftsteller.

Einer der hervorragendsten unter ihnen war der Gründer von Brook Farm, George Ripley, ein Mann von tiefer Gelehrsamkeit und außerordentlichen Eigenschaften des Geistes und Herzens. Er war ein unitarischer Geistlicher, kam aber nach vierzehnjähriger Predigertätigkeit zu der Einsicht, daß sein Beruf mit seinen sozialen und ethischen Ansichten unvereinbar sei. Er gab daher das geistliche Amt auf. Nach seiner Bekehrung zum Fourierismus widmete er sich ganz und gar dieser Sache. Der » Harbinger« enthielt während der vier Jahre seines Bestandes nicht weniger als 315 Beiträge aus seiner Feder. Charles A. Dana war gleichfalls ein hervorragender Mann, der für die fourieristische Bewegung gewonnen wurde. Er war damals sehr jung, doch nüchtern und ernst in allem, was er unternahm. Seine gründliche Bildung und sein methodisches Vorgehen verschafften ihm unter seinen Genossen den Spitznamen »Professor«. Dana lieferte dem » Harbinger« 248 Beiträge.

Der fruchtbarste Schriftsteller aber im Redaktionsstabe des » Harbinger« war John S. Dwight, der auf der Liste der Mitarbeiter mit 324 Beiträgen an der Spitze steht. Dwight, der sich, wie Ripley, zum geistlichen Amte ausgebildet und, wie dieser, der Kanzel freiwillig entsagt hatte, war ein Dichter, ein Liebhaber und Kenner der schönen Literatur und Musik, und zugleich ein Mann, zu dem menschliches Leiden und menschliche Not niemals vergeblich ihre Zuflucht nahmen.

In der fourieristischen Bewegung jener Zeit ragte auch William Henry Channing hervor, ein wegen seiner Beredsamkeit berühmter unitarischer Geistlicher.

Unter anderen Männern und Frauen von nationalem Rufe, deren Namen mit der fourieristischen Bewegung in Amerika identifiziert werden, nennen wir Nathaniel Hawthorne, Ralph Waldo Emerson, Theodor Parker, T. W. Higginson, Henry James, James Russel Lowell, Francis G. Shaw und Margaret Fuller, die alle, mit Ausnahme der drei erstgenannten, Mitarbeiter des » Harbinger« waren.

Die » Phalanx« und der » Harbinger« waren die klassischen Organe des Fourierismus, aber nicht seine einzigen Vertreter auf dem Gebiete der periodischen Literatur. In seiner schon erwähnten Autobiographie gedenkt Brisbane einer von ihm im Verein mit Greeley vor der Gründung der » Tribune« geleiteten Wochenschrift. Diese bestand nur zwei Monate lang. Brisbane gelang es auch einmal, die redaktionelle Leitung des » Chronicle«, einer kleinen Tageszeitung, die in New York von einem gewissen John Moore herausgegeben wurde, und ebenso die einer Monatsschrift von John O'Sullivan, genannt der » Democrat«, in die Hand zu bekommen. Beide Zeitungen wurden eifrige Verteidiger des Fourierismus.

Außerdem gaben die Fourieristen von Wisconsin den » Gleaner« (»Ährenleser«), die von Michigan »Die Zukunft« (» Future«) heraus, und ließ William Henry Channing »Die Gegenwart« (» Present«) erscheinen.

Ferner trugen zur Verbreitung der fourieristischen Lehren in Amerika die zahlreichen öffentlichen Vorträge wirksam bei, welche von den Pionieren dieser Bewegung gehalten wurden. Brisbane, Greeley, Channing, Godwin, Dana und eine Schar von minder berühmten Rednern waren stets bereit, die Vorzüge der Assoziation vor Versammlungen jeder Größe und an jedem erreichbaren Orte zu preisen. Hier folgt die charakteristische Anzeige einer solchen Versammlung, die in der » Tribune« veröffentlicht wurde und im Buche Sotherans » Horace Greeley, and Other Pioneers of American Socialism«, von Charles Sotheran, New York 1892. zitiert ist:

»T. W. Whitley und H. Greeley werden heute abend um 7 Uhr 30 Minuten in der Relief-Hall, hinter dem Warenlager von J. M. Quimby, über ›Assoziation‹ zu den Bewohnern von Newark sprechen, die geneigt sind, ihnen zuzuhören.«

Zu verschiedenen Zeiten wurden auch ausgedehnte Vortragsreisen von Führern der Fourieristen unternommen, insbesonders von John Allen, John Orvis und Charles A. Dana; ihre Vorträge und Reden lockten in den meisten Fällen große Mengen eifriger Zuhörer an.

Die Zeit war für die Aufnahme ihrer Lehren außergewöhnlich günstig. Das Land machte gerade eine jener periodischen Krisen durch, die durch ihren Eintritt selbst die Grundpfeiler unseres ökonomischen und industriellen Systems zu bedrohen scheinen. Die Produktion hatte fast ganz aufgehört, Scharen von Arbeitern waren arbeitslos, das Elend der Bevölkerung, insbesondere in den Industriestädten des Nordostens, war erschrecklich, und die Landstreicherei nahm schnell einen beunruhigenden Umfang an.

Wohltätige Vereine und behördliche Kommissionen, die von verschiedenen Munizipalitäten und Staaten für diesen Zweck eingesetzt wurden, versuchten vergebens, der Lage Herr zu werden; diese war ihrer Kontrolle entwachsen. Verwirrt und hilflos stand die Nation vor dem verderblichen Wirken der blinden ökonomischen Mächte. Die selbstzufriedene Sozialphilosophie Tausender denkender Männer und Frauen wurde durch die Offenbarungen der Krise unbarmherzig erschüttert, und Dutzende von neuen sozialen Problemen erzwangen sich aufmerksame Beachtung.

Zur selben Zeit begann gerade die Antisklavereibewegung ernstlich an Umfang zu gewinnen und war, wie dies fast bei jeder Befreiungsbewegung zu geschehen pflegt, bald über ihre ursprünglichen Grenzen und Ziele hinausgegangen. Die gegen die menschliche Sklaverei erhobenen Anklagen führten logischerweise zur Kritik aller anderen Formen der sozialen Abhängigkeit des Menschen. »Abschaffung der menschlichen und der Lohnsklaverei« war ein Motto des radikaleren Flügels der abolitionistischen Bewegung und der Grundton der beredten Aufrufe Wendell Phillips' und vieler anderer volkstümlichen Agitatoren jener Zeit.

In diesem kritischen Zeitpunkt erschien der Fourierismus in den Vereinigten Staaten. Er versprach, dauernde Ordnung und Harmonie in die Industrie zu bringen, und Unabhängigkeit der Menschen voneinander in ihren sozialen Verhältnissen. Die Verheißungen waren glänzend und lockend, und wurden von den beredtesten Zungen gepredigt. So war es nicht zu verwundern, daß sich die Bewegung schnell in Amerika ausbreitete.

Zahlreiche fourieristische Gesellschaften wurden in den Staaten Massachusetts, New York, New Jersey, Pennsylvanien, Ohio, Illinois, Indiana, Wisconsin und Michigan gegründet. In allen diesen Staaten wurden von Zeit zu Zeit lokale Kongresse abgehalten, und am 4. April 1844 fand eine Nationalversammlung der Assoziationisten statt. Der Kongreß trat in der Clintonhalle in New York zusammen und nahm einen höchst bemerkenswerten und begeisterten Verlauf. George Ripley wurde zum Vorsitzenden gewählt; unter den Vizepräsidenten befanden sich Horace Greeley, Albert Brisbane, Parke Godwin und Charles A. Dana.

Sympathiekundgebungen und ermutigende Zuschriften kamen aus allen Teilen des Landes. Zahlreiche Resolutionen wurden angenommen, von denen sich die meisten mit der Organisation von Assoziationen beschäftigten. Man erklärte die Assoziationen nach dem Plane der Fourierschen Phalangen als Universalmittel gegen alle sozialen Übel, warnte jedoch gleichzeitig die Anhänger, Experimente in zu kleinem Maßstabe oder unzureichend vorbereitet zu unternehmen.

Der Kongreß beschloß auch, einen ständigen Nationalverband der Assoziationen mit der » Phalanx« als offiziellem Organ und mit einem achtzehngliedrigen Exekutivkomitee zu gründen. Er sprach sich ferner für ein internationales Zusammenwirken der Assoziationisten aus und beauftragte Albert Brisbane, mit den Fourieristen Europas über die besten Wege gegenseitigen Zusammenarbeitens zu verhandeln.

Die Zeit unmittelbar vor und nach der Nationalversammlung kann als Höhepunkt der fourieristischen Bewegung im Lande angesehen werden; im nächsten Kapitel werden wir ihren Niedergang betrachten.

3. Fourieristische Phalangen.

Frühzeitig sah Fourier die Gefahr voraus, die übereilte Versuche der Verbreitung seiner Bewegung bereiten würden. Er erklärte, daß eine Phalanx nur bei einer Mitgliederschaft von 1500 bis 2000 Personen und einem Kapital von ungefähr 1 000 000 Frank ihre Wohltaten und Schönheiten entfalten und Erfolg haben könne, und mißbilligte bis ans Ende seines Lebens aufs entschiedenste alle Versuche in kleinerem Maßstabe.

Brisbane setzte die vom Meister angegebene hohe Normalzahl der zur Bildung einer Phalanx notwendigen Personen auf 400 herab.

»Der einfachste Plan zur Eröffnung einer Assoziation«, führte er aus, »bestände darin, 400 Personen zusammenzubringen und eine jede von ihnen zur Übernahme eines Stammanteils von 1000 Dollar zu veranlassen, wodurch ein Kapital von 400 000 Dollar gebildet würde. Die Anteilinhaber würden ein Viertel des Gesamtertrags oder Profits der Assoziation oder, falls sie es vorzögen, einen festen Zins von 8 Prozent bekommen. Die Anlage von 1000 Dollar würde ein jährliches Interesse von 80 Dollar abwerfen. Für diese Summe müßte die Assoziation einer Person Wohnung und Lebensunterhalt garantieren, was wohl anginge. Das Gebäude könnte für 150 000 Dollar gebaut werden, eine Summe, deren zehnprozentige Verzinsung sich auf 15 000 Dollar belaufen würde. Man teile diese Summe durch 400, die Anzahl der Personen, und wir erhalten 37,50 Dollar als jährlichen Mietzins pro Person. Einige Wohnungen könnten aus mehreren Räumen bestehen und für 100 Dollar oder weniger vermietet werden, so daß ungefähr die Hälfte der Zimmer für 20 Dollar jährlich vermietet werden könnte. Eine Person, die möglichst billig zu leben wünschte, würde nach Bezahlung ihrer Miete noch 60 Dollar übrig haben. Da die Assoziation ihr Obst, Getreide, Gemüse, Vieh usw. selbst produzieren würde, da sie ferner sehr große Ersparnisse an Heizmaterial, an Köchen und allen anderen Dingen machen würde, so könnte sie die billigste Kost zum Preise von 60 Dollar jährlich liefern. Eine Person, die 1000 Dollar anlegte, könnte also mit Sicherheit darauf rechnen, für ihre Zinsen gute Wohnung und Kost zu haben, wenn sie sparsam lebte, und würde außerdem noch alles das erhalten, was sie durch ihre Arbeit schaffen würde. Sie würde außerdem in einem geschmackvollen, von schönen Feldern und Gärten umgebenen Gebäude wohnen.«

Brisbane selbst und die anderen hervorragenden Fourieristen hielten stets an diesem Ideal einer großen und reichen Assoziation fest, und sie warnten von Zeit zu Zeit die Heißsporne der Bewegung öffentlich vor übereilten Versuchen mit zu wenig Kapital und Mitgliedern.

Man schenkte aber der Warnung nur wenig Gehör. Die geschickte und beharrliche Propaganda für den Assoziationismus hatte eine allgemeine Begeisterung hervorgerufen, die sich bald der Aufsicht der Führer entzog. Der Fourierismus hatte in den breiten Schichten der Bevölkerung Wurzel gefaßt, und die Massen lechzten danach, die glänzenden Versprechungen des neuen sozialen Evangeliums aus der Stelle zu verwirklichen.

Die Phalangen wuchsen geradezu aus dem Boden heraus. Sie wurden von jeder beliebig großen oder kleinen Zahl von Menschen gegründet, die irgend ein und manchmal gar kein Kapital besaßen, und überzogen bald alle Staaten, in denen der Fourierismus festen Fuß gefaßt hatte, wie mit einem Netzwerk.

Die Geschichte dieser Experimente ist ein eintöniger Bericht von Mißerfolgen. Die im Wesen des Fourierschen Entwurfes einer sozialen Organisation begründeten Mängel zeigten sich offen, sobald er der Prüfung durch die praktische Anwendung unterworfen wurde. Die angeblich starke Seite des Systems, der Kompromiß zwischen den Interessen des Kapitals und denen der Arbeit, zwischen Kooperation und Individualismus, war in der Tat eine Quelle großer Schwäche. Er beraubte die Phalangen, oder wenigstens diejenigen von ihnen, welche sich nach dem rein fourieristischen Plane zu organisieren versuchten, jener Einheitlichkeit der Interessen und Bestrebungen, die für ein derartiges soziales Experiment absolut unerläßlich ist und die allein alle erfolgreichen Gemeinden während der ersten Prüfungen und Kämpfe aufrecht hielt.

Um aber dem Fourierismus Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß man auch einräumen, daß die Zahl der Versuche, die nach den von Fourier oder Brisbane gegebenen Vorschriften unternommen wurden, gering war, und daß die Mehrzahl der Fehlschläge äußeren Faktoren und nicht den im Wesen des Fourierismus begründeten Mängeln zuzuschreiben ist. Den Leuten, die die Versuche anstellten, fehlte es nach dem Zeugnis von Greeley in vielen Fällen gleicherweise »an Tüchtigkeit, öffentlichem Vertrauen, Tatkraft und Mitteln«, besonders aber an Mitteln.

Statt eines Kapitals von 400 000 Dollar vermochte eine Assoziation häufig nur den vierhundertsten Teil für den Anfang zusammenzubringen. Es war offenbar schwierig, mit einer solchen Summe das fruchtbare und schöne »Grundstück« in der Nachbarschaft einer dichtbevölkerten Stadt zu kaufen, wie dies der Erfinder der »Phalangen« empfohlen hatte.

Die Experimentierenden mußten sich in der Regel mit einem kleinen Flecken unfruchtbaren Landes draußen in der Wildnis zufrieden geben, der oft schwer mit Hypotheken belastet war. Die Entfernung von der Stadt und die Unzulänglichkeit ihrer Mittel verwiesen die Siedler ausschließlich auf die Landwirtschaft, obwohl nur sehr wenige von ihnen gelernte Farmer waren. Ein oder mehrere elende Blockhäuser mußten an Stelle des prächtigen Gesellschafts»palastes« dienen, und die »anziehende Beschäftigung« wurde zu einem erschütternden und mühevollen Ringen der ungeübten und unbeholfenen Hände gegen die hartnäckige Unergiebigkeit eines unfruchtbaren und störrischen Bodens. Das Ringen dauerte in der Regel solange, bis die erste Rate der Hypothek fällig wurde, und da der Hypothekargläubiger niemals mit den drei Zwölfteln der Profite zufrieden war, die Fourier dem Kapital zugewiesen hatte, so wurde das »Grundstück« fast ohne Ausnahme für verfallen erklärt. Die einzigen Phalangen, die eine gewisse Bedeutsamkeit erlangten, und eine Zeitlang die Hoffnung auf einen dauernden Erfolg zu rechtfertigen schienen, waren die. Nordamerikanische Phalanx in New Jersey, die Brook Farm-Phalanx und die Ceresco- oder Wisconsin-Phalanx in Wisconsin. Von diesen bestand die erstgenannte volle zwölf Jahre, die beiden anderen mehr als fünf bezw. sechs Jahre. Die durchschnittliche Lebensdauer aller anderen bekannten Phalangen betrug ungefähr fünfzehn Monate. Ein kurzer Überblick über ihre Geschichte ist in den folgenden Abschnitten gegeben.

Die Phalangen bedeuteten für den Fourierismus unendlich viel mehr, als die sozialen Experimente anderer utopischen Schulen für ihre Theorien bedeuteten. Während alle anderen Schulen des utopischen Sozialismus eine soziale Organisation auf nationaler Basis beabsichtigten und ihre Gemeinden einzig und allein als Illustrationen und Miniaturmodelle des Zukunftsstaates betrachteten, waren die fourieristischen Phalangen der endgültige Abschluß; sie waren für ihre Begründer nicht nur ein Propagandamittel, sondern auch die Verwirklichung ihrer Lehre. Für das fourieristische System ist es charakteristisch, daß es den Zustand der sozialen Glückseligkeit und des sozialen Gleichgewichtes in Abteilungen herbeiführt. Jede Phalanx ist ein Stück dieses sozialen Zustandes, der innerhalb ihrer Grenzen verwirklicht und vollendet und gänzlich unabhängig von der Welt ringsum ist. So wurden die Phalangen naturgemäß die Probe aufs Exempel des Fourierismus, und die ganze Bewegung überlebte ihren Zusammenbruch nicht.

Vergeblich protestierten die amerikanischen Apostel des Fourierismus, daß die Lehren ihrer Führer keiner gerechten Probe unterworfen worden seien, und daß sie keinesfalls die Verantwortung für das Mißlingen der zahlreichen sozialen Versuche zu tragen hätten, die übereilt unternommen und in Widerspruch mit den Lehren des Fourierismus durchgeführt worden seien. Man schenkte ihren Protesten keine Beachtung. Für das Volk waren »Fourierismus« und »Phalanx« gleichbedeutend, und das Mißlingen der letzteren galt ihm als Beweis für die Undurchführbarkeit des ersteren. Außerdem war die industrielle Depression, welche die Bewegung während ihrer Entwicklung unterstützt hatte, vorbei, und mit ihr das Verlangen nach radikalen sozialen Reformen.

Der Fourierismus als Theorie behauptete sich noch eine Zeitlang bei einer Anzahl hervorragender Mitglieder der Intelligenz, aber als Volksbewegung verschwand er noch in demselben Jahrzehnt, das sein Aufkommen und seine staunenswerte Entwicklung gesehen hatte – in dem Jahrzehnt von 1840 bis 1850.

Die weitere Laufbahn der Urheber und Vorkämpfer dieser bemerkenswerten Bewegung war sehr verschieden. Horace Greeley fuhr fort, tätigen Anteil am öffentlichen Leben zu nehmen. Seine » Tribune« war ein energischer und unermüdlicher Vorkämpfer für die Antisklavereibewegung von ihrem Beginn bis zu ihrem endlichen Triumph. Er wurde im Jahre 1848 in den Kongreß gewählt und im Jahre 1872 von der »liberalen republikanischen Partei« als Kandidat für die Präsidentschaft in den Vereinigten Staaten aufgestellt und von der demokratischen Partei unterstützt. Er überlebte seinen erfolglosen Wahlfeldzug nur kurze Zeit, und als er am 29. November 1872 starb, betrauerten Tausende aus den Reihen des niederen Volkes in allen Teilen der Vereinigten Staaten den Verlust eines ehrlichen und hingebenden Freundes. Sein Leichenbegängnis in der Stadt New York war eine riesenhafte Volksdemonstration. Greeley blieb seinen Jugendidealen bis zu seinem Ende treu.

Albert Brisbane lebte bis 1890. Er verbrachte einen großen Teil seiner Zeit in Europa und widmete den Rest seines Lebens wissenschaftlichen und künstlerischen Aufgaben. Sein ganzes Wesen war so im Fourierismus aufgegangen, daß die Bewegung mit ihrem Abebben seine ganze Kraft und Begeisterung mitgenommen zu haben schien. Seine öffentliche Laufbahn war zu Ende, und obwohl er daheim und in der Fremde Zeuge der Entstehung der modernen sozialistischen Bewegung war, blieb er ein passiver, doch mitfühlender Beobachter ihres Fortschritts.

George Ripley widmete den Rest seines Lebens literarischer Tätigkeit. Er war ein regelmäßiger Mitarbeiter der » Tribune« und gab zusammen mit Charles A. Dana die »Amerikanische Enzyklopädie« heraus. Er starb am 4. Juli 1880.

Auch Dana schloß sich den Mitarbeitern der » Tribune« 1847 an. Er war Unterstaatssekretär des Krieges unter Stanton während des Bürgerkriegs, und wurde im Jahre 1867 Miteigentümer der Zeitung » New York Sun«. Seine radikalen sozialistischen Ansichten überlebten die fourieristische Bewegung nicht lange. In späteren Jahren waren er und sein Blatt konsequente und geschickte Vertreter jeder konservativen und reaktionären Politik. Er starb im Jahre 1898.

John P. Dwight entwickelte sich zu einem ausgezeichneten Musikkritiker. Er gab » Dwight's Journal of Music« von 1852 bis 1881 heraus und starb im Jahre 1893 im Alter von 80 Jahren, ein gütiger, edler, enthusiastischer Greis, umgeben von einer Menge ihn liebender Freunde.

4. Die Nordamerikanische Phalanx.

Von allen fourieristischen Experimenten, die in Amerika unternommen worden sind, kam wohl die »Nordamerikanische« dem Ideal einer »Phalanx« am nächsten. Sie wurde von einer Anzahl ernster und gebildeter Bürger von New York und Albany in der Absicht gegründet, »die Fouriersche Theorie der sozialen Reform, wie sie Albert Brisbane erläutert hat, zu erforschen«. So erklärten ihre Gründer in ihrem Programm.

Bevor man den Versuch begann, wurde der Rat Greeleys, Brisbanes, Godwins, Channings und Ripleys eingeholt, und Brisbane war Mitglied des Komitees, das den Platz für die beabsichtigte Assoziation auswählen sollte. Der schließlich gewählte Ort lag in der Nähe von Red Bank, Kreis Monmouth im Staate New Jersey. Im September 1843 nahmen einige Familien die »Domäne« in Besitz, machten sich sofort an die Arbeit und errichteten zunächst ein provisorisches Wohnhaus. Im Laufe des nächsten Jahres wuchs die Zahl der wirklichen Ansiedler auf ungefähr neunzig.

Binnen kurzem wurde das provisorische Wohnhaus durch ein dreistöckiges Gebäude mit einer Front von 150 Fuß Länge und einem Flügel von gleicher Länge ersetzt. An einem Strome, der durch das Besitztum floß, wurde eine Getreidemühle erbaut, und andere Industrien wurden im kleinen betrieben. Die Hauptbeschäftigung der Assoziation war jedoch die Landwirtschaft. Sie legten zwei ungeheuer große Obstgärten an, die nahezu 70 Acres einnahmen und alle Arten erlesener Früchte enthielten; ihre Felder und Güter wurden besser in Ordnung gehalten und gaben bessere Ernten als die ihrer Nachbarn. Das ursprüngliche Anlagekapital der Assoziation betrug 8000 Dollar; beim ersten Jahresabschluß im Jahre 1844 wurde ihr Vermögen mit 28 000 Dollar inventarisiert und im Jahre 1852 war es auf rund 80 000 Dollar angewachsen.

Sobald die industriellen und landwirtschaftlichen Betriebe der Assoziation sich genügend entwickelt hatten, wurde die Produktion in Gruppen und Serien betrieben, und bei der Verteilung der Profite Fouriers Gesetz des »gerechten Verhältnisses« angewendet.

Für notwendige, aber abstoßende oder erschöpfende Arbeit wurde der höchste Lohnsatz bezahlt; für nützliche, doch weniger abstoßende Arbeit war der Lohn geringer, und die kleinste Vergütung empfingen diejenigen, die angenehme Beschäftigungen wählten.

So erhielten Ziegelarbeiter zehn Cents pro Stunde, die in der Landwirtschaft beschäftigten Personen etwa acht Cents, während die Kellner und der Arzt der Phalanx sechseinviertel Cents pro Stunde erhielten. Außer diesen Löhnen wurden jedoch besondere Belohnungen für Geschicklichkeit und Talent gewährt, die sich in einem Industriezweig oder in der Verwaltung der Assoziationsangelegenheiten entfalteten. So erhielt der Chef der Baugruppe, der die sämtlichen Arbeitspläne von Tag zu Tag aufzustellen und ihre Ausführung zu beaufsichtigen hatte, außer seiner regelmäßigen Einnahme einen Extralohn von fünf Cents pro Tag. Die Löhne der Mitglieder, die nach diesem komplizierten System berechnet wurden, schwankten zwischen sechs und zehn Cents pro Stunde. Die letztere Zahl galt als Maximum.

Den Mitgliedern stand es vollkommen frei, sich die Beschäftigungen nach Belieben zu wählen, und so viel oder so wenig zu arbeiten, als ihnen beliebte. Der Wert und die Art der täglich geleisteten Arbeit wurde ihnen gutgeschrieben und monatlich voll ausbezahlt, während die Gewinne am Ende des Jahres aufgeteilt wurden. Die Durchschnittseinnahme der Arbeit belief sich bei dieser Gewinnverteilung auf ungefähr 13 Dollar pro Jahr, wogegen das Kapital ungefähr 5 Prozent auf die angelegten Summen erhielt. Wie man bemerkt haben wird, waren die Einnahmen der Mitglieder nicht groß; doch waren anderseits die Unterhaltskosten in der Phalanx verhältnismäßig gering. Der Mietzins für ein schönes, geräumiges und bequemes Zimmer im Hauptgebäude betrug 12 Dollar jährlich.

Die Mahlzeiten wurden in den späteren Jahren à la carte serviert, die Tasse Kaffee kostete einschließlich Milch einen halben Cent, Butter einen halben Cent, Fleisch zwei Cents, Pastete zwei Cents, andere Speisen im Verhältnis. Außerdem zahlte jedes Mitglied sechsunddreißigeinhalb Cents pro Woche für die Benützung des Speisesaales und seinen Anteil an Bedienung und Beleuchtung im Speisezimmer. Die Aufwärter trugen die Preise für die Mahlzeiten in ein Buch ein, das jedes Mitglied zu diesem Zwecke bei sich hatte, und am Ende eines jeden Monats wurde abgerechnet.

Die Mehrzahl der Mitglieder der Assoziation waren Leute von Bildung und feinem Geschmack. Das Leben in der Phalanx war nach den begeisterten Berichten einer Anzahl hervorragender Fourieristen, die dieselbe häufig besucht hatten, außergewöhnlich angenehm. Es gab da ein kleines Lesezimmer und eine Bibliothek, sowie verschiedene Musikinstrumente. Singen, Tanzen und Scherz waren an der Tagesordnung, sobald die Arbeiten in Feld oder Werkstatt vorüber waren.

»Ich habe oft Fremde über die Heiterkeit und Elastizität des Geistes, die ihnen beim Besuche von Brook Farm aufgefallen waren, Bemerkungen machen hören,« schreibt Ripley, »und ich fand beide gleich stark in der Nordamerikanischen Assoziation entwickelt.« Neidhart bemerkt über das Äußere der Mitglieder: »Bei ihnen allen sieht man eine ruhige, ernste Liebe, die auf ihre Entschlossenheit schließen ließ, bis zum Ende bei ihrem großen Unternehmen auszuharren. Die Frauen bildeten eine fröhliche Schar, mit glücklichen, lächelnden Gesichtern, voll Gesundheit und Leben. Solch tiefe und ernste Augen, so schien es mir, hatte ich noch nie zuvor gesehen.«

Die Erziehung der Kinder war eine der größten Sorgen der Assoziation, wobei ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung gleiche Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die Nordamerikanische Phalanx bestand länger als zwölf Jahre. Sie wurde zu einer Zeit organisiert, in welcher der Fourierismus sich bemerkbar zu machen begann, und sah die Bewegung auf ihrem Höhepunkt und in ihrem Niedergang. Sie sah den Untergang aller anderen Phalangen rings umher und blieb allein übrig, das einsame Denkmal einer Bewegung, die so viel versprochen hatte und so bald abgeebbt war. Diese isolierte Stellung konnte nicht sehr lange behauptet werden. Die materiellen Vorteile, welche die Gemeinde gewährte, waren nur klein. In den ersten Jahren ihres Bestehens wurde sie zum guten Teil durch den kräftigenden Einfluß der Begeisterung einer weitreichenden und lebendigen Bewegung, deren Teil sie war, zusammengehalten. Als diese Begeisterung schwand, nahm sie die ganze Seele der Assoziation mit sich fort. Dem äußeren Scheine nach bestand die Phalanx in jeder Hinsicht in gewohnter Regelmäßigkeit weiter fort, aber unter der Oberfläche wirkten schon die auflösenden Kräfte. Es entstanden Meinungsverschiedenheiten über die Verwaltung; gelegentlich äußerte sich Unzufriedenheit mit den schmalen Einnahmen und den ärmlichen Aussichten der Assoziation, und die Frage des Auseinandergehens war nur eine Frage der Zeit. Die Auflösung der Assoziation wurde durch einen Unfall beschleunigt. Im September des Jahres 1854 wurde die mit einem Kostenaufwand von ungefähr 12 000 Dollar erbaute Mühle der Assoziation durch Feuer zerstört. Greeley erbot sich, ihnen eine für den Wiederaufbau genügende Summe zu leihen; die Assoziation trat zusammen, um über das Anerbieten zu beraten und über den Platz der neuen Mühle eine Entscheidung zu treffen. Im Verlaufe der Diskussion machte jemand den Vorschlag, lieber überhaupt nicht zu bauen, sondern sich aufzulösen. Der Vorschlag kam ganz unerwartet und stand in keiner Beziehung zu der zu besprechenden Angelegenheit, schien aber den von der Mehrzahl der Mitglieder heimlich gehegten Gefühlen Ausdruck zu verleihen, und, als es zur Abstimmung kam, beschloß die Assoziation zur allgemeinen Verwunderung, sich aufzulösen. So endete plötzlich die Nordamerikanische Phalanx. Ihr Eigentum wurde im Zwangsweg versteigert, und ihre Aktionäre erhielten sechsundsechzig Cents pro Dollar ausbezahlt.

5. Brook Farm.

Brook Farm ist die glänzendste und fesselndste Seite in der sonst recht eintönigen und prosaischen Geschichte der fourieristischen Experimente in Amerika.

Die Farm zog die edelsten und erwähltesten Geister des Fourierismus an sich und verlieh der gesamten Bewegung Poesie und Reiz. Und doch hatte Brook Farm seine Laufbahn nicht als ein fourieristisches Experiment begonnen. Es entstand aus einer philosophisch-humanitären Bewegung, die ungefähr in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts von Neu-England ausging und deren geistiger Mittelpunkt Boston war.

Die Männer und Frauen, deren Namen auf das engste mit dieser Bewegung verknüpft waren, heißen Georg Ripley und seine Gattin Sophie Ripley, William Ellery Channing und sein Neffe W. H. Channing, Margaret Fuller, Ralph Waldo Emerson, Henry D. Thoreau, Nathaniel Hawthorne, John S. Dwight, Elizabeth P. Peabody und viele andere, deren Namen seither in der amerikanischen Geschichte einen Platz gefunden haben.

Es waren Idealisten und Schwärmer, glühende Verfechter aller sozialen, politischen und religiösen Reformen, die ihre Zeit bewegten.

Sie trafen abwechselnd und in unregelmäßigen Pausen in dem Hause des einen oder des anderen zusammen, um über alle möglichen und unmöglichen Probleme der Philosophie, Politik und Religion zu diskutieren, und gingen, obwohl keine förmliche Organisation unter ihnen bestand, in der Außenwelt bald unter dem Namen »Transzendentaler Klub«.

Der Name war ursprünglich als Spottname gedacht, wurde aber, wie oft schon in der Geschichte, später von denen, die er lächerlich machen sollte, angenommen und mit Stolz geführt.

Was die skeptischen, prosaischen Kritiker der Bewegung mit der Bezeichnung »Transzendentalisten« sagen wollten, drückt wohl am besten die kurze und witzige Definition Miß Taylors aus, die von ihnen behauptete, »sie tauchten in das Unendliche, schwängen sich in das Unbegrenzte und zahlten niemals bar«. Die Deutung, welche die Transzendentalisten selbst diesem Worte gaben, wurde von Ripley in folgende Worte gefaßt: »Wir werden Transzendentalisten genannt, weil wir an eine Ordnung der Wahrheit glauben, die über das Gebiet der äußeren Sinne hinausreicht. Unser leitender Gedanke ist die Herrschaft des Geistes über die Materie.«

Der »Transzendentale Klub« bestand mehrere Jahre lang. Die unmittelbare Frucht seiner Tätigkeit war eine Vierteljahrsschrift von hohem literarischem Werte mit dem Titel »Die Sonnenuhr« (» The Dial«). Die »Sonnenuhr« erschien in unregelmäßigen Zwischenräumen und enthielt zahlreiche wertvolle Beiträge der berühmten Männer und Frauen, die mit dieser Bewegung in Verbindung standen.

Im Jahre 1840 entschloß sich Ripley endgültig, die Prinzipien und Theorien, welche die Transzendentalisten verfochten, in der Praxis anzuwenden. Er gab seinen Beruf als Geistlicher auf und ging, von einigen Feuergeistern des »Klubs« ermutigt, daran, eine Gemeinde zu gründen. Der Platz für sie wurde im Frühling des Jahres 1841 ausgewählt. Es war ein Gut in West-Roxbury, ungefähr neun Meilen von Boston entfernt, ursprünglich eine Milchmeierei, die einem gewissen Mr. Ellis gehörte. Sie bestand aus ungefähr 200 Acres guten Landes und war außerordentlich malerisch gelegen. Die ersten Siedler zählten ungefähr zwanzig Personen, Ripley selbst, seine Gattin und Schwester, Dwight, Hawthorne und William Allen. Von den übrigen Mitgliedern des Transzendentalen Klubs folgten nur wenige Ripley aus das Landgut.

Die kleine Kolonie nahm den offiziellen Namen »Brook Farm-Institut für Ackerbau und Erziehung« an. Die Aufgaben des Instituts wurden von seinen Gründern in den Gesellschaftsstatuten dahin formuliert:

»Die großen Zwecke der menschlichen Kultur wirksamer zu fördern; die äußeren Lebensbeziehungen aus eine Basis der Weisheit und Reinheit zu stellen; die Prinzipien der Gerechtigkeit und Liebe auf unsere gesellschaftliche Organisation in Übereinstimmung mit den Gesetzen der göttlichen Vorsehung anzuwenden; an die Stelle eines Systems selbstsüchtiger Konkurrenz ein System brüderlichen Zusammenarbeitens zu setzen; unseren und den vielleicht unserer Sorgfalt anvertrauten Kindern die Wohltaten der vollendetsten körperlichen, geistigen und sittlichen Erziehung zu sichern, welche bei dem gegenwärtigen Stande des menschlichen Wissens die zu unserer Verfügung stehenden Hilfsquellen gestatten; ein anziehendes, leistungsfähiges und produktives System der Industrie einzuführen; die Qualen der weltlichen Sorgen durch angemessene Befriedigung unserer nötigen Bedürfnisse zu verhüten; das Verlangen nach übermäßiger Reichtumsanhäufung zu vermindern, indem wir den Erwerb von Privateigentum von dem ehrlichen und uneigennützigen Gebrauch desselben abhängig machen; einander die Mittel zu physischem Unterhalt und geistigem Fortschritt zu verbürgen und so unserer Lebensführung größere Freiheit, Einfachheit, Wahrhaftigkeit, Adel und moralische Würde zu verleihen.«

Ferner wurde in ihren Gesellschaftsstatuten festgestellt, daß das Eigentum der Gemeinde durch Stammanteilscheine vertreten werden sollte; daß alle Mitglieder nach ihren Fähigkeiten und nach ihrem Geschmack beschäftigt werden sollten. Ebenso wurde ein gleichförmiger Entschädigungssatz für Arbeit jeder Art; ein Maximalarbeitstag von zehn Stunden; der kostenlose Unterhalt der Kinder unter zehn Jahren sowie der über siebzig Jahre alten und der infolge Krankheit arbeitsunfähigen Personen; Unentgeltlichkeit der Erziehung, des ärztlichen Beistandes und der Benützung der Bibliothek und des Bades vorgesehen.

Die Verwaltung der Gemeinde wurde in die Hände von vier dreigliedrigen Komitees, der Generaldirektion, der Ackerbaudirektion, der Erziehungsdirektion und der Finanzdirektion, gelegt.

Die Siedler von Brook Farm zeigten also von Anfang an, bewußt oder unbewußt, ein entschiedenes Hinneigen zum Fourierismus, und ihre spätere förmliche Reorganisation als Phalanx war daher vielmehr eine leichte und logische Entwicklung, als eine plötzliche Bekehrung, als welche sie so oft hingestellt worden ist.

Besonders charakteristisch für die junge Gemeinde war ihre Schule. Sie war in vier Abteilungen gegliedert: eine Schule für Kinder unter sechs Jahren, eine Primärschule für Kinder unter zehn Jahren, eine Vorbereitungsschule für Schüler, die sich den höheren Studienzweigen des Instituts zuzuwenden gedachten, und ein sechsjähriger Kursus, um junge Männer für die Universität vorzubereiten.

Ein großer Kreis von Wissenschaften und Künsten wurde unter der gewandten und liebevollen Leitung zahlreicher sachverständiger Lehrer gelehrt, und ein gleiches Maß von Aufmerksamkeit der körperlichen und moralischen Entwicklung gewidmet. Viele Männer, die späterhin eine bedeutende Rolle im literarischen oder politischen Leben des Landes spielten, schuldeten ein gut Teil ihrer Erfolge ihrer Erziehung in der Schule aus Brook Farm. Zu den hervorragendsten von diesen Gelehrten gehören die Brüder Curtis James Burrill, der sich einen Namen in der wissenschaftlichen Welt Englands machte, wo er sich schließlich niederließ, und George William, der bekannte Novellist und zeitweilige Herausgeber von »Harper's« Wochenschrift; Francis Channing Barlow, der im Bürgerkriege General wurde und später die Ämter eines Staatssekretärs und Kronanwaltes im Staate New York bekleidete; Oberst George Duncan Wells, berühmt durch seinen Heldenmut im Bürgerkriege; und Dr. John Thomas Codman, der ein reizvolles Buch »Erinnerungen an Brook Farm« schrieb. » Brook Farm, Historic and Personal Memoirs«, von John Thomas Codman, Boston 1894.

Im Laufe der nächsten drei Jahre wuchs die Mitgliederzahl auf ungefähr siebzig. Der finanzielle Erfolg der Farm war sehr bescheiden, und das Leben voll schwerer Arbeit und ohne materielles Behagen. Die Bewohner von Brook Farm hatten aber die seltene Gabe, ihre Armut mit dem reizvollen Schleier der Poesie zu verhüllen und ihren prosaischen Alltagsbeschäftigungen Reiz und Romantik zu verleihen. Nach beendigter Tagesarbeit pflegten sich die jungen Männer in die Küche und in die Wäscherei zu begeben und beim Geschirrwaschen oder Wäscheaufhängen den Frauen in galanter Weise ihre Dienste anzubieten. War dies besorgt, so wurde ein Tanz oder ein Spiel improvisiert, an dem alle jungen Leute der Siedlung teilnahmen, während die älteren Männer und Frauen mit angeregter Sympathie zusahen.

Musik, Ausflüge, literarische und wissenschaftliche Diskussionen füllten die Mußestunden, kurz, die Bewohner von Brook Farm bildeten eine glückliche Schar geistesverwandter Männer, Frauen und Kinder.

Das Leben auf dem Gute wurde durch die häufigen Besuche von Freunden aus der Außenwelt noch anziehender. Zu den häufigsten und willkommensten Besuchern gehörten Margaret Fuller, die beiden Channings, Theodor Parker, Miß Peabody, und später Horace Greeley, Albert Brisbane, Parke Godwin und andere Führer der fourieristischen Bewegung.

Anfang 1844, kurze Zeit nach der Nationalversammlung der Assoziationisten, erklärte sich Brook Farm formell als eine fourieristische Gemeinde und änderte seinen Namen in »Brook Farm Phalanx«.

Dieser Übergang bewirkte eine durchgreifende Änderung in dem Organisationsplane und der Lebensweise der Siedlung. Doch fügte er einen neuen Zug hinzu. Brook Farm wurde das Zentrum und Hauptquartier fourieristischer Propaganda. Anfang 1844 wurde die Herausgabe des » Harbinger« der Farm übertragen, und das Erscheinen dieser erstklassigen Wochenschrift öffnete den literarischen Talenten auf Brook Farm ein neues Feld der Betätigung. Die Redaktion befand sich in den Händen Ripleys, Dana war Hauptrezensent, Dwight Kunstkritiker, Orvis schrieb insbesondere über Assoziation, Ryckman lieferte regelmäßige Beiträge, andere Mitglieder der Farm schrieben gelegentlich einen Artikel oder ein Gedicht, alle nahmen ein lebhaftes Interesse an dem Magazin, besprachen die guten und schlechten Seiten jedes Artikels und begrüßten das Erscheinen jeder neuen Nummer als ein Ereignis. Abgesehen von der Herausgabe des » Harbinger« förderten die Leute von Brook Farm die Sache des Fourierismus auf verschiedene Weise. Oft sandten sie einige ihrer beredtesten und tüchtigsten Mitglieder aus, um der Außenwelt die Segnungen der Assoziation zu verkünden. Die Vortragsreisen, die Dana, Allen und Orvis unternahmen, sind die bemerkenswertesten Unternehmungen der Ansiedlung in dieser Richtung.

In dieser Zeit erhielt die Assoziation durch ein Sondergesetz der gesetzgebenden Körperschaft von Massachusetts die Rechte einer Korporation, und wurde der Bau eines großen zentralen Gebäudes auf dem Gute beschlossen.

Brook Farm stand jetzt auf dem Gipfel seiner Blüte. Es war im ganzen Lande berühmt. Seine Besucher zählten jedes Jahr nach Tausenden, es wurde mit Zulassungsgesuchen überschüttet, und seine finanziellen Erträgnisse besserten sich langsam, aber stetig.

Die Siedlung war voll Tätigkeit und Hoffnung und sprudelte über von Lebenskraft und Lebensübermut. Das Hauptinteresse der Mitglieder konzentrierte sich aus das gemeinsame Phalanxgebäude, oder den »Palast«, an dem sie unermüdlich mehr als zwei Jahre gearbeitet hatten und der jetzt seiner Vollendung nahe war.

Man hoffte, nach Errichtung des großen Gebäudes vielen würdigen Bewerbern, die bisher wegen Unterkunftsmangel auf der Farm abgelehnt worden waren, die Aufnahme in die Assoziation gewähren und durch den Beitritt der neuen Mitglieder die Hilfsquellen und die Arbeitsfähigkeit der Siedlung beträchtlich stärken zu können.

Es war ein lieblicher Frühlingsabend des Jahres 1846, als mitten in diesen angenehmen Erwartungen die Bewohner von Brook Farm, von denen die meisten wie gewöhnlich tanzten und Kurzweil trieben, durch den Ruf »Das Phalansterium brennt!« erschreckt wurden.

Es war in der Tat so. Infolge einer Nachlässigkeit der Arbeiter, die damit beschäftigt waren, die letzte Hand an das Bauwerk zu legen, hatte der mächtige Holzbau Feuer gefangen, und gebrochenen Herzens sahen die Siedler voll hilflosen Schreckens, wie die Flammen das Werk ihrer Arbeit und den Gegenstand ihrer Hoffnungen erbarmungslos einhüllten und schnell in einen Aschenhaufen verwandelten. Hätten sie diesen Verlust einige Jahre früher erlitten, solange die fourieristische Bewegung noch kräftig war, so hätte sich Brook Farm vielleicht wieder erholt. Im Jahre 1846 aber war die Bewegung bereits im Abflauen, die Begeisterung ihrer Anhänger aus Brook Farm war bedenklich gedämpft, und so wurde die Zerstörung des Phalansteriums für den weiteren Bestand der Siedlung ebenso verhängnisvoll, wie die Vernichtung der Mühle für das Fortbestehen der Nordamerikanischen Phalanx. Die Assoziation kämpfte sich noch durch den folgenden Frühling und Sommer durch, im Herbst aber brach sie allmählich auseinander. Der » Harbinger« wurde nach New York verlegt und das Eigentum der Assoziation verkauft. An der Stelle, wo einst Brook Farm stand, wird jetzt ein Waisenasyl von einer lutherischen Kirchengemeinde unterhalten. Einen ausführlichen Bericht über das Brook Farm-Experiment gibt Lindsay Swift, » Brook Farm, Its Members, Scholars and Visitors«, New York 1900.

6. Die Phalanx von Wisconsin oder Ceresco.

Die Phalanx von Wisconsin wurde von allen fourieristischen Experimenten am meisten nach gesunden Geschäftsprinzipien geleitet. Ein gut Teil ihres materiellen Erfolges war der äußerst tüchtigen Verwaltung von Warren Chase gedankt, der vom ersten bis letzten Tag ihr geistiger Leiter war.

Die Assoziation wurde im Mai 1844 im Kreise Fond du Lac in Wisconsin gegründet. Die Gegend war meilenweit nach allen Richtungen hin unbewohnt; Grund und Boden war daher ungemein billig und zum Preise von 1 Dollar 25 Cents pro Acre käuflich.

Die Siedler bezahlten ihr Land bar, und es war für die Assoziation charakteristisch, daß sie niemals ihr Eigentum mit Schulden belastete.

Die ersten Ansiedler, ungefähr zwanzig an der Zahl, kamen mit Zugtieren, Vorräten, Zelten und Haushaltungsgerätschaften und errichteten schnell ein großes Wohnhaus und eine Sägemühle. Einige Monate nach ihrer Ankunft gesellten sich ihre Familien zu ihnen, und in weniger als einem Jahre stieg die Zahl der wohnhaften Mitglieder auf etwa 180. Sie setzten eine Verfassungsurkunde und Statuten aus, auf Grund deren sie von der gesetzgebenden Versammlung als »Wisconsin-Phalanx« Körperschaftsrechte erhielten, und gründeten die Stadt Ceresco, die von der gesetzgebenden Versammlung Stadtrechte erhielt. Da es außer den Mitgliedern der Phalanx nur wenige Siedler in der Stadt gab, wurden alle städtischen Ämter von ihnen besetzt. Nach den Staatsgesetzen hatten sie unter anderem drei Friedensrichter zu wählen. Da es aber bei ihnen keine Verbrecher und keine Prozesse gab, so wurde die Übertragung des Amtes zu einer reinen Höflichkeitsbezeugung. Regelmäßig wählten sie daher die drei ältesten Männer. Ebenso sandten sie eines ihrer Mitglieder in die beiden verfassungsgebenden Versammlungen, die in Michigan während der Zeit des Bestehens der Phalanx abgehalten wurden, sowie drei ihrer Mitglieder in den Staatssenat. Eines ihrer Mitglieder war sogar für das Amt eines Gouverneurs Kandidat der Antisklavereipartei (Freilandpartei), doch erhielt es nur eine sehr kleine Stimmenzahl außerhalb des Stadtbezirkes und unterlag. Sie beantragten auch die Errichtung eines Postamtes in ihrer Stadt und erhielten dasselbe; eines ihrer Mitglieder versah das Amt des Postmeisters bis zur Verwaltung Taylors.

Sie begannen ihre Tätigkeit mit einem sehr kleinen Kapital, das nach und nach auf ungefähr 33 000 Dollar anwuchs.

Sie waren sehr fleißig, bebauten mehr als 700 Acres Land und ernteten über 10 000 Bushels Weizen im Jahre.

Das Arbeitssystem nach Gruppen und Serien wurde von ihnen niemals vollständig eingeführt; sie suchten aber die Entschädigung für die Arbeit, Kapital und Talent möglichst in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Fourierismus festzusetzen. Der Durchschnittslohn betrug sechs bis sieben Cents pro Stunde; die durchschnittlichen Unterhaltskosten beliefen sich auf sechzig bis fünfundsiebzig Cents pro Woche. Sie waren in der Auswahl neuer Mitglieder sehr vorsichtig und nahmen niemanden auf, der wegen ungenügender Mittel oder körperlicher Schwäche der Gemeinde voraussichtlich zur Last fallen könnte.

Sie hatten eine freie Schule, aber die geistigen Studien und das gesellige Leben wurden stark vernachlässigt. Sie hatten weder eine Bibliothek, noch ein Lesezimmer, noch gesellige Versammlungen oder Unterhaltungen irgend welcher Art. Mit einem Worte, die Phalanx von Wisconsin übertraf die anderen fourieristischen Experimente an materiellem Wohlstand, blieb aber an Bildung und feiner Lebensart hinter dem Durchschnitt zurück.

Ständiger Streit herrschte in der Assoziation über die Frage des gemeinsamen oder Einzelhaushaltes. Die Ansiedlung war in dieser Frage fast gleich geteilt und ihre städtischen Wahlen drehten sich in der Hauptsache um diesen Streitpunkt.

Die Anhänger des gemeinsamen Haushaltes drangen stets mit einer knappen Majorität durch, und es wurden daher ein gemeinsames Speisezimmer und ein gemeinsames Wohnhaus unterhalten. Die Minorität war aber nicht geneigt, nachzugeben, lebte in getrennten Familien weiter und führte ihre Haushaltung in eigenen Familienwohnungen.

Dieser Streitpunkt zusammen mit einer Anzahl anderer Ursachen, von denen Mangel an Einigkeit und Begeisterung die hauptsächlichsten waren, veranlaßte schließlich die Assoziationisten zur Auflösung. Die formelle Auflösung und Gewinnverteilung fand im Jahre 1850 statt. Der Verkauf des Eigentums ergab 108 Prozent der Einlagen, der einzige Fall, in dem eine Phalanx sich ohne einen Verlust für ihre Gründer und Aktionäre auflöste.

7. Die Gruppe in Pennsylvanien.

Der nördliche Teil des Staates Pennsylvanien war in der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine für Ansiedler höchst ungünstige Gegend. Das Gebiet war eine felsige Wüste, meilenweit nach allen Richtungen hin ohne industriellen oder geschäftlichen Mittelpunkt. Das Land war öde und kalt und dicht mit erratischen Blöcken besät. Der billige Preis des Landes war aber von unwiderstehlicher Anziehungskraft für unsere Experimentatoren auf sozialem Gebiete. Nicht weniger als sieben fourieristische Siedlungen wurden, wie feststeht, in dieser Gegend zwischen den Jahren 1842 und 1845 gegründet. Von ihnen sind die bemerkenswertesten die Assoziation Sylvania, die Siedlung Peace Union, die Social Reform Unity und die Phalanx von Leraysville.

Die Assoziation Sylvania war die erste fourieristische Phalanx in den Vereinigten Staaten. Sie wurde im Mai 1843 von einer Anzahl Bewohner der Städte New York und Albany gegründet. Tomas W. Whitley war ihr Präsident und Horace Greeley ihr Schatzmeister. Das Grundstück wurde von einem Komitee ausgewählt, das aus einem Landschaftsmaler, einem Homöopathen und einem Küfer bestand. Es umfaßte 2300 Acres im Stadtgebiete von Lackawaxen, Kreis Pike. Eine vorhandene baufällige Mühle wurde von den Siedlern schnellstens ausgebessert; drei zweistöckige Holzhäuser mußten eine Zeitlang allen Mitgliedern, 136 an der Zahl, Unterkunft gewähren. Später bauten die Ansiedler ein großes gemeinsames Wohnhaus, das vierzig Fuß im Quadrat hatte und drei Stock hoch war.

Sie hatten vertraglich für den Grund und Boden 9000 Dollar in Jahresraten von 1000 Dollar zu zahlen und leisteten die erste Zahlung bei der Besitzergreifung. Da sie aber die zweite Rate bei ihrer Fälligkeit nicht zahlen konnten, so erklärte sich der Eigentümer großmütig damit einverstanden, das Land mit allen von den Siedlern ausgeführten Verbesserungen zurückzunehmen und sie von den weiteren Verpflichtungen zu entbinden. Die Assoziation Sylvania bestand ungefähr achtzehn Monate lang.

Die Siedlung Peace Union lag im Kreise Warren und umfaßte ungefähr 10 000 Acres Land. Sie wurde von Andreas Bernard Smolnikar, einem österreichischen Professor für Bibelkunde und Kritik, gegründet, der sich im besonderen für berufen hielt, auf der Erde den allgemeinen Frieden zu begründen. Die Siedlung bestand fast ausschließlich aus Deutschen. Nach kurzem aber heftigem Kampfe mit dem unergiebigen Boden ihrer Domäne gaben die Ansiedler das Experiment auf.

Die Social Reform Unity wurde von einer Gruppe Fourieristen aus Brooklyn, N. Y., gegründet. Die Domäne bestand aus 2000 Acres im Kreise Pike, Pennsylvanien. Das Land wurde zum Preise von 1,25 Dollar pro Acre an die Siedler verkauft; sie leisteten aber nur eine Anzahlung von 100 Dollar auf die ganze Kaufsumme oder 5 Cents pro Acre.

Sie entwarfen und druckten eine sorgfältig ausgearbeitete Verfassung, die jedoch niemals in Anwendung kam. Die Unfruchtbarkeit des Bodens, ihre Unerfahrenheit im Ackerbau und ihre große Armut verursachten schon nach wenigen Monaten die Auflösung der Assoziation.

Die Phalanx von Leraysville entstand auf eigentümliche Weise. In der Nähe des Dorfes Leraysville, im Kreise Bradford, bestanden sieben aneinandergrenzende Farmen. Die Eigentümer dieser Farmen waren alle Swedenborgianer, der einflußreichste unter ihnen war Dr. Lemuel C. Belding, ein Geistlicher der Kirche von Neu-Jerusalem.

Als die Flut des Fourierismus diese kleine Gemeinde erreichte, beschlossen Dr. Belding und seine Freunde, ihre sieben Farmen zu einem Gute zu vereinigen. Unter eindrucksvollen Zeremonien rissen sie die alten trennenden Umfriedungen nieder; jeder von ihnen übermachte seine Farm der Phalanx zu einem abgeschätzten Werte und erhielt dafür Anteilscheine. Den sieben Gründern schlossen sich bald weitere Mitglieder an, darunter mehrere Ärzte, Geistliche, Advokaten und eine Anzahl Handwerker. Der Anfang der Siedlung war vielversprechend, bald aber entwickelte sich der Gegensatz zwischen den ursprünglichen Siedlern und den neuen Ankömmlingen, und die Assoziation wurde nach kurzem, achtmonatigem Bestande aufgelöst.

8. Die Gruppe in New York.

Der westliche Teil des Staates New York war eine Zeitlang das Treibhaus der fourieristischen Bewegung. Es gab kaum ein Dorf oder einen Flecken im Kreise Genesee, wo Albert Brisbane geboren war, und in den Nachbarkreisen Monroe und Ontario, ohne eine oder mehrere Gruppen von Fourieristen.

Brisbane widmete einen großen Teil seiner Zeit der Propaganda der Assoziationsprinzipien in jener Gegend; einige gutbesuchte Kreisversammlungen wurden in Batavia und Rochester abgehalten und Phalangen in großem Maßstabe organisiert.

Noyes beschreibt sieben Experimente, die infolge dieser Bewegung entstanden. Ihre Geschichte ist fast ganz die gleiche. Sie wurden alle mit großer Begeisterung und geringen Vorbereitungen unternommen, waren von kurzer Lebensdauer und brachten ihren Gründern schwere finanzielle Verluste.

Die bedeutendsten Phalangen in New York sind die Phalanx von Clarkson, die Phalanx von Sodus Bay, die Assoziation von Bloomfield und die Ontario-Union.

Diese vier Assoziationen hatten einen gemeinsamen Ursprung, insofern ihre Errichtung auf einer im August 1843 in Rochester abgehaltenen Massenversammlung beschlossen wurde. Sie waren an den Ufern des Ontariosees gelegen, nicht weit voneinander entfernt, und hatten zusammen über tausend Mitglieder und mehr als 100 000 Dollar angelegtes Kapital. Ihre durchschnittliche Lebensdauer betrug etwas weniger als ein Jahr.

Diese Gruppe von Phalangen verdient deshalb Erwähnung, weil sie allein einen Bund von Assoziationen bildete.

Der Bund hieß »Amerikanische Industrielle Union«. Seine Verwaltung lag in den Händen eines Rates, der aus Vertretern aller beteiligten Phalangen bestand.

Dieser Rat trat einmal im Mai 1844 zusammen und beschloß in Resolutionen die einheitliche Verwaltung der Geschäfte der Phalangen, sowie ein System gegenseitigen Austausches von Produkten. Diese Resolutionen wurden indessen niemals befolgt.

Das Fehlschlagen der Experimente in New York erzeugte ein tiefes und dauerndes Vorurteil gegen den Fourierismus in der Gegend, die einst seine Hochburg gewesen war.

9. Die Gruppe in Ohio.

Noyes verzeichnet die Geschichte von fünf Phalangen im Staate Ohio. Von diesen scheint die bedeutendste die Phalanx von Trumbull im Kreise Trumbull gewesen zu sein.

Diese Phalanx wurde im Frühjahr 1844 gegründet und bestand bis Ende des Jahres 1847.

Das Gut dieser Assoziation umfaßte ungefähr 1500 Acres Land, das zum einen Teil die Gründer der Phalanx gekauft hatten, zum anderen Teil einige benachbarte Farmer gegen Anteilscheine der Assoziation beigesteuert hatten.

Das Land war sumpfig und verursachte kaltes Fieber und eine Menge anderer Krankheiten. Einige unbedeutende Wohnhäuser, die bis aufs äußerste überfüllt waren, boten Unterkunft. Von dem Wohlleben und den Bequemlichkeiten, worin die Mitglieder schwelgten, kann man sich leicht einen Begriff machen, wenn man hört, daß die durchschnittlichen Kosten des Lebensunterhaltes für jedes Mitglied auf 40 Cents pro Woche veranschlagt wurden.

Unter solchen widrigen Umständen rangen 250 Männer, Frauen und Kinder, von denen die meisten ein bequemes Heim aufgegeben hatten, mehr als dreieinhalb Jahre lang mit einer Energie und Selbstverleugnung, welche die Bewunderung ihrer Zeitgenossen erregten.

Endlich begannen auch die Zuversichtlichsten von ihnen die Hoffnungslosigkeit dieses Ringens einzusehen und gaben widerstrebend das Unternehmen auf, von dem sie so viel erhofft und für das sie so viel geopfert hatten.

Die Gründung der Phalanx von Ohio wurde mit hellen Fanfaren angekündigt, und eine Zeitlang erwarteten die Assoziationisten Großes von ihr. Zu ihren Gründern gehörten E. P. Grant, Van Amringe und andere Leuchten des Fourierismus. 100 000 Dollar wurden auf einer begeisterten Massenversammlung, auf der die Organisation der Phalanx beschlossen wurde, zu ihrer Unterstützung gezeichnet.

Die Assoziation wurde im März 1844 auf einem in der Nähe von Wheeling im Kreise Belmont, Ohio, belegenen Gute von fast 2000 Acres Land gegründet.

Sie scheint unter dem Überfluß an theoretischen Kenntnissen und dem entsprechenden Mangel an praktischer Erfahrung gelitten zu haben. Während ihrer kurzen Lebenszeit gab es viele Diskussionen, mehrere Spaltungen von größerer oder geringerer Bedeutung und eine durchgreifende Reorganisation. Schließlich wurde sie im Juni 1845 aufgelöst.

Die Clermont-Phalanx und die Integrale Phalanx entstanden beide in Cincinnati und waren in geringer Entfernung von dieser Stadt gelegen. Beide Experimente wurden mit dem Kapital ihrer Gründer ausgeführt und beide schlugen fehl. Die Integrale Phalanx gab eine Zeitschrift unter dem Titel »Pflugschar und Gartenmesser« (» Plowshare and Pruning-Hook«) heraus. Die Zeitschrift sollte im allgemeinen der Verbreitung der Fourierschen Lehren dienen, im besonderen auch die Interessen der Phalanx vertreten. Sie sollte vierzehntäglich erscheinen, aber nur zwei Nummern scheinen gedruckt worden zu sein.

Die Phalanx von Columbia ist der Name eines weiteren fourieristischen Experiments im Staate Ohio. Über die Existenz dieser Assoziation sind aber keine Einzelheiten an die Öffentlichkeit gedrungen; man weiß nur, daß sie im Kreise Franklin gelegen und im Jahre 1845 gegründet worden war.

10. Andere fourieristische Experimente.

Von den übrigen Phalangen, von denen uns Berichte überliefert worden sind, waren vier in Michigan und mehrere andere in Iowa und Illinois gelegen. Die bedeutendste war die Phalanx Alphadelphia in Michigan. Sie bestand länger als ein Jahr und gab eine Zeitschrift unter dem Titel » Tocsin« heraus. Ihr geistiger Führer war ein gewisser Dr. Schetterly, ein Schüler Brisbanes.

Alles in allem hat Noyes Angaben über nicht weniger als einundvierzig Phalangen gesammelt, die er in McDonalds Sammlung McDonald war der erste Historiker der amerikanischen Gemeinden. Er besuchte die meisten kommunistischen Gesellschaften persönlich und schrieb die Ergebnisse seiner Forschungen und Beobachtungen nieder. Nach seinem Tode versicherte sich Noyes der Manuskripte. Seine »Geschichte der amerikanischen sozialistischen Systeme« (» History of American Socialisms«) gründet sich zum großen Teil auf die Berichte McDonalds. oder in den Spalten der » Phalanx« und des » Harbinger« beschrieben oder erwähnt fand. Wahrscheinlich gab es deren viel mehr, von denen sich aber keine Aufzeichnungen erhalten haben. Um den vollen Umfang der Bewegung zu würdigen, muß man bedenken, daß in ganz Frankreich, der Heimat des Fourierismus, nicht mehr als zwei Phalangen, davon nur eine zu Lebzeiten Fouriers, gegründet wurden.


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