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Zweites Kapitel.
Die Bauern und die Landgeistlichkeit.

1. Die Bauern.

Eine » Via dolorosa« hat ein englischer Schriftsteller die Geschichte des Bauernstandes genannt; gewiß eine Via dolorosa, aber eine solche, neben deren erschütternder Tragik das Leiden des jüdischen Zimmermannssohnes verschwindet wie eine einsame Träne im Meere. Hier ist es nur ein einzelner Mensch, der den furchtbaren Schmerzensweg an einem Tage gewandelt, dort sind es ungezählte Millionen, die sich seit Jahrhunderten die Via dolorosa entlang schleppen. Drei Worte fassen die Geschichte des Ancien régime zusammen: Krieg, Pest und Hungersnot; wen haben diese drei mächtigen Menschensaatmäher mehr getroffen als den Bauernstand? Er ist das lebendige, empfindende und denkende, von den giftigen Nebeln der Not und des Elends verhüllte, im Schmutz der Vertierung stehende Fundament, von dem sich der schlanke, von den Strahlen der Glückssonne beglänzte Obelisk in die reinen Lüfte emporhebt. Ihn hat ein viel furchtbarerer Fluch getroffen als der des alttestamentarischen Gottes, der den Menschen jener Zeit die Verdammnis des Menschengeschlechts zu erschöpfen schien: im Schweiße des Angesichts sollst du dein Brot essen. Der französische Bauer baute den Acker, nicht den seinen, im Schweiße seines Angesichts, aber aß kein Brot; er nahm ein Weib und zeugte mit ihr Söhne, aber man nahm ihm die Söhne, damit sie in fremden Ländern für den König verbluteten, der ihm nie anders als in Gestalt der Steuerpächter, Gendarmen, Soldaten, nie anders denn als ein Dämon der Ausbeutung erschienen war; er nahm ein Weib und zeugte mit ihr Töchter, aber eine Herde von Banditen, adlig und nichtadlig, erschien in seinem Dorfe und entehrte Weib wie Tochter vor seinen Augen. Harmlos, ja Segnung mußte ihm jener göttliche Fluch scheinen, wenn er ihn mit seinen Leiden verglich.

Wehe! Wehe! Wehe! Wehe!
Prälaten, Fürsten und ihr guten Herren,
Bürger, Kaufleute und Rechtsgelehrte,
Handwerker groß und klein,
Ihr Ritter und Leute der drei Stände,
Die ihr von uns Bauern lebt:
Steht uns mit etwas guter Hilfe bei.
Leben müssen wir, und sie nur ist uns Rettung;
Verloren haben wir Trost und Freude;
Ein Ende hat man fast mit uns gemacht,
Denn wir haben weder Wein noch Getreide mehr... Zitiert bei Leymarie, Histoire des paysans en France, II, S. 632 ff.

So beginnt ein Gedicht, das den Bauern des fünfzehnten Jahrhunderts schildert. Seine Worte sind nicht weniger wahr im sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert – und dem Gedanken, daß Bauer und Elend zusammengehören, daß, solange es noch einen Jacques Bonhomme gibt, auch das Elend als treuer Gefährte in seiner Hütte hausen wird, diesem verzweiflungsvollen Gedanken hat der französische Volksgeist in der Legende vom »Bonhomme Misère« (Bauer Elend) um so ergreifenderen Ausdruck geliehen, je schärfer der Kontrast ist, in dem das Grauenhafte des Inhalts mit dem Humor der Form steht. Zwei arme Reisende, so lautet die Geschichte, von einem reichen Bourgeois unfreundlich abgewiesen, klopfen bei einem armen Bauern, Bonhomme Misère, um Unterkunft an. Trotz seiner großen Armut nimmt dieser sie aufs freundlichste auf. Am anderen Morgen fordern die beiden, die niemand anders als Sankt Peter und Sankt Paul sind, ihren Wirt auf, einen Wunsch zu äußern, dessen Gewährung sie von Gott erflehen wollten. Misère, welcher einen schönen Birnbaum besaß, der ihm allein die Hälfte seines Unterhalts lieferte, aber auch einen bösen Nachbarn, der ihm die guten Früchte zu stehlen pflegte, erbat von den Herren nichts anderes, als daß ein jeder, der auf den Birnbaum ohne seine Erlaubnis steige, dort so lange festgehalten werden solle, als es ihm (Misère) gefiele. Der Wunsch ist gewährt, die Reisenden verschwinden. Bald ist der schlechte Nachbar gefangen; aber Misère, bon homme wie er ist, läßt ihn laufen. Misère altert, und eines Tages erscheint der Tod, um ihn mitzunehmen. Misère aber, der trotz seiner Leiden zähe am Leben hängt, sinnt auf eine List und bittet den Tod, ihm doch noch eine Birne vor seinem Tode zu pflücken, da er selbst nicht mehr auf die Bäume steigen könne. Der Tod, gerade gut gelaunt, erfüllt den Wunsch und geht in die Falle. Um wieder vom Baum herunterzukommen, muß er sich mit Misère vertragen und verspricht ihm denn, ihn nicht früher als am Tage des Jüngsten Gerichts zu holen. Und so kommt es denn, daß Misère auf Erden bleiben wird, solange die Welt Welt sein wird. A. Feillet, La misère au temps de la Fronde et Saint Vincent de Paul, Paris 1862, ist der Ansicht, daß diese Legende in den Zeiten der Fronde entstanden ist. Zahlen, dienen und dulden, in diesen Worten begreift sich die ganze Geschichte des Bauern, den der königliche Fiskus, der raubsüchtige Krautjunker, der gierige, raffinierte Bourgeois in wunderbarer Harmonie auspreßten und ausplünderten. Und Jacques Bonhomme zahlte, diente und duldete über das Maß alles Menschlichen hinaus. Und in Perioden, bald länger, bald kürzer, wenn das Maß selbst für ihn zu voll ward und in seinem Hirn der kühne Gedanke nicht klare Form, aber dunkles Bewußtsein errungen, warum und nach welchem Recht er denn dies alles zu dulden gezwungen sei, erhob sich Jacques Bonhomme, erschlug seiner Peiniger, so vieler er habhaft werden konnte, verbrannte ihre Schlösser und Häuser und plünderte, wo er konnte. Ein freier Mann für wenige kurze Augenblicke, stellte er sich trotzig-breitspurig auf seine Füße und sprach wilde Worte von der Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt. Dann kam das Verderben über ihn in den rasselnden Scharen der Reiter und Knechte, und im Namen des Königs, als dessen treuer Untertan er sich stets gefühlt und bekannt, hängte, räderte und vierteilte man ihn, entehrte sein Weib und seine Töchter, verbrannte sein Haus und vernichtete alles, was sein war. Und Jacques Bonhomme, zu Boden geschmettert, zahlte, diente und duldete weiter.

Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, eine Geschichte des Bauern zu schreiben; aber einige Stationen müssen wir ihn doch auf seiner Via dolorosa begleiten, um später den Fanatismus und den Haß zu verstehen, mit dem der erste französische Bauernkommunist, der Pfarrer Meslier, seine Angriffe gegen Königtum und Adel, Klerus und Bourgeoisie, kurz die ganze »Ungezieferklasse des Besitzes« gerichtet hat.

Gehen wir für einen Augenblick bis ins zwölfte Jahrhundert zurück und betrachten wir die Lage des Bauern, wie sie nach seiner Verwandlung aus einem besitz- und rechtlosen Leibeigenen in einen hörigen Erbpächter sich gestaltet hatte. Wir können die auf ihm ruhenden Lasten in drei Gruppen zusammenfassen: persönliche, die aus der angeborenen, fortdauernden Unfreiheit fließen; dingliche, die für die Benutzung des Grund und Bodens in Anerkennung des Eigentumsrechts des Grundherrn zu leisten sind; lehensrechtliche, die dem Bauer in seiner Eigenschaft als Lehensinhaber, als Vasall und Schützling seines Grundherrn für den von diesem ihm in seinem Lehensbesitz gewährten Schutz oblagen? Siehe Sugenheim, Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft, Petersburg 1861. Zu den persönlichen Lasten gehören zunächst der Kopfzins, dann die Fronden ( corvées), die aber meist gemessene waren und deren Dauer von den Coutumes (Gewohnheitsrecht) auf zwölf Tage im Jahre, nicht mehr als drei Tage im Monat, fest bestimmt war. Der Grundzins ( champart), die wichtigste der dinglichen Lasten, wurde in Bodenerzeugnissen und Vieh entrichtet. Er bestand meist in der Hälfte des Ertrags und wurde von den Grundherren, bevor die Ernte eingetan wurde, vorweg erhoben. Hierher gehören noch die Zwangs- und Bannrechte ( banalités), die den Bauern auf Schritt und Tritt seiner Tätigkeit begleiteten. Da war der Mühlenbann, der ihn zwang, sein Korn zum Mahlen in die gutsherrliche Mühle, da war der Ofenbann, der ihn zwang, sein Brot zum Backen in den gutsherrlichen Backofen, da war der Kelterbann, der ihn zwang, seine Trauben in die gutsherrliche Kelter zu schicken, da war der Weinbann, der ihn zu bestimmten Zeiten des Jahres zwang, seinen Durst in der gutsherrlichen Schänke zu löschen – alles natürlich mit der Zahlung bestimmter Gebühren an den Gutsherrn verbunden. Nicht weniger zahlreich waren die lehensrechtlichen Dienste und Verpflichtungen, die der Bauer für die wertvolle Errungenschaft zu bezahlen hatte, daß sein angeerbter Grundherr sich seine Schur ausschließlich vorbehalten hatte und nicht gewillt war, sie mit anderem ritterlichen Raubgesindel zu teilen. Es lastete auf dem Bauern als Vasallen seines Grundherrn die Verbindlichkeit zum Kriegsdienst zu Fuß, zum Wachtdienst auf dem Schloß oder sonstigen Beobachtungsposten und zu anderen militärischen Operationen, bei denen allen er mit seinem corpus vile (gemeinem Leibe) einzuspringen hatte. Geldhilfe schuldete er zunächst in den vier Fällen, in denen jeder Vasall sie seinem Lehensherrn schuldete: Loskauf aus Kriegsgefangenschaft, Pilgerschaft nach dem Heiligen Lande, Ritterschlag des ältesten Sohnes, Heirat der ältesten Tochter. Da nun die Pilgerschaft nach dem Heiligen Lande mehr und mehr außer Übung kam, so fand der Seigneur (Gutslehensherr) dafür einen Ersatz darin, daß er seinen Bauern die Ehre erteilte, ihn bei der Ausstattung aller seiner Kinder unterstützen zu dürfen. Diese Leistung ist die Taille, die den Grundholden gegenüber à volonté, à plaisir, à merci, à misericorde (nach dem Belieben, Laune, Gnade usw. des Lehensherrn) ist. Unternahm der Lehensherr und sein Gefolge Reisen, so hatte wieder der Bauer für Herberge, Speise und Trank zu sorgen; der droit de prise gab dem Lehensherrn das Recht, Lebensmittel und Hausrat zu requirieren und die Preise dafür nach seinem Belieben zu bestimmen. Eine der größten Plagen für den Bauern war der droit de chasse, de garenne, de colombier (das Jagdrecht; Recht, Kaninchengehege und Taubenschläge zu halten), mit denen sich die schweren Jagdfronden verbanden. Die Gebühren bei Besitzveränderungen (lods et ventes), das Besthaupt, eine Milderung des Gebrauchs, daß der Seigneur alleiniger Erbe des Nachlasses seiner Leibeigenen ist, deren manus eine mortua, das heißt die kein Verfügungsrecht über ihr Vermögen haben (daher der Name main mortables für alle Unfreien), die Heiratserlaubnis, eine Milderung des jus primae noctis (Recht der ersten Nacht) – es würde zu weit führen, diese Unzahl schändlicher und lächerlicher Feudallasten im einzelnen zu erwähnen; die kurze Blütenlese der wichtigsten unter ihnen wird genügen, um zu zeigen, daß das Los eines französischen Bauern am Ende des zwölften Jahrhunderts kein beneidenswertes war.

Der Einfluß der Kreuzzüge, begleitet von der Ausdehnung des geistlichen Besitzes und der gleichzeitigen Entstehung der Städte, die Umwandlung des französischen Lehenstaats im dreizehnten Jahrhundert durch die unaufhörliche Ausdehnung des Besitzes der Könige, der Schwarze Tod – alle diese Faktoren trugen dazu bei, im Laufe der Zeit bedeutende Erleichterungen in der Lage der Hörigen zu schaffen, die Leibeigenen in Halbfreie, nur selten Ganzfreie zu verwandeln. Die Freilassung bestand in der Abschaffung der charakteristischsten und drückendsten Fesseln der Hörigkeit durch Ablösung dieser Feudallasten mittels einer feststehenden Geldabgabe unter ausdrücklicher Beibehaltung aller übrigen grundherrlichen Rechte. So wurde das jus primae noctis in eine mit einem bestimmten Geldbetrag zu erkaufende Heiratserlaubnis verwandelt; die Mainmorte oder das Besthaupt, die Taille à merci durch das sogenannte Abonnement zu feststehenden Abgaben und damit mehr oder weniger der Willkür des Grundherrn entzogen. Das Jagdrecht, der droit de prise, die Wachtdienste wurden bedeutend eingeschränkt. In diesem Zustand der Hörigkeit, der Halb- oder Mittelfreiheit befand sich die überwiegende Majorität der französischen Landbewohner im Beginn des sechzehnten Jahrhunderts und ist darin auch unverändert bis in die letzten Dezennien des achtzehnten Jahrhunderts geblieben.

Außer diesen feudalen Lasten trug der Bauer auch noch in der Hauptsache die modernen der absoluten Monarchie. Das Königtum hatte sich außer den ihm zufließenden Einkünften seiner »Domäne« (Kronbesitzes) auch noch davon unabhängige Revenuen zu schaffen gewußt, die in der ganzen Ausdehnung des Reiches erhoben wurden. Da war zunächst eine Steuer, die zugleich Mobiliar-, Grund- und persönliche Steuer war: die Taille. Ursprünglich nur zur Deckung von Kriegskosten unregelmäßig erhoben, wurde sie unter Karl VII. permanent und unabhängig von der Beistimmung der Stände des Königreichs oder der Stände einer Provinz. Ihre Erhebung lag in der ersten Zeit in den Händen der Grundherren; 1355 aber bemächtigten sich die Generalstände derselben und übertrugen sie an Oberintendanten und Gewählte (élus), die zu bestimmen sie sich vorbehielten. Karl V. reservierte sich dann das Recht, in einem großen Teil Frankreichs, in den » pays d'élections« diese Beamten der Taille selbst zu wählen, während in den » pays d'états« die Stände der Provinz ihr Privileg bewahrten. Adel und Geistlichkeit waren von der Taille frei, so daß also ungefähr die Hälfte des Staatseinkommens von vornherein vom dritten Stande, hauptsächlich von den Bauern aufzubringen war. Die zweitwichtigste Steuer für Königtum war die Salzsteuer ( gabelle), mit der, um ihre Höhe möglichst zu steigern, Zwangskonsumtion verknüpft war. Keine Steuer war verhaßter beim Volk als diese, und keine hat öfter zu Revolten geführt als sie. In dem Heer der Erheber dieser Steuer, den gabeleurs, sah der Bauer seine verhaßtesten Feinde, und oft genug entlud sich sein Haß in einem mitleidslosen Hinmorden dieser gewalttätigen Blutsauger. Sehr gut schildert gelegentlich der Wahl eines Deputierten zu den Generalständen im Oktober 1560 François Grimaudet die Salzsteuer: »Es gibt eine besonders verhaßte und unpopuläre Steuer, das ist die Salzsteuer. Der Bauer würde es geduldig tragen, daß der König aus ihr einigen Profit zöge, wenn es nicht Salz-Kaufleute, -Pächter, -Kontrolleure, -Beamte, -Gendarmen gäbe, die in die Häuser der armen Leute gehen und ihnen die Geräte und Kleidungsstücke wegholen, welche ihnen Gott gegeben hat. Und meistens holen sie diese weg und zwingen die Bauern, vor ihnen in den Dörfern zu erscheinen, wo es keine Rechtsbeistände gibt, zeigen sich dem Volke in großer Wut und Schreckung, bewaffnet mit Schießgewehr, Pistolen und langen Stöcken, machen den Landleuten außerordentliche Prozesse, arretieren sie und verkaufen ihre Ochsen, Pferde und Wagen in der Zwangsversteigerung. So, daß sie in einem Morgen durch ihr Vorgehen vierzig bis fünfzig arme Bauern ruinieren, die sie dann auf den Bettel schicken, und man wird finden, daß sie in diesem Lande Anjou allein mehr als tausend ruiniert haben. – Der arme Bauer ist wie ein Schaf, das seinen Rücken hinstreckt, während man es schert. Er ist arm, ohne Besitz und ohne Freunde, gegen den Reichtum und die Macht der Beamten und Pächter der Salzsteuer ...« Zitiert bei E. Mourin, La Réforme et la Ligue en Anjou, Paris 1856, S. 12 und 13.

»Das sechzehnte Jahrhundert ist eine Periode wachsenden Reichtums und der Fortschritte im Ackerbau, das siebzehnte Jahrhundert ist eine Periode der Trägheit im Schoße der Dekadence; am Ende des achtzehnten Jahrhunderts und im neunzehnten Jahrhundert bemerkt man eine langsame Auferstehung, die uns jetzt ein wenig über die in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts erreichte Höhe gebracht hat.« Lallier in der Revue archéologique de Sens, VI, 150 bis 191, zitiert bei A. Feillet, La misère au temps de la Fronde etc., S. 56. Es ist fast dieselbe Entwicklung wie in Deutschland. Was hier der Dreißigjährige Krieg verschuldete, das haben in Frankreich die Religionskriege in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, die Fronde und die glorreiche Regierung Ludwigs XIV. ebenso gründlich getan. Trotz des schnellen Anwachsens der Steuerlast unter Franz I. und Heinrich II., das sogar die unmittelbare Ursache verschiedener kleinerer Rebellionen war und im Jahre 1556 eine nicht unbedeutende Auswanderung aus der Normandie und Pikardie, Ländern mit bürgerlicher Freiheit, in die Franche-Comté, wo noch die Mainmorte galt, veranlaßte, kann man mit Recht behaupten, daß sich im allgemeinen in dieser ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts die Lage des Bauernstandes nicht verschlechtert, sondern bedeutend verbessert hat. In derselben Zeit, in der also der materielle Reichtum des Bauern wuchs, verschärft sich der schon lange bestehende Gegensatz zwischen ihnen und den Städtern ganz außerordentlich und beginnt jene Desertion des flachen Landes durch Adel und Reichtum, die mit der totalen Vereinsamung des französischen Bauern endigt. Der Einfluß der Renaissance auf diesen war gleich Null, so bedeutend er auf Adel, Klerus und Bourgeoisie war. Adel und Prälaten fanden Geschmack am städtischen Leben; die Lebensgewohnheiten des Adels und der Bourgeoisie Italiens wurden von den entsprechenden Klassen Frankreichs zugleich mit den importierten italienischen Luxusindustrien angenommen. Dieser Zug nach der Stadt, insbesondere der Hauptstadt, wurde noch aus politischen Gründen von den Königen begünstigt, deren Bestreben dahin ging, den Adel von seinen Gütern an ihre Höfe zu ziehen, um seine Selbständigkeit zu untergraben und ihn zum Hofadel zu degradieren. Das verschwenderische Leben an den königlichen Höfen ruinierte dann weiter die finanzielle Kraft des Adels und wirkte auch auf den Bauern verhängnisvoll zurück. Seine steigende Unterdrückung und Ausbeutung sowie die Verarmung der Ländereien hängen damit aufs engste zusammen. Je mehr die vom Königtum begünstigte Industrie die aufstrebende Bourgeoisklasse anzog, und mit der Verbreitung der begünstigten industriellen Arbeit sich die Verachtung der Landarbeit steigerte, desto mehr entfernte sich der Bauer durch die Plumpheit seiner Sitten und die Roheit seines Lebens von der sich allmählich verfeinernden städtischen Sitte. Dieser in der französischen Geschichte für die Demokratie so oft verhängnisvolle Gegensatz bildete sich damals aus und spielte zum ersten Male in den Religionskriegen eine wenn auch noch nicht bedeutende Rolle.

Die Religionskriege ruinierten die Bauern und damit natürlich den Adel, der von den Bauern lebte; sie erschütterten die finanzielle Stellung der katholischen Kirche, deren Domänen in großer Zahl vom König veräußert wurden, um seine Kriegskosten zu decken, in größerer Zahl von den adligen Herren beider Religionen usurpiert wurden; sie ruinierten das Königtum, das, wie der Adel, noch überwiegend von den Bauern lebte. Königtum, Adel, Geistlichkeit, alle drei hatten daher, sobald nach der Anerkennung Heinrichs IV. der Friede einigermaßen wiederhergestellt war, das größte Interesse daran, den Ertrag des Ackerbaues zu steigern. Der Minister des Königs Sully und sein treuer Gehilfe Olivier de Serres arbeiteten mit allen Kräften an der Entwicklung der Agrikultur und suchten sie durch direkte Begünstigungen des Getreidebaues und der Viehzucht, der Exportation von Getreide, Wein und Branntwein, besonders nach Holland, zu beschleunigen. Außer dem Bestreben, sich eine steuerkräftige Bevölkerung zu schaffen, leitete sie dabei das andere, sich eine kriegstüchtige Bauernschaft zu erhalten. Sully und de Serres waren es auch, welche die durch die ökonomische Entwicklung notwendig gemachte Verdrängung der aus den Zeiten der Leibeigenschaft stammenden Formen bäuerlichen Landbesitzes und die Einführung neuer, denen das Prinzip des freien Kontraktes zugrunde lag, begünstigten. Durch den Preissturz der edlen Metalle, der, durch die Entdeckung der Silberminen von Potosi so ungeheuer vergrößert, infolge der Annäherung Spaniens an Frankreich in den Religionskriegen auch in diesem Lande seine verheerende Wirkungen ausübte, wurden die alten Formen des Besitzes unpraktisch und für die Seigneurs unvorteilhaft. Die Änderung im Wert der Metalle hatte die perpetuellen oder langlaufenden Geldrenten so entwertet, daß die Eigentümer derselben im siebzehnten Jahrhundert nur den fünften Teil dessen erhielten, was ihnen im fünfzehnten zufloß. Diesen Fehler hatten die Naturalrenten nicht; dafür machte ein anderer sie dem ruinierten und geldgierigen Eigentümer widrig. Der Steigerung des Reinertrags durch Intensifikation des Anbaues stellten sie die größten Hindernisse in den Weg. Dem konservativen Bauern lag nichts daran, den Ertrag seines Landes zu vermehren, während der Eigentümer, der seine Ausgaben rapide steigen und seine Einnahmen ebenso rapide abnehmen sah, das größte Interesse daran hatte. Solange sein Land ihn nährte, war der Bauer mit der Größe seines Ertrages zufrieden. Was sollte er in Zeiten guter Ernten mit seinem Überschuß anfangen? Verkaufen? Ein Getreideexport wurde durch die schlechten Landstraßen und die Unzahl von Binnenzöllen unmöglich gemacht; auf dem lokalen Markte war sein Überschuß, eben weil er Überschuß war, ganz und gar nicht oder nur zu Schleuderpreisen verkäuflich. Aufspeichern? Er war seines Eigentums vor der Gier seines Seigneurs und der Steuerpächter nie sicher; beide zwangen ihn dazu, von der Hand in den Mund zu leben. Außerdem aber stellte sich der Intensifikation des Ackerbaues der einfache Umstand entgegen, daß dem ruinierten Bauern ganz besonders nach der Zeit der Religionskriege – und der bäuerliche Ruin wiederholt sich dann in regelmäßigen Intervallen in der Regentschaft der Maria Medici, in der Fronde, in der zweiten Hälfte der Regierung Ludwigs XIV. – alle Mittel fehlten, den Versuch einer solchen Steigerung des Reinertrags zu unternehmen.

Noch eine andere Form bäuerlichen Landbesitzes, die der Communauté agricole (bäuerlichen Hausgemeinschaft) zugrunde liegende, begann gleichfalls in dieser Zeit mit dem Erringen der persönlichen Freiheit und dem langsamen Aufhören des Verhältnisses der Toten Hand zu verschwinden. Noch im fünfzehnten und zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts waren die Hausgemeinschaften in großer Ausdehnung vorhanden; sie fanden sich in der Normandie, Bretagne, Anjou, Poitou, Angoumois, Saintonge, Touraine, Marche, Nivernais, Bourbonnais, Burgund, Orleanais, Pays Chartrain, Champagne, Pikardie, Dauphiné, Guyenne, überhaupt in den Ländern de coutume serve. Es ist hier nicht die Stelle, eine ausführliche Geschichte der Hausgemeinschaften zu schreiben, wir können ihrer nur mit der Ausführlichkeit gedenken, die durch den Einfluß gerechtfertigt wird, den sie auf den Kommunismus Mesliers zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts und auf die Ideen einiger Sozialisten des achtzehnten Jahrhunderts, wie Faiguets und besonders Restif de la Bretonnes ausgeübt haben. Wir beschränken uns daher darauf, in großen Zügen eine Schilderung ihrer Einrichtung sowie eine Darstellung ihrer Geschichte seit dem sechzehnten Jahrhundert zu geben? Über den Ursprung dieser Hausgemeinschaften siehe Laveleye-Bücher, Das Ureigentum, S. 388; C. Jäger, Geschichte des Sozialismus in Frankreich, I, S. 392 ff., in denen die Literatur über dieselben angegeben ist, und F. Engels, Der Ursprung der Familie usw., 4. Aufl., S. 44 ff., S. 143 ff.

Noch im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert findet man in vielen Dörfern große Gebäude, in denen mehrere Familien zwecks gemeinsamer Bebauung des Landes zusammenlebten. Nicht selten waren mehrere solcher Behausungen nebeneinander gestellt und bildeten einen Weiler, dessen Ställe, Scheunen und andere Nebengebäude ihnen gemeinsam waren. In diesen mehrere Familien einschließenden Gebäuden haben wir ohne Zweifel das Vorbild der Osmasien Vairasses vor uns, in denen sich – und dies ist eine der vielen Verschiedenheiten zwischen ihm und More – das ganze Leben der Einwohner abspielt. Direkt hat Restif die Einrichtung seines Gesellschaftspalastes diesen bäuerlichen Hausgemeinschaften entlehnt, wie er selbst in einer großen Zahl seiner Erstlingswerke bemerkt, und dieselbe nur weiter ausgebaut; Fouriers Phalansterium, und damit indirekt alle nach ihm ersonnenen und beschriebenen Industriepaläste, hat seine Quelle wohl weniger, wie Mohl meint, in Vairasses Osmasien, als in den seinerzeit außerordentlich verbreiteten und berühmten Schriften Restifs; im Grunde aber sind alle diese Paläste, an deren Bau dichterische und kühl rechnende Phantasie so lange gearbeitet hat, nur die späteren Entwicklungsformen des gemeinsamen Wohnhauses der bäuerlichen Ackerbauassoziationen des feudalen Mittelalters.

Die innere Einrichtung der Hausgemeinschaften ist in Kürze die folgende. Das Feld wurde gemeinsam bebaut, und auch der Haushalt war in den meisten Fällen ein gemeinsamer, nur selten war er nach Familien abgeteilt. Sämtliche Gebäude, ebenso wie die Ackerwerkzeuge und anderen Produktionsmittel gehören der Gemeinschaft, in den Fällen des gemeinsamen Haushaltes auch das Mobiliar. An der Spitze der Assoziation steht ein Vorsteher, mayor, maistre de communauté oder chef du chanteau genannt. Er teilt einem jeden die für ihn passende Arbeit zu, leitet Kauf und Verkauf und verteilt das Erträgnis der gemeinsamen Arbeit. Ihm zur Seite steht eine Vorsteherin ( mayorissa), nie die Frau des mayors, die mit der Überwachung des Haushaltes beauftragt ist. Verheiratete sich eine Tochter aus der Gemeinschaft, so wurde sie durch eine Ausstattung abgefunden, die zum Beispiel bei der noch im neunzehnten Jahrhundert existierenden communauté des Jaults 1350 Franken betrug. Jede Familie durfte ein kleines Privateigentum (pécule), in das meist Wäsche, Kleider und das von der Frau als Mitgift eingebrachte Geld eingingen, besitzen und durch Privatarbeiten vermehren. Dieses pécule war eines der Mittel, durch das die ökonomische Entwicklung seinerzeit diese Hausgemeinschaften, die allen Umwälzungen und Kriegen des Mittelalters widerstanden hatten, unwiderstehlich auseinandersprengte. Die Assoziationen waren in ihrer reinsten Form vollständig sich selbst genügend. Sie produzierten selbst alles, was sie konsumierten, sie verkauften und kauften entweder nichts oder doch nur sehr wenige Produkte. Eine Assoziation der Auvergne, die 1788 von Le grand d'Aussy besucht wurde, kaufte sogar damals nur Salz und Eisen und produzierte im übrigen alles andere selbst für ihren Gebrauch. Dareste de la Chavanne, Histoire des classes agricoles en France, Paris 1858, S. 234 ff. Als dann die industrielle Arbeit sich auf dem Lande ausdehnte, erwies sich das genossenschaftliche System der bäuerlichen Hausgemeinschaften als besonders geeignet für die Aufnahme einzelner Industriezweige. So war zum Beispiel in einigen Communautés der Auvergne, wo sie sich am längsten noch nach der Revolution von 1789 gehalten haben, ein Teil der Hausgenossen mit der Fabrikation von Messern beschäftigt, während der andere den Ackerbau besorgte. Das Einkommen des ersten Teils wurde in die gemeinsame Kasse getan, während die Assoziation von den Produkten des anderen Teils lebte. Ebenda, S. 234.

Das Feudalsystem hatte die Erhaltung und Ausdehnung der Hausgemeinschaften begünstigt. Außer technischen Gründen, die zum Beispiel Coquille für sie anführt und die er in folgendem Satze zusammenfaßt: »Sie (die Assoziationen) sind nicht nur häufig, sondern gewöhnlich, ja notwendig, insofern die Führung eines ländlichen Haushaltes nicht nur mit der Bestellung des Ackers, sondern auch der Fütterung des Viehs zu tun hat und eine Menge Personen erfordert,« Ebenda, S. 234. war es in erster Linie das Interesse des Gutsherrn, das dieser Einrichtung sympathisch gegenüberstand, sie nicht nur duldete, sondern sogar tatkräftig förderte. Die solidarische Haftbarkeit einer Assoziation garantierte besser die dauernde Leistung der Abgaben und Fronden ihrer Mitglieder, als der individuell wirtschaftende Bauer; Dunod, Traité de la mainmorte, S. 90, zitiert bei H. Doniol, Histoire des classes ruales en France, Paris 1865, S. 82: »Der Grund für die Einführung der Hausgemeinschaft unter den Mainmortables war, daß die Ländereien der Seigneurs besser kultiviert wurden und die Untertanen besser imstande waren, die Gefälle der Seigneurs zu bezahlen, wenn sie in Gemeinschaft lebten, als wenn in ebenso vielen getrennten Haushalten.« diesem Vorteil für den Grundherrn stand freilich eine Einschränkung seines Verfügungsrechtes gegenüber. Die Genossenschaft blieb jure non decrescendi durch Substitution der Personen unterbrochene Eigentümerin der Mobilien und Immobilien. Der Grundherr hatte kein Erbrecht beim Tode eines der Angehörigen der Assoziation, so daß also durch diese Einrichtung es der hörigen Familie ermöglicht war, zu Eigentum zu gelangen und ihre Lage durch Ansammlung eines kleinen Vermögens zu verbessern. Laveleye-Bücher, Das Ureigentum usw., S. 390.

Weil die Assoziation durch die Milderung des Verhältnisses der Mainmorte die Leibeigenschaft der bäuerlichen Klasse erleichterte, traten die Juristen für dieselbe ein und suchten die älteren Coutumes durch eine große Zahl strenger Regeln ihre Aufrechterhaltung zu sichern. Mit dem Aufhören der Mainmorte verschwand auch die den Assoziationen günstige Tendenz der Gesetzgebung; im Gegenteil ging sie nunmehr dahin, auf jede Weise ihre Auflösung zu fördern. So erkannten zum Beispiel die jüngeren Coutumes, daß die Kinder der Angehörigen einer Communauté nicht ohne weiteres einen Teil derselben ausmachten, sondern erklärten sie für unabhängig, sobald sie durch Erlangung der Majorennität, durch Ehe oder getrennten Haushalt aus der väterlichen Vormundschaft herausgetreten waren. Den entscheidenden Streich gegen die Hausgemeinschaften führte bereits die Ordonnanz von Moulins 1566, Les édicts et ordonnances des roys de France etc., Lyon 1575, S. 1273: daß hinfüro über alle Gegenstände, welche die Summe oder den Wert von hundert Livre, auf einmal zahlbar, überschreiten, Kontrakte vor Notaren und Zeugen gemacht werden sollen; durch welche Kontrakte allein jeder Beweis in genannten Sachen angetreten und empfangen werden soll, ohne daß ein Beweis durch Zeugen über das im Kontrakt Enthaltene hinaus, noch über Dinge, die angeblich vor diesem damals oder seitdem gesagt oder vereinbart worden sind, angenommen wird. Vergl. noch Du Cellier, Histoire de classes laborieuses en France, Paris 1860, S. 209. die einen förmlichen Kontrakt vor Notar und Zeugen, einen geschriebenen Titel wie von anderen, so auch von den bäuerlichen Genossenschaften verlangte. Da nun die Communautés durchweg auf Gewohnheitsrecht, auf der Tatsache des Zusammenwohnens und des Fehlens der Güterteilung unter ihren Mitgliedern, meist Angehörigen einer großen Familie, beruhten, begreift sich, daß ein solcher Erlaß, der einem jeden unzufriedenen Mitgliede die Möglichkeit gab, die Genossenschaft zu sprengen, von den verhängnisvollsten Folgen für sie sein mußte.

So verschwanden also die von uns genannten Formen bäuerlichen Landbesitzes und wurden ersetzt durch den fermage à court terme (Pacht mit kurzer Frist) und den métayage (Halbscheidpacht), der ganz außerordentlich an Ausdehnung gewann. Die direkte Kultur durch den Eigentümer selbst hatte nie eine größere Rolle gespielt; sie war weder bei der großen Masse des Adels noch des Klerus beliebt und durch die Beschränkung der Fronden in den Ländern de coutum serve auch mehr und mehr unprofitabel geworden. Einer großen Verbreitung der Pacht trat einmal der Mangel an Kapital bei den meisten Bauern hinderlich in den Weg, und zweitens schreckte die große Zahl der Bestimmungen des Gewohnheitsrechtes die Reicheren unter ihnen ab. So empfahl sich denn schließlich in erster Linie der métayage, der das Interesse der Eigentümer an Ameliorationen und an der Steigerung des Reinertrages in weitestgehendem Maße befriedigte und auch den Bebauern eine gewisse Bewegungsfreiheit ließ; Sulch und Olivier de Serres begünstigten diese Ausdehnung des fermage und métayage, durch welche die aus den Zeiten der Leibeigenschaft stammenden und auf Vererbung der Leistungen ruhenden Formen bäuerlichen Besitzes durch neue auf das Prinzip freier Kontrakte begründete ersetzt wurden. Mit energischer Hand griff überhaupt Sully die unzähligen Mißbräuche, die in den wilden Zeiten der langen Religionskriege entstanden waren, an; seiner unermüdlichen Tätigkeit ist es zuzuschreiben, daß der König den Zunamen der »gute« ( le bon Henri) erhielt und die Fabel von dem Huhn im Topfe eines jeden Bauern entstehen konnte. 1598 zum Oberintendanten der Finanzen ernannt, machte er sich daran, der außerordentlichen Verwirrung und Unordnung in denselben ein Ende zu machen. Er begann mit dem Erlaß von 20 Millionen Livre Rückständen der Tailles, erklärte die zahllosen in den letzten dreißig Jahren von den Bourgeois zwecks Erlangung der Steuerfreiheit gekauften Adelsbriefe für ungültig und schaffte die von den Seigneurs in demselben Zeitraum ohne jeden Schatten eines Rechtes neu begründeten und durch die Gewalt der Waffen eingetriebenen Forderungen an die Bauern ohne weiteres ab. Von viel größerer Wirkung war aber seine Reform der Steuererhebung, welche die ungeheure Zahl schmarotzender Zwischenerheber, die von der unglücklichen, wehrlosen Bauernschaft 150 Millionen erpreßte, um davon 30 an den König zu zahlen, ganz bedeutend verminderte. Nur zu oft hatte aber der große Staatsmann mit der leichtfertigen Verschwendung seines königlichen Herrn zu kämpfen, der die Lasten, die Sully soeben von den gebeugten Schultern der Bauern genommen hatte, ihnen durch reiche Schenkungen an seine Geliebten und Günstlinge wieder auflegte.

Unterbrochen wurde dieser Fortschritt, den die Agrikultur und auch das Wohlbefinden des Bauernstandes gemacht hatte, durch den plötzlichen Tod Heinrichs IV. und die dadurch veranlaßte Regentschaft Marias von Medici. Der Feudaladel, dessen Übermut in den letzten zwölf Jahren etwas gedemütigt war, erhob sich wieder in dem vollen Bewußtsein seiner Majorennität und beeilte sich, in einer allgemeinen Plünderung des Landes, das heißt der Bauern, für die so lange geübte Entsagung sich zu entschädigen. In bewaffneten Banden durchzogen die Edelleute halb Frankreich, plünderten und verpraßten, was zu plündern und zu verprassen war, und kehrten dann reich beladen mit den geraubten Schätzen in ihre Raubschlösser zurück. Miron auf den États généraux von 1614, zitiert bei Bonnemère, Histoire des paysans, II, S. 14: »Man hat seit einiger Zeit gesehen, wie eine einzige Gesellschaft bewaffneter Leute fast die Hälfte Frankreichs geplündert hat und wie dann, nachdem sie alles verzehrt hatten, ein jeder nach Hause zurückgekehrt ist, bereichert mit dem Vermögen des armen Volkes, ohne auch nur den Degen gezogen zu haben.« In ergreifenden Worten schilderte auf den Generalständen von 1614, den letzten, die für mehr als anderthalb Jahrhunderte die französische Monarchie einzuberufen für gut fand, Robert Miron das entsetzliche Elend, unter dem der von allen Seiten geplünderte und mißhandelte Bauer lebte: »Man muß dreifaches Erz und einen großen Wall von Diamant um sein Herz haben, um ohne Tränen und Seufzer davon (von der Lage des Volkes auf dem Lande) sprechen zu können. Das arme Volk arbeitet unaufhörlich, ohne seinen Körper oder seine Seele zu schonen, um das gesamte Königreich zu nähren: es bearbeitet die Erde, verbessert sie, beraubt sie ihrer Früchte und benützt, was sie hervorbringt. Es gibt keine Jahreszeit, keinen Monat, keine Woche, keinen Tag, keine Stunde, die nicht unaufhörliche, fleißige Arbeit erforderten. Mit einem Worte, das Volk macht sich zum Diener und gewissermaßen Mittler des Lebens, das Gott uns gegeben und das nur durch die Güter der Erde aufrechterhalten werden kann. Und von seiner Arbeit bleibt ihm nur Schweiß und Elend; was ihm sonst noch bleibt, verwendet es auf die Zahlung der Tailles, der Salzsteuer, der Aides und andere Lasten. Und obschon es nichts hat, so ist es doch noch gezwungen, für andere Personen zu sorgen, die es durch Kommissionen, Requisitionen und andere schlechte, zu sehr geduldete Erfindungen quälen. Es ist ein Wunder, daß es alle diese Forderungen noch zu befriedigen vermag.

»Dies arme Volk, das zum Erbteil allein die Bearbeitung der Erde, die Arbeit seiner Arme und den Schweiß seiner Stirn hat, unterdrückt von der Taille und der Salzsteuer, doppelt besteuert durch die unerbittlichen und barbarischen Requisitionen zahlloser Parteigänger und drei unfruchtbare Jahre, hat man Gras unter den Tieren des Feldes essen sehen; ein Teil desselben, weniger geduldig, ist in Scharen ins Ausland gegangen, sein Heimatland verfluchend, das undankbare, das ihm die Nahrung versagt hat, fliehend vor den Mitbürgern, die mitleidlos zu seiner Unterdrückung beigetragen haben, wenigstens insoweit sie es nicht in seinem Elend unterstützt haben.

»Sire, es sind nicht Insekten oder Würmer, die Eure Gerechtigkeit oder Euer Mitleid erflehen; es ist ein armes Volk, es sind vernünftige Wesen, Kinder, deren Vater, Vormund und Beschützer Sie sind. Leihen Sie Ihre geneigte Hand, um sie von der Knechtschaft zu befreien, unter deren Last sie sich zum Boden beugen. Was würden Sie sagen, Sire, wenn Sie in Ihren Provinzen Guyenne und Auvergne Menschen Gras nach Art der Tiere des Feldes hätten essen sehen! ...

»Ohne die Arbeit des armen Volkes, was nützen der Kirche ihre Zehnten, ihre großen Besitzungen? dem Adel seine schönen Ländereien, seine großen Lehen? dem dritten Stand seine Häuser, Renten und Erbschaften? ... Man muß fürchten, daß aus dem Amboß, der das Volk jetzt ist, es zum Hammer werde.« Rede Mirons in den Etats généraux, XVII, S. 92, zitiert von Bonnemère, Histoire etc., II, S. 14 ff., und teilweise Rankes Werke, IX, S. 144.

Bis ins einzelne finden wir die Übergriffe, Erpressungen und Mißbräuche, die sich der Adel den schutzlosen Bauern gegenüber erlaubte, in den Doléances (Beschwerden) ausgeführt, die die Vertreter des dritten Standes 1614 dem König überreichten. Man weiß, welche Antwort das minorenne Königtum in den Händen der Regentin und des Adels auf die Klagen dieser Cahiers Die Doléances wurden in einem Heft, das Cahier hieß, vereinigt und dann dem König unterbreitet. gab: es schloß den Sitzungssaal und verbot den Deputierten, sich zu versammeln. So blieben denn auch die ganzen Verhandlungen der Generalstände ohne jede Wirkung: Jacques Bonhomme zahlte, diente und duldete weiter.

Richelieus Interesse und Tätigkeit war zu sehr von den Kämpfen mit den Hugenotten, dem Adel und dem Hause Habsburg in Anspruch genommen, als daß er hätte daran denken können, einer Reihe von Ordonnanzen, die er zum Schutze des Bauernstandes gegen die verwilderte Soldateska und die raubsüchtigen Gouverneure usw. erlassen, den nötigen Nachdruck zu geben. Wenn zwar seine Adelspolitik indirekt den Bauern Erleichterung schuf, so hat dagegen seine äußere Politik mit der Teilnahme am Dreißigjährigen Krieg einmal die verwüstenden Raubzüge Johann von Werths und anderer kaiserlicher Heerführer in die vom Kriege noch unberührten Landesteile Frankreichs gezogen, andererseits die Steuerlast infolge der unaufhörlichen Geldbedürfnisse des Krieges so außerordentlich rapide steigen machen, daß die Taille fast auf das Dreifache ihres Betrags unter Heinrich IV. anwuchs. Das wichtigste Legat, das er seinem Nachfolger Mazarin hinterließ, war die vollständige finanzielle Erschöpfung des Landes.

Eine neue Regentschaft – und sofort erhebt sich der Adel, beutegierig und unersättlich wie immer, und die Regentin, Anna von Österreich, wirft, um dies Raubtier bei guter Laune zu halten, ihm alles hin, was seinen Hunger stillen kann: Geld, Privilegien, Monopole, die unglaublichsten, bizarrsten Steuern. La Reine est si bonne (die Königin ist so gut), das ist der Jubelruf, mit dem der Adel diese neue Zeit begrüßt; als das Glückshorn versiegt, beginnt die Fronde und eine Periode für den französischen Bauern, die an Elend nur von der Zeit des hundertjährigen Krieges gegen die englische Invasion (von 1339 bis Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts) übertroffen wird. Die Edelleute, »diese Plünderer von Qualität – genpilhommes nennt sie Rabelais –, denen der Diebstahl und Mord so familiär ist wie Essen und Trinken«, Bonnemère, Histoire des paysans, II, S. 45. machen den letzten Versuch, alle ihre feudalen Rechte, die schon längst in Vergessenheit geraten waren, wie zum Beispiel den »droit de guest et garde« (das Recht auf Wachtdienste durch die Bauern) wiederzubeleben, um sie in dauernde Renten zu verwandeln. Mit offener Gewalt arrondieren sie ihre Domänen auf Kosten des bäuerlichen Besitzes. Gouverneure und Intendanten suchen es ihnen gleichzutun und plündern in rührender Einmütigkeit mit den Steuerpächtern die Provinzen. Sie stellen diesen zur Eintreibung der Taille eine Soldateska zur Verfügung, die ihre Vorbilder im Dreißigjährigen Kriege findet und außer für die Herren von der Finanz auch für sich stiehlt, raubt und plündert. Dies ist die Zeit, in der die Enteignung der bäuerlichen Klasse ihren vergessenen Lauf wieder aufnimmt. H. Doniol, Histoire des classes rurales en France, Paris 1865, S. 389 ff.; Bonnemèsre, Histoire etc., II, S. 36; Feillet, La Misère au temps de la Fronde etc., S. 363 und 364. Die Bauern verlieren ihr Grundeigentum, das sie in kleinen Fetzen während der Regierung Heinrichs IV. und in den ersten Jahren Ludwigs XIII. erworben haben. Wenn sie ihren Verpflichtungen gegen Grundherrn und Fiskus nicht nachzukommen imstande sind, wirft sich die parasitische Bande der Edelleute und Finanziers, da sie kein Geld findet, auf das Land der Bauern, das sie für Spottpreise erwirbt oder noch einfacher mit Gewalt in Beschlag nimmt. Oft genug schlägt ihnen aber der verzweifelnde Jacques Bonhomme noch ein Schnippchen. Er enterbt seine Kinder und schenkt den Rest seines Vermögens, der ihm noch geblieben, einem Kloster, das dafür die Verpflichtung übernimmt, ihn bis zu seinem Tode zu unterhalten. Der reiche Roturier Roturier ist alles, was nicht adlig ist. flieht vor der Taille in die Stadt, hinter deren Mauern er Schutz vor seinen Peinigern und Blutsaugern findet. Aber jede Parzelle, die in die Hände der Klöster oder des Adels oder der geadelten Roturiers, deren Zahl proportional zu dem Geldbedürfnis der Könige gewachsen war, gelangt und damit steuerfrei wird, vermehrt die Steuerlast der umliegenden bäuerlichen Parzellen und beschleunigt so den Expropriationsprozeß. Nicht nur Individuen, ganze Dörfer werden expropriiert; die Gemeindegüter, die Wälder und Weiden werden das Eigentum der Seigneurs. Das ist das bedeutende Resultat dieser Epoche der französischen Geschichte? Für diese Plünderung der Bauern sind die besten Zeugnisse der » Monitoire« und die » Arrêts des Grand-Jours«, siehe Doniol, Histoire etc:, S. 394: Erpressung der Anerkennung von Renten, Zinsen, Fronden und anderen nicht geschuldeten Gebühren; mißbräuchliche Abschätzung des Getreides bei der Verwandlung von Naturalgebühren in Geldabgaben oder willkürliche Herabsetzung des Preises; Einkerkerung der Bauern in den Rittersitzen oder Schlössern ohne richterlichen Beschluß; Erhebung von Gebühren (ohne Rechtstitel vollzogene) aus die Zirkulation von Waren; Aufsummenlassen der schuldigen Renten und Zinsen in den Jahren niedriger Preise, um sie später bei hohen Preisen einzufordern; Erzwingung der Benutzung der Mühle des Schlosses durch die Bauern, obschon ohne Bannrecht, und Konfiskation des Getreides oder Auflage einer Buße für die, welche es nicht taten; Erzwingung des Ankaufs des verdorbenen Getreides des Seigneurs usw., das waren die Vergehen, welche die »Großen Tage« zu strafen hatten.

Bevor wir aber in die Geschichte des französischen Bauern unter Colbert und Ludwig XIV. eintreten, scheint uns hier die Stelle zu sein, in Kürze an unserem Auge die Reihe der wichtigeren Aufstände, in denen sich der über alles Maß gefolterte und gequälte Jacques Bonhomme gegen seine Peiniger erhob, vorüberziehen zu lassen. Jacques, Rustauds, Gautiers, Croquants, Va-nu-pieds, das sind die Spottnamen, mit denen der Adel den französischen Bauern bezeichnete, wenn dieser geduldigste aller Bauern, müde, noch länger die Rolle des Lasttieres zu spielen, sich in Revolten erhob. Der Verlauf dieser Bauernaufstände ist fast stets derselbe. Der überraschte Adel und die Steuerpächter werden überfallen, hingeschlachtet oder aufgehängt; die Schlösser und Steuerstationen verbrannt. Dann nach einiger Zeit schickt der König, Kardinal oder wer sonst die Regierung führt, eine Übermacht Soldaten, der sich die Edelleute rache- und beutegierig anschließen. Es kommt irgendwo zum Treffen; die schlechtbewaffneten Bauernhaufen werden nach mehr oder weniger blutigem Kampfe auseinandergesprengt, und dann beginnt das Hängen und Rädern der aufständischen Bauern, das Niederbrennen ihrer Häuser, das Verwüsten ihrer Felder. Die Pazifikation ist vollendet, und es herrscht wieder Ruhe für etwa ein halbes Jahrhundert.

Nach dem furchtbaren Bauernaufstand, der Jacquerie von 1358, gab es bis ins sechzehnte Jahrhundert hinein keine irgendwie bedeutenderen Unruhen. Erst wieder mit dem großen Bauernkrieg in Deutschland, der auch nach Lothringen hinüberspielte, begann eine neue Reihe von Bauernrevolten, meist durch den unerträglichen Druck der Steuerlast hervorgerufen. So war es die Salzsteuer, die verhaßteste aller Steuern, die die haßerfüllte Phantasie der Bauern nur als Drachen personifizieren konnte, welche im Jahre 1548 einen bedeutenden Aufstand in der Provinz Guyenne veranlaßte. Die Zahl der Aufständischen war im Nu auf 50 000 angeschwollen; Banden von Bauern durchzogen die Provinz; mehrere Städte, unter ihnen Bordeaux, wurden erobert oder schlossen sich der Bewegung freiwillig an. Der Konnetabel von Montmorency, der den Auftrag erhalten, die Empörung zu dämpfen, zeigte sich in seiner ganzen Größe. Bordeaux wurde zurückerobert und dezimiert, die Bauern zu Hunderten gehängt, kurz die gewöhnliche, äußerst einfache Radikalkur angewandt: man zerschmetterte die Empörer und erstickte ihre Klagen über die unerträgliche Steuerlast in ihrem Blute. Vierzig Jahre später, zu Ende der Religionskriege, als sich der Kampf zwischen den beiden Parteien in einen allgemeinen Beute- und Plünderungszug in Frankreich aufgelöst hatte, folgte Bauernrevolte auf Revolte. 1586 erhoben sich die »Gautiers« in der unteren Normandie »aus dem natürlichen Motiv, ihre Güter, Weiber und Kinder gegen die Brigandage und die Brutalität der Soldateska zu verteidigen«. Es gelang, diese gegen die Edelleute gerichtete Bewegung für die Liga zu gewinnen. Durch Verrat fiel der stärkste Haufen der Gautiers in einen Hinterhalt, den ihm der Herzog von Montpensier gelegt hatte, und wurde vernichtet. Nicht besser ging es den aufständischen Landleuten der Bretagne, die sich gleichfalls zur Verteidigung ihres Landes vereinigt hatten. Sie massakrierten alle Edelleute, die ihnen in die Hände fielen, Royalisten und Ligueurs, Kalvinisten wie Katholiken. »Diese Wut«, sagt ein Geschichtschreiber dieses Aufstandes, Morice, »war allen Bauern der Nieder-Bretagne gemein, und ihr Plan war weniger, den Häretikern den Krieg zu machen, als den Adel auszurotten. Dies war ihr fester Entschluß; und wenn sie siegreich von Carhais zurückgekehrt wären, würden sie sich auf die Häuser der Adligen geworfen und alle Edelleute, die ihnen begegnet wären, getötet haben. Es ist nur dies nötig, sagten sie, um in die ganze Welt die Gleichheit zurückzubringen, die sich unter den Menschen finden sollte.« Bonnemère, Histoire etc., I, S. 519. Von größerem Umfang und längerer Dauer war der Aufstand der »Croquants«, der während dreier Jahre, von 1593 bis 1595, die Provinzen Poitou, Saintonge, Limousin, Marche, Perigord, Quercy, in Aufruhr gegen König und Adel brachte. Die Aufständischen erließen eine Proklamation, in der sie alle Gutgesinnten aufforderten, »mit ihnen zusammen den verderblichen Plänen ihrer und des Königs Feinde entgegenzutreten, nämlich den Klauen der Subsidienerfinder, Diebe, Steuerempfänger und Steuerkommis, ihrer Helfer und Anhänger ...« Die Worte »Aux croquants«, nach denen dann die Bauern selbst die Croquants genannt wurden, gaben überall das Signal zum Überfall und zur Ermordung aller Steuererheber, Edelleute, Soldaten, dieses das Volk bis aufs Blut peinigenden Triumvirats. Der Kampf zog sich lange hin. Seine Bedeutung ist sehr klar ausgesprochen in den folgenden Sätzen der Proklamation, die der Adel seinerseits erließ: »... daß die Bauern, indem sie versuchten, sich der Unterwerfung zu entziehen, in die sie Gott befohlen, sich gegen jedes göttliche und menschliche Recht erhoben. Sie beabsichtigen, die Religion dadurch umzustürzen, daß sie die für den Dienst Gottes seit Beginn der Welt angeordneten Zehnten nicht mehr zahlten – und beabsichtigten, die Monarchie umzustürzen und eine Demokratie nach dem Beispiel der Schweizer einzurichten ...« Dies Ziel der Selbständigkeit der Provinzen spielt noch in anderen Aufständen eine Rolle. Wir werden später sehen, daß die Bauern sich mit den äußeren Feinden des Königs, wie Spanien und Holland, in Verbindung setzen, und daß die Erinnerung an die einstige Verbindung der Bretagne und der anderen Provinzen des Nordwestens mit England den Gedanken bei den dortigen Bauern wachruft, sich unter den Schutz dieses Landes zu stellen. Es gelang den königlichen Truppen, den Aufstand der »Croquants« im Limousin und Saintonge niederzuwerfen: im Perigord wurde von dem 40 000 Mann starken Bauernheer ein so nachdrücklicher Widerstand geleistet, daß die Regierung vorzog, mit demselben einen Vertrag abzuschließen und die Rückstände der Taille, die ja doch uneintreibbar waren, den Bauern in Gnaden zu erlassen. Vierzig Jahre lang herrschte nun Ruhe in diesen Provinzen, bis in den Jahren 1636 und 1637 sich wieder genügend Brennstoff angesammelt hatte, um das glimmende Feuer zur hellen Flamme ausbrechen zu machen. Diesmal fanden die aufständischen Bauern der Provinzen Saintonge, Guyenne, Angoumois und Poitou eine Zeitlang die Unterstützung der Spanier. Als aber die Insurrektion sich auf die Städte auszudehnen begann, schickte Richelieu seine Soldaten unter dem Herzog von Lavalette, der die von den Spaniern im Stich gelassenen Bauern überfiel und nach verzweifeltem Widerstand aufrieb. »Die Führer wurden gehängt und diese Brut ganz und gar ausgerottet.« Bonnemère, Histoire etc., II, S. 30. Das war 1636; aber schon im folgenden Jahre überreichten die Stände der Normandie dem König eine Denkschrift, in der sie die furchtbare Lage der Provinz schilderten: das Land von den Soldaten und den Agenten des Fiskus verwüstet, die Gefängnisse mit den Opfern der Gabelle angefüllt, die Dörfer verlassen, die Landleute in den Wäldern flüchtig und Briganten geworden. Auch das Parlament und die städtischen Behörden von Rouen ergriffen die Partei der Bauern gegen die Steuererheber, und so erhoben sich denn von allen Seiten, von den Behörden und der Bourgeoisie der Städte unterstützt, noch einmal die verzweifelnden Bauern und forderten in Plakaten »zur Verteidigung und zur Befreiung des von Parteigängern und Steuererhebern unterdrückten Vaterlandes auf«. Sie gaben ihrem Führer den Namen Jean-va-nu-pieds (Jakob Barfuß), organisierten ihre Streitkräfte und schickten sich an, die Eroberung der Provinzstädte zu unternehmen. Richelieu entschloß sich nun zur energischen Pazifikation des Landes. Er löste zunächst das Parlament von Rouen auf, das ihm zu opponieren gewagt hatte, setzte den Generalleutnant der Provinz, der Sympathien für die Sache der Bauern gezeigt hatte, ebenso wie den Maire und Rat von Rouen ab und schickte 4000 fremde Soldaten, die dem Mitleid weniger zugänglich schienen, »Damit sie für das Mitleid weniger zugänglich wären.« Sismondi, Histoire des Français, XXIII, S. 396. in die Provinz. Die »Blüte des Adels« schloß sich diesem Mord-, Raub- und Plünderungszug in großer Zahl an. Das Ende war das gewöhnliche aller dieser Bauernaufstände. »Die Gefangenen wurden gehängt und die Canaille auseinandergejagt,« sagt Montglat in seinen Memoiren. Leymarie, Histoire des paysans en France, II, S. 632 ff.

Wir treten in das Zeitalter Ludwigs XIV. ein und durchlaufen schnell die Geschichte des französischen Bauern während der Regierung Colberts, um dann ausführlicher den furchtbaren Verfall während der letzten dreißig Jahre des »Königs Sonne« darzustellen. Selbst heute noch ist die von Martin und Clément so schlagend widerlegte Fabel von der Feindschaft und Gleichgültigkeit Colberts gegenüber dem Ackerbau nicht gänzlich aufgegeben worden, während doch schon ein Blick in seine Korrespondenz mit den Intendanten hinreichen sollte, von dem Gegenteil zu überzeugen. Auch Philippson in seinem »Zeitalter Ludwigs XIV.« wärmt diese alte Fabel wieder auf. Tatsächlich müssen die ersten zehn Jahre Colbertscher Verwaltung als die eines rapiden, fast unvergleichlichen Aufschwungs des Ackerbaus und der ländlichen Produktion überhaupt bezeichnet werden, der in großer Ausdehnung der planvollen Tätigkeit des Ministers zugeschrieben werden muß. Er begann sie mit einer weitgehenden Unterdrückung der Steuerbefreiungen. Durch das Reglement über die Tailles von 1663 und das Edikt vom September 1664 wurden alle die Adelsbriefe, die nach 1634 erteilt worden waren, revoziert und damit das Land »von diesem Ungeziefer, das es fortwährend verzehrt« – so nannte er die adels- und steuerfreiheitssüchtige Bourgeoisie –, gereinigt. Übrigens hinderte dies nicht, daß später, als die Finanznot immer größer wurde, wieder periodisch die Adelsbriefe zuerst verkauft und dann für ungültig erklärt wurden. Es ist dies ein alter Finanzstreich der französischen Könige, der aber ganz besonders häufig, ebenso wie die Umschmelzung der Münzen, wiederholte Ablösung einer und derselben Steuer usw., von dem »stolzen König Sonne« angewandt wurde. Auch auf diese erlauchte Person kann man das Wort anwenden, daß es kaum einen Paragraphen der allerdings nur für gewöhnliche Sterbliche, nicht aber für Sonnenkönige bestimmten Strafgesetzbücher gegeben, den er nicht in flagranter Weise übertreten hätte. Soweit wie möglich suchte er die Härten bei der Erhebung der Taille zu lindern, ohne allerdings den Versuch zu machen, den ganzen Erhebungsmodus derselben von Grund aus umzugestalten. Von größerer Bedeutung war die Befreiung der bäuerlichen Kommunen von den sie erdrückenden Schulden, ihre Wiedereinsetzung in die ihnen widerrechtlich und mit Gewalt von den Edelleuten geraubten Gemeindeländereien und -weiden, der Schutz der Viehzucht durch das Verbot, das Vieh des Bauern für Steuerrückstände zu pfänden und zu verkaufen. Mit unerbittlicher Energie trat Colbert den Diebstählen öffentlicher Fonds sowie anderen Ausschreitungen der Gutsherren entgegen. Überhaupt beweist eine ganze Reihe von Erlassen, Denkschriften, Versuchen, was für ein zielbewußter Gegner der Feudalität, insbesondere auch ihrer Herrschaft auf dem flachen Lande, er war. So annullierte er die Schenkungen von Gütern an Klöster, in deren Händen sich ein stetig wachsender Grundbesitz ansammelte; ließ ein neues Gesetzbuch entwerfen, in dem unter anderem die totale Aufhebung aller persönlichen wie reellen Hörigkeit und die zwangsweise Ablösung der gutsherrlichen Renten als Rechtssätze ausgesprochen waren, und schuf ein neues Hypothekenrecht mit dem leitenden Gedanken, den Grundbesitz aus den Fesseln der Feudalität zu lösen und ihm Warencharakter zu erteilen. Seine Fürsorge für den bäuerlichen Grundbesitz tritt ebenso klar in einer strengen Reglementierung der Jagd und in den die »Colombiers« betreffenden Edikten hervor. Die reichen Roturiers hatten sich nämlich in der Provence das Recht angemaßt, wie die adligen Herren Taubenzucht zu treiben, und die zahllosen Taubenschwärme waren zu einer furchtbaren Landplage ausgeartet, die besonders wieder den Bauern traf. Colbert trat diesem Treiben aufs energischste entgegen, aber nicht aus dem Grunde – das beweist sein langer Briefwechsel mit dem Intendanten der Provinz –, weil die Roturiers sich die Vorrechte des Adels angemaßt hätten, sondern weil unter dieser Großherrenlaune das Gemeinwohl, insbesondere die Bauernschaft, außerordentlich viel zu leiden hatte. Ein entschiedener Erfolg war die Frucht dieser vielseitigen Tätigkeit. Trotz einiger schlechten Jahre nahm der Wohlstand der Bauern rasch zu. Gegen Ende der sechziger Jahre war der Viehstand so an Zahl gewachsen, daß die nicht unbedeutenden Importe vom Ausland vollständig aufgehört hatten und ein kleiner Export an ihre Stelle getreten war. Und der beste Beweis: die Bauern beginnen langsam einen Teil der während der Fronde von ihnen verlorenen Ländereien wieder zurückzukaufen. Über die Colbertsche Verwaltung siehe Martin, Histoire de France, XIII, Buch 79; Doniol, Histoire etc., S. 399 ff., und besonders die Werke von Clément. So war die Lage des Bauernstandes am Ende der ersten zehn Jahre Colbertscher Verwaltung, während derer er als unumschränkter Herr die Verwaltung Frankreichs leitete. In der Hauptsache ist seine Tätigkeit für die Bauernschaft durch zwei Gründe bestimmt. Einmal galt es, aus Rücksichten der Finanzpolitik das wichtigste Steuerobjekt des Königtums, den Bauern, auch steuerfähig zu machen, die Henne, welche die goldenen Eier legte, auch zu erhalten; eine ganze Zahl seiner Erlasse dient diesem Zweck. Colbert war aber zugleich der Geschäftsführer der sich entwickelnden modernen Industrie, der Vertreter der neuen Klasse von Unternehmern, Großkaufleuten usw., die im schärfsten Gegensatz zum alten Adel stand. In dem Kampfe, den er in ihrem Interesse gegen diesen und gegen das feudale Gesellschaftssystem führte, sah er in dem von den Lasten der Hörigkeit befreiten Bauern, dem alten Feind der Seigneurs, einen wichtigen und festen Stützpunkt. Gegen Anfang der siebziger Jahre begann aber der Kampf zwischen Colbert und Louvois um die Alleinherrschaft, aus dem der letztere als Sieger hervorgehen sollte. Dieser verstand es, Ludwig XIV. durch kluge Benutzung seines Cäsarenwahnsinns in die Bahn einer Kriegspolitik zu lenken, durch die das mühselige Werk Colberts zerstört, aber Louvois' Allmacht begründet ward. Damit setzte langsam der von Colbert bis zu seinem Tode rastlos bekämpfte, unter seinen unfähigen Nachfolgern dann rapide hereinbrechende totale Ruin Frankreichs ein. Schon 1673 sah sich Colbert gezwungen, zu einer Erhöhung der Taille, der Salzsteuern, der Zölle, kurz aller fiskalischen Leistungen seine Zuflucht zu nehmen und im folgenden Jahre dasselbe Spiel zu wiederholen. Die Taille, an deren Herabsetzung er so lange gearbeitet hatte, Sie sank von 42 028 096 Livre im Jahre 1661 auf 33 845 797 Livre im Jahre 1671 und stieg auch während der Kriege gegen Holland nie über 40 Millionen. Noch 1683 schreibt Colbert in seinem Mémoire über die Finanzen, abgedruckt bei Forbonnais, I, S. 564: »Wenn Seine Majestät sich entschlösse, ihre Ausgaben zu vermindern, und früge, worin man ihrem Volke Hilfe gewähren könnte, würde meine Ansicht sein: 1. die Tailles zu vermindern und sie in drei oder vier Jahren auf 25 Millionen herabzubringen ...« Zitiert bei Bonnemère, Histoire etc., II, S. 104. wuchs in diesen beiden Jahren von 33 auf 41 Millionen, und die Finanznot zwang zur Wiedereinführung der schon von Mazarin geschaffenen, dann unterdrückten Stempelgebühren. Kein Wunder, daß dieser so schnell wachsende Steuerdruck schon 1675 zu einem furchtbaren Aufstand in der Bretagne führte, in dem sich nicht nur die Bauern, sondern auch die Bourgeoisie verschiedener Städte gegen die Regierung erhoben. Schlag auf Schlag waren hier die Stempelsteuern wieder eingeführt, obwohl die Stände dieselben das Jahr vorher durch ein doppeltes » don gratuit« (freiwilliges Geschenk) abgelöst hatten, die Steuern auf Tabak und Salz erhöht und die alten feudalen » lods et ventes« (die Abgaben bei Besitzveränderungen) wieder eingeführt worden. Im Zusammenhang damit wurden alle Leistungen, die nach dem Gewohnheitsrecht auf dem Bauern lasteten, aufs strengste erhoben und auf jede Art und Weise eingetrieben. Den alten stets wiederkehrenden Leiden entsprach der alte Schlachtruf der Aufständischen. Das Joch des Adels und der Steuern abzuschütteln und sich von den Leistungen, die von ihm erhoben worden, zu befreien, war das natürliche Ziel der Bewegung.

In einem » Code paisant« (Bauern-Kodex) wurde die Befreiung der Arbeit und die Konsolidierung der Pachten gefordert. Das Poitou, das Bordelais, selbst die Dauphiné schlossen sich dem Aufstand an. Wie vor mehr als hundert Jahren, so war auch jetzt Bordeaux ein Zentrum desselben, von dem aus man Verhandlungen mit den Holländern zwecks Hilfeleistung anknüpfte. Ludwig XIV., durch seine auswärtigen Kriege anderweitig in Anspruch genommen, sah sich zu Verhandlungen, ja zum Erlaß einer Amnestie gezwungen, die aber, da man ihm mit Recht mißtraute, ohne Erfolg vorüberging. Dem Aufstand fehlte es jedoch ebensosehr an innerer Kraft wie an einem Ziele, denn trotz der Verhandlungen mit auswärtigen Mächten kann die Selbständigkeit der Provinzen nicht als solches bezeichnet werden. So konnte denn der König durch das Warten, zu dem er gezwungen war, nur gewinnen. Sobald ihm der auswärtige Krieg es möglich machte, größere Truppenmassen zu entbehren, schickte er diese in die aufständischen Provinzen und vernichtete in kurzer Zeit die aufständischen Haufen. Dem Siege der Truppen folgten die bekannten Szenen.

Mit dem Tode Colberts beginnt die Periode, die Voltaire so kurz und treffend mit dem einen Satze charakterisiert hat: »Man starb vor Hunger beim Schalle des Te Deum!« »Man«, das war die große Masse des »peuple menu« (gemeinen Volkes), der Bauer in erster Linie. Er hatte auf seiner Via dolorosa in den letzten fünfundzwanzig Jahren der glorreichen Regierung Ludwigs XIV. die grausamste Station, die der Agonie des Kreuzigungstodes erreicht. Nach dem Frieden von Nymwegen hatte Colbert noch vier Jahre lang vergeblich gegen die unaufhaltsame Verringerung der Einnahmen und die ebenso unaufhaltsame Steigerung der Ausgaben gekämpft; der König wies jede Mahnung zur Sparsamkeit mit den Worten zurück: Meine Ausgaben sind alle notwendig! Seine Nachfolger gaben die von ihm befolgte Politik nach und nach vollständig auf. Die schlechtesten Finanzpraktiken, Schaffung und Verkauf neuer Ämter und Adelsbriefe, Münzverschlechterungen usw. folgten einander als die einzigen Mittel ratloser Finanzminister. Schon 1685, wo man die Taille um ein Elftel erhöht und eine Unzahl neuer, die Steuerfreiheit nach sich ziehender Ämter geschaffen hatte, kehrte die Landbevölkerung zur Bandenbettelei, wie in den Zeiten der Fronde und Fouquets, zurück. Die schweren Verluste, die die bigotte religiöse Politik und die Auswanderung der Hugenotten, der Repräsentanten des französischen Gewerbefleißes, dem Wohlstand des Landes schlugen, wirkten mit voller Wucht auf den Ackerbau zurück. Dazu kam, daß mit dem wachsenden Alter des Königs der Adel mehr und mehr die ihm teilweise verlorengegangene Herrschaft zurückeroberte und seine durch alten Brauch geheiligte Bauernpolitik, die auf dem Satze beruhte, daß man den Bauern vernichten (ècraser) müsse, um ihn gelehrig und unterwürfig zu halten, wieder zur leitenden wurde. Es war von jeher die tiefinnerlichste Überzeugung Ludwigs XIV. gewesen, daß die arbeitenden Klassen, insbesondere die bäuerlichen, von Gott dazu bestimmt seien, den anderen Klassen, das heißt dem Adel und Klerus als Leibeigene zu dienen. Die absolute Monarchie, die in dem Kampfe gegen den Feudalismus sich stets auf die aufstrebenden Klassen des Bürgertums gestützt hatte, deren glänzendste Zeit unter Ludwig XIV. gleichfalls dieser von Colbert zähe verfolgten Politik gedankt war, hat ihre Vergangenheit vergessen: anstatt den Kampf gegen die Privilegien fortzusetzen, schafft sie mit verschwenderischer Hand unzählige neue, verstärkt sie die Macht der beiden Klassen, deren zügellose Erpressung ihren Untergang zum guten Teil heraufbringen wird, und handhabt sie in ihrem Ausbeutungsinteresse die ganze ungeheure Maschinerie eines modernen zentralen Staates. Diese kleine Zahl von Leuten, deren Reichtum auf Kosten des ganzen Landes unaufhörlich wächst, vollendet den Ruin des Ackerbaus durch den Luxus, in dem sie die den Bauern abgepreßten Summen sinnlos verpraßt, ohne je daran zu denken, einen Teil derselben in Meliorationen anzulegen. Über diesen Absentismus und seine Folgen siehe Du Cellier, Histoire etc., S. 254 ff.: Die Ländereien sahen niemals die auf ihnen erhobenen Renten zu sich zurückkehren. Erpressung und Elend erzeugen sich gegenseitig. Man bemüht sich, arm zu erscheinen, um nicht die Beute habsüchtiger Steuerpächter zu werden, und um arm erscheinen zu können, beschränkt man sich auf die zur elendesten Subsistenz notwendige Arbeit. Vauban, Projet d'une dixme royale 1707, S. 30: »Der Stärkste unterdrückt stets den Schwächeren; und die Dinge sind so weit gediehen, daß derjenige, der sich des von ihm besessenen Talents, eine Kunst oder ein Gewerbe auszuüben, bedienen könnte, das ihn und seine Familie instand setzen würde, etwas besser zu leben, es vorzieht, zu verbleiben wie er ist, ohne etwas zu tun, und daß derjenige, der ein oder zwei Kühe und einige Hammel und Schafe mehr sich halten könnte, mit denen er imstande wäre, seine Pachtung oder sein Land zu verbessern, gezwungen ist, dies zu unterlassen, um nicht von der Taille im folgenden Jahr erdrückt zu werden, wie er es ohne Zweifel werden würde, wenn er etwas verdiente und man sähe, daß seine Ernte reicher als gewöhnlich ist. Aus diesem Grunde lebt er und seine Familie nicht nur sehr ärmlich und geht fast ganz nackt, das heißt verzehrt nur sehr wenig, sondern er läßt sogar das Stückchen Land, das er hat, zugrunde gehen, indem er es nur zur Hälfte bearbeitet, aus Furcht, daß man, wenn es den Ertrag liefert, den es wohl gedüngt und kultiviert liefern könnte, die Gelegenheit benutzen würde, ihn in doppelter Höhe zur Taille zu veranlagen.« Anderseits treibt das entweder erheuchelte oder reelle Elend die Steuerpächter dazu, bei der Eintreibung der verschiedenen Steuern jedes Mittel der Erpressung anzuwenden, um die nötigen Summen irgendwie aus der Armut der Bauern herauszuquetschen. So wurde denn der Ackerbauer auf jede Weise, auf die sinnloseste, sofern sie nur für den Augenblick Ertrag brachte, von Grund aus ruiniert: war er Eigentümer, traf ihn der Ruin direkt; war er Pächter, ließen ihn die stetig wachsenden Steuern am Ende seiner Pacht ohne Profit; war er Halbpächter, machten sie sein Naturaleinkommen schwinden; war er Tagarbeiter, ruinierte ihn der Mangel an Arbeit. Wie sinnlos die Finanzpolitik gegenüber dem Bauernstand war, dafür nur einige Beispiele. Um aus den Stempelsteuern mehr Geld zu ziehen, verbot man, die Pachten auf mehr als neun Jahre abzuschließen, das heißt man verbot den Pächtern, sich auf ihrer Pacht festzusetzen und durch Ameliorationen den Reinertrag zu steigern. Forbonnais, II, S. 63. Dagegen hob man das Colbertsche Verbot, das Vieh und die Ackerwerkzeuge für Steuerrückstände zu subhastieren, wieder auf und überlieferte den Bauern an Händen und Füßen gebunden den Steuereintreibern, die seine Hütte einrissen, um das Holz und Eisen zu verkaufen. Unter dem Vorwand, daß die Landgeistlichen bei der Führung der Zivilregister die gesetzlichen Vorschriften nicht genau innehielten, schuf man neue Ämter mit der Aufgabe, Register über die Taufen, Ehen und Begräbnisse zu führen, und stattete dieselben mit den nötigen Sporteln aus. Für weniger als 400 000 Livre verkaufte man sie dann an eine Gesellschaft, so daß »man im ganzen Königreich die Gefälleerheber ihre profanen Hände sogar an die heiligen Sakramente legen sah«. Im Perigord und Quercy, tauften infolgedessen die Bauern, um der Steuer zu entgehen, ihre Kinder selbst und heirateten ohne jede Formalität. Verfolgt von der die Steuer ausbeutenden Kompanie, leisteten sie Widerstand, und eine Revolte brach los. Banden von Bauern durchzogen das Land, zwangen mehrere Edelleute, sich an ihre Spitze zu stellen, und eroberten im Sturme die Stadt Cahors. Der Staatsrat blieb den Klagen der Steuerbeamten gegenüber taub und weigerte sich, einzuschreiten, obschon er die Pachtsumme erhalten hatte, nahm aber auch das Edikt nicht zurück. Bailly, Histoire financière de la France, Paris 1830, II, S. 10/11.

Wiederum sieht sich der Bauer, um seine Steuer und Schulden zu bezahlen, gezwungen, seinen Grundbesitz herzugeben, und sinkt in den Zustand des Lohnarbeiters oder Halbpächters zurück. In den Schriften Vaubans und Boisguilleberts erscheint er nur als manoeuvre oder métayer, deren Arbeit von großen Pachtunternehmern ausgebeutet wird. Beide erwähnen noch als die Folge dieser Enteignung des Bauern die außerordentliche Abnahme der kultivierten Oberfläche und des Ertrages. Vergl. Doniol, Histoire etc., S. 428 bis 434.

Diese Finanzpolitik war unmittelbar veranlaßt durch die ungeheuren Anforderungen, die die unaufhörlichen Kriege an die Staatskasse stellten. Von 1689 bis 1697 der Koalitionskrieg, von 1701 bis 1714 der spanische Erbfolgekrieg, zugleich mit diesem 1702 bis 1705 der Krieg gegen die Kamisarden, der mit der furchtbaren Verwüstung des Languedoc endigte. 1692 und 1693 waren außerordentlich schlechte Ernten, dafür wurde 1695 die Kopfsteuer eingeführt. In den Jahren 1693 und 1694 wütete eine furchtbare Hungersnot in der Generalität von Alençon, so daß die Bevölkerung ganz bedeutend abnahm. Seit 1691 befand sich das Limousin in furchtbarer Not; das Getreide, die Weinstöcke, die Kastanienbäume waren erfroren; die Einwohner verkauften ihr Vieh und ihre Möbel, um nicht zu verhungern. Im Januar 1692 zählte der Intendant dieser Provinz mehr als 70 000 Personen, die zum Bettel gezwungen waren. Da die Hungersnot andauerte, starb im folgenden Jahre fast ein Drittel der Bevölkerung: 1694 lebten die Landleute vielerorts von einem Brote, das aus gemahlenen Weintraubenkernen und Farnwurzeln bestand. 1698 war Flandern auf ein Zehntel seiner ursprünglichen Bevölkerung reduziert, wovon der fünfte Teil von Almosen lebte. Nach Berichten des Intendanten an den Generalkontrolleur; siehe Levasseur, La population française, I, S. 196 ff. 1709 begann der Einmarsch der Verbündeten nach Frankreich und damit die Plünderung der Provinzen durch Feind und Freund. Die französische Armee ohne Sold lebte von Plünderung und Konterbande. In Banden von 200 bis 300 durchzogen die Soldaten die Normandie, Pikardie, Anjou, Orleanais und verkauften öffentlich das Salz, das sie aus den königlichen Salzmagazinen geraubt hatten. Bailly, Histoire etc., II, S. 23. Strenge Winter, lange Trockenheit, Überschwemmungen, alle Plagen vereinigten sich in den letzten Jahren der Regierungszeit Ludwigs XIV. Der Winter von 1709 war besonders streng. Die Provence verlor ihre Orangen- und Olivenbäume; der Weinstock ging überall zugrunde; die Wintersaaten erfroren. Der verzweifelnde Bauer säte Gerste, obschon ihn die Polizei daran zu hindern versuchte, und rettete das Land vor einer entsetzlichen Hungersnot durch sein Gerstenbrot. An vielen Orten zerrieb man die Aronswurzel, Quecken, Steckrüben und Asphodel und backte daraus eine Art Brot; an anderen aß der Bauer, nachdem man ihm das bißchen, das er geerntet, verkauft hatte, um damit seine Steuern zu bezahlen, das Gras, das ihm die schon längst verzehrten Tiere nicht mehr streitig machen konnten. Bonnemère, Histoire etc., II, S. 144. Nach dem Winter kam die Hungersnot, nach Winter und Hungersnot die Überschwemmungen, die besonders im Tale der Loire die Not auf eine schwindelnde Höhe trieben; und voll machte das Maß der Not noch der von der Finanz mit Unterstützung der Staatsmaschinerie betriebene Kornwucher. Ganz Frankreich starb vor Hunger; große Länderstriche lagen wüst, große Farmen standen leer, so daß durch Ordonnanzen vom 11. Juni 1709, Januar und Oktober 1713, 16. Januar 1714 und 6. Dezember 1717 es jedem Bauern erlaubt wurde, zu seinem ganzen und ausschließlichen Vorteile die infolge des Todes, der Flucht oder des Ruins der alten Besitzer unbebaut gelassenen Ländereien zu verwerten. Ebenda, S. 151.

Wir sind so glücklich, eine große Zahl von Schilderungen der Lage Frankreichs überhaupt und besonders des französischen Bauernstandes zu Ende des siebzehnten und zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts zu besitzen, aus deren reichem Schatze wir einige herausgreifen wollen, um damit unsere kurze Geschichte des französischen Bauern abzuschließen. Außer den Büchern unabhängiger Schriftsteller, die aber wie Vauban und Boisguillebert durchaus keine Feinde der Monarchie sind, heben wir noch die von den Intendanten auf Veranlassung des Herzogs von Bourgogne gelieferten Berichte über die Provinzen des Reiches hervor, die, trotzdem sie sicher nicht in grau und grau gemalt, sondern eher etwas schönfärberisch gehalten sind, ein furchtbares Bild enthüllen. Der Graf von Boulainsvilliers hat die Berichte der Intendanten in dem Werke: État de la France. Extraits des mémoires dressez par les Intendants du Royaume par l'ordre du roi Louis XIV. verarbeitet. Ich habe die Londoner Ausgabe von 1727 bis 1728 benutzt.

»Ich habe sehr wohl bemerkt,« sagt Vauban, »daß in der letzten Zeit fast ein Zehntel des Volks an den Bettelstab gebracht ist und tatsächlich bettelt; daß von den übrigen neun Zehnteln fünf nicht imstande sind, jenes mit Almosen zu unterstützen, da sie sich beinahe in derselben Lage befinden; daß von den vier anderen Teilen, die noch übrigbleiben, es dreien sehr schlecht geht, und daß sie mit Schulden und Prozessen überhäuft sind.« Vauban, Projet etc., S. 4. Es ist natürlich das gemeine Volk ( le menu peuple), das am meisten ruiniert und elend ist, obschon es durch seine Zahl und die wirklichen Dienste, die es leistet, der wichtigste Teil der Bevölkerung ist! Es trägt alle Lasten und hat immer am meisten gelitten und leidet noch am meisten. Ebenda, S. 18. Vauban gibt uns auch einige bestimmte Zahlen über ein Arbeiterbudget, die wohl der Erwähnung wert sind. Er rechnet die Arbeitszeit des Jahres auf 180 Tage und den Tagelohn eines ländlichen Arbeiters auf 9 Sol, angeblich zu hoch, da 8 Sol der Wahrheit näher kommen würden. Um eine Familie von vier Köpfen zu erhalten, würde der Arbeiter auf Getreide 60 Livre zu verwenden haben, so daß nach Abzug dieses Betrages, sowie von 14 Livre 16 Sol Steuern ihm noch 15 Livre 4 Sol zur Bestreitung von Miete und Reparaturen, Wäsche, Hausgerät und dergleichen übrigbleiben. Wenn er also keine Kuh, Ziege, kein Schwein und Geflügel hielte, seine Frau und er selbst nicht noch durch Weben und andere industrielle Arbeit etwas hinzuverdienten, würde er auf jeden Speck, auf Butter und Öl zu verzichten haben. Aber auch im günstigeren Falle wäre seine Existenz ohne die Kultur eines kleinen Stückchen Landes kaum möglich. Vauban, Projet etc., S. 97. Eine ähnliche Schilderung von der verzweifelten Lage Frankreichs, insbesondere auch seines Bauernstandes, entwarf schon 1690 Jurieu in seinem Buch » Les soupirs de la France esclave qui aspire après la liberté« (Amsterdam). »Das Königreich hat so abgenommen, daß man darin ein Viertel oder ein Drittel weniger Einwohner findet als fünfzig Jahre früher. Mit Ausnahme von Paris, wohin jedermann wie in ein Asyl sich flüchtet; und das deshalb alle Tage zunimmt, haben die Städte die Hälfte ihrer Reichtümer und ihrer Einwohner verloren ... Der Bauer lebt auf die miserabelste Weise von der Welt; sie sind daher auch dunkel und braun von der Sonne gebrannt wie die Sklaven Afrikas, und alles, was man bei ihnen findet, spricht die Sprache des Elends.« Les soupirs de la France esclave qui aspire après la liberté, Amsterdam 1690, S. 23. Drei Jahre später erhält Ludwig XIV. einen anonymen, dem Erzbischof von Cambrai, Fénélon, zugeschriebenen Brief, in dem, natürlich ohne Erfolg, dem König ein wahres Bild des Zustandes seines Volkes gegeben wurde. »Euer Volk stirbt vor Hunger; die Kultur der Ländereien ist fast aufgegeben; die Städte und das Land entvölkern sich ... Ganz Frankreich ist nur ein ungeheures, verödetes Hospital ohne Lebensmittel; das Volk, das Euch (den König) so sehr geliebt hat, beginnt die Freundschaft, das Zutrauen, ja die Achtung Euch gegenüber zu verlieren. Die Volksbewegungen, die seit langem unbekannt waren, beginnen häufig zu werden ... Ihr seid jetzt in die bejammernswerte, äußerste Lage gebracht worden, entweder die Empörung unbestraft oder Euer Volk massakrieren zu lassen, das Ihr zur Verzweiflung gebracht habt und ... das alle Tage an Hungerkrankheiten dahinstirbt.« So ungehört diese Worte verhallen, so wenig können die Berichte der Intendanten den vom Cäsarenwahnsinn besessenen König von neuen Kriegen abhalten. Es wäre ein leichtes, aus diesen in Boulainvilliers' Folianten uns erhaltenen Berichten solche Schilderungen des bäuerlichen Elends hier zusammenzubringen, doch mögen einige Auszüge für uns genügen. Längere Auszüge findet man bei Bonnemère, Histoire etc., II, S. 120 bis 127; Bonnemère, La France sous Louis XIV., II, S. 272 bis 294; Martin, Histoire de France, XIV, Buch 89 und anderen. »Der Bauer, fahl, schwarz und fast immer schmutzig, arbeitsam und haushälterisch, lebt von Gerste mit Weizen und Roggen gemischt oder von Buchweizen. Er trinkt Wasser, selbst die Weinbauern mischen ihren Wein mit Wasser. Er schläft mit seinem Vieh zusammen, um dessen Wärme zu benutzen.« »Der Mangel an Nahrung ruiniert die Rasse; denn das Elend der Landleute ist so groß, daß die Kinder kränklich, schwach und kurzlebig auf die Welt kommen, da die Nahrungsmittel fehlen, die einen guten Nachwuchs sichern.« »Es gibt nichts dem Wilde Ähnlicheres als dies Landvolk. Oft findet man Scharen von ihm mitten in beackertem Lande und stets weitab von den Wegen im Kreis sitzen; sobald man sich aber ihnen nähert, zerstreut sich die Bande sofort.« Den treffendsten Ausdruck für dies scheue, tierähnliche Wesen des Bauern hat La Bruyère in seinen Caractères gefunden. »Man sieht«, heißt es da, »wilde Tiere, männliche und weibliche, über das Land hin verbreitet, schwarz, fahl und ganz von der Sonne verbrannt; an die Erde geheftet, die sie mit einer unbesieglichen Hartnäckigkeit bearbeiten; sie haben etwas wie eine artikulierte Stimme, und wenn sie sich auf ihren Füßen erheben, zeigen sie ein menschliches Gesicht – und in der Tat, es sind Menschen; des Nachts ziehen sie sich in Höhlen zurück, wo sie von schwarzem Brot, Wasser und Wurzeln leben; sie ersparen den anderen Menschen die Mühe, zu säen, zu arbeiten und zu sammeln, um zu leben, und verdienen also nicht, des Brotes, das sie gesät haben, zu entbehren.« La Bruyère, Les caractères de Théophraste, Paris 1688 ch. de l'homme.

2. Die Landgeistlichkeit.

Ich habe schon an anderer Stelle die tiefe Kluft erwähnt, die sich allmählich zwischen dem Bauernstand und den übrigen Teilen der Bevölkerung herausbildete und von Jahrhundert zu Jahrhundert vertiefte. Die einzige Klasse, welche eine Art Verbindung zwischen den beiden herstellte, die Landgeistlichkeit, war zur Ohnmacht verdammt worden und war, anstatt die intellektuelle und moralische Hebung des Bauern zu bewirken, selbst auf sein Niveau herab – und damit in dieselbe Isoliertheit versunken. Die Zeit der Regentschaft Annas von Österreich und der Fronde war auch für sie von der verhängnisvollsten Wirkung geworden. Aus ihren Wohnstätten vertrieben, verwandelten sich die Geistlichen ( curés) in Vagabunden, die bettelnd und plündernd durchs Land zogen und, um nicht auf den Landstraßen Hungers zu sterben, Spionendienste bei allen Parteien verrichteten und alle in gleicher Weise verrieten. Alle Erlasse der kirchlichen Behörden fruchteten nichts. Die Achtung vor dem Priesterstand schwand in einer solchen Weise, daß es bei einem Geistlichen vom Stande für eine Beleidigung galt, ihn prêtre zu nennen. Trunk und Unzucht waren die Lieblingsbeschäftigungen der niederen Geistlichkeit, deren Verkommenheit eine ganz ungeheure war. Bonnemère, La France etc., II, S. 2 bis 4; siehe auch Mémoires de Fléchier sur les Grand-Jours d'Auvergne en 1665, Paris 1856, S. 84, 111 bis 114. Diese Entwicklung hatte nichts Außerordentliches an sich, sie war die natürliche Folge einer schon seit lange betriebenen Kirchenpolitik, deren wesentlicher Zug die Herrschaft des Adels war. Seitdem man für die höheren geistlichen Würden die adlige Geburt zur Bedingung gemacht und damit in den Klerus die Scheidung zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, zwischen Privilegierten und Unterdrückten hineingetragen hatte, waren die Dörfer das Erbteil der Geistlichen niederer, meist bäuerlicher Abstammung geworden. In den meisten Fällen gehörten die Einkünfte der Pfarrstelle irgendeinem geistlichen Würdenträger, der seinen Landgeistlichen einen Teil derselben, der eben hinreichte, sie vor dem Verhungern zu schützen, unter dem Namen portion congrue überließ. Unterdrückt, ausgebeutet, schlecht bezahlt, im Umgang mit den Bauern verroht und verkommen, waren die Landgeistlichen die unterwürfigen Sklaven ihrer Bischöfe, in deren Taschen die ungeheuren Reichtümer Der Klerus besaß zur Zeit Ludwigs XIV. ungefähr ein Fünftel des Grundbesitzes in Frankreich und ein jährliches Einkommen von 130 Millionen Livre, das sich aus Zehnten, Almosen, Kultusabgaben, Dispensgeldern, Stiftungen zusammensetzte. des Kirchenbesitzes flossen. »Die Priester ( prêtres) sind die Sklaven ihrer Bischöfe. Es gibt nichts so Elendes, so Verworfenes und so Niedergetretenes wie die niedere Geistlichkeit. Während der Bischof ein Grand Seigneur ist und einen skandalösen Aufwand in Hunden, Pferden, Möbeln, Dienern, Tafelluxus, Equipagen macht, haben die Geistlichen seiner Diözese nicht, wovon sie sich eine Soutane kaufen sollen. Die Bischöfe behandeln ihre Priester wie Stallknechte.« Les soupirs de la France etc., S. 48. Diese Knechtschaft der niederen Geistlichen vollendete ein Erlaß Ludwigs XVI., der sie für » destituables par leurs Evêques ad nutum« erklärte, das heißt ein Bischof versetzt, verjagt, verbannt einen Geistlichen, wenn es ihm gefällt, ohne einen anderen Grund als seinen Willen und seine Laune – car tel est notre plaisir. Les soupirs etc., S. 49.

Kein Wunder, daß Landgeistliche wie der, von dem uns Fléchier erzählt, sehr selten waren. Dieser gute Geistliche aus der Auvergne hatte in seinen Predigten den König und seine Minister angegriffen. »Er hatte sehr ernsthaft seinen Pfarrkindern gesagt, Frankreich sei schlecht regiert; es sei ein tyrannisches Königreich; er habe in einem alten Buche, welches über die römische Republik berichte, so schöne Sachen gelesen, daß er es für das beste hielte, unabhängig zu leben, ohne Steuer zu bezahlen; das Volk sei niemals mehr gepeinigt worden, und mehrere andere, außerordentlich erbauliche Sachen, die ihm, wie seinen rohen Zuhörern, angenehmer erschienen als das Evangelium. Dies kleine Volk fand die Predigt an dem Tage sehr vernünftig und hielt den Gedanken, zu leben, ohne Steuern zu zahlen, für eine große Wahrheit, und alle waren der Ansicht, daß der Geistliche an dem Tage so gut gepredigt, daß er sich selbst übertroffen hätte.« Mémoires de Fléchier sur les Grand-Jours en 1665, S. 194 und 195. Fléchier fügt noch hinzu, daß der » bon curé« auch noch Gottlosigkeiten und Blasphemien ausgestoßen, kurz Himmel und Erde angegriffen hätte, wofür er dann gebührend mit einem Jahr Verbannung bestraft worden sei. So kühn in seinen Äußerungen war der Landpfarrer nicht, mit dessen Kommunismus wir uns jetzt ausführlicher zu beschäftigen haben, obschon er den Auvergnaten ohne Zweifel an Kühnheit des Gedankens übertroffen haben wird.


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